20 LW-Schriftenreihe 2015 Beitrag 2 Die Sanierung der Fassung 1 der Landeswasserversorgung nach 100 Jahren Betrieb Dipl.-Ing. Rainer Scheck Kurzfassung Die Fassung 1 ist die ergiebigste und wichtigste Grundwasserfassung der Landeswasserversorgung. Nach fast 100 Jahren Förderbetrieb mussten die Brunnen und die Heberleitung der Fassung 1 im Donauried vollständig erneuert werden. Auf der Grundlage mehrjähriger, umfangreicher Voruntersuchungen wurden in den Jahren 2011 bis 2013 in 3 Bauabschnitten insgesamt 43 Vertikalbrunnen im verrohrten Greiferbohrverfahren saniert. Die alten, mit Stahlfiltern ausgebauten Brunnen wurden überbohrt, die Ausbaumaterialien entfernt und die Bohrungen mit neuen Edelstahl-Wickeldrahtfiltern und einer einfachen Quarzkiesschüttung ausgebaut. Um eine gleichmäßigere Bewirtschaftung der Brunnen im Normalbetrieb und eine Sicherung der Wassergewinnung in wasserwirtschaftlich ungünstigen Zeiten zu gewährleisten, wurden die beiden ebenfalls fast 100 Jahre alten Heberleitungen aus Grauguss ausgebaut und durch drei neue, größer dimensionierte Stahlleitungen ersetzt. Summary Catchment 1 is the most productive and important groundwater catchment of the Landeswasserversorgung (LW). After nearly 100 years of supply operation, the wells and the siphon system from catchment 1 had to be completely renewed in the Donauried area. On the basis of several years of extensive investigations, a total of 43 vertical wells were restored using the grab drilling process in 3 construction phases from 2011 to 2013. The old wells constructed with steel filters were overdrilled, the construction materials were removed, and the holes were fitted with new stainless steel wire-wrapped filters and a simple quartz gravel fill. To guarantee more even control of the wells in normal operation and to ensure water collection at times that are unfavourable for water management, both of the grey cast iron siphon systems, which were likewise almost 100 years old, were removed and replaced with new, larger steel pipes. 1 Die Geschichte und Bedeutung der Fassung 1 Ende des 19. Jahrhunderts war abzusehen, dass sich die rasant entwickelnden Städte und Gemeinden im Mittleren Neckarraum in kürzester Zeit nicht mehr aus ihren eigenen, ortsnahen Wasservorkommen versorgen konnten. Die Bevölkerungsentwicklung, die Zunahme des Viehbesatzes und vor allem die gewerbliche und industrielle Entwicklung hatten die Wasserversorgung vielerorts an ihre Grenzen gebracht. Aufgrund der immer wieder auftretenden Wasserknappheit in heißen und trockenen Sommermonaten musste baldmöglichst eine Lösung gefunden werden, um die Wasserversorgung dieser wasserarmen Region langfristig sicher zu stellen. Im Jahr 1909 empfahl Dr. Oskar Groß, der Erste Staatstechniker für das Wasserversorgungswesen, der Staatsregierung von Württemberg in seinem „Beitrag zur Lösung der Wasserversorgungsfrage der Stadt Stuttgart“ die Nutzung des Grundwassers des Langenauer Donaurieds. Dieser Vorschlag fand sehr schnell die Zustimmung der Regierung, so dass er bereits 1910 mit umfangreichen hydrologischen und hydrogeologischen Untersuchungen sowie der Aufstellung eines Bauentwurfs begann. Auf der Grundlage seiner Untersuchungen und Planungen wurde dann am 8. Juli 1912 die Gründungsurkunde der Landeswasserversorgung von König Wilhelm II. unterzeichnet. [1] Bild 1: Brunnenbau im Jahr 1912 Bereits vier Wochen nach der Vertragsunterzeichnung wurde mit dem Bau der 49 Brunnen der Fassung 1 bei Niederstotzingen begonnen. Die Bohrungen wurden gleichzeitig von mehreren Bohrtrupps mit einem Bohrdurchmesser von 1,0 m niedergebracht. Die verzinkten, schmiedeeisernen Filterrohre mit einem Durchmesser von 0,5 m wurden vor Ort zusammengefügt, genietet und mit einer zweifachen Kiesschüttung in die Bohrungen eingebaut. Die Brunnen der Fassung 1 waren bereits Mitte 1913 fertig und erstreckten sich in Nord-Süd-Richtung über eine Länge von über 2,4 km von Niederstotzingen bis an die bayerische Landesgrenze. Die zwischen 8 m und 17 m tiefen Brunnen wurden über eine nördliche und südliche Heberleitung an das neue Förderwerk Niederstotzingen angeschlossen und ermöglichten eine Grundwasserförderung von 500 L/s aus dem quartären Kiesgrundwasser- 21 leiter des Donaurieds. Bereits im August 1916, also knapp ein Jahr vor der offiziellen Inbetriebnahme, wurde mit der Förderung in Niederstotzingen begonnen und die ersten Verbandsmitglieder erhielten ihr Trinkwasser aus den Brunnen der Fassung 1 im Donauried. Bis Ende der 1950er Jahre wurde das Grundwasser der Fassung 1 mit den Hauptförderpumpen über die beiden Heberleitungen direkt aus den Brunnen gesaugt. Erst im Jahr 1959 wurde das Vorpumpwerk Fassung 1 mit einem neuen Vorlagebehälter für die Hauptförderpumpen in Betrieb genommen, in den auch das Grundwasser aus den Fassungen 4 und 6 eingespeist wurde. Bild 2: Längsschnitt durch die Fassung 1 An den Brunnen der Fassung 1 wurden in den fast hundert Betriebsjahren, außer dem Austausch von Armaturen und Saugrohren sowie der einmaligen Entsandung im Jahr 1950, keine Instandhaltungs- oder der Regenerierungsmaßnahmen durchgeführt. Von 1917 bis 2011 waren die Brunnen der Fassung 1 fast ununterbrochen in Betrieb und in diesen 95 Jahren wurden insgesamt über 780.000.000 m³ Grundwasser aus den Brunnen der Fassung 1 gefördert. In den Jahren 2008 und 2009 wurden an den Grundwasserfassungen im Donauried umfangreiche Leistungstests durchgeführt. Im Rahmen dieser Untersuchungen konnten aus der Fassung 1 über einen Zeitraum von jeweils einer Woche zwischen 750 und 800 L/s gefördert werden. Die Fassung 1 ist daher nach wie vor die ergiebigste und wichtigste Grundwasserfassung der Landeswasserversorgung. 2 Zustandserhebung und Pilotstudie Im Rahmen der routinemäßig durchgeführten Zustandskontrollen der Fassungsanlagen wurden 1999 erstmals Kamerabefahrungen an ausgewählten Brunnen durchgeführt. Hierbei wurden teils starke Inkrustationen in den Brunnen der Fassung 1 festgestellt, die eine Beurteilung des Zustands der Brunnenrohre, vor allem hinsichtlich Korrosionsschäden, sehr erschwerten. Im Jahr 2005 wurde daraufhin an zwei Brunnen eine Hochdruckreinigung mit dem Ziel durchgeführt, die Inkrustationen möglichst zu beseitigen. Bereits bei der Hochdruckreinigung des ersten Brunnens führte schon ein relativ niedriger Druck von ca. 150 bar dazu, dass die Ablagerungen abplatzten und Filterkies durch freigelegte Löcher im Filterrohr in den Brunnen eintrat. Erst nachdem die Löcher durch den groben Kies des anstehenden Gesteins verschlossen wurden, konnte der Filterkies aus dem Brunnen abgesaugt werden. Bei der anschließend durchgeführten Kamerabefahrung zeigte sich das ganze Ausmaß der Korrosionsschäden an den Filterrohren. Aufgrund dieser Untersuchungsergebnisse und unter Berücksichtigung der Bedeutung der Fassung 1 für die Wassergewinnung der LW stand außer Frage, dass baldmöglichst eine Sanierung oder Erneuerung der Brunnen der Fassung 1 durchgeführt werden musste. Zunächst wurde ein Ingenieurbüro mit der Erarbeitung einer Pilotstudie über die Möglichkeiten der Ertüchtigung der Fassung 1 beauftragt. [2] Neben der Abschätzung des aktuellen Risiko- Bild 3: Lageplan der Fassung 1 22 LW-Schriftenreihe 2015 Beitrag 2 potenzials zur Standfestigkeit der Brunnen sollten alle sinnvollen Alternativen für eine Erneuerung der Fassung 1 aufgezeigt werden. Als denkbare Alternativen wurden eine Einschubverrohrung, ein Überbohren und ein Neuausbau der vorhandenen Brunnen, sowie der vollständige oder teilweise Ersatz des Hebersystems durch eigenbewirtschaftete Horizontal- oder Vertikalfilterbrunnen betrachtet. Die Untersuchungen ergaben, dass die Überbohrung und der Neuausbau der vorhandenen Brunnen und die Fortführung der Wassergewinnung im Hebersystem die betriebswirtschaftlich sinnvollste Variante darstellt. Diese Art der Sanierung ermöglichte außerdem eine sukzessive Erneuerung der Fassung im laufenden Betrieb. 3 Grundlagenermittlung zur Sanierung der Fassung 1 Bild 4: Brunnenfilter vor der Reinigung Bild 5: Brunnenfilter nach der Hochdruckreinigung Die vorhandenen Kenntnisse zur Vorbereitung der Sanierung basierten vor allem auf den alten Schichtenverzeichnissen aus der Herstellungsphase der Brunnen in den Jahren 1912 und 1913 und aus einem Fassungspumpversuch mit brunnenbezogenen Förderraten aus dem Jahr 1930. Darüber hinaus konnte auf die vollständig vorhandenen Betriebsdaten und einen neueren Pumpversuch zurückgegriffen werden, deren Daten jedoch nur Rückschlüsse auf das Gesamthebersystem ermöglichten. Aktuellere Daten und Informationen über die Einzelbrunnen der Fassung 1 lagen nur wenige vor. Für die detaillierte technische Planung der Sanierungsmaßnahme und unter Berücksichtigung der Vorgaben des DVGW-Arbeitsblattes W 135 [3] mussten weitere Basisdaten ermittelt werden. Zunächst wurden an sechs, über die gesamte Fassungsreihe verteilten Untersuchungsstandorten neue Erkundungsbohrungen zur Ermittlung der geologischen und hydrogeologischen Verhältnisse in unmittelbarer Nähe zu den Brunnen niedergebracht und zu Grundwassermessstellen ausgebaut. Zur Gewinnung von möglichst ungestörten Bodenproben zur Bestimmung der schichtenspezifischen kf -Werte und der Feinkornanteile wurden Kernbohrungen nach dem Rammkernbohrverfahren mit innenliegenden PVC-Inlinern durchgeführt. Anhand der Siebanalysen war eine detaillierte Ansprache und Unterscheidung der Schichtglieder in der quartären Schichtenfolge möglich. Die Ergebnisse spiegeln das sehr heterogene Ablagerungsmilieu der Schotter bei wechselnden Fließgeschwindigkeiten in den verzweigten Schmelzwasserflüssen zum Zeitpunkt der Eiszeit wider. Es zeigte sich, dass ein teilweise sehr grobes und sehr gut wasserdurchlässiges Sediment vorliegt, das jedoch Unterschiede in den kf -Werten von bis zu 2 Zehnerpotenzen aufweisen kann. Bild 6: Geöffnete Inliner mit ausgewählten Bohrkernen der Messstelle 01321 In den Brunnen der ausgewählten Untersuchungsstandorte wurden außerdem mehrstündige Stufenpumpversuche mit Förderraten zwischen 20 L/s und 60 L/s durchgeführt. Die daraus berechneten kf -Werte repräsentieren die hydraulischen Untergrundeigenschaften des Umfeldes der Brunnen. Die Variation der ermittelten Werte ist ähnlich hoch wie bei den Siebanalysedaten. An den neuen Grundwassermessstellen und den benachbarten Brunnen wurden außerdem geophysikalische Bohrlochmessungen durchgeführt. Neben der Kamerabefahrung lieferten vor allem die Flowmetermessungen und das Tracer-Fluid-Logging wichtige Ergänzungen zu den Ergebnissen der Siebanalysen und der Pumpversuche. Die standörtlichen Arbeiten zur Vorbereitung der Sanierung wurden durch eine Diplom- 23 arbeit an der Universität Stuttgart, Institut für Wasserbau, wissenschaftlich begleitet. [4] Die durchgeführten Arbeiten und Untersuchungsergebnisse wurden im Bericht des Ingenieurbüros zusammengefasst und hinsichtlich der weiteren Sanierung bewertet. [5] Im Rahmen der Diplomarbeit wurden darüber hinaus hydraulische Berechnungen für die Heberleitung der Fassung 1 durchgeführt. Obwohl die Berechnungsergebnisse nicht durch reale Messwerte verifiziert werden konnten, wurde deutlich, dass der Betrieb der Heberleitung aufgrund der teils hohen Rohrreibungsverluste das steuernde Element für die Brunnenergiebigkeit ist und deshalb in die Betrachtung einbezogen werden muss. Daraufhin wurden umfangreiche Fassungspumpversuche im Heberbetrieb durchgeführt. Zur Verifizierung der berechneten Einzelbrunnenentnahmen wurden in ausgewählten Brunnen während der Pumpversuche Durchflussmessungen mit sogenannten Thermoanemometern nach dem kalorimetrischen Messverfahren durchgeführt, die eine genauere Abschätzung der Entnahmeverteilung innerhalb der Fassungsreihe ermöglichten. Die Untersuchungen bestätigten, dass eine gleichmäßigere Aktivierung der Brunnen und eine Sicherung der Wassergewinnung in wasserwirtschaftlich ungünstigen Zeiten nur durch eine Aufteilung der Brunnen des Südhebers in zwei unabhängig bewirtschaftungsfähge Heberleitungen erreichbar ist. Als letzter Schritt zur Grundlagenermittlung wurde der nördlichste Brunnen der Fassung 1, der aufgrund seiner Nähe zur Bahnlinie aus Vorsorgegründen seit vielen Jahren nicht mehr in Betrieb war, schrittweise rückgebaut und zu einer Grundwassermessstelle umgerüstet. Durch den Rückbau konnte eine Vielzahl offener Detailfragen zum Brunnenausbau und zum Schachtbauwerk beantwortet werden. Bild 7: Geophysikalische Untersuchungen an einem Brunnen der Fassung 1 Zur Überprüfung der erarbeiteten Brunnenausbaukonzeption sowie zur technischen und wirtschaftlichen Optimierung der auszuführenden Maßnahmen am Gesamtsystem wurde dann im Jahr 2010 ein Bohrunternehmen mit der Sanierung von drei Referenzbrunnen beauftragt. Die Erkenntnisse aus den sehr umfangreichen und intensiven Voruntersuchungen und die Erfahrungen aus der Sanierung der drei Referenzbrunnen bildeten die Basis für die Sanierung der Fassung 1. Förderrrate L/s 35 Grundwasserstand müNN 447.5 30 447.0 20.07.2009 GW-Stand bei Gesamtförderung = 0 L/s 25 446.5 20 446.0 27.07.2009 GW-Stand bei Gesamtförderung = 630 L/s 15 445.5 10 445.0 5 444.5 0 444.0 1846 1845 1844 1843 1842 1841 1840 1839 1838 1837 1836 1835 1834 1833 1832 1831 1830 1829 1828 1827 1826 1825 1824 1823 1822 1821 1820 1819 1818 1817 1816 1815 1814 1813 1812 1811 1810 Brunnen mit Durchflussmessung Förderrate der Einzelbrunnen am 27.07.2009 4 Sanierung der Fassung 1 Die gewählte Sanierungsvariante mit dem Überbohren der vorhandenen Brunnen, der Beibehaltung des Heberbetriebs und dem Bau neuer Heberleitungen ermöglichte eine schrittweise Sanierung im laufenden Betrieb. Dies hatte den großen Vorteil, dass die Einschränkung der Wassergewinnung aus Fassung 1 während der Bauzeit minimiert und die Sanierung über drei Jahre mit weitgehend unabhängigen Bauabschnitten durchgeführt werden konnte. Bild 8: Entnahmeverteilung an der Heberleitung Süd bei einer Gesamtentnahme von 630 L/s 24 LW-Schriftenreihe 2015 Beitrag 2 2011 – Bauabschnitt 1: Sanierung von 17 Brunnen (Brunnen 01827 bis 01846) im südli chen Bereich; Rückbau der Brunnen 01842 und 01844, Bau der neuen Heberleitung Süd mit den Anschlussleitungen der Brunnen 01827 bis 01846 und provisorischer Anschluss der neuen Heberleitung Süd an die bestehende Heberleitung. Inbetriebnahme der insgesamt 18 neuen Brunnen der Heberleitung Süd im Dezember 2011. 2012 – Bauabschnitt 2: Sanierung von 15 Brunnen (Brunnen 01811 bis 01826) im mittleren Bereich; Bau der neuen Heberleitung Mitte mit den Anschlussleitungen der Brunnen 01810 bis 01826 bis ins VPW Niederstotzingen; Fortführung der neuen Heberleitung „Süd“ als parallel verlaufende Heberleitung bis ins VPW Niederstotzingen. Inbetriebnahme der insgesamt 17 neuen Brunnen der Heberleitung Mitte im Dezember 2012. 2013 – Bauabschnitt 3: Sanierung von 8 Brunnen (Brunnen 01802 bis 01809) im nördlichen Bereich, Bau der neuen Heberleitung Nord mit allen Anschlussleitungen der Brunnen 01802 bis 01809 bis ins VPW Niederstotzingen; Inbetriebnahme der 8 neuen Brunnen der Heberleitung Nord im November 2013. Als Präqualifikationsverfahren für die Brunnenbauarbeiten wurde zunächst ein öffentlicher Teilnahmewettbewerb initiiert und die Arbeiten anschließend beschränkt ausgeschrieben. Auf dieser Grundlage konnten die Brunnenbauarbeiten für die 3 Bauabschnitte vergeben werden. Die Tiefbau- und Rohrlegearbeiten sowie die Lieferung der Stahlrohre wurden öffentlich ausgeschrieben. 4.1 Brunnensanierung Auf der Grundlage der umfangreichen Voruntersuchungen wurde das Verfahren zur Räumung der Altbrunnen und zum Neuausbau festgelegt und letztlich für alle Bauabschnitte umgesetzt. Da die Brunnenschächte einen sehr guten Zustand aufwiesen, sollten diese weitgehend erhalten bleiben und die Sanierungsarbeiten sich nur auf die Bergung und den Austausch der unterhalb der Sohle der Brunnenschächte befindlichen Bauteile beziehen. Hierzu wurden die Schachtoberteile abgetrennt und die Schachtsohle aufgebohrt. Da sich an der Schachtaußenwand schadstoffbelastetes Abdichtungsmaterial befand, musste um die Schächte aufgegraben und das alte Material entfernt werden. Dieses Verfahren erwies sich im ersten Bauabschnitt als recht zeitaufwändig und teuer, so dass im 2. und 3. Bauabschnitt auf den Erhalt der Schächte verzichtet wurde und statt dessen die alten Schächte vollständig abgebrochen und durch neue Betonfertigteile ersetzt wurden. Bild 9: Abbruch der alten Brunnenschächte 25 Bild 10: Bergung der alten Brunnenrohre mit dem Greifer Zur Erfolgskontrolle der Brunnensanierung und zur Ermittlung der Ergiebigkeit der Einzelbrunnen wurden an allen Brunnen vor Beginn und nach Abschluss der Sanierung Stufenpumpversuche mit einer maximalen Förderleistung von bis zu 60 L/s durchgeführt. Die Pumpversuche wurden messtechnisch genauestens dokumentiert und durch ein chemisch- physikalisches Untersuchungsprogramm begleitet. Bild 11: Ausgebautes Filterrohr mit starker Korrosion Die Überbohrung der alten Brunnen bis zur festgelegten Endteufe wurde im verrohrten Greiferbohrverfahren mit Bohrrohren DN 1000 durchgeführt. Um die Belastung des Bohrlochs beim Ziehen der alten Brunnenrohre soweit möglich zu minimieren, wurden vorab mit einem mechanisch-pneumatischen Schneidgerät mehrere horizontale Rohrschnitte ausgeführt. Dies ermöglichte ein schrittweises Herausgreifern und Herausziehen der alten Brunnen- und Peilrohre sowie der Ringraumverfüllung aus Kies. Für den Neuausbau der Brunnenbohrung wurden Vollwand-, Wickeldrahtfilter- und Sumpfrohre aus V4A-Edelstahl in der Nennweite DN 500 gewählt. Der Brunnenringraum im Bereich der Filterstrecke wurde aufgrund der vorliegenden Sieblinien der Erkundungsbohrungen und der alten Bohrprofile mit einer einfachen Kiesschüttung der Körnung 5,6 – 8,0 mm ausgebaut. Lediglich in einigen wenigen Brunnen wurden Bereiche mit Quarzkies der feineren Körnung 3,12 – 5,6 mm ausgebaut. Im Brunnen 01822 wurden anstatt Quarzkies polierte Glaskugeln mit einem Durchmesser von 9,5 mm als Filtermaterial eingebaut. Der Einsatz von Glaskugeln als Filtermaterial hat aufgrund ihrer vollkommenen Kugelform, ihrer definierten Lagerung und ihrer sehr glatten Oberfläche viele Vorteile. Die im Vergleich zu Quarzkies sehr teuren Glaskugeln wurden lediglich an einem Brunnen eingesetzt, um hier langfristig Erfahrungen mit diesem erst seit wenigen Jahren eingesetzten Filtermaterial zu sammeln. Im dritten Bauabschnitt musste beim Brunnenbau und vor allem auch bei den Tiefbauund Rohrlegearbeiten mit erhöhten Sicherheitsvorkehrungen aufgrund mehrerer kreuzender Freileitungen gearbeitet werden. Die extrem tiefe Lage einer 110 kV-Freileitung machte es außerdem notwendig, die Standorte der nördlichsten drei Brunnen jeweils um 20 m zu verlegen, da eine Sanierung selbst bei abgeschalteter Freileitung nicht durchführbar war. Darüber hinaus mussten vor allem während der Tiefbau- und Rohrlegearbeiten verschiedene Freileitungen und Energiekabel immer wieder für mehrere Tage abgeschaltet werden. Bild 12: Einbau der neuen Edelstahlfilter 26 LW-Schriftenreihe 2015 Beitrag 2 Ein besonderes Augenmerk wurde auf die Entsandung der Brunnen gelegt. Die Entsandung ist nach Abschluss der Ausbauarbeiten die wichtigste Maßnahme, um die Ergiebigkeit der Brunnen zu erhöhen und um die Restsandgehalte im geförderten Brunnenwasser zu minimieren. Um den Porenraum des Grundwasserleiters im Nahbereich der Brunnen durch Entfernung der Feinteile zu vergrößern, wurde ein dreistufiges Verfahren gemäß dem DVGW-Arbeitsblatt W 119 eingesetzt. [6] Zunächst wurden die Filterstrecken der Brunnen mit einem Ventilkolben gekolbt bis keine Setzung des Filterkieses mehr messbar war. Anschließend wurde eine Intensivreinigung und Entsandung mit einer Wasserhochdruckanlage nach dem Druckwellenimpulsverfahren mit rotierenden Düsen durchgeführt. Dieses Verfahren hatte den Vorteil, dass auch Filterbereiche erreicht wurden, die oberhalb des aktuellen Brunnenwasserspiegels lagen. Als dritte Stufe wurde dann eine Intensiventsandung mittels abgepackerter Unterwassermotorpumpen gewählt. Um hierbei eine möglichst große Wirkung zu erzielen wurde ein Manschettenabstand von lediglich 80 cm und eine maximale Förderleistung der Pumpe von 60 L/s gewählt. Bild 13: Brunnenbau im Nahbereich der 110 kV – Freileitung Im Rahmen der Ausbau- und Abnahmekontrolle wurden wiederum Kamerabefahrungen und geophysikalische Untersuchungen sowie ein chemisch-physikalisches und mikrobiologisches Untersuchungsprogramm durchgeführt. Die Ergebnisse der mikrobiologischen Untersuchungen belegen hierbei, dass sich die hohen Anforderungen der LW-Hygienevorschriften nicht nur im Rohrleitungsbau sondern auch beim Brunnenbau ausgezahlt haben, da lediglich zwei von 43 Brunnen aufgrund erhöhter Keimbelastungen vor der Inbetriebnahme desinfiziert werden mussten. Die Untersuchungsergebnisse der durchgeführten Leistungstests mit leistungsfähigen Unterwasserpumpen vor und nach der Sanierung wurden in Q-s-Darstellung dokumentiert. Hierbei zeigt sich einerseits der Erfolg der Brunnensanierung durch die Erhöhung der Brunnenergiebigkeit und andererseits belegen die Ergebnisse die teils großen Unterschiede bei der Ergiebigkeit selbst bei benachbarten Brunnen. Die Fertigstellung der Brunnenschächte, d.h. der Einbau der Brunnenköpfe und Armaturen, das Betonieren der Schachtsohle und das Setzen des Schachtkopfes, wurden im Rahmen der Rohrlege- und Tiefbauarbeiten durchgeführt. Aufgrund der umfangreichen und intensiven Voruntersuchungen und des Baus der Referenzenbrunnen sowie der daraus resultierenden Detailplanung konnte die Brunnensanie- Bild 14: Hochdruckreinigung und Entsandung mit dem Druckwellenimpulsverfahren 0 5 10 15 0.0 0.2 0.4 0.6 Leistungstest 0.8 1.0 1.2 Bild 16: Q-s-Verhalten vor und nach der Sanierung an ausgewählten Brunnen 1818 vor Sanierung 1818 nach Sanierung 1819 vor Sanierung 1819 nach Sanierung 1820 vor Sanierung 1820 nach Sanierung 1824 vor Sanierung 1824 nach Sanierung 1829 vor Sanierung 1829 nach Sanierung 1837 vor Sanierung 1837 nach Sanierung 1.4 Absenkung in m 20 Förderrate in L/s 25 30 35 40 45 50 55 60 27 rung termingerecht und deutlich unter den ursprünglichen Wirtschaftsplanansätzen realisiert werden. Die Kosten für die Brunnenbauarbeiten zur Sanierung von 43 Brunnen, einschließlich der Voruntersuchungen, der externen Ingenieurberatung, der Brunnenschächte und Armaturen, sowie des Rückbaus von drei Brunnen lagen insgesamt bei 1,91 Mio. Euro ohne Berücksichtigung der verrechneten Eigenleistungen. 4.2 Bau der Heberleitungen Auf der Grundlage der Voruntersuchungen wurde entschieden, alle Heberleitungen zu erneuern und die bisherige Heberleitung Süd in zwei unabhängig bewirtschaftungsfähige Heberleitungen aufzuteilen. Um die Reibungsverluste in allen Leitungen zu minimieren, wurden die Stahlleitungen mit Zementmörtelauskleidung möglichst groß dimensioniert, soweit dies unter wirtschaftlichen Aspekten noch sinnvoll war. Für den späteren Betrieb einer Heberleitung ist es von größter Bedeutung, dass die Leitung über die gesamte Länge vom letzten Brunnen bis zum Saugwindkessel gleichmäßig ansteigt, damit sich ausgasende Luft am Rohrscheitel sammelt und mit der Strömung zum Saugwindkessel abtransportiert werden kann. Damit dies gewährleistet werden kann, muss beim Bau der Leitung die Höhenlage mit größtmöglicher Sorgfalt eingestellt werden. Aufgrund der örtlichen Randbedingungen stand beispielsweise für die 1809 m lange Heberleitung Süd nur eine Höhendifferenz von 0,72 m entsprechend einem Gefälle von lediglich 0,4 ‰ zur Verfügung. Um dieses sehr geringe Gefälle über die gesamte Leitungslänge sicherzustellen, wurden die Heberleitungen auf insgesamt über 300 höhenjustierbare Rohrfundamente gestellt. Die Rohrauflager wurden, in Abhängigkeit der Bodenüberdeckung, im Abstand zwischen 8 m und 10 m auf Bodenplatten aus Mineralbeton errichtet. Über Gewindebolzen konnte dann die Höhenlage der aufgelegten Leitung millimetergenau justiert werden. Vor der Verfüllung des Rohrgrabens wurden die Gewindebolzen einbetoniert. Bild 15: Kamerabefahrung eines neuen Edelstahl-Wickeldrahtfilters mit Kiesschüttung Über Anschlussleitungen mit DN 200 wurden im ersten Bauabschnitt 18 Brunnen an die neue Heberleitung Süd angeschlossen. Die Heberleitung wurde in drei Abschnitte mit den Dimensionen DN 400 (197 m, drei Brunnen), DN 500 (348 m, sechs Brunnen) und DN 600 (409 m, neun Brunnen) unterteilt. Die neue Heberleitung Süd wurde zunächst provisorisch an die alte Heberleitung angeschlossen, damit die 18 Brunnen des ersten Bauabschnittes sofort in Betrieb genommen werden konnte. Erst im zweiten Bauabschnitt wurde die Leitung dann mit der Dimension DN 700 (855 m) parallel zur neuen Heberleitung Mitte bis an das Vorpumpwerk der Fassung 1 verlängert. Bild 17: Rohrfundamente zur Höhenjustierung der Heberleitung Bild 18: Schweißarbeiten an der neuen Heberleitung Süd 28 LW-Schriftenreihe 2015 Beitrag 2 Zu Beginn des zweiten Bauabschnitts wurden zunächst die alten Anschlussleitungen der Brunnen des Bereichs Mitte von der Heberleitung abgetrennt und die Anschlüsse verschlossen. Dies ermöglichte den Weiterbetrieb der bereits sanierten Brunnen der Heberleitung Süd während der Brunnenbauarbeiten im Bereich Mitte. An die neue Heberleitung Mitte wurden insgesamt 17 Brunnen angeschlossen. Da der Bereich zukünftig den größten Anteil an der Förderung haben wird, wurde die Heberleitung Mitte nur in zwei Bereiche unterteilt. Die südlichen acht Brunnen wurden an eine Leitung mit DN 600 (401 m) und die nördlichen neun Brunnen an eine Leitung mit DN 700 (430 m) angeschlossen. Bild 19: Bau der parallelen Heberleitungen Mitte und Süd im 2. Bauabschnitt Im dritten Bauabschnitt wurden die acht nördlich des Vorpumpwerks der Fassung 1 gelegenen neuen Brunnen an die 389 m lange Heberleitung Nord (DN 500) angeschlossen. Die drei Leitungen wurden direkt vor dem Vorpumpwerk zusammengeführt und über die bestehende Leitung DN 800 an den Saugwindkessel angeschlossen. In drei neuen Schächten wurden Magnetisch-Induktive-Durchflussmesser und Absperrarmaturen in die Heberleitungen eingebaut, so dass zukünftig nicht nur die Gesamtfördermenge, sondern auch die Fördermenge der drei Bereiche getrennt erfasst werden kann. Auch im Bereich der Tiefbau- und Rohrlegearbeiten konnte der angesetzte Kostenrahmen eingehalten werden. Die Gesamtkosten für rund 3070 m Heberleitungen, über 400 m Anschlussleitungen, drei neue Schächte und einschließlich aller Rohre und Armaturen beliefen sich auf rund 1,36 Mio. Euro ohne Berücksichtigung der verrechneten Eigenleistungen. 4.3 Umbauarbeiten im Vorpumpwerk Fassung 1 Nachdem die Sanierung der Brunnen und der Heberleitungen abgeschlossen war, wurden ab Oktober 2014 noch Umbauarbeiten im Vorpumpwerk der Fassung 1 vorgenommen. Die beiden bisher vorhandenen Pumpen aus dem Jahr 1982 haben eine Förderleistung von 800 L/s bzw. 900 L/s und waren ursprünglich für die gemeinsame Förderung des Grundwassers aus der Fassung 1 und der Fassung 6 ausgelegt. Seit jedoch der Zwischenbehälter für das Wasser der Fassung 6 aufgegeben wurde und die Fassung 6 mit eigenen Pumpen zum Wasserwerk Langenau fördert, waren die Pumpen in der Fassung 1 zu groß und mussten bisher in einem sehr unwirtschaftlichen Teillastbetrieb betrieben werden. Um diesen Missstand zu beseitigen und die neue Förderaufgabe mit dem Förderziel „Neue Grundwasserfilteranlage“ zu erreichen, wurde entschieden, eine der alten Pumpen abzubauen und durch zwei kleinere, an den prognostizierten künftigen Förderbetrieb optimal angepasste Pumpen zu ersetzen. 29 Der Umbau fand überwiegend im laufenden Betrieb der Fassung 1 statt. Die alte Pumpe wurde demontiert und das Fundament und der Estrich abgebrochen. Unter den recht beengten Platzverhältnissen wurden zwei neue Pumpen mit einer Nennförderleistung von jeweils 315 L/s bei einer Nennförderhöhe von 46,5 m errichtet. Die beiden Pumpen können auch im Parallelbetrieb gefahren werden und sind aufgrund der installierten Motorenleistung im Bedarfsfall in der Lage, über 900 L/s ins Wasserwerk Langenau zu fördern. Nach Fertigstellung und Anschluss der neuen Energieversorgung und der Mess- und Steuerungstechnik konnten die Pumpen im März 2015 in Betrieb genommen werden. Die Kosten für diesen dritten Abschnitt der Erneuerung der Fassung 1 beliefen sich auf rund 0,76 Mio. Euro. 5 Zusammenfassung Die Fassung 1 im Donauried musste nach fast 100 Jahren Betrieb vollständig erneuert werden. Nach mehrjährigen, umfangreichen Voruntersuchungen wurden in den Jahren 2011 bis 2013 in drei Bauabschnitten insgesamt 43 Vertikalbrunnen im verrohrten Greiferbohrverfahren saniert. Die alten, mit Stahlfiltern ausgestatteten Brunnen wurden überbohrt, die Ausbaumaterialien entfernt und die Bohrungen mit neuen Edelstahl-Wickeldrahtfiltern und einer einfachen Quarzkiesschüttung ausgebaut. Die Brunnenschächte und alle Armaturen und Einbauten wurden erneuert. Um eine gleichmäßigere Aktivierung der Brunnen im Normalbetrieb und eine Sicherung der Wassergewinnung in wasserwirtschaftlich ungünstigen Zeiten zu gewährleisten, wurden die alten, ebenfalls fast 100 Jahre alten Heberleitungen aus Grauguss ausgebaut und durch neue, größer dimensionierte Stahlleitungen ersetzt. Die bisherige Heberleitung Süd wurde dabei in zwei neue Heberleitungen, die Heberleitungen Mitte und Süd, aufgeteilt. Im November 2013 konnte die Fassung 1 mit 43 neuen Brunnen und den drei Heberleitungen in Betrieb genommen werden. Im Herbst 2014 wurde dann im Vorpumpwerk der Fassung 1 eine der beiden alten Förderpumpen abgebaut und durch zwei kleinere, energieeffiziente Pumpen ersetzt, die im März 2015 in Betrieb genommen werden konnten. Durch die vollständige Erneuerung der Fassung 1 mit Gesamtkosten von rund 4,0 Mio. Euro konnte die Wassergewinnung aus der ergiebigsten Grundwasserfassung der Landeswasserversorgung für die nächsten Generationen gesichert werden. Literatur [1] [2] [3] [4] [5] [6] Landeswasserversorgung: 100 Jahre Trinkwasser für Baden-Württemberg 1912 – 2012, Stuttgart 2012 Bieske und Partner - Beratende Ingenieure GmbH: Pilotstudie zur Ertüchtigung der Fassung 1 im Donauried bei Niederstotzingen des Zweckverbandes Landeswasserversorgung Stuttgart, Dezember 2007 DVGW: Technische Regel – Arbeitsblatt W 135, Sanierung und Rückbau von Bohrungen, Grundwassermessstellen und Brunnen, Bonn, November 1998 Betz, T.: Untersuchungen zur Sanierung einer Brunnengalerie mit Heberleitung am Beispiel der Fassung 1 des Zweckverbands Landeswasserversorgung. Diplomarbeit am Institut für Wasserbau der Universität Stuttgart, Dezember 2008 Bieske und Partner - Beratende Ingenieure GmbH: Zusammenfassung der Ergebnisse der Sanierungsuntersuchungen an der Heberfassung 1 im Donauried bei Niederstotzingen, Dezember 2008 / Januar 2009 DVGW: Technische Regel – Arbeitsblatt W 119, Entwickeln von Brunnen durch Entsanden – Anforderungen, Verfahren, Restsandgehalte, Bonn, Dezember 2002 Bild 20: Die Pumpen im Vorpumpwerk der Fassung 1
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