152 Monte Amiata Fernblick auf den Monte Amiata Monte Amiata Der Gebirgszug um den 1738 m hohen erloschenen Vulkan bietet ein Kontrastprogramm zu den Kulturoasen der nördlichen Toscana: Hier locken dünn besiedeltes Land, einsame, weite Kastanien- und Buchenwälder und heiße Thermalquellen. Der Gipfel des Monte Amiata, die Vetta Amiata, ist bis auf die letzten 200 m auch mit dem Auto erreichbar. Hier oben hat man eine phantastische Aussicht auf die südliche Toscana bis hinüber zum Meer. Das eiserne Gipfelkreuz hatte schon etliche Blitzschläge abbekommen, bevor es die Nazis bei ihrem Abzug sprengten. 1946 ließ es Papst Pius XII. wieder instandsetzen. Daneben gibt es Souvenirstände und eine Bar. Wer den wenig anstrengenden Aufstieg vom obersten Parkplatz (Skilift und Hotels) zum Gipfel hinter sich gebracht hat, folgt am besten den Wegweisern zur „Madonna degli Scouts“ noch ein Stück weiter: Nur ca. 5 Min. vom Gipfelkreuz entfernt erhebt sich die Felsengruppe mit großartigem Panoramablick. Die kreisförmig um den Berg angeordneten Orte liegen alle auf 600 bis 800 m, eine Höhe, in der viele Quellen entspringen. Bis auf ca. 1000 m Höhe führen die Straßen durch dichte Kastanienwälder, deren essbare Früchte im Oktober Anlass für diverse Feste della Castagna sind. Fährt man weiter hoch in Richtung La Vetta, wechselt die Vegetation in Buchen-Hochwald, in dem riesige moosbewachsene Felsen in der Waldlandschaft wild-romantische Akzente setzen. Ab Mitte August sind hier – an Pilzblick und Korb zu erkennen – passionierte Sammler unterwegs, deren Ziel die Funghi Porcini (Steinpilze) sind. Wirtschaftlich liegt das Gebiet seit der Schließung der Quecksilberminen im Ab- Monte seits. Der Wintersporttourismus, in den viel investiert wurde, fiel in den letzten Jah- Amiata ren wegen etlicher milder Winter mager aus. Neue Impulse verspricht die verstärk- Monte Amiata → Karte S. 154/155 Siena Foiano della Chiana Mte. Oliveto Maggiore E R E Volterra Rosignano Marittimo IF E E M COLLIN T San Galgano Murlo Chiusdino Piombino 153 Cortona Vescona L Abbadia San Salvatore Rosia AL Massa Marittima Follónica Golfo di Follónica Punta Ala Bagni di Petriolo Montalcino Pienza Chiusi Bagno g Vignon Montemassi Lago Trasimeno Montepulciano Monte Monte Amiata W 7 Certona Batignano Portiglione 1738 Mte. Labbro Santa Vetulónia W 12 Fiora Grossetto Monti dell Saturnia Sovana Sorano Pitigliano Uccellina Porto Santo Stefano Orbetello Isla del Giglio Orvieto Lago di Bolsano Capálbio Monte Argentario Viterbo Monte Amiata Anfahrt Der Gipfel des Monte Amiata liegt 12 km von Abbadia San Salvatore (s. u.) entfernt und ist gut ausgeschildert, die meiste Zeit führt die schmale Asphaltstraße durch dichten Wald. Mountainbike Die Umrundung des Bergs, teils auf Wegen, teils auch auf Teersträßchen, ist in einem guten halben Tag zu schaffen – vorausgesetzt, man bringt einiges an Kondition mit. Fahrradverleih z. B. im Hotel Le Macinaie (Castel del Piano) für Hotelgäste. Skifahren Ein Sessellift und 13 Skilifte ab 1300 m Höhe erschließen Abfahrten verschiedener Schwierigkeitsgrade. Langläu- fer finden kilometerlange Loipen. Immer vorausgesetzt, es schneit ordentlich! Übernachten *** Albergo General Cantore, einfacher Berggasthof auf 1400 m Höhe mit schöner Wiese davor, geführt von der sympathisch kernigen Wirtstochter Elisabetta. DZ 90 €. Loc. II Rifugio Cantore 70, 53021 Abbadia San Salvatore, ¢/§ 0577789704, www.ilcantore.it. *** Albergo Sella, am großen Parkplatz beim Gipfel, ein wenig Berghütten-Feeling auf knapp 1700 m Höhe. Schöne DZ mit Bad und TV 70–90 €. Vetta Amiata, 53021 Abbadia San Salvatore, ¢/§ 0577-789747, www.albergosella.it. Abbadia San Salvatore Monte Amiata → Karte S. 154/155 te Nutzung der Erdwärme durch Kraftwerke und als Nebenprodukt die Beheizung 30 ha (!) großer Glashäuser zur Blumenzucht durch die Abwärme bei Piancastagnaio. ca. 6500 Einwohner Die alte Bergarbeiterstadt ist der größte und höchstgelegene Ort am Amiata (830 m). Der mittelalterliche Kern mit seinen ruhigen, autofreien Gassen kontrastiert mit dem Leben in den Straßen der Neustadt. Die seit dem Mittelalter ausgebeuteten Quecksilberminen von Abbadia San Salvatore wurden in den 1970er Jahren geschlossen. Seither sank die Einwohnerzahl von ehemals 9000 um ein Viertel. 1947, nach einem Anschlag auf Palmiro Togliatti, den Abbadia Sa Vorsitzenden der Italienischen Kommunistischen Partei, besetzten Arbeiter die n Salvatore Stadtverwaltung, worauf es zu heftigen Auseinandersetzungen mit der Polizei kam. Die Kommunisten kämpften für eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen (sehr 154 Castiglione del Bosco Monte Amiata Montalcino niedrige Lebenserwartung wegen des Quecksilbers) und für neue Arbeitsplätze. Noch heute wählt die Stadtbevölkerung zu 80 % links. Abbazia di S. Antimo la Pieve Poggio alle Mura e F. O m br o n San Angelo Scalo Montenero Monticello Amiata Montelaterone Cinigiano Grosseto Grosseto PLZ 53021 Information Ufficio Turistico, Mo–Fr 8.30–13 und 15–18, Sa 10–13 und 15–18, So 10–13 Uhr. Spärliche Auskünfte, aber brauchbare Wander- und Radwanderkarten. Via Adua 25, im Zentrum der Neustadt, nahe Piazza Gramsci. ¢ 0577-241760, § 241762. www.terresiena.it. Stribugliano Pro-Loco-Büro, tägl. 9.30–12.30/15.30–18.30 Uhr; nicht sehr kompetent. Piazzale R. Rossaro (beim Museo Mineraia), ¢ 0577-778324, § 775221, www.terre-di-toscana.com. Vallerona Grosseto Grosseto Hin und weg Bus: 3-mal tägl. nach Siena, ca. 3-mal Buonconvento (an der Bahnlinie Siena–Grosseto). Zu den Bergorten Arcidosso und Santa Fiora 6-mal tägl., nach Grosseto 5-mal tägl. Abfahrt in der Via Gorizia beim Stadion, Tickets im Tabacchaio. Santa Catarina Roccalbegna 323 Einkaufen Geschäfte findet man vor allem in der Via Cavour und der Viale Roma. Coop-Supermarkt in der Via Bolzano (Nähe Krankenhaus). Murci Internet Piazza XX Settembre 33, am Brunnen im Zentrum. Markt 2. und 4. Donnerstagvormittag im Monat. Gemüse und Obst werden täglich vormittags an Ständen in der Via Italia (Nebenstraße der Via Cavour) angeboten. Castelnuovo dell’Abate Sant Angelo in Colle Grosseto Grosseto Sich in der relativ großen Neustadt zurechtzuf inden ist nicht einfach. Erschwert wird das Ganze durch ein trickreiches Einbahnstraßensystem. Am besten also das Auto abstellen und die Stadt zu Fuß erkunden. Einen Stadtplan hält die Touristinfo bereit. Der Borgo Medioevale (Altstadt) östlich der Neustadt ist nur für Fußgänger zugänglich. Die Hauseingänge schmücken teilweise schöne Türeinfassungen aus Lavastein, besonders sehenswert in der Hauptstraße der Altstadt, der Via Filippo Neri. Die Nr. 18 ist mit Hammer und Amboss verziert, hier war die Werkstatt des Schmieds; an der Nummer 16 prangt eine Schere – im steinernen Türbalken ist neben der Jahreszahl 1569 der Name des Schneiders („Mastro Matteo“) zu entdecken. 323 Rocchette di Fazio Usi Poggioferro Pienza S. Albino Abbadia San Salvatore 155 San Quírico d’Orcia Mad. di Riguardo Chianciano Terme Romitório Chiusi Chiusi Spedaletto Bagno Vignoni La Foce Castiglioncello del Trinoro Castiglione d’Órcia nuovo Abate Gallina la Vittória San Piero in Campo Grotta di Belvedere 323 Ansedonia Giardino di Daniel Spoerri Leccino Mad. d. Querce Campiglia d’Orcia 2 Vivo d’Orcia Seggiano Le Conie 478 Bagni San Filippo Pescina Zaccaria Radicofani Leccio Castel del Piano Monte Amiata 1738 Abbadia San Salvatore Arcidosso Piancastagnaio Zancona Bagnore Parco Faunistico Mte. Labbro 1193 Fággia Ponte a Rigo Saragiolo Santa Fiora Monte Amiata → Karte S. 154/155 Centan Triana Sforzesca Selva Castell A zzara Selvena San Giovanni delle Contee Cellena Petricci Viterbo Viterbo cchette i Fazio Croce di Febro Monticchiello Siena Siena Poceno Montevitozzo Montorio Semproniano Sorano Saturnia Capanne Poggio Murella Sovana Sovana Rund um den Monte Amiata 1,5 km 156 Monte Amiata Übernachten An Hotels besteht kein Mangel, die Preise sind meist saisonabhängig. *** Parco Erosa, am südöstlichen Ortsende, Straße Richtung Piancastagnaio. Das Haus präsentiert sich fast im Tiroler Stil, auch innen viel Holzverkleidung. Sehr ruhige Lage, gut ausgestattete Zimmer, Garten und Pool, freundlicher Service. DZ inkl. Frühstück ab 60 €, in der Saison nur HP (ab 40 €/Pers.). Via Remedi 108, ¢ 0577-776326, § 779735, www.parcoerosa.it. *** Italia, zentral gelegenes, angenehmes Hotel mit Gärtchen und großzügigen Zimmern mit Blümchentapete. Gutes Restaurant. DZ ab 60 €. Viale Roma 30, ¢/§ 0577778007, www.albergoitaliamiata.com. * Cesaretti, ca. 150 m oberhalb der IP-Tankstelle, am Ortsausgang Richtung Siena auf der linken Seite; mit beliebtem Ristorante (s. u.). DZ mit Bad und Frühstück 50 €, HP 45 €/Pers. Via Trento 37, ¢ 0577-778198, § 775589. www.albergocesaretti.it. Essen & Trinken Ristorante Il Cantinone, Seitensträßchen gegenüber der EssoTankstelle, unterhalb der Piazza Gramsci. Hier kann man zu reellen Preisen gut speisen. Hausgemachte Pasta 6–7 €. Mi Ruhetag. Via Asmara 14/16, ¢ 0577-776552. Ristorante Cesaretti, im gleichnamigen Hotel (s. o.). Beliebt und preiswert, exzellente Casalinga. Meist 4–5 Gerichte zur Auswahl. Mo Ruhetag. Ristorante Laccoria, oberhalb der Stadt, ca. 2 km Richtung Siena und mitten im Grünen. Gemütlicher Gasthof mit guter, bodenständiger Küche, abends wird auch Pizza gebacken. Mi Ruhetag. ¢ 0577-777107. Caffè Staro, eher Kneipe als Café. Der Name steht schließlich für ein gutes tschechisches Bier, weitere tschechische Reminiszenzen wurden ins Interieur integriert. Antipasti und knackige Salate, gute Stimmung. Nur im Sommer geöffnet. So Ruhetag. Via Cavour 42. Sehenswertes Klosterkirche: Am Ortsrand, etwas eingezwängt zwischen den Häusern, steht die Kirche (tägl. 7–20 Uhr) des heute nicht mehr existierenden Klosters, das dem Ort den Namen gab: Abbadia San Salvatore. Im Mittelalter war die Abtei ein bedeutendes Zentrum weltlicher Macht. Ausgestattet mit päpstlichen Privilegien, beherrschten die Benediktineräbte das Gebiet bis zur Küste beim Monte Argentario. 1229 befand Papst Gregor IX., die Benediktiner frönten hier einem gar zu üppigen Leben, und übergab das Kloster den Zisterziensern. Sein wahres Motiv aber war wohl eher, dass die Benediktiner es mit Gregors Erzfeind, Kaiser Friedrich II, hielten. 1783 musste der letzte Zisterzienserabt sein Amt aufgeben, der Klosterbetrieb wurde per Dekret eingestellt. Erst 1939 hielten die Zisterzienser wieder Einzug. Die Kirche im romanischen Stil datiert aus dem Jahr 1035. Fresken aus dem 17. Jh. zeigen einige Episoden aus dem Leben des Langobardenkönigs Rachis, der das Kloster nach der Legende im 8. Jh. gegründet haben soll. Er befand sich auf einem Feldzug gegen Perugia, als er auf einem Jagdausflug in den Wäldern des Monte Amiata eine Gotteserscheinung hatte. Rachis war davon so beeindruckt, dass er beschloss, fortan mit Frau und Kind unterhalb des Gipfels zu hausen. Aus der Mitte des 11. Jh. stammt auch die Krypta Longobarda. Um sie nach den Ausgrabungen zugänglich zu machen, wurde der Kirchenboden angehoben. Die Krypta, sehr eindrucksvoll ausgeleuchtet, ist durch 36 Säulen unterteilt, deren Kapitelle noch nicht vollständig ausgedeutet sind: Ein gordischer Knoten ohne Anfang und Ende symbolisiert die Unendlichkeit Gottes, das bärtige Gesicht gehört vielleicht dem Langobardenkönig Rachis. Das Museo dell’Abbazia bei der Kirche in der Via del Monastero 42 ist in der Saison um 9.30–12 und 15.30–18 Uhr geöffnet. Besser vorher anrufen: ¢ 0577-778083. Quecksilbermuseum: Auf dem weiten Minengelände am oberen Ortsrand von Abbadia San Salvatore eröffnete im Jahr 2000 das Museo Minerario. In sechs Vivo d’Orica 157 Räumen ist hier alles Wissenswerte rund um die frühere Mine zu erfahren: Geschichte des Bergbauzentrums, Abbaumethoden, der Arbeitsalltag der Minenarbeiter etc. Eine eigene Abteilung ist den Arbeiteraufständen von Abbadia San Salvatore gewidmet. Viele der einstigen Fabrikgebäude auf dem Gelände verfallen, nur die Stahltürme, in denen das Metall raff iniert wurde, stehen größtenteils noch. Der industrielle Quecksilberabbau (ital. Mercurio) am Monte Amiata begann in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Das abgebaute Zinnober (Quecksilbersulf id), das früher zum Färben benutzt wurde, wurde auf 750 Grad erhitzt, bis das Quecksilber ausdampfte und als Kondensat gesammelt werden konnte. Die Mine war einst eine der weltweit größten ihrer Art. Als wegen fallender Weltmarktpreise die Förderung unrentabel geworden war, wurde dichtgemacht. Monte Amiata → Karte S. 154/155 Vorplatz der Abtei von Abbadia San Salvatore Tägl. 9.30–12.30 und 15.30–18.30 Uhr. Eintritt 3 €. Galleria Livello VII: Auf dem Gelände des Museo Minerario ist neuerdings auch eine ehemalige Stollenanlage zu besichtigen. Die Führungen durch die unterirdischen Anlagen des Bergbaus werden von einem ehemaligen Minenarbeiter geleitet (im Sommer mit Übersetzung); Besichtigung in der Regel im Juli/Aug. um 10 und 16 Uhr. Reservierung außerhalb der Saison im Pro-Loco-Büro: ¢ 0577-778324. Eintritt 4 €, Sammelticket Museum und Stollen der Galleria Livello VII 6 €. Vivo d’Orcia Der 400-Seelen-Ort, ca. 8 km nördlich von Abbadia San Salvatore, wird vor allem seiner ehemaligen Einsiedelei wegen aufgesucht, die in romantischer Umgebung neben dem Flusslauf des Vivo unterhalb der Ortschaft liegt. Den Wagen lässt man am Hauptplatz stehen und folgt der Ausschilderung in Richtung Eremo (Via IV No- Vivo d’Orica 158 Monte Amiata vembre). Bald überquert man rechts eine steinerne Brücke. Von der Mühle auf der linken Seite sind nur noch Ruinen geblieben. Das in Privatbesitz bef indliche Castello lässt man rechts liegen und gelangt durch den Torbogen in den Borgo Principale. Übernachten/Essen I Tre Rioni, in Campiglia d’Orcia, wenige km östlich von Vivo d’Orcia. Was aus der Küche kommt – auf Wunsch auch glutenfrei – ist sehr ordentlich, und so wird das Gasthaus gern auch von Einheimischen besucht. Restaurant mit ein paar gepflegten Zimmern ab 70 €. Mo Ruhetag. Via Campotondo 3, ¢ 0577-872015, www.itrerioni.com. Osteria Il Castagno, im Ortszentrum; einfache Hausmannskost, im Sommer draußen unter’m Kastanienbaum. Mo Ruhetag. Via Amiata 129, ¢ 05677-873510. Pizzeria Flora, schlichtes Lokal, aber köstliche Pizza aus dem Holzofen. Mo Ruhetag. Viale IV Novembre 22, ¢ 0577-776285. La Taverna del Piano delle Mura, in der Küche wird ausschließlich mit biologischen Zutaten gekocht – das Resultat ist hervorragend und wurde von der Vereinigung Slow Food ausgezeichnet. Freundliche, offene Atmosphäre, gemütlicher Gastraum und kleine Terrasse. Di–Fr erst ab 17.30 Uhr geöffnet, Sa/So bereits ab Mittag. Mo Ruhetag. Via delle Casine 12. ¢ 0577-874009, www.tavernapiandellemura.it. Wanderung 7: Von Vivo d’Orcia zu zwei Einsiedeleien und der Quelle des Vivo Wildromantische Wanderung im Buchenwald Radicofani → S. 272 ca. 1200 Einwohner Ein einsames, verschlafenes Bergnest östlich des Monte Amiata, dominiert von einer weithin sichtbaren Burg auf einem Basaltfelsen in ca. 760 m Höhe. Die Burg wurde erst im 19. Jahrhundert wieder aufgebaut, nachdem eine Explosion im Pulvermagazin 1735 sie hatte einstürzen lassen. Der aus Siena vertriebene Ghino di Tacco machte sich Ende des 13. Jh. die strategisch wichtige Lage zunutze und betätigte sich als Raubritter, um seinen von den Sienesern hingerichteten Vater zu rächen. Boccaccio (1313–75) verewigte ihn in seinem „Decamerone“, das Volk verehrte ihn als eine Art Robin Hood des Monte Amiata. Tacco plünderte nur die Reichen aus, arme Schlucker wurden schon mal mit einer Brotzeit gestärkt. Besonders amüsant ist die Episode mit dem fettleibigen Abt von Cluny, der erst nach wochenlanger Abmagerungskur und gegen entsprechende Gebühr laufen gelassen wurde. Dem Volkshelden spendierten die Bewohner von Radicofani im kleinen Park neben der Kirche S. Pietro eine Statue: Tacco mit Schwert und Schild – und einem abgeschlagenen Kopf in der Hand. Das kleine Borgo ist äußerst schmuck. Die Hauptstraße zieht sich durch Reihen dunkler Steinhäuser. Im Zentrum f indet man die romanische Kirche San Pietro (13. Jh.), ihr gegenüber steht die Kirche Sant’Agata, die der Schutzpatronin von Radicofani geweiht wurde. In beiden Kirchen ist Andrea della Robbia mit einer Terrakotta-Altartafel vertreten. Vom weithin sichtbaren Turm aus genießt man auf ca. 950 Meter ü. M. einen Rundblick über das Val d’Orcia. Die renovierten Wehranlagen und das Ausgrabungsgelände können besichtigt werden (Fortezza di Radicofani, tägl. 10–19 Uhr, Eintritt 3 €). Die Festung ist mit dem Auto über die asphaltierte Straße zu erreichen oder Radicofani Radicofani 159 aber zu Fuß über die „Scalette”, ein 20-minütiger Fußweg über Treppen. Hierfür im Zentrum von der Via Roma aus auf die Ausschilderung des Weges achten und an der Via della Fortezza 10 links weiter den Stufen bergauf folgen. Diese etwas anstrengende Variante führt durch das die Festung umgebene Dickicht empor zur Fortezza. Oben angelangt, schätzt man das gemütliche Wirtshaus im mittelalterlichen Ambiente mit gekühlten Getränken. Den Rückweg zurück zum Ort kann man bequem über die Asphaltstraße antreten. Radicofani lag an der Via Cassia, der wichtigsten Verbindung von Rom nach Norditalien und Frankreich. 300 m unterhalb des Orts steht an der SS 478 der Palazzo La Posta, Poststation und Zollhaus an der ehemaligen Grenze zwischen dem Großherzogtum Toscana und dem Kirchenstaat. Der imposante Bau aus dem 17. Jh. mit seinen zwei mächtigen, übereinander liegenden Loggien schlummert heute verlassen vor sich hin und verwahrlost. Einst war der Palazzo ein beliebtes Hotel am langen Weg von Siena nach Rom, viele Berühmtheiten stiegen hier ab, darunter auch Charles Dickens, der an einem stürmischen Tag ankam und die Straßen menschenleer vorfand. Vielleicht war das der Grund für seinen düsteren Gesamteindruck: Das Hotel mit seinen labyrinthartig angelegten Gängen sei „extremly frightening“, notierte er. Dem Palazzo gegenüber steht ein mit dem Wappen der Medici geschmückter Brunnen, an dem einst die Kutschpferde getränkt wurden. PLZ 53040 Information Ufficio Turistico, im Sommer meist 10–12.30 und 16.30–18.30 Uhr (nicht immer). An der Porta Romana am süd-östlichen Ende der Via Roma. ¢/§ 0578-55684 (meist nur Fax in Betrieb). Einkaufen Forno a Legna, in der winzigen, seit über 200 Jahren in Familienbesitz existierenden Bäckerei backen heute die Enkel des abgebildeten Bäckerehepaars täglich frisches Brot und Pizza. Via dei Forni 17, im Ortszentrum. Übernachten/Essen ** La Torre, ein paar Meter vom unteren Stadttor entfernt. Mit Bar und Restaurant (außerhalb der Hauptsaison Do Ruhetag). 12 einfache, aber ordentliche Zimmer. DZ mit Bad 68 € inkl. Monte Amiata → Karte S. 154/155 Weithin sichtbare Landmarke – der Brunnenturm von Radicofani 160 Monte Amiata Frühstück. Geöffnet Mitte März bis Mitte Nov. Via Matteotti 7, ¢/§ 0578-55943. Mein Tipp: Ristorante Il Pama, aus Richtung Siena gleich am Ortseingang links, Straße zur Festung. Großer Garten, sympathischer, um die Gäste bemühter Familienbetrieb. So preiswert und gut isst man selten: Touristenmenü (sowohl Fleisch als auch Fisch) 13 €, Degustationsmenü 23 €. Mo Ruhetag. Via Marconi 3, ¢ 0578-55919. Ristorante La Grotta, im oberen Ortsteil (Durchgang bei Sant’Agata); zum Draußensitzen, innen im steinernen Gewölbe eher etwas düster. Bekannt wegen seiner Wild- und Fleischgerichte und der Steinpilzsuppe. Einladend: Der Vino della Casa steht schon auf dem Tisch. Di Ruhetag. ¢ 0578-55866. Bäckerei in Radicofani Bagni San Filippo Pane e Companatico, an der hübschen Piazzetta del Teatro im Borgo; originelles kleines Geschäft mit Käse- und Wursttheke, auch für einen rustikalen Imbiss geeignet. ca. 50 Einwohner Acht Kilometer nördlich von Abbadia San Salvatore und schon fast unten im Formone-Tal liegt dieser beschauliche kleine Thermalort. An den Dorfpatron erinnert die Grotta di San Filippo, eine blumengeschmückte Einsiedelei im Felsen, etwas abseits der schmalen Straße nach Campiglia d’Orcia. Am 22. und 23. August pilgern Gläubige aus der Umgebung hierher. Bagni San Filippo besteht aus ein paar Häusern, einem trotz Renovierung noch immer ein wenig altmodisch anmutenden Kurhotel, immerhin zwei Einkehrmöglichkeiten – und einer wahren Naturattraktion, der idyllisch gelegenen Fosso Bianco: Der weiße Sinterfelsen mitten in einer bewaldeten Schlucht mutet unwirklich an. Unterhalb liegen natürliche Becken mit verlockend milchig-grünem Badewasser, vor allem das obere Becken gleicht einer Badewanne. Das mineralhaltige Wasser ist, nachdem es die hohe Felswand aus Sinterablagerungen heruntergerieselt war, auch im Spätherbst noch lauwarm. Unter der Woche verirren sich nicht allzu viele Badegäste in diese Oase, voller wird es am Wochenende. Im Winter 1993/94 brach ein großer Teil der Galerie ab. Seitdem sorgen Absperrungen für Distanz; dem Badevergnügen mit „Naturdusche“ kann man sich aber immer noch hingeben. Die mit Reißzwecken angebrachten Badeverbotsschilder beeindrucken nur wenig und halten niemanden vom Baden ab. Fußweg von der Straße aus ca. 7 Min. Am oberen Ortsausgang (hier auch schattige Parkplätze) weist ein Schild den Weg ins Tal. Dem breiten Weg folgen, kurz darauf geht es über eine Holzbrücke, dann nach ca. 100 m links hinunter (Holzgeländer). Baden kann man auch im 1997 renovierten Thermalbad des oben erwähnten Kurhotels. Das Becken mit 40 °C warmem Wasser und einem kleinen künstlichen Wasserfall steht auch Nichthotelgästen offen – Zugang am unteren Ortsausgang (Eingang und Parkplatz sind ausgeschildert).
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