Empfehlungen zur Anästhesievorbereitung
Sehr geehrte Frau Kollegin, sehr geehrter Herr Kollege,
in dieser Kurzübersicht möchten wir Ihnen Empfehlungen zur präoperativen Vorbereitung
von Patienten geben, die in der Kreisklinik Bad Neustadt elektiv operiert werden. Vor allem
beim perioperativen Umgang mit der Dauermedikation besteht vielfach Unsicherheit.
Die Deutschen Fachgesellschaften für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI),
Chirurgie (DGCH) und Innere Medizin (DGIM) haben daher eine gemeinsame Empfehlung
zur präoperativen Evaluation erwachsener Patienten vor elektiven, nicht-kardiochirurgischen
und nicht-lungenresezierenden Eingriffen erarbeitet. In unseren klinikinternen Leitlinien
orientieren wir uns an diesen Empfehlungen.
Bei Fragen zum Vorgehen können Sie uns direkt kontaktieren. Wir werden
interdisziplinär mit Ihnen zwischen Anästhesisten, Chirurgen und ggf. Internisten das
Vorgehen bei Ihrem Patienten planen.
Wann ein präoperatives EKG und wann nicht?
Allein das Alter ist keine EKG Indikation
Kein EKG notwendig:
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Patient ist anamnestisch unauffällig und kardial asymptomatisch
Schrittmacherträger bei regelmäßigen Schrittmacherkontrollen
12-Kanal -EKG empfohlen:
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Kardiale Symptome (z.B. Ischämie, Ödeme, Rhythmusstörungen etc.) oder ICD-Träger
Auffällige Anamnese (Herzinsuffizienz, Koronare Herzkrankheit, Periphere arterielle
Verschlusskrankheit, Zerebrovaskuläre Insuffizienz, Diabetes mellitus, Niereninsuffizienz)
Schrittmacherträger bei klinischen Symptomen
Wann eine präoperative Thoraxröntgenaufnahme und wann nicht?
Allein das Alter ist keine Indikation für eine Röntgenuntersuchung
Kein Röntgenthorax notwendig:
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Patient ist anamnestisch unauffällig und pulmonal asymptomatisch
Bekannte / stabile Erkrankung (z.B. COPD / Asthma)
Röntgenthorax empfohlen:
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•
Neu aufgetretene / akut symptomatische Erkrankung (z.B. Pneumonie, Pleuraerguss,
Atelektase); →ggf. pulmonale Funktionsdiagnostik
V.a. OP-/ anästhesierelevanten Befund (z.B. ausgeprägte Struma, Thoraxdeformität)
Umgang mit der Dauermedikation
Grundsätzlich kann der Patient die meisten seiner Medikamente bis zum Vortag der
Operation weiternehmen. Welche Medikamente er am Tag der OP einnehmen soll, erfährt er
von uns im Prämedikationsgespräch.
Für die präoperative Vorbereitung sind u.a. folgende Medikamente interessant:
Antikoagulatientherapie
Thrombozytenaggregationshemmer
Eine Medikation mit ASS soll - außer bei Vorliegen absoluter Kontraindikationen
(intrakranielle Operationen, Operationen am Spinalkanal, am Augenhintergrund, manifeste
Blutung) – perioperativ nicht unterbrochen werden
Vor Operationen mit relevantem Blutungsrisiko sollte Clopidogrel entsprechend seiner
Pharmakodynamik 5–7 Tage präoperativ abgesetzt werden. Bei einem hohen
Thromboserisiko sollte eine Antikoagulationstherapie fortgesetzt oder modifiziert werden.
(spezielles Vorgehen b. Pat. nach Koronarintervention s. u. !)
Blutungskomplikationsrisiko
Sehr hoch: Hirn- und rückenmarksnahe Chirurgie, Retinaeingriffe
Hoch: Abdominalchirurgie, orthopädische Chirurgie, Urologie, Herz-Thorax- und
Gefässchirurgie
Niedrig: Zahnextraktionen, Polypenabtragungen etc
Duale Thrombozytenaggregationshemmung (ASS und Clopidogrel) nach
Koronarintervention mit Clopidogrel und ASS
Bei Patienten mit Bare-Metal-Stent-Implantation soll eine nicht-kardiale Operation frühestens
vier bis sechs Wochen, optimalerweise drei Monate, nach der Intervention vorgenommen
werden. Bei Patienten mit Drug-Eluting-Stent-Implantation sollte eine nichtkardiale Operation
nach Möglichkeit innerhalb von sechs∗ bis zwölf Monaten nach Intervention vermieden
werden.
Die duale Plättchenaggregationshemmung sollte entsprechend der unten angegebenen
Zeitintervalle fortgeführt werden. Nach diesem Zeitraum sollte die ASS-Therapie auch
perioperativ fortgesetzt werden (Ausnahmen s. o.)
< 6-12 Monate∗
BMS = bare metal stent DES = Drug eluting stent,
∗ Modifikation nach deutschen Empfehlungen
> 6-12 Monate∗
Vitamin-K-Antagonisten
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Das perioperative Absetzten muß in jedem Einzelfall gegen das perioperative
Blutungsrisiko abgewogen werden
Phenprocoumon (Marcumar®) in der perioperativen Phase durch Heparin in
therapeutischer Dosierung ersetzen
Neue orale Antikoagulatien: z.B. Rivaroxaban
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Perioperative Lücke durch Auslassen der Dosis am OP-Tag (letzte Einnahme 24 h vor
OP)
Operationen mit hohem Blutungsrisiko und eingeschränkter Nierenfunktion evtl. 48 h
präoperatve Pause
Metformin
Die beschriebene lebensbedrohlichen Laktazidose ist im perioperativen Bereich äußerst
selten.
Die Fachinformation empfiehlt: Absetzen 48 h vor dem Eingriff
⇒ individuelle Nutzen-Risiko-Abwägung:
Weiterführung der Medikation bis zum Vorabend der Operation ist zu rechtfertigen, d. h.
Entscheidung von der Kontrolle des Blutzuckers und weniger von potenziellen
Nebenwirkungen abhängig machen.
Gerinnungsanamnese:
Zur Erkennung präoperativer Gerinnungsstörungen führen wir bei allen unseren Patienten
eine strukturierte Gerinnungsanamnese und je nach Ergebnis eine erweiterte
Gerinnungsdiagnostik durch.
Bei gesunden Kindern benötigen wir außer der Gerinnungsanamnese keine präoperativen
Laborwerte. Unsere Gerinnungsfragebögen für Kinder und Erwachsene sind auf der
Internetseite der Kreisklinik Bad Neustadt unter Service, im Bereich „Informationen für Ärzte
auf der Seite der Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin hinterlegt.
Wir hoffen, Ihnen mit diesen Informationen geholfen zu haben und freuen uns über
Rückmeldungen und Anregungen Ihrerseits.
Mit freundlichen Grüßen,
Dr. med. Michael Schneider
Chefarzt Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin