Neue Ärzteausbildungsordnung

Foto: Raimo Rumpler
AUSBILDUNG
Neue
Ärzteausbildungsordnung
W
ieder einmal sind wir alle mit einer neuen Ärzteausbildungsordnung konfrontiert. Deshalb erlaube ich mir wieder eine Feststellung, weil ich als langjähriger Bundesfachgruppenobmann des Sonderfaches Kinder- und Jugendheilkunde
und Präsidiumsmitglied der Österr. Gesellschaft für Kinder- und
Jugendheilkunde an der letzten für den Bereich meines Sondefaches mitgearbeitet habe. So stellt sich mir eingangs schon
die Frage, ob österreichische ÄrztInnen so schlecht ausgebildet
waren, dass alle paar Jahre Änderungen notwendig waren und
offensichtlich immer noch sind.
Seit Generationen war die Ausbildung zum Arzt für Allgemeinmedizin durch einen dreijährigen Turnus, in dem die
Ausbildung an den wichtigsten Fachabteilungen im stationären
Bereich zu absolvieren war, geprägt. Dem Wunsch nach praktischer Ausbildung beim niedergelassenen Arzt für Allgemeinmedizin wurde schon vor einigen Jahren durch die Einführung
von Lehrpraxismonaten Rechnung getragen. Allein die nicht
existente Finanzierung dieser Ausbildung durch die öffentliche
Hand hat diesem Modell keinen Erfolg beschert.
Die Ausbildung zum Facharzt dauerte insgesamt sechs Jahre, von
denen zumeist vier Jahre auf einer entsprechenden Ausbildungsstelle erfolgte. In der restlichen Zeit musste die Ausbildung durch
verpflichtende Gegenfächer ergänzt werden. Zumeist blieb noch
eine gewisse Zeit, über die mehr oder weniger frei verfügt werden
konnte. Sowohl zusätzliche Monate im eigenen Sonderfach aber
auch Ausbildungen in anderen Sonderfächern wurden angerechnet. Gerade die verpflichtenden Gegenfächer waren meines
Erachtens eine mehr als sinnvolle Ergänzung der Ausbildung.
Bezugnehmend auf mein eigenes Sonderfach erlaube ich mir
festzuhalten, dass speziell die Zeiten auf einer HNO-Abteilung
und jene auf einer Abteilung für Orthopädie und orthopädische
Chirurgie ganz wesentliche Bestandteile der Gesamtausbildung
dargestellt haben.
Mit der neuen Ausbildungsordnung werden nun aber die Karten völlig neu gemischt. Neun Monate Common Trunk, in
denen neben einer notfallsmedizinischen Ausbildung auf den
Abteilungen Chirurgie und Innere Medizin die fünfzehn häufigsten Erkrankungen näher gebracht werden sollen, sind für
alle verpflichtend. Dann spaltet sich die Ausbildung in jene für
FachärztInnen und jene für AllgemeinmedizinerInnen auf. Insgesamt wird die Ausbildung für letztere um ein Jahr verlängert,
zusätzlich wird die Ausbildung in einer Lehrpraxis für sechs
Monate verpflichtend. Erwähnenswert erscheint mir auch noch
VP MR Dr. Dietmar
Baumgartner
die Tatsache, dass diese Zeit auch in Lehrambulatorien absolviert
werden kann. Natürlich unterscheiden sich hier die Krankheitsbilder wesentlich von denen in einer allgemeinmedizinischen
Ordination. Dass dabei die Ausbildungszeit in wichtigen Sonderfächern verkürzt wurde (Kinder- und Jugendheilkunde von
ursprünglich sechs auf jetzt drei Monate) wird nicht unbedingt
für eine Verbesserung sorgen können. Die Aufnahme von Psychiatrie und Orthopädie in den Turnus ist positiv zu bewerten,
allerdings mit einem kleinen Wehrmutstropfen: Die Sonderfächer Orthopädie und Unfallchirurgie werden entsprechend der
neuen Ausbildungsordnung in einem Sonderfach vereint, womit
dieser positive Aspekt höchstwahrscheinlich wieder wegfallen
wird. Die Entscheidung für ein Sonderfach fällt derzeit nicht
selten während der Turnuszeit. Häufig bleibt man aus persönlichem Interesse an einer Abteilung. Es gibt auch durchaus die
Möglichkeit, dass man während seiner Turnuszeit durch entsprechend hohes persönliches Engagement so positiv auffällt, dass
einem eine Facharztausbildungsstelle angeboten wird. Wie dies
in Zukunft sein wird, das werden wir ja sehen.
Beachtenswert erscheint mir außerdem die Tatsache, dass nun
auf alle Fälle ein gesamtes Jahr lang keine AllgemeinmedizinerInnen für die Versorgung der PatientInnen im extramuralen Raum
zur Verfügung gestellt werden können. Ob dies in der bevorstehenden Pensionierungswelle zur Verbesserung der Versorgung
der PatientInnen beträgt, wage ich einmal sehr in Abrede zu
stellen.
Auch die Facharztausbildung erscheint mir auf den ersten Blick
hin nicht unbedingt sehr durchdacht. Ein Eliminieren wichtiger
Additivfächer, die Aufteilung der Ausbildung in eine Kernausbildungszeit gefolgt von einzelnen Modulen halte ich insgesamt für
problematisch und in der vorliegenden Form zumindest etwas
überhastet und unausgegoren. Für eine dermaßen einschneidende Änderung der gesamten Ärzteausbildungsreform hätte
man sich durchaus weit mehr Zeit nehmen können. Betrachten
wir „Langlebigkeit“ der letzten Reformen können wir unschwer
feststellen, dass deren Halbwertszeit relativ kurz war. Daraus
folgt, dass wir uns auch mit dem vorliegenden Konzept voraussichtlich nur für kurze Zeit vertraut machen müssen.
MR DR. DIETMAR BAUMGARTNER
Obmann der Kurie der niedergelassenen Ärzte
CONSILIUM 06/15
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