Kosmetik Lauter Die Münchnerin Beatrice Frankl hat in 30 Jahren rund 4000 Parfümflakons zusammengetragen. Die Geschichte einer Liebe text Sonja Niemann Brigitte woman 11| 10 Fotos Anne gabrieL-Jürgens Flaschen Eine wahre Schatzkammer: Ihre liebsten Flakons hebt Beatrice Frankl in ihrer Wohnung auf. Die Schaufensterdekoration von 4711 (linke Seite) ist aus feinem Porzellan Nichtsammler stellen sich begeisterte Sammler manchmal als kauzige Wesen vor S 1 2 3 4 o genau weiß Beatrice Frankl auch nicht, woher ihr Drang kommt, Dinge zu sammeln. Eine Zeit lang waren es ausgefallene Kuchenformen. Das mit den Spazierstöcken hat sie auch irgendwann gelassen, zu wenig Platz in der Münchner Mietwohnung. Aber ihre wahre Leidenschaft ist geblieben, und die erkennt der Besucher mit einem Blick in ihr Wohnzimmer: Parfümflaschen. Kleine Miniaturen, riesige Großfacticen (die sonst in Schaufenstern für einen Brigitte woman 11| 10 Duft werben und meist mit Obstessig gefüllt sind), originalverpackte Flakons mit Inhalt, Raritäten aus dem 19. Jahrhundert ohne Inhalt, aus Kristall, aus Silber, aus Porzellan, antike Flaschen, flippige Flaschen, dazu Werbeplakate, Werbe-Pins von Parfümmarken (alle an einen Schneidertorso geheftet), Duftkarten in Ordnern, Duftlampen, aus Zeitschriften herausgerissene Anzeigen. Und dies ist nur der allerkleinste Teil der Sammlung: „Hier in der Wohnung habe ich nur meine allerliebsten Stücke.“ Etwa 3000 weitere Flakons stehen einzeln verpackt in den Lagerräumen der Firma ihres Mannes, einem Ausstattungsverleih für Feste. Nichtsammler stellen sich begeisterte Sammler manchmal als etwas kauzige Wesen vor. Sie verstehen nicht, was so faszinierend daran sein soll, jedes kleine Stück zu fotografieren und zu katalogisieren, sich ständig auf Sammlerbörsen rumzutreiben, dort Höchstsummen für einen winzigen Flakon von 1_Das „Extrait D’Odeur“ stammt von der A. H. A. Bergmann Lalique zu bezahParfümerie- & Feinseifenfabrik len (der dann doch aus Waldheim, um 1900 nur rumsteht) und 2_Beatrice Frankl mit einer sehnsuchtsvoll von Factice von Nina Ricci einem nahezu un- 3_Taschenkalender mit verschiedenen Motiven von der Parfüm erreichbaren selfirma F. Wolff & Sohn, 1939 tenen Objekt zu 4_Drei „Rosolen“ mit Eau de schwärmen (bei Cologne deutscher Firmen Beatrice Frankl ist es zum Beispiel die Originalausgabe von „Le roy soleil“, ein Flakon, der von Salvador Dalí entworfen wurde – „ein Traum, aber er erzielte bei der letzten Auktion 12 000 USDollar, so verrückt bin ich dann doch nicht“). Die 55-jährige Münchnerin wirkt kein bisschen kauzig. Sie hat sich einfach nur vor 30 Jahren in die Parfümflakons „richtig verknallt“. Ihr Mann hatte ihr damals ein Parfüm geschenkt, „Farouche“ von Nina Ricci. Der herzförmige Flakon hatte ihr so gefallen, dass sie ihn aufbewahrte. Sie bekam von da an öfter ausgefallene Parfüms geschenkt – die Form war wichtiger als der Inhalt –, und da sie gern Flohmärkte und Antikmessen besuchte, hielt sie dort nun auch nach schönen alten Flaschen Ausschau. Sie kaufte Exotisches wie den Flakon „Chu Chin Chow“ in Form eines Buddhas („den habe ich in Amerika ersteigert zu einem Preis, da hat meinen Mann fast der Schlag getroffen“) und Kitschiges wie einen Spielzeugaffen der Firma Schuko, dem man den Kopf abnimmt, um an das Parfüm zu kommen. Sie entdeckte einen hohlen Käfer aus Silber, den man sich im 19. Jahrhundert an den Gürtel heftete, um dort immer eine Ration Duftwässerchen parat zu haben. Besonders angetan haben es Beatrice Frankl allerdings die Flakons längst vergessener deutscher Vorkriegs-Firmen aus Deutschland: Schwarzlose & Söhne aus Berlin, A. H. A. Bergmann aus Waldheim oder Dralle aus Hamburg, deren Parfüm „Illusion“ (Printwerbung: „Ein Atom genügt!“) in Form eines hölzernen Leuchtturms verkauft wurde. Mann und Tochter von Beatrice Frankl ertrugen das neue Hobby mit Fassung. Bei Ebay die Flaschen zu ersteigern kommt für die Sammlerin übrigens nicht infrage: „Ich möchte den Flakon vorher anfassen, das Etikett lesen, ihn in der Hand spüren, das gehört für mich dazu. Parfüm ist schließlich eine sinnliche Angelegenheit.“ Was für sie dagegen wirklich keine Rolle spielt, ist der Duft an sich. Denn Parfüm auf der Haut trägt die Besitzerin von 4000 Parfümflakons kaum noch – „ich vertrage vieles gar nicht“. Mit ihrer Sammelleidenschaft ist Beatrice Frankl nicht allein, der von ihr 1990 gegründete „Flacon Collectors Club“ hatte schon wenige Monate nach der Gründung weit über 1500 Mitglieder, ein großer Teil davon waren Männer. „Das sind eben oft diejenigen, die das Geld für die wirklich teuren Sachen haben. Die kaufen ausschließlich perfekte alte Stücke aus Baccarat-Glas oder von Lalique und sehen das als Wertanlage.“ Sie selbst interessiert sich allerdings nicht für mögliche Wertsteigerungen, sondern kauft einfach all das, was ihr gefällt. Außerdem hängt sie ohnehin viel zu sehr an ihren Stücken, um sie mit Gewinn wieder losschlagen zu können: „Ich kann rein gar nichts verkaufen.“ Beatrice Frankl ist vor allem an Flakons aus den Jahren bis etwa 1950 interessiert. Denn bis zu dieser Zeit hatten die meisten Parfümfläschchen noch eingeschliffene, reine Glasstöpsel. Später ersetzten selbst die Luxusfirmen zumindest einen Teil des Verschlusses durch Plastik. Wenn sie heute in eine Parfümerie geht, findet sie nicht mehr viel, was ihr sammelwürdig erscheint. Es gibt zwar immer mal wieder limitierte Editionen oder originelle Designs, die ihr gefallen, wie beispielsweise der bekannte Torso von Gaultier. „Aber früher waren Flakons viel edler verarbeitet. Etwas wie Baccarat-Glas erkennt man sofort, das fühlt sich ganz anders an, weicher.“ Es gab nur eine Zeit, wo sie mal fast ein wenig die Lust am Sammeln verloren hätte. Irgendwann in den Neunzigern war es, als es plötzlich eine Art Trend wurde, sich Miniaturen in den Setzkasten zu stellen, und Parfümbörsen in jeder Kleinstadt veranstaltet wurden. Das sei aber längst abgeflaut, sagt Beatrice Frankl, die Sammlerszene wieder kleiner, aber interessierter geworden, die gehandelten Stü- Brigitte woman 11| 10 cke wieder hochwertiger. Zum Glück: „Ein Über angebot macht einfach keinen Spaß mehr. Man sammelt doch, weil man sich etwas erkämpfen möchte. Und um sich dann wirklich zu freuen, wenn man es endlich bekommen hat.“ 1 2 3 4 1_Der hübsche Buddha beinhaltet „Chu Chin Chow“ von Bryenne 1918 aus Baccarat-Kristall 2_Dekorative Facticen: „Coty Complice“ von Coty und „L’Air du Temps“ von Nina Ricci 3_Sammelwürdige Beispiele, die es in Parfümerien zu kaufen gibt: „Eau Impériale“ von Guerlain (Foto) oder „Arpège“ von Lanvin und „Shocking“ von Schiaparelli 4_Pins und Broschen sind oft Werbegeschenke für neue Düfte Die Sammlung von Beatrice Frankl wird vom 20. November bis zum 13. Februar im Karl-ErnstOsthaus-Museum in Hagen ausgestellt. Ermöglicht wird die Ausstellung durch die Douglas Holding AG, deren Parfümerien in diesem Jahr 100-jähriges Jubiläum feiern. Gezeigt werden nicht nur Flakons, sondern auch Werbeplakate, Deko-Utensilien, Anzeigen und viele Informationen rund um die Geschichte des Parfüms.
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