der DISTELFINK Hauszeitung der Gesellschaft zum Distelzwang Bern | Nr. 17 | Oktober 2015 Das Waisenhaus von Bern im 19. Jahrhundert. Lithographie von Rudolf Huber (1770 – 1844), Maler und Kupferstecher. Burgerbibliothek Bern – Signatur: Gr.A. 17 DAS BURGERLICHE JUGENDWOHNHEIM (BJW) E inst und jetzt – wie sich das Waisenhaus in 250 Jahren zum modernen Burgerlichen Jugendwohnheim entwickelte. Ein Besuch vor Ort. Seite 8 EDITORIAL | PRÄSIDIALES | GROSSES BOTT | SPITTELFEST 2015 | KINDERFEST 2015 | DAS BURGERLICHE JUGENDWOHNHEIM | DIE AUSRICHTUNG VON STIPENDIEN | MITTEILUNGEN dD Editorial | Redaktion | Präsidiales Seite 2 Editorial | Redaktion Liebe Angehörige des Distelzwang Liebe Leserinnen und Leser In jeder Ausgabe unserer Gesellschaftszeitung stellen wir Ihnen eine burgerliche Institution vor. Diesmal ist es das Burgerliche Jugendwohnheim. Nicht zuletzt deshalb, weil wir das letzte Kinderfest dort haben steigen lassen. Sie erleben mit, wie sich das ehemalige Zucht- und Waisenhaus von 1757 während 250 Jahren in das heutige moderne Burgerliche Jugendwohnheim weiter entwickelt hat. Nach einem wunderbaren, schier endlosen Jahrhundert-Sommer färben sich die Blätter seit wenigen Tagen eindeutig herbstlich und fallen von den Bäumen. So bunt wie das Herbstlaub – so hoffen wir – präsentiert sich auch dieser Distelfink. Sind Sie noch im Studium oder in der Ausbildung? Unsere jungen Gesellschaftsangehörigen haben bekanntlich Anrecht auf Stipendien der Gesellschaft. Die genauen Bedingungen sowie einen Erfahrungsbericht unserer Gesellschaftsangehörigen Anna Beutler finden Sie ebenfalls in dieser Ausgabe. A propos jung: die Gesellschaftsangehörigen, die das Gelübde ablegen möchten, tun dies jeweils im Grossen Bott vom Herbst. Selbstverständlich ist dies auch in französischer Sprache möglich, wenn Sie dies wünschen. Dürfen wir Sie daran erinnern, jeweils Ihre Adressänderungen zu melden. Damit Sie auch künftig die Einladungen zu Grossem Bott oder Jubiläumsanlass rechtzeitig erhalten. Vielen Dank. Aus Datenschutzgründen müssen wir leider ab sofort auf die genaue Bekanntgabe des Geburtsdatums verzichten. Unsere guten Wünsche an die Jubilarinnen und Jubilaren fallen deswegen aber nicht weniger herzlich aus. Mit herbstlichen Grüssen Beatrice Rieben Redaktion / Stubenschreiberin Anregungen und Rückmeldungen gerne an [email protected] Präsidiales Liebe Angehörige des Distelzwang Der Sommer war sehr gross – um für einmal mit Rainer Maria Rilke zu beginnen – und die Schatten legen sich allmählich auf die Sonnenuhren. Geniessen wir nun einen goldenen Herbst. Ich freue mich, Sie alle an dieser Stelle herzlich zu begrüssen. Sie halten den 17. Distelfink in Ihrer Hand, verantwortet und produziert von Beatrice Rieben Beutler, unserer Stubenschreiberin. Ein ganz grosser Dank an sie für den gelungenen Wurf. Liebe Leserinnen und Leser, für mich ist dies die letzte präsidiale Grussadresse an Sie. Wie schon anlässlich des Frühlingsbotts mitgeteilt, trete ich auf Ende Jahr 2015 von meinem Amt zurück. Wenn ich auf die letzten 11 Jahre zurückblicke, während derer ich im Gesellschaftsrat mitarbeiten durfte, so kommt es mir vor, als wäre es erst gestern gewesen, dass mich ein Telefonanruf von Alain Moilliet mit der Anfrage erreichte, ob ich denn nicht im Gesellschaftsrat von Distelzwang mitwirken möchte. Ein leichtes Zögern – ich war ja wirklich eine Jungburgerin, erst gerade zwei Jahre Präsidiales | Grosses Bott zuvor aufgenommen – sagte ich dann aber mit Freuden zu. Die Jahre vergingen im Flug und ich habe die Zeit genossen. Die Hauptaufgabe war zunächst die Lancierung und Betreuung des Distelfink. Vor fünf Jahren kam dann der ehrenvolle Antrag, sogar das Präsidium der Gesellschaft zu übernehmen. Es war für mich keineswegs selbstverständlich, dass mir das Grosse Bott im November 2011 das Vertrauen aussprach und mich zur ersten Präsidentin der Gesellschaft zum Distelzwang wählte. Diese Aufgabe zu bewältigen, wurde die hohe Verpflichtung und Herausforderung. Persönlich habe ich viel gelernt und viel erlebt, für das ich sehr dankbar bin. Dankbar bin Seite 3 ich aber auch Ihnen allen, die Sie mich unterstützt und mit grossem Wohlwollen begleitet haben, dankbar auch für die stets angenehme und konstruktive Zusammenarbeit mit dem Gesellschaftsrat, besonders dankbar Thüring von Erlach und Alain Moilliet für ihre stets liebenswürdige und kundige Begleitung – ein ganz grosses MERCI! Nun wünsche ich Ihnen eine vergnügliche Lektüre und bin mit herzlichen Grüssen Ihre Annelies Hüssy Präsidentin Grosses Bott Liebe Gesellschaftsangehörige A uf der Traktandenliste des Herbstbotts, das jeweils in erster Linie dem Budget für das nächste Jahr gewidmet ist, stehen heuer auch Wahlen. Unsere Finanzen sind im Lot, das Projekt Gesellschaftsgeschichte konnte ja gut bewältigt werden, so dass wir erneut ein ausgeglichenes Budget präsentieren können. Nun gilt es, dem Baulichen die Aufmerksamkeit zu schenken, weshalb der Gesellschaftsrat im Frühling eine Zustandsanalyse des Gesellschaftshauses an der Gerechtigkeitsgasse 79 in Auftrag gegeben hat. Vorausschauend rückt unser Seckelmeister deshalb bereits für das nächste Jahr eine grössere Summe für ausserordentliche Bauunterhaltskosten ein. Wir müssen dieses Jahr fünf Mitglieder des Gesellschaftsrats wiederwählen. Ich freue mich sehr, dass sich Elias Köchli (Seckelmeister und Vizepräsident), Susanne Vau- cher (Stubenmeisterin), Gaby Cacciatore (Beisitzerin), Stefanie Wenger (Beisitzerin) und Ulrich von Bonstetten (Beisitzer) zur Wiederwahl zur Verfügung stellen. Sie sind bewährte Kräfte und garantieren Stabilität und Kontinuität. Das Präsidium der Gesellschaft ist neu zu besetzen. Der Gesellschaftsrat hat einstimmig Bernhard von Erlach nominiert. Bernhard von Erlach, seit 2009 als Beisitzer im Gesellschaftsrat, ist dipl. Architekt ETH mit einem eigenen Architekturbüro. Eines seiner grösseren Projekte in Bern war gewiss die Restaurierung des Zeerleder-Hauses an der Junkerngasse, das mit seinen wunderbaren Fassadenmalereien von Rudolf Münger aus der Häuserzeile deutlich hervorsticht. Zudem wirkt er im Vorstand der Schweizerischen Gesellschaft für Kunstgeschichte sowie als Vertreter der Burgergemeinde in der Bernischen Denkmalpflege-Stiftung aktiv mit. Annelies Hüssy Präsidentin dD Spittelfest 2015 Seite 4 Burgerspital mit rauschendem Spittelfest eingeweiht | Das neue Haus bot während einer ganzen Woche zahlreiche Überraschungen In der Woche vom 8. bis 14. Juni 2015 stieg das Spittelfest 2015, mit welchem die Eröffnung des renovierten und umgenutzten Burgerspitals offiziell gefeiert wurde. Die Berner Bevölkerung kam in Scharen und sorgte für grossartige Stimmung. Das Fest war vor allem Bühne für das Berner GenerationenHaus und seine zwei Dutzend Partnerinstitutionen. Bei fast 150 Einzelanlässen kamen Alt und Jung bei prächtigem Wetter voll auf ihre Kosten. Für grosse Momente sorgten etwa die Gurteneisenbahn im Kleinformat, der vielfältige Spittelmärit, ein Breakdance Workshop oder ein Minikurzfilmfestival. Zu tollen Höhepunkten auf der Hauptbühne im Hof gerieten die Live-Konzerte von Fiji!, Traktorkestar und Eldorado FM. D as Spittelfest 2015 dauerte sieben Tage und gipfelte am Wochenende in ein rauschendes Finale. Doch schon während der ersten Wochenhälfte gab es erste Höhepunkte. So tourte der Berner Generationen- Chor unter Leitung von Patrick Secchiari jeweils in den Abendstunden auf «musikalischen Rundgängen» durch das Burgerspital. Das Publikum kam hierbei neben vokalen Preziosen auch in den Genuss seltener Einblicke in das Gebäude. Für einen gelungenen Festauftakt sorgten weitere Veranstaltungen wie das allmorgendlich geöffnete Ostside-Café, der Gesundheitscheck beim Schweizerischen Roten Kreuz oder Ballspielturniere im Hof. Immer live dabei Für den Überblick übers reichhaltige Festprogramm war unter anderen Radio Energy besorgt, welches täglich aus dem Burgerspital sendete. Die Radioleute erkundeten aber auch hinter den Kulissen den Betriebsalltag im Burgerspital. Der Facebookkanal der Burgergemeinde informierte derweil fortlaufend mit zahlreichen Posts samt Stimmungsbildern. So konnte man etwa die Vernissage der Graffiti-Foto-Ausstellung im Checkpoint kaum verpassen. Der pensionierte Peter Lauener präsentierte dort seine Fotos legaler Graffitiwände im Gebiet der Bodenweid und war zusammen mit der jungen Graffitikünstlerin Merl persönlich anwesend. Empfohlen wurde aber auch Berns neue Klassikkonzertreihe «Halt auf Verlangen!». Diese feierte Premiere mit einem Doppelkonzert in der Spittelkapelle und präsentiert seit letztem Oktober regelmässig Kammermusikkonzerte. Gastronomische Sternstunden und rauschendes Finale Doch auch kulinarisch kam das Publikum nicht zu kurz. So trumpfte der sympathische Stand von «jolimont» aus Wattenwil Spittelfest 2015 auf mit «Gfrornigem» Bio Joghurt sowie leckeren Crêpes. Rassige Akzente setzte am Wochenende die fahrende Küche «La Ribollita», welche aus einem Vespacar leckere Gemüseeintöpfe- und suppen anbot, derweil das Restaurant «toi et moi» mit seinem Stand im Hof alle anderen Gourmets verwöhnte. Am Freitag startete die kultige Band Fiji! den Konzertreigen auf der Hofbühne und erntete begeisterte Fanreaktionen für ihren trashigen Electrosound. Gleichzeitig machte der Nachwuchs im Checkpoint mit seinen Konzerten gehörig auf sich aufmerksam. Die Bühne gehörte dort diversen Schülerbands. Insbesondere die Grossformation «Hakuna Matata» punktet beim Publikum mit viel Charme und zuletzt eroberten «L&B» die Herzen mit poppigem Swing. Spätnachts heizten dann «Eldorado FM» mit den Überra- Seite 5 schungsgästen «Lo & Leduc» den proppenvollen Spittelinnenhof tüchtig auf. Darauf galt es abzutauchen in die DJ's Lounge im Kellergewölbe des zweiten Untergeschosses, wo elektronische Musik zu stimmiger Baratmosphäre pulsierte. Die Lounge war auch in der Folgenacht der Renner. Der Samstag startete mit dem bunten Spittelmärit, wo unter anderem Trouvaillen aus dem Burgerspital und allerlei Produkte der burgerlichen Pachtbetriebe angeboten wurden. Ein wahrer Höhepunkt war am zweiten Konzerttag der Gig von «Traktorkestar» mit pfeffrigem Balkansound. Zuletzt herrschte kochendheisse Stimmung, welcher nicht einmal spätnächtliche Regenschauer etwas anhaben konnten: Nach dem Chilloutset von «2 for Soul» kam es beim Spittelbrunnen zu Szenen wie aus Fellinis «Dolce Vita» mit badenden Fans! Sonntäglicher Festausklang Anderntags fand am Morgen in der Spittelkapelle der erste Gottesdienst nach der Burgerspitalrenovation statt, samt Taufe eines Neugeborenen. Im Spittelinnenhof öffnete alsbald der ausgeflippte Koffermarkt. Daneben konnte zum Sound einer Jazzcombo ausgiebig gebruncht werden. Mit dem Spittelfest 2015 hat das neue Haus ein prächtiges «Müschterli» dessen abgegeben, was unter seinem Dach alles möglich ist. Text: Martin Grassl Bilder: Fabian Unternährer und Martin Grassl dD Kinderfest 2015 Seite 6 Unser Kinderfest O bwohl uns der Wettergott nicht gerade herzlich zugetan war, konnten wir am Samstag, den 5. September ein lustiges, abwechslungsreiches und rundum gelungenes Kinderfest im Garten des burgerlichen Jugendwohnheims am Melchenbühlweg in Bern feiern. Eine grosse Zahl Kinder und Erwachsene genossen fröhliche Stunden beim sportlichen Wettbewerb und beim gemütlichen Zvieri. Diesmal war der Schiessstand wieder in Betrieb und lockte viele Schützen an, Sackgumpen gehörte unter vielen anderen Spielen natürlich ebenso dazu wie – zum ersten Mal – das «Eierlaufen», wobei, gewiss zur Beruhigung von Eltern und Betreuenden, keine rohen Eier in einem Löffel über den anspruchsvollen Parcours getragen werden mussten, vielmehr taten stattdessen kleine Golfbälle ihren Dienst. Den Organisatorinnen und Helfern sei ganz herzlich für das schöne Fest gedankt, allen voran danke ich der Stubenmeisterin Susanne Vaucher und der Familie Zeller, unserem so bewährten Kinderfest-OK, für ihren grossen Einsatz. Ein Merci auch allen Helferinnen und Helfer vor und hinter den Kulissen. Ohne ihren Einsatz wäre ein solches Kinderfest nicht möglich. Wir freuen uns schon auf das nächste Jahr und geniessen noch ein paar Schnappschüsse vom 5. September…. Annelies Hüssy Kinderfest 2015 Seite 7 dD Das Burgerliche Jugendwohnheim Seite 8 Das Burgerliche Jugendwohnheim (BJW) Das BJW in Kürze • Vom Zucht- und Waisenhaus zum Burgerlichen Jugendwohnheim in 250 Jahren • Trägerschaft ist die Burgergemeinde Bern • Finanzierung durch Kanton und Gemeinden plus Bund • Rund 60 Mitarbeitende • Budget ca. 6,5 Mio. • Betriebsbewilligung durch Gesundheits- und Fürsorgedirektion Burgerliches Bienenhaus Portrait • Das Burgerliche Jugendwohnheim erbringt mit seinen beiden Abteilungen Schosshalde und SAT-Projekt (Satellitenprogramme, externe Angebote) sozialpädagogische und beratende Dienstleistungen • Die Dienstleistungen richten sich an Familien mit Kindern, Jugendliche und junge Erwachsene, insgesamt begleitet das BJW bis zu 70 Familien an den verschiedenen Standorten • Die Dienstleistungen gestaltet das BJW nach seinen Möglichkeiten flexibel (ambulant, teilstationär, stationär oder Mischformen) ausgebildete sozialpädagogische Familienbegleiterin zu Hause unterstützt. Für die Betreuung der Kinder und Jugendlichen in der Schosshalde sind 4 Betreuungsteams zuständig. Die 4 doppelstöckigen Wohngruppen «Sioux», «Dschungel», «Regenbogen» und «La Vista» befinden sich im Längstrakt (siehe Bild links) aneinander angereiht, die Türen der einzelnen Wohnungen stehen heute alle weit offen. Besuch im Burgerlichen Jugendwohnheim argrit Lienhart, die Leiterin der Abteilung Schosshalde im Burgerlichen Jugendwohnheim, empfängt mich an einem wunderschönen Herbsttag am Melchenbühlweg 8 in Bern. Sie erzählt mir zuerst aus ihrem interessanten Arbeitsumfeld, anschliessend darf ich mich im ganzen Wohnheim umschauen. M In «ihrer» Institution befinden sich im Moment 28 Jugendliche und Kinder, die in den 4 verschiedenen Wohngruppen mit je 7 Plätzen untergebracht sind. Ausserdem werden derzeit 12 Familien durch eine dafür Pflichtenheft der Jugendlichen Bei Eintritt in die Schosshalde bekommen die Jugendlichen einen Flyer ausgehändigt, der unter anderem Bettzeiten, Ausgang, Besuch von FreundInnen, Gebrauch von Medien und Handy regelt. Es wird insbesondere auf Selbständigkeit und gegenseitigen Respekt geachtet. Als ich dort bin, bereitet eine junge Frau für ihre MitbewohnerInnen das Nachtessen zu. Es gibt Crêpes mit Beeren. Die Stimmung ist locker und angenehm, die lichtdurchfluteten Wohnungen wirken gemütlich. Ich bin sehr erstaunt und beeindruckt, wie ordentlich alles ist: Zimmer, Küche, Badezimmer, die ich bei mei- nem (unangekündigten) Besuch antreffe, alles ist blitzsauber und aufgeräumt. Hier ein Satz aus dem Flyer, den ich an meine eigenen Jugendlichen daheim weiterleiten werde: «du wäschst deine Kleider ab 14 Jahren selbst». Gemeinsames Wohn- und Badzimmer Das Burgerliche Jugendwohnheim Geschichte der Burgerlichen Waisenhäuser bis 1938 Die Geschichte des heutigen, 1757 neu gegründeten Burgerlichen Waisenhauses in Bern reicht 258 Jahre zurück. Das erste Zucht- und Waisenhaus wurde 1657 im ehemaligen Dominikanerkloster der Stadtrepublik für 150 Kinder angelegt (damals noch nicht als burgerliche Institution). Ausschlaggebend war zunächst, ob ein Kind als Arbeitskraft gebraucht werden konnte. Das als Tuchmanufaktur eingerichtete Waisenhaus musste aber bald schliessen, da die zu verkaufenden Waren nicht genügend Gewinn einbrachten. Das Knabenwaisenhaus Das Burgerliche Waisenhaus, das 1757 an der Speichergasse 6 gegründet wurde, war hingegen schnell erfolgreich. Denn das Gedankengut der damaligen Kommission, dass nur Erziehung, Bildung, Reinlichkeit und Ordnung vorteilhaft auf die jungen Menschen wirken, war seiner Zeit weit voraus. Sodann wurden bis ins 20. Jahrhundert nicht nur burgerlichen Waisen, sondern auch Kindern von burgerlichen Beamten, die ausserhalb Berns wohnten sowie burgerlichen Kindern aus schwierigen familiären Verhältnissen Zugang zu höherer Bildung ermöglicht. Auch die christliche Religion spielte im Berner Waisenhaus eine zentrale Rolle. Bibelstunden, Gebete und religiöse Übungen prägten den damaligen erzieherischen Alltag, sowie ein ausgeklügeltes Bestrafungs- und Belohnungssystem. Während die Einsichtigen am Ende ihrer Zeit ein Kässeli voll Geld mit auf den Weg bekamen, wurden Erziehungsresistente ermahnt, isoliert oder gar mit körperlicher Züchtigung bestraft. In den 1790er Jahren wurde die Ausbildung der Zöglinge zunehmend militarisiert. Knaben exerzierten mit Gewehren; regelmässiges Schwimmen in der Aare gehörte zum körperlichen Stählen. Latein war ein sehr wichtiges Schulfach, an 16 – 17 Wochenstunden von 41 wurde Latein gelehrt – dementsprechend wandte sich der Grossteil der Abgänger den Geisteswissenschaften oder der Jurisprudenz zu. Später wurden zum ersten Mal auch Stimmen nach freier Meinungsäusserung und politischer Bildung laut: die Knaben durften eine politische Zeitung abonnieren. Das Mädchenwaisenhaus Die Geschichte des 1764 gegründeten Mädchenwaisenhauses war eng mit derjenigen des Knabenwaisenhauses verbunden. Es wurde allerdings von einer Witwe und deren lediger Tochter geführt. Die Mädchen lernten von der Tochter nähen, stricken, brodieren (sticken), Blondes (eine besondere Art seidener Spitzen) und Spitzen machen, die Mutter führte Haushalt und Küche. Nach dem Bau des neuen Knabenwaisenhauses zogen die Mädchen auch dorthin. Dieser Standort erwies sich später als unpassend, weil das «anatomische Theater», als welches das Gartenhaus von der medizinischen Fakultät genutzt wurde, derart unangenehme Gerüche verbreitete, dass die Mädchen nicht mehr essen mochten. So zügelte das Mädchenhaus ins Studergut ausserhalb der Stadt. In den 30er Jahren schliesslich zogen die noch 16 verbliebenen Mädchen in ein Provisorium im Chalet Bioncourt, bevor es zusammengelegt wurde mit dem Knabenwaisenhaus am heutigen Ort. Obwohl die Mädchen nun an öffentlichen Schulen eine gute Ausbildung bekamen, war das Waisenhaus nach wie vor beliebt, weil es weniger Schülerinnen in einer Klasse hatte. Auf zu neuen Ufern In den 1930er-Jahren drängte sich eine Neuorganisation der Waisenhäuser auf. Seite 9 Sinkende Kinderzahlen und neue pädagogische Konzepte, liessen einen Zusammenschluss von Mädchen- und Knabenwaisenhaus als sinnvoll erscheinen. Das geeignete Land fand die Burgergemeinde beim Waldeckgut und während 16 Monaten wurde das heutige Waisenhaus gebaut, mit viel Umschwung und einem visionären Bau. Er habe sehr viel gelernt dort, wird ein ehemaliger Zögling zitiert, ähnlich wie an einem englischen Internat, weil die Lehrpersonen bei den sehr kleinen Klassen besser auf die einzelnen Kinder eingehen könnten. In öffentlichen Schulen hatte ein Lehrer eine Klasse mit ca. 50 Schülern. SAT-Projekte Seit 1991 nennt sich das einstige Waisenhaus Burgerliches Jugendwohnheim BJW, kurz darauf ergänzen sogenannte Satellitenprogramme (externe Angebote) zur individuellen Unterstützung von Jugendlichen den Standort an der Schosshalde. Eines der SAT-Projekte betreibt zum Beispiel eine Getreidemühle, die geschützte Arbeitsplätze für Jugendliche und junge Erwachsene anbietet. Ein anderes, die „duale Familienbegleitung“, unterstützt Familien, in denen die Beziehung zwischen Eltern und ihren Kindern beeinträchtigt ist, aber auch Eltern, die mit der Situation überfordert sind. Weitere SAT-Angebote finden Sie hier: www.satprojekt.ch Weiterentwicklung Das BJW beabsichtigt, in absehbarer Zeit konzeptionelle und fachliche Grundlagen zur Bereitstellung massgeschneiderter, bedarfsgerechter Dienstleistungen zu schaffen. Dazu soll ein neues Fach- und Dienstleistungskonzept erarbeitet werden, welches sich nach der anerkannten Theorie «Sozialraumorientierung» richtet. Quellenangabe: Von Bernern und Burgern, Band 2 Weitere Information: www.bjw.ch Beatrice Rieben Beutler dD Die Ausrichtung von Stipendien Seite 10 Die Ausrichtung von Stipendien W ir möchten wieder einmal ins Gedächtnis rufen, dass junge Angehörige der Gesellschaft zum Distelzwang Anrecht haben auf Stipendien. Stipendienberechtigt sind Sie, wenn Sie in der Schweiz niedergelassen sind, das 16. Altersjahr zurückgelegt haben und mindestens neun Jahr lang die Schule besucht haben. rücksichtigung der zur Verfügung stehenden Mittel und der Zahl der Bewerberinnen und Bewerber fest. Es stehen höchstens Fr. 4 000.00 pro Gesuchstellende / r zur Verfügung, wobei dieser Betrag nicht als Ganzes ausbezahlt wird. Nach Abschluss der beruflichen oder wissenschaftlichen Ausbildung fällt die Bezugsberechtigung dahin. Nach Bezug der Stipendien wünscht der Gesellschaftsrat einen Bericht über die Verwendung der Unterstützung, den Sie bitte jeweils bis Ende Jahr an die Almosnerin einreichen. Die Gesuche für 2016 schicken Sie bis spätestens am 31. Januar 2016 schriftlich und ausführlich begründet an die Almosnerin, Frau Marina Zeller (Adresse letzte Seite). Anschliessend prüft der Gesellschaftsrat das Gesuch und legt den Betrag unter Be- Die Gesellschaft hat bisher Gesuche unterschiedlicher Art gutgeheissen. Wir haben in den letzten Jahren zum Beispiel einen Anteil an die Kosten eines Masterstudiums geleistet; einem Koch wurde ein Beitrag an die Auslagen zur Ausrüstung bezahlt, des Ein Erfahrungsbericht Unsere Gesellschaftsangehörige Anna Beutler hat sich bereit erklärt, dem Distelfinken zu erzählen, was die bisher erhaltenen Stipendien ihr ermöglicht haben. Anna Beutler ist 25jährig und hat 2015 ihren Master in Rechtswissenschaften an der Uni Fribourg gemacht. Derzeit arbeitet sie als Anwaltspraktikantin im Kanton Bern und ist wohnhaft in Bern. «Ich kam in den Genuss von Distelzwang-Stipendien während meines Austauschsemesters in Amsterdam, als ich im Rahmen des Erasmus Programmes 2013 dort studierte. Ich konnte einen Teil der Miete für meine kleine Wohnung finanzieren, sowie die in Amsterdam besuchten Vorlesungen und immer wieder Bücher. Vor allem letztere fallen in meinem Fachgebiet finanziell sehr ins Gewicht. Ausserdem finanzierte ich ebenfalls einen Teil der Masterprüfungsgebühren. Weiteren wurden Sprachausbildungen im Ausland finanziell unterstützt. Selbstverständlich wünscht sich die Gesellschaft dadurch auch, künftig junge Angehörige zu gewinnen, die sich aktiv in der Zunft engagieren. In spezieller Erinnerung bleibt mir sowohl die entspannte, freundliche und offene Art der Holländer uns Austauschstudenten gegenüber, auch wenn man kein Holländisch spricht, als auch die super Stimmung in der Studentenunterkunft in einem der besten Quartiere von Amsterdam mit beinahe 100 Austausch-Studenten. Das Auslandsemester hat mir die Möglichkeit gegeben, meine fachbezogenen Sprachkenntnisse im Englischen zu erweitern und eine andere Art des Rechtstudiums zu entdecken als diejenige, die ich aus der Schweiz kenne. In diesem Semester habe ich hauptsächlich internationales Recht studiert und konnte in diesem Rahmen auch nach Den Haag reisen.» Runde Geburtstage Seite 11 Runde Geburtstage | Herzliche Gratulation! Ganz herzlich gratulieren wir unseren Jubilaren zum runden Geburtstag und wünschen ihnen das Allerbeste im neuen Lebensjahr. Locher Cornelia von Bonstetten Marc Ramser Thomas Madison Aidan Ramser Markus Hofer Heinrich de Goumoëns Philippe de Goumoëns Alexis Ziouani Sofia Wälchli Urs von Erlach Elsa von Erlach Bernhard Schneeberger Daniela von Mandach Elsbeth von Wattenwyl Jean-François von Mandach Ursula 70 50 40 20 40 85 30 40 30 40 85 50 40 85 80 60 Beutler Hélène von Bonstetten Deborah Bieler Aniko Wägli Maria Cacciatore Marco Nonn Martina Schüpbach Iris Ramser Rudolf Ramser Anthony Wälchli Hanny Clerc Philippe de Goumoëns Mariadele Moilliet Pierre Gruaz Liliane von Bonstetten Theresia 50 50 40 40 20 70 90 60 20 80 30 70 99 99 92 In die Reihe der Gratulanten stellen wir uns gerne ein. Bild: Burgerbibliothek Bern – Nachlass Ernst Kreidolf 17.108 (4). dD Mitteilungen Seite 12 Liste Gesellschaftsrat Annelies Hüssy Präsidentin Egghölzliweg 6A 3074 Muri Tel. P. 031 951 63 35, Tel. G. 031 320 33 65, Mobile: 079 709 01 45 [email protected] Elias Köchli Seckelmeister Im Park 8 3052 Zollikofen Tel. P. 031 911 26 00, Mobile 079 244 16 02 [email protected] Susanne Vaucher Stubenmeisterin Ittigenstrasse 47 3063 Ittigen Tel. P. 031 921 37 77, Mobile 079 379 12 27 [email protected] Marina Zeller Almosnerin Schilthornweg 2 3114 Wichtrach Tel. P. 031 781 14 81, Mobile 079 541 85 69 [email protected] Gabrielle Cacciatore Beisitzerin des Gesellschaftsrats Gartenstrasse 16 3066 Stettlen Tel. P. 031 931 60 45, Mobile 079 644 12 14, Fax P. 031 932 30 53 [email protected] Ulrich von Bonstettten Beisitzer des Gesellschaftsrats Oranienburgstrasse 1 3013 Bern Tel. P. 031 332 45 08, Mobile 079 640 04 34 [email protected] Patrick Jordi Beisitzer des Gesellschaftsrats Haldenweg 57 3074 Muri Tel. P. 031 951 89 33, Tel. G. 031 357 03 03 [email protected] Bernhard von Erlach Beisitzer des Gesellschaftsrats Junkerngasse 51 3011 Bern Tel. P. 031 372 81 84, Tel. G. 031 312 23 16, Mobile 076 389 81 84 [email protected] Stefanie Wenger-Jordi Beisitzerin des Gesellschaftsrats Thunstrasse 50 3074 Muri b. Bern Tel. G. 031 357 05 60, Mobile 079 359 12 41 [email protected] Beatrice Rieben Beutler Stubenschreiberin Hildanusstrasse 22 3013 Bern Tel. P. 031 332 07 80, Mobile 079 208 67 71 [email protected] Veranstaltungskalender 2015 / 2016 Grosses Bott (Herbst) Klavierabend mit Musik von Franz Liszt Grosses Bott (Frühling) Gesellschaftsanlass Samstag, den 28. November 2015 Januar / Februar 2016 Samstag, 07. Mai 2015 Sommer / Herbst 2016 Zivilstandsnachrichten Geburten Trauungen Todesfälle 08. Juli 2015 Ramser Alva, Tochter von Ramser Mirjam Bettina und Stäheli Tobias (mit Burgerrecht) 12. August 2014 Padel Liam Joshua, Sohn der Aguilar Trapote, Mariana und des Padel, Géza Gyula Gabor (mit Burgerrecht) 03. Juli 2015 Stoffel Annette Janine und Köchli Martin Jürg 19. September 2014 Ramser Marianne Elisabeth und Wieland Thomas 04. Juli 2014 Schlosser (geb. Schüpbach) Paula Regina, geboren am 21. Juni 1938
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