Distelfink Nr. 17 / 2015 - Die Gesellschaft zum Distelzwang

der DISTELFINK
Hauszeitung der Gesellschaft zum Distelzwang Bern | Nr. 17 | Oktober 2015
Das Waisenhaus von Bern im 19. Jahrhundert. Lithographie von Rudolf Huber (1770 – 1844), Maler und Kupferstecher.
Burgerbibliothek Bern – Signatur: Gr.A. 17
DAS BURGERLICHE
JUGENDWOHNHEIM (BJW)
E
inst und jetzt – wie sich das Waisenhaus in 250 Jahren zum modernen Burgerlichen Jugendwohnheim
entwickelte. Ein Besuch vor Ort. Seite 8
EDITORIAL | PRÄSIDIALES | GROSSES BOTT | SPITTELFEST 2015 | KINDERFEST 2015 |
DAS BURGERLICHE JUGENDWOHNHEIM | DIE AUSRICHTUNG VON STIPENDIEN | MITTEILUNGEN
dD
Editorial | Redaktion | Präsidiales
Seite 2
Editorial | Redaktion
Liebe Angehörige des Distelzwang
Liebe Leserinnen und Leser
In jeder Ausgabe unserer Gesellschaftszeitung stellen wir Ihnen eine burgerliche
Institution vor. Diesmal ist es das Burgerliche Jugendwohnheim. Nicht zuletzt deshalb, weil wir das letzte Kinderfest dort
haben steigen lassen. Sie erleben mit, wie
sich das ehemalige Zucht- und Waisenhaus
von 1757 während 250 Jahren in das heutige moderne Burgerliche Jugendwohnheim
weiter entwickelt hat.
Nach einem wunderbaren, schier endlosen
Jahrhundert-Sommer färben sich die Blätter seit wenigen Tagen eindeutig herbstlich
und fallen von den Bäumen. So bunt wie
das Herbstlaub – so hoffen wir – präsentiert
sich auch dieser Distelfink.
Sind Sie noch im Studium oder in der Ausbildung? Unsere jungen Gesellschaftsangehörigen haben bekanntlich Anrecht auf
Stipendien der Gesellschaft. Die genauen
Bedingungen sowie einen Erfahrungsbericht unserer Gesellschaftsangehörigen Anna Beutler finden Sie ebenfalls in
dieser Ausgabe. A propos jung: die Gesellschaftsangehörigen, die das Gelübde
ablegen möchten, tun dies jeweils im Grossen Bott vom Herbst. Selbstverständlich
ist dies auch in französischer Sprache möglich, wenn Sie dies wünschen.
Dürfen wir Sie daran erinnern, jeweils Ihre
Adressänderungen zu melden. Damit Sie
auch künftig die Einladungen zu Grossem Bott oder Jubiläumsanlass rechtzeitig
erhalten. Vielen Dank. Aus Datenschutzgründen müssen wir leider ab sofort auf die
genaue Bekanntgabe des Geburtsdatums
verzichten. Unsere guten Wünsche an die
Jubilarinnen und Jubilaren fallen deswegen
aber nicht weniger herzlich aus.
Mit herbstlichen Grüssen
Beatrice Rieben
Redaktion / Stubenschreiberin
Anregungen und Rückmeldungen gerne an
[email protected]
Präsidiales
Liebe Angehörige des Distelzwang
Der Sommer war sehr gross – um für einmal mit Rainer Maria Rilke zu beginnen –
und die Schatten legen sich allmählich auf
die Sonnenuhren. Geniessen wir nun einen
goldenen Herbst. Ich freue mich, Sie alle an
dieser Stelle herzlich zu begrüssen. Sie halten den 17. Distelfink in Ihrer Hand, verantwortet und produziert von Beatrice Rieben
Beutler, unserer Stubenschreiberin. Ein
ganz grosser Dank an sie für den gelungenen Wurf.
Liebe Leserinnen und Leser, für mich ist dies
die letzte präsidiale Grussadresse an Sie.
Wie schon anlässlich des Frühlingsbotts
mitgeteilt, trete ich auf Ende Jahr 2015 von
meinem Amt zurück. Wenn ich auf die
letzten 11 Jahre zurückblicke, während
derer ich im Gesellschaftsrat mitarbeiten
durfte, so kommt es mir vor, als wäre es erst
gestern gewesen, dass mich ein Telefonanruf von Alain Moilliet mit der Anfrage erreichte, ob ich denn nicht im Gesellschaftsrat von Distelzwang mitwirken möchte.
Ein leichtes Zögern – ich war ja wirklich
eine Jungburgerin, erst gerade zwei Jahre
Präsidiales | Grosses Bott
zuvor aufgenommen – sagte ich dann aber
mit Freuden zu. Die Jahre vergingen im
Flug und ich habe die Zeit genossen. Die
Hauptaufgabe war zunächst die Lancierung
und Betreuung des Distelfink. Vor fünf Jahren kam dann der ehrenvolle Antrag, sogar
das Präsidium der Gesellschaft zu übernehmen. Es war für mich keineswegs selbstverständlich, dass mir das Grosse Bott im November 2011 das Vertrauen aussprach und
mich zur ersten Präsidentin der Gesellschaft zum Distelzwang wählte. Diese
Aufgabe zu bewältigen, wurde die hohe
Verpflichtung und Herausforderung. Persönlich habe ich viel gelernt und viel erlebt,
für das ich sehr dankbar bin. Dankbar bin
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ich aber auch Ihnen allen, die Sie mich unterstützt und mit grossem Wohlwollen begleitet haben, dankbar auch für die stets
angenehme und konstruktive Zusammenarbeit mit dem Gesellschaftsrat, besonders
dankbar Thüring von Erlach und Alain
Moilliet für ihre stets liebenswürdige und
kundige Begleitung – ein ganz grosses
MERCI!
Nun wünsche ich Ihnen eine vergnügliche
Lektüre und bin mit herzlichen Grüssen
Ihre Annelies Hüssy
Präsidentin
Grosses Bott
Liebe Gesellschaftsangehörige
A
uf der Traktandenliste des Herbstbotts, das jeweils in erster Linie dem
Budget für das nächste Jahr gewidmet ist,
stehen heuer auch Wahlen.
Unsere Finanzen sind im Lot, das Projekt
Gesellschaftsgeschichte konnte ja gut bewältigt werden, so dass wir erneut ein ausgeglichenes Budget präsentieren können.
Nun gilt es, dem Baulichen die Aufmerksamkeit zu schenken, weshalb der Gesellschaftsrat im Frühling eine Zustandsanalyse des Gesellschaftshauses an der
Gerechtigkeitsgasse 79 in Auftrag gegeben
hat. Vorausschauend rückt unser Seckelmeister deshalb bereits für das nächste Jahr
eine grössere Summe für ausserordentliche
Bauunterhaltskosten ein.
Wir müssen dieses Jahr fünf Mitglieder des
Gesellschaftsrats wiederwählen. Ich freue
mich sehr, dass sich Elias Köchli (Seckelmeister und Vizepräsident), Susanne Vau-
cher (Stubenmeisterin), Gaby Cacciatore
(Beisitzerin), Stefanie Wenger (Beisitzerin)
und Ulrich von Bonstetten (Beisitzer) zur
Wiederwahl zur Verfügung stellen. Sie sind
bewährte Kräfte und garantieren Stabilität
und Kontinuität.
Das Präsidium der Gesellschaft ist neu
zu besetzen. Der Gesellschaftsrat hat einstimmig Bernhard von Erlach nominiert.
Bernhard von Erlach, seit 2009 als Beisitzer im Gesellschaftsrat, ist dipl. Architekt
ETH mit einem eigenen Architekturbüro.
Eines seiner grösseren Projekte in Bern
war gewiss die Restaurierung des Zeerleder-Hauses an der Junkerngasse, das mit
seinen wunderbaren Fassadenmalereien
von Rudolf Münger aus der Häuserzeile
deutlich hervorsticht. Zudem wirkt er im
Vorstand der Schweizerischen Gesellschaft
für Kunstgeschichte sowie als Vertreter der
Burgergemeinde in der Bernischen Denkmalpflege-Stiftung aktiv mit.
Annelies Hüssy
Präsidentin
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Spittelfest 2015
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Burgerspital mit rauschendem Spittelfest eingeweiht | Das neue Haus bot
während einer ganzen Woche zahlreiche Überraschungen
In der Woche vom 8. bis 14. Juni 2015
stieg das Spittelfest 2015, mit welchem die Eröffnung des renovierten
und umgenutzten Burgerspitals offiziell gefeiert wurde. Die Berner Bevölkerung kam in Scharen und sorgte
für grossartige Stimmung. Das Fest
war vor allem Bühne für das Berner
GenerationenHaus und seine zwei
Dutzend Partnerinstitutionen. Bei
fast 150 Einzelanlässen kamen Alt und
Jung bei prächtigem Wetter voll auf
ihre Kosten. Für grosse Momente
sorgten etwa die Gurteneisenbahn im
Kleinformat, der vielfältige Spittelmärit, ein Breakdance Workshop oder ein
Minikurzfilmfestival. Zu tollen Höhepunkten auf der Hauptbühne im Hof
gerieten die Live-Konzerte von Fiji!,
Traktorkestar und Eldorado FM.
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as Spittelfest 2015 dauerte sieben Tage
und gipfelte am Wochenende in ein
rauschendes Finale. Doch schon während
der ersten Wochenhälfte gab es erste Höhepunkte. So tourte der Berner Generationen-
Chor unter Leitung von Patrick Secchiari
jeweils in den Abendstunden auf «musikalischen Rundgängen» durch das Burgerspital. Das Publikum kam hierbei neben vokalen Preziosen auch in den Genuss seltener
Einblicke in das Gebäude. Für einen gelungenen Festauftakt sorgten weitere Veranstaltungen wie das allmorgendlich geöffnete Ostside-Café, der Gesundheitscheck
beim Schweizerischen Roten Kreuz oder
Ballspielturniere im Hof.
Immer live dabei
Für den Überblick übers reichhaltige Festprogramm war unter anderen Radio Energy besorgt, welches täglich aus dem Burgerspital sendete. Die Radioleute erkundeten
aber auch hinter den Kulissen den Betriebsalltag im Burgerspital. Der Facebookkanal der Burgergemeinde informierte derweil fortlaufend mit zahlreichen Posts samt
Stimmungsbildern. So konnte man etwa
die Vernissage der Graffiti-Foto-Ausstellung im Checkpoint kaum verpassen. Der
pensionierte Peter Lauener präsentierte
dort seine Fotos legaler Graffitiwände im
Gebiet der Bodenweid und war zusammen
mit der jungen Graffitikünstlerin Merl persönlich anwesend. Empfohlen wurde aber
auch Berns neue Klassikkonzertreihe «Halt
auf Verlangen!». Diese feierte Premiere mit
einem Doppelkonzert in der Spittelkapelle
und präsentiert seit letztem Oktober regelmässig Kammermusikkonzerte.
Gastronomische Sternstunden und
rauschendes Finale
Doch auch kulinarisch kam das Publikum
nicht zu kurz. So trumpfte der sympathische Stand von «jolimont» aus Wattenwil
Spittelfest 2015
auf mit «Gfrornigem» Bio Joghurt sowie
leckeren Crêpes. Rassige Akzente setzte am
Wochenende die fahrende Küche «La Ribollita», welche aus einem Vespacar leckere
Gemüseeintöpfe- und suppen anbot, derweil das Restaurant «toi et moi» mit seinem
Stand im Hof alle anderen Gourmets verwöhnte. Am Freitag startete die kultige
Band Fiji! den Konzertreigen auf der Hofbühne und erntete begeisterte Fanreaktionen für ihren trashigen Electrosound.
Gleichzeitig machte der Nachwuchs im
Checkpoint mit seinen Konzerten gehörig
auf sich aufmerksam. Die Bühne gehörte
dort diversen Schülerbands. Insbesondere
die Grossformation «Hakuna Matata»
punktet beim Publikum mit viel Charme
und zuletzt eroberten «L&B» die Herzen
mit poppigem Swing. Spätnachts heizten
dann «Eldorado FM» mit den Überra-
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schungsgästen «Lo & Leduc» den proppenvollen Spittelinnenhof tüchtig auf. Darauf
galt es abzutauchen in die DJ's Lounge im
Kellergewölbe des zweiten Untergeschosses, wo elektronische Musik zu stimmiger
Baratmosphäre pulsierte. Die Lounge war
auch in der Folgenacht der Renner. Der
Samstag startete mit dem bunten Spittelmärit, wo unter anderem Trouvaillen aus
dem Burgerspital und allerlei Produkte der
burgerlichen Pachtbetriebe angeboten wurden. Ein wahrer Höhepunkt war am zweiten Konzerttag der Gig von «Traktorkestar»
mit pfeffrigem Balkansound. Zuletzt
herrschte kochendheisse Stimmung, welcher nicht einmal spätnächtliche Regenschauer etwas anhaben konnten: Nach dem
Chilloutset von «2 for Soul» kam es beim
Spittelbrunnen zu Szenen wie aus Fellinis
«Dolce Vita» mit badenden Fans!
Sonntäglicher Festausklang
Anderntags fand am Morgen in der Spittelkapelle der erste Gottesdienst nach der Burgerspitalrenovation statt, samt Taufe eines
Neugeborenen. Im Spittelinnenhof öffnete
alsbald der ausgeflippte Koffermarkt. Daneben konnte zum Sound einer Jazzcombo
ausgiebig gebruncht werden. Mit dem Spittelfest 2015 hat das neue Haus ein prächtiges «Müschterli» dessen abgegeben, was
unter seinem Dach alles möglich ist.
Text: Martin Grassl
Bilder: Fabian Unternährer
und Martin Grassl
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Kinderfest 2015
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Unser Kinderfest
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bwohl uns der Wettergott nicht gerade herzlich zugetan war, konnten wir
am Samstag, den 5. September ein lustiges,
abwechslungsreiches und rundum gelungenes Kinderfest im Garten des burgerlichen
Jugendwohnheims am Melchenbühlweg in
Bern feiern. Eine grosse Zahl Kinder und
Erwachsene genossen fröhliche Stunden
beim sportlichen Wettbewerb und beim
gemütlichen Zvieri. Diesmal war der
Schiessstand wieder in Betrieb und lockte
viele Schützen an, Sackgumpen gehörte
unter vielen anderen Spielen natürlich
ebenso dazu wie – zum ersten Mal – das
«Eierlaufen», wobei, gewiss zur Beruhigung
von Eltern und Betreuenden, keine rohen
Eier in einem Löffel über den anspruchsvollen Parcours getragen werden mussten,
vielmehr taten stattdessen kleine Golfbälle
ihren Dienst.
Den Organisatorinnen und Helfern sei
ganz herzlich für das schöne Fest gedankt,
allen voran danke ich der Stubenmeisterin
Susanne Vaucher und der Familie Zeller,
unserem so bewährten Kinderfest-OK, für
ihren grossen Einsatz. Ein Merci auch allen
Helferinnen und Helfer vor und hinter den
Kulissen. Ohne ihren Einsatz wäre ein solches Kinderfest nicht möglich.
Wir freuen uns schon auf das nächste Jahr
und geniessen noch ein paar Schnappschüsse vom 5. September….
Annelies Hüssy
Kinderfest 2015
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Das Burgerliche Jugendwohnheim
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Das Burgerliche Jugendwohnheim (BJW)
Das BJW in Kürze
• Vom Zucht- und Waisenhaus zum Burgerlichen Jugendwohnheim
in 250 Jahren
• Trägerschaft ist die Burgergemeinde Bern
• Finanzierung durch Kanton und Gemeinden plus Bund
• Rund 60 Mitarbeitende
• Budget ca. 6,5 Mio.
• Betriebsbewilligung durch Gesundheits- und Fürsorgedirektion
Burgerliches Bienenhaus
Portrait
• Das Burgerliche Jugendwohnheim erbringt mit seinen beiden Abteilungen Schosshalde und SAT-Projekt (Satellitenprogramme, externe
Angebote) sozialpädagogische und beratende Dienstleistungen
• Die Dienstleistungen richten sich an Familien mit Kindern, Jugendliche
und junge Erwachsene, insgesamt begleitet das BJW bis zu 70 Familien
an den verschiedenen Standorten
• Die Dienstleistungen gestaltet das BJW nach seinen Möglichkeiten
flexibel (ambulant, teilstationär, stationär oder Mischformen)
ausgebildete sozialpädagogische Familienbegleiterin zu Hause unterstützt. Für die
Betreuung der Kinder und Jugendlichen in
der Schosshalde sind 4 Betreuungsteams
zuständig. Die 4 doppelstöckigen Wohngruppen «Sioux», «Dschungel», «Regenbogen» und «La Vista» befinden sich im
Längstrakt (siehe Bild links) aneinander
angereiht, die Türen der einzelnen Wohnungen stehen heute alle weit offen.
Besuch im Burgerlichen
Jugendwohnheim
argrit Lienhart, die Leiterin der Abteilung Schosshalde im Burgerlichen
Jugendwohnheim, empfängt mich an einem
wunderschönen Herbsttag am Melchenbühlweg 8 in Bern. Sie erzählt mir zuerst aus
ihrem interessanten Arbeitsumfeld, anschliessend darf ich mich im ganzen Wohnheim umschauen.
M
In «ihrer» Institution befinden sich im Moment 28 Jugendliche und Kinder, die in
den 4 verschiedenen Wohngruppen mit je
7 Plätzen untergebracht sind. Ausserdem
werden derzeit 12 Familien durch eine dafür
Pflichtenheft der Jugendlichen
Bei Eintritt in die Schosshalde bekommen
die Jugendlichen einen Flyer ausgehändigt,
der unter anderem Bettzeiten, Ausgang, Besuch von FreundInnen, Gebrauch von Medien und Handy regelt. Es wird insbesondere auf Selbständigkeit und gegenseitigen
Respekt geachtet. Als ich dort bin, bereitet
eine junge Frau für ihre MitbewohnerInnen
das Nachtessen zu. Es gibt Crêpes mit Beeren. Die Stimmung ist locker und angenehm, die lichtdurchfluteten Wohnungen
wirken gemütlich. Ich bin sehr erstaunt und
beeindruckt, wie ordentlich alles ist: Zimmer, Küche, Badezimmer, die ich bei mei-
nem (unangekündigten) Besuch antreffe,
alles ist blitzsauber und aufgeräumt. Hier
ein Satz aus dem Flyer, den ich an meine
eigenen Jugendlichen daheim weiterleiten
werde: «du wäschst deine Kleider ab 14 Jahren selbst».
Gemeinsames Wohn- und Badzimmer
Das Burgerliche Jugendwohnheim
Geschichte der Burgerlichen
Waisenhäuser bis 1938
Die Geschichte des heutigen, 1757 neu gegründeten Burgerlichen Waisenhauses in
Bern reicht 258 Jahre zurück. Das erste
Zucht- und Waisenhaus wurde 1657 im ehemaligen Dominikanerkloster der Stadtrepublik für 150 Kinder angelegt (damals
noch nicht als burgerliche Institution). Ausschlaggebend war zunächst, ob ein Kind als
Arbeitskraft gebraucht werden konnte. Das
als Tuchmanufaktur eingerichtete Waisenhaus musste aber bald schliessen, da die zu
verkaufenden Waren nicht genügend Gewinn einbrachten.
Das Knabenwaisenhaus
Das Burgerliche Waisenhaus, das 1757 an
der Speichergasse 6 gegründet wurde, war
hingegen schnell erfolgreich. Denn das Gedankengut der damaligen Kommission,
dass nur Erziehung, Bildung, Reinlichkeit
und Ordnung vorteilhaft auf die jungen
Menschen wirken, war seiner Zeit weit voraus. Sodann wurden bis ins 20. Jahrhundert
nicht nur burgerlichen Waisen, sondern
auch Kindern von burgerlichen Beamten,
die ausserhalb Berns wohnten sowie burgerlichen Kindern aus schwierigen familiären
Verhältnissen Zugang zu höherer Bildung
ermöglicht. Auch die christliche Religion
spielte im Berner Waisenhaus eine zentrale
Rolle. Bibelstunden, Gebete und religiöse
Übungen prägten den damaligen erzieherischen Alltag, sowie ein ausgeklügeltes Bestrafungs- und Belohnungssystem. Während die Einsichtigen am Ende ihrer Zeit ein
Kässeli voll Geld mit auf den Weg bekamen,
wurden Erziehungsresistente ermahnt, isoliert oder gar mit körperlicher Züchtigung
bestraft. In den 1790er Jahren wurde die
Ausbildung der Zöglinge zunehmend militarisiert. Knaben exerzierten mit Gewehren; regelmässiges Schwimmen in der Aare
gehörte zum körperlichen Stählen. Latein
war ein sehr wichtiges Schulfach, an
16 – 17 Wochenstunden von 41 wurde Latein gelehrt – dementsprechend wandte sich
der Grossteil der Abgänger den Geisteswissenschaften oder der Jurisprudenz zu.
Später wurden zum ersten Mal auch Stimmen nach freier Meinungsäusserung und
politischer Bildung laut: die Knaben durften
eine politische Zeitung abonnieren.
Das Mädchenwaisenhaus
Die Geschichte des 1764 gegründeten Mädchenwaisenhauses war eng mit derjenigen
des Knabenwaisenhauses verbunden. Es
wurde allerdings von einer Witwe und deren lediger Tochter geführt. Die Mädchen
lernten von der Tochter nähen, stricken,
brodieren (sticken), Blondes (eine besondere Art seidener Spitzen) und Spitzen machen, die Mutter führte Haushalt und
Küche. Nach dem Bau des neuen Knabenwaisenhauses zogen die Mädchen auch
dorthin. Dieser Standort erwies sich
später als unpassend, weil das «anatomische
Theater», als welches das Gartenhaus von
der medizinischen Fakultät genutzt wurde,
derart unangenehme Gerüche verbreitete,
dass die Mädchen nicht mehr essen mochten. So zügelte das Mädchenhaus ins
Studergut ausserhalb der Stadt. In den 30er
Jahren schliesslich zogen die noch 16 verbliebenen Mädchen in ein Provisorium im
Chalet Bioncourt, bevor es zusammengelegt
wurde mit dem Knabenwaisenhaus am heutigen Ort. Obwohl die Mädchen nun an öffentlichen Schulen eine gute Ausbildung
bekamen, war das Waisenhaus nach wie
vor beliebt, weil es weniger Schülerinnen in
einer Klasse hatte.
Auf zu neuen Ufern
In den 1930er-Jahren drängte sich eine
Neuorganisation der Waisenhäuser auf.
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Sinkende Kinderzahlen und neue pädagogische Konzepte, liessen einen Zusammenschluss von Mädchen- und Knabenwaisenhaus als sinnvoll erscheinen. Das geeignete
Land fand die Burgergemeinde beim Waldeckgut und während 16 Monaten wurde
das heutige Waisenhaus gebaut, mit viel
Umschwung und einem visionären Bau. Er
habe sehr viel gelernt dort, wird ein ehemaliger Zögling zitiert, ähnlich wie an einem
englischen Internat, weil die Lehrpersonen
bei den sehr kleinen Klassen besser auf die
einzelnen Kinder eingehen könnten. In öffentlichen Schulen hatte ein Lehrer eine
Klasse mit ca. 50 Schülern.
SAT-Projekte
Seit 1991 nennt sich das einstige Waisenhaus Burgerliches Jugendwohnheim BJW,
kurz darauf ergänzen sogenannte Satellitenprogramme (externe Angebote) zur individuellen Unterstützung von Jugendlichen den Standort an der Schosshalde. Eines
der SAT-Projekte betreibt zum Beispiel eine
Getreidemühle, die geschützte Arbeitsplätze für Jugendliche und junge Erwachsene
anbietet. Ein anderes, die „duale Familienbegleitung“, unterstützt Familien, in denen
die Beziehung zwischen Eltern und ihren
Kindern beeinträchtigt ist, aber auch Eltern,
die mit der Situation überfordert sind.
Weitere SAT-Angebote finden Sie hier:
www.satprojekt.ch
Weiterentwicklung
Das BJW beabsichtigt, in absehbarer Zeit
konzeptionelle und fachliche Grundlagen
zur Bereitstellung massgeschneiderter, bedarfsgerechter Dienstleistungen zu schaffen. Dazu soll ein neues Fach- und Dienstleistungskonzept erarbeitet werden, welches
sich nach der anerkannten Theorie «Sozialraumorientierung» richtet.
Quellenangabe: Von Bernern und Burgern, Band 2
Weitere Information: www.bjw.ch
Beatrice Rieben Beutler
dD
Die Ausrichtung von Stipendien
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Die Ausrichtung von Stipendien
W
ir möchten wieder einmal ins Gedächtnis rufen, dass junge Angehörige der Gesellschaft zum Distelzwang Anrecht haben auf Stipendien.
Stipendienberechtigt sind Sie, wenn Sie in
der Schweiz niedergelassen sind, das 16. Altersjahr zurückgelegt haben und mindestens
neun Jahr lang die Schule besucht haben.
rücksichtigung der zur Verfügung stehenden Mittel und der Zahl der Bewerberinnen
und Bewerber fest.
Es stehen höchstens Fr. 4 000.00 pro Gesuchstellende / r zur Verfügung, wobei dieser Betrag nicht als Ganzes ausbezahlt wird.
Nach Abschluss der beruflichen oder wissenschaftlichen Ausbildung fällt die Bezugsberechtigung dahin.
Nach Bezug der Stipendien wünscht der
Gesellschaftsrat einen Bericht über die Verwendung der Unterstützung, den Sie bitte
jeweils bis Ende Jahr an die Almosnerin
einreichen.
Die Gesuche für 2016 schicken Sie bis spätestens am 31. Januar 2016 schriftlich und
ausführlich begründet an die Almosnerin,
Frau Marina Zeller (Adresse letzte Seite).
Anschliessend prüft der Gesellschaftsrat
das Gesuch und legt den Betrag unter Be-
Die Gesellschaft hat bisher Gesuche unterschiedlicher Art gutgeheissen. Wir haben
in den letzten Jahren zum Beispiel einen
Anteil an die Kosten eines Masterstudiums
geleistet; einem Koch wurde ein Beitrag an
die Auslagen zur Ausrüstung bezahlt, des
Ein Erfahrungsbericht
Unsere Gesellschaftsangehörige Anna
Beutler hat sich bereit erklärt, dem
Distelfinken zu erzählen, was die bisher
erhaltenen Stipendien ihr ermöglicht
haben.
Anna Beutler ist 25jährig und hat 2015 ihren
Master in Rechtswissenschaften an der
Uni Fribourg gemacht. Derzeit arbeitet sie
als Anwaltspraktikantin im Kanton Bern und
ist wohnhaft in Bern.
«Ich kam in den Genuss von Distelzwang-Stipendien während meines
Austauschsemesters in Amsterdam,
als ich im Rahmen des Erasmus Programmes 2013 dort studierte. Ich
konnte einen Teil der Miete für meine
kleine Wohnung finanzieren, sowie die
in Amsterdam besuchten Vorlesungen
und immer wieder Bücher. Vor allem
letztere fallen in meinem Fachgebiet
finanziell sehr ins Gewicht. Ausserdem
finanzierte ich ebenfalls einen Teil der
Masterprüfungsgebühren.
Weiteren wurden Sprachausbildungen im
Ausland finanziell unterstützt.
Selbstverständlich wünscht sich die Gesellschaft dadurch auch, künftig junge Angehörige zu gewinnen, die sich aktiv in der
Zunft engagieren.
In spezieller Erinnerung bleibt mir sowohl die entspannte, freundliche und
offene Art der Holländer uns Austauschstudenten gegenüber, auch
wenn man kein Holländisch spricht, als
auch die super Stimmung in der Studentenunterkunft in einem der besten
Quartiere von Amsterdam mit beinahe
100 Austausch-Studenten.
Das Auslandsemester hat mir die Möglichkeit gegeben, meine fachbezogenen Sprachkenntnisse im Englischen
zu erweitern und eine andere Art des
Rechtstudiums zu entdecken als diejenige, die ich aus der Schweiz kenne. In
diesem Semester habe ich hauptsächlich internationales Recht studiert
und konnte in diesem Rahmen auch
nach Den Haag reisen.»
Runde Geburtstage
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Runde Geburtstage | Herzliche Gratulation!
Ganz herzlich gratulieren wir unseren Jubilaren zum runden Geburtstag und wünschen ihnen das Allerbeste im neuen Lebensjahr.
Locher Cornelia
von Bonstetten Marc
Ramser Thomas
Madison Aidan
Ramser Markus
Hofer Heinrich
de Goumoëns Philippe
de Goumoëns Alexis
Ziouani Sofia
Wälchli Urs
von Erlach Elsa
von Erlach Bernhard
Schneeberger Daniela
von Mandach Elsbeth
von Wattenwyl Jean-François
von Mandach Ursula
70
50
40
20
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30
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30
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Beutler Hélène
von Bonstetten Deborah
Bieler Aniko
Wägli Maria
Cacciatore Marco
Nonn Martina
Schüpbach Iris
Ramser Rudolf
Ramser Anthony
Wälchli Hanny
Clerc Philippe
de Goumoëns Mariadele
Moilliet Pierre
Gruaz Liliane
von Bonstetten Theresia
50
50
40
40
20
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60
20
80
30
70
99
99
92
In die Reihe der
Gratulanten stellen wir
uns gerne ein.
Bild: Burgerbibliothek
Bern – Nachlass
Ernst Kreidolf 17.108 (4).
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Mitteilungen
Seite 12
Liste Gesellschaftsrat
Annelies Hüssy
Präsidentin
Egghölzliweg 6A
3074 Muri
Tel. P. 031 951 63 35, Tel. G. 031 320 33 65, Mobile: 079 709 01 45
[email protected]
Elias Köchli
Seckelmeister
Im Park 8
3052 Zollikofen
Tel. P. 031 911 26 00, Mobile 079 244 16 02
[email protected]
Susanne Vaucher
Stubenmeisterin
Ittigenstrasse 47
3063 Ittigen
Tel. P. 031 921 37 77, Mobile 079 379 12 27
[email protected]
Marina Zeller
Almosnerin
Schilthornweg 2
3114 Wichtrach
Tel. P. 031 781 14 81, Mobile 079 541 85 69
[email protected]
Gabrielle Cacciatore
Beisitzerin des Gesellschaftsrats
Gartenstrasse 16
3066 Stettlen
Tel. P. 031 931 60 45, Mobile 079 644 12 14, Fax P. 031 932 30 53
[email protected]
Ulrich von Bonstettten
Beisitzer des Gesellschaftsrats
Oranienburgstrasse 1
3013 Bern
Tel. P. 031 332 45 08, Mobile 079 640 04 34
[email protected]
Patrick Jordi
Beisitzer des Gesellschaftsrats
Haldenweg 57
3074 Muri
Tel. P. 031 951 89 33, Tel. G. 031 357 03 03
[email protected]
Bernhard von Erlach
Beisitzer des Gesellschaftsrats
Junkerngasse 51
3011 Bern
Tel. P. 031 372 81 84, Tel. G. 031 312 23 16, Mobile 076 389 81 84
[email protected]
Stefanie Wenger-Jordi
Beisitzerin des Gesellschaftsrats
Thunstrasse 50
3074 Muri b. Bern
Tel. G. 031 357 05 60, Mobile 079 359 12 41
[email protected]
Beatrice Rieben Beutler
Stubenschreiberin
Hildanusstrasse 22
3013 Bern
Tel. P. 031 332 07 80, Mobile 079 208 67 71
[email protected]
Veranstaltungskalender 2015 / 2016
Grosses Bott (Herbst)
Klavierabend mit Musik von Franz Liszt
Grosses Bott (Frühling)
Gesellschaftsanlass
Samstag, den 28. November 2015
Januar / Februar 2016
Samstag, 07. Mai 2015
Sommer / Herbst 2016
Zivilstandsnachrichten
Geburten
Trauungen
Todesfälle
08. Juli 2015
Ramser Alva,
Tochter von Ramser Mirjam Bettina und Stäheli Tobias (mit Burgerrecht)
12. August 2014
Padel Liam Joshua,
Sohn der Aguilar Trapote, Mariana und des Padel, Géza Gyula Gabor (mit Burgerrecht)
03. Juli 2015
Stoffel Annette Janine und Köchli Martin Jürg
19. September 2014
Ramser Marianne Elisabeth und Wieland Thomas
04. Juli 2014
Schlosser (geb. Schüpbach) Paula Regina, geboren am 21. Juni 1938