Gastro-Info Juli 15

4 // BETRIEBSKONZEPT
500 Jahre Berninahäuser –
eine lange Gastgeschichte
GASTHAUS & HOTEL BERNINAHAUS, PONTRESINA
Was für ein besonderer, geschichtsträchtiger Ort:
Das Gasthaus und Hotel Berninahaus feiert in diesem
Jahr den 500. Geburtstag. Die ersten Gäste reisten
tatsächlich vor fünf Jahrhunderten an, wie die
Gastgeber versichern. Elisabeth und Xavier Christen
führen das «Berninahaus» ausserhalb Pontresinas am
Berninapass sehr persönlich.
Die Rhätische Bahn hält quasi gleich vor der Haustür (Station Suot Bernina), genau dort, wo 1910 eine erste offene
Drehscheibe für die Dampfschneeschleudern gebaut wurde. Lange zuvor jedoch, zu Beginn des 16. Jahrhunderts,
entstanden hier unterhalb des Piz Albris bereits die ersten
Bauten der Bernina-Häuser. Urkundlich erwähnt wurden
sie erstmals 1515. Als Herberge und Gastwirtschaft genutzt wurden sie von Anbeginn weg, zu jener Zeit, als die
Silberbergwerke am Bernina-Pass noch Hochkonjunktur
und als einspännige Kutschen und Schlitten auf dem Säumerweg das Puschlav mit dem Oberengadin verbunden
hatten. Eine erste schmale Strasse entstand Mitte des 19.
Jahrhunderts, 1925 wurde der Pass für den Autoverkehr
geöffnet. Mit der besseren Verbindung kamen auch zunehmend mehr Gäste und die kehrten oft und gerne im
Gasthaus Berninahaus ein.
ZEIT DER ERSTBESTEIGUNGEN
Die Bernina-Häuser gingen aber auch ein in die Geschichte, weil von hier aus am 13. September 1850 die Erstbesteigung des Piz Bernina, dem höchsten Berg Graubündens, durch Johannes Coaz und seine Bergfreunde gelang
und danach immer mehr Alpinisten auftauchten. Aber
auch, weil hier Gian Marchet Colani (1772-1837), einst
berühmt berüchtigter Jäger und Büchsenbauer in den
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Bernina-Häusern als Wirt und Pächter lebte. Heute wirten
Elisabeth und Xavier Christen an diesem geschichtsträchtigen und gastfreundlichen Ort.
VIEL GUTES AUS KÜCHE UND KELLER
Ihre Gäste verwöhnen sie im Jubiläumsjahr mit einem
4 bis 7-Gänge-Jubiläumsmenue, aus dem auch nur einzelne Gänge ausgewählt werden können: Der SafranRisotto mit Steinpilzen etwa, das Bergeller Lammkotelett vom Grill auf Trüffel-Sauce und mit Griess-Nockerln
oder das gebratene Saibling-Filet auf Pasta e Fagioli mit
Orangen-Thymian-Jus. Ansonsten haben die Gastgeber,
beide gelernte Köche, ihre Karte vor allem nach dem
«Gluscht» ihrer Gäste gestaltet: Viele einfachere, auch
währschaftere Gerichte für den grossen Hunger: Schnitzel,
Bratwurst, Hamburger, Suppen, Pizzoccheri, Spaghetti,
Maccheroni, Rösti und Polenta ebenso wie Fondue, Siedfleisch oder auch ein Hirsch-Ragout. Dazu gibt’s eine recht
umfangreiche Weinkarte mit Fokus auf die klassischen
Weingebiete Schweiz, Italien, Frankreich, Spanien. Zum
Jubiläum gibt’s einen speziellen Jubiläumswein aus dem
Maremma Weinbaugebiet südlich der Toskana.
In der Küche stehen drei Köche. Als Küchenchef wirkt
Gabor Toth, ein Ungar. «Wir geben eine gewisse Linie vor,
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aber unsere Köche können sich auch selber gut einbringen», umreisst Elisabeth Christen die Philosophie. Weil
man an diesem Ausflugsort jedoch stark wetterabhängig
ist, ist es für die Gastgeber nicht immer ganz einfach vorzuplanen. Läuft es gut, haben sie alle Hände voll zu tun,
um 70, 80 Gäste zugleich zu bewirten. «An schönen Tagen
ist jeder Stuhl auf der Sonnenterrasse wenigstens dreimal besetzt und es kann gut sein, dass wir über Mittag
ein paar Hundert Essen servieren». Und das sei nicht nur
personell sondern auch punkto Qualität eine riesige Herausforderung.
Das vor rund acht Jahren von Grund auf neu renovierte
Haus ist ebenfalls ein beliebter Treffpunkt, um kleinere
und grössere Events durchzuführen. Oft voll besetzt ist
die Sonnenterrasse. Es lohnt sich auch für Bahnreisende,
einfach einmal in Bernina Suot auszusteigen, im Bernina­
haus einzukehren und einen Zug später wieder weiter zu
fahren.
EIN HAUS MIT CHARAKTER UND GESCHICHTE
Bevor Elisabeth und Xavier Christen im Dezember 2012
das «Berninahaus» in Pacht übernommen haben, wirkten
sie 14 Jahre lang im ebenfalls geschichtsträchtigen Restaurant Dorta in Zuoz. «Doch wir träumten immer schon
davon, einmal ein Hotel zu führen», sagt das Paar. Aber
nicht einfach irgendein Haus. Es musste schon eines sein
«mit Charakter und Geschichte». Und als dann das «Berninahaus» ausgeschrieben war, griffen sie schnell zu, so
schnell, dass sie eine Saison lang zwei Betriebe führen
mussten. «Wir wollten nicht, dass das Berninahaus für
eine Weile zugeht, nur weil wir vertraglich noch an das
«Dorta» gebunden waren.»
Doch seit Sommer 2013 stehen sie nun mit beiden
Füssen voll in «ihrem» Berninahaus. Ihr Start am Morgen
beginnt früh. Und damit sind auch die Tage lang. Denn
die Skitouren-, die Wander- und Bikegäste sind nicht selten Frühaufsteher… Doch jetzt haben sich die Christens
längst an ihren anderen Tagesablauf gewöhnt, finden,
das sei gut so, sie selber seien sogar ausgeglichener und
sie hätten auch mehr Zeit für ihre Gäste.
PR ÄSENT AUF INTERNETPL AT TFORMEN
Elisabeth und Xavier Christen sind in den von ihnen neu
aufgebauten Online-Verkaufskanälen wie booking.com
und anderen internationalen Plattformen wie expedia
präsent. «Seit das Berninahaus nicht mehr nur als GastFORTSETZUNG SEITE 6
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500 Jahre Berninahäuser – eine lange Gastgeschichte
GASTHAUS & HOTEL
BERNINAHAUS
Gastgeber Elisabeth und Xavier Christen, gelernte Köche.
Sie führten zuletzt das Restaurant Dorta in Zuoz.
Restaurant und Terrasse ca. 70 Sitzplätze
Hotelzimmer 24 (51 Betten), alle renoviert, zusätzlich:
Aufenthaltsräume (TV- und Spielzimmer)
Besonderes Diverse Packages zu attraktiven Preisen
Speisekarte Ein breites, vor allem klassisch
ausgerichtetes Angebot
Infos ≥ www.berninahaus.ch
haus sondern als Dreistern-Hotel klassifiziert ist, bringt
uns das auf den Webseiten weit nach vorne», zeigt sich
das Paar erfreut. Dass die Anfragen und Buchungen heute sehr kurzfristig erfolgen, bedingt von ihnen eine gute
Bewirtschaftung ihrer Homepage und die rasche Beantwortung der E-Mails. «Es reicht nicht mehr, Mails innert
eines Tages zu beantworten. Wer eine Anfrage schickt,
möchte heute innert einer Stunde eine Antwort, sonst
ist er schon wieder weg», sagt Xavier Christen.
Aufgebaut und intensiviert haben sie auch die Zusammenarbeit mit Agenturen, die auf Skitouren, Schneeschuhtouren und auch Wandergruppen spezialisiert sind.
«Die Gruppen reisen mit ihrem eigenen Bergführer an.
Sie schätzen eine gemütliche Unterkunft, schöne Zimmer
und gutes Essen. Das können wir alles bieten». Ins Bernina­
haus kommen jedoch ebenfalls viele Individualgäste. Die
verschiedenen Packages bieten attraktive Kurzaufenthalte an. Weil das Berninahaus auch direkt an der Via Valtellina, inmitten von Wander- und Bikerouten liegt und
gut mit direktem RhB- und Bergbahn-Anschluss erschlossen ist, übernachten hier viele aktive Gäste.
DER UMBAU
Beim Umbau zwischen 2003 und 2006 durch den Eigentümer – ein Liebhaber des Berninahauses, der nicht
genannt sein möchte – wurde viel Wert gelegt auf den
Erhalt der historischen Substanz. Altes Täfer und alte
Schränke wurden nach dem Umbau wieder eingebaut.
Und so haben die Gaststuben und die 24 Hotelzimmer
samt und sonders ihren historischen Charakter bewahrt.
Das älteste Zimmer ist jenes mit der Nummer 206. Wände
und Decke sind hier noch aus Holz geschlagen und nicht
wie üblich gefräst. «Die Geschichtsträchtigkeit des Hauses
ist enorm faszinierend, jedoch ebenso die ganze Entwicklung des Herberg-Betriebes. Anfänglich nächtigten die
Gäste auf Laubsäcken und wuschen sich am Brunnen…
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Elisabeth und Xavier Christen führen die Berninahäuser.
Heute schlafen sie äusserst komfortabel in den schön renovierten Zimmern», erzählen die Gastgeber.
Wer ins Berninahaus kommt, schätzt genau diese Abgelegenheit, die Ruhe, die Natur. «Wir merken immer wie­
der, wie rasch sich die Gäste bei uns erholen, wie schnell
Hektik und Stress sich auflösen. Für manche Gäste ist genau diese Ruhe aber auch ein Hindernis, weil sie abends
lieber ausgehen möchten und Betrieb suchen.»
Die Gäste sind seit eh und je international. Als vor
150 Jahren der Wintertourismus in der Schweiz und im
Speziellen im Engadin begründet wurde, reisten nicht nur
Engländer an. Die Gäste kamen aus ganz Europa und auch
aus Übersee, sogar aus Neuseeland, wie alte Gästebücher
bezeugen. Weil im Berninahaus aber doch auch viele deutsche Gäste beherbergt werden, haben die Gastgeber die
Hotelpreise nach der Aufhebung des Euro-Mindestkurses nach unten angepasst. «Wir arbeiten mit einem EuroRabatt. Doch weil die 15 Prozent nicht kompensierbar
sind, fehlt dieser Betrag in der Kasse.» Ein Steuerinstrument sehen die Gastgeber in der Mitarbeiterrekrutierung.
«Wir werden weniger Mitarbeitende anstellen als bisher».
Über den eigenen noch intensiveren Einsatz soll es den
Gästen aber dennoch an nichts mangeln.
TEXT: KARIN HUBER, FOTOS: BERNINAHÄUSER / KARIN HUBER