Tschnernobylkinder erholen sich im Hotzenwaldhaus Arbeitskreis lädt zum 20. Mal Kinder aus Shlobin ein Finanzierung von Aufenthalt 2016 noch nicht sicher Kandern/Weil am Rhein/Rickenbach (ht). „Hacke, Spitze, eins, zwei, drei; Hacke, Spitze, eins, zwei, drei…uuuund noch-ein-mal…“. Voller Begeisterung sind die zehn kleinen Mädels bei der Sache, als ihnen Jochen Wrana beim Freiluft-Tanzkurs die ersten Schrittfolgen beibringt. Seit Samstag sind die Tschernobylkinder mit ihren Betreuerinnen Swetlana und Alena im malerischen Hotzenwaldhaus bei Rickenbach zu Gast, das die Kanderner Hochtouristen dem Weiler „Arbeitskreis Tschernobylkinder“ seit über zehn Jahren für eine Woche kostenlos zur Verfügung stellt. Die Gastgeber haben das Haus bei einer einwöchigen Großaktion herausgeputzt. Die Fassade wurde abgedampft, geschliffen und frisch gestrichen, neue Fenster eingebaut und die Zimmer neu geweißelt. „Wir sind so gerne hier“, sagt Harald Werner, der wie seine Frau Irina, Volker Hütter und Andreas Schnetzer zum festen Stammpersonal von AK-Leiterin Christiane Assmann zählt. Die Zeit in der Abgeschiedenheit und in der freien Natur dient dem Kennenlernen und der Teambildung, bevor die Gruppe dann von ihrem zweiten Domizil bei der Weiler Johannesgemeinde aus zahlreiche Ausflüge unternimmt. Ein Highlight wird sicherlich die Tour mit dem Hausboot, die der ehemalige Weiler Lehrer Gerhard Laux mit seiner Klasse für die zwölfjährigen Mädchen organisiert und eigenständig finaziert (wir berichten gesondert.) Während es schon verlockend aus der Küche duftet, hüpfen die Kinder begeistert im Takt zur Musik. Der „Tanzlehrer“ gibt seine Anweisungen auf deutsch, Swetlana und Alena übersetzen ins russische, und los geht’s. Anfangs sieht die Performance etwas holprig aus, aber je häufiger sie üben, desto flüssiger wird es. Und schon bald schaffen sie es eine ganze Liedlänge fehlerfrei durchzuhalten. Jäh unterbrochen wird die Tanzstunde, als Irina aus dem Küchenfenster ruft: „Essen ist fertig“. Auf‘s Kommando rennen die Mädels ins Haus und tragen gleich darauf Tabletts mit Geschirr, Besteck und Gläsern heraus, bevor die Spaghetti aufgetischt werden. Satt und gesund-essen ist angesagt. Und den Kindern schmeckt es sichtlich. Im letzten Jahr habe eine Mutter dem Arbeitskreis dankbar einen Brief geschrieben und erzählt, sie erkenne ihr Kind nicht wieder, berichtet Harald Werner. Der Bub sei blass und „gering“ abgereist und mit roten Backen und von kerniger Statur wiedergekommen. Noch immer sind die Spuren, die der Reaktorunfall 1986 ausgelöst hat, unübersehbar. Die zwölfjährigen Mädchen wirken eher wie Achtjährige hierzulande, was an der einseitigen und atomverseuchten Ernährung liegt. Schon im ersten Jahr nach dem Unfall hat sich der Arbeitskreis formiert und lädt nun zum 20. Mal für drei Wochen Kinder ein, die aus sozial schwachen und armen Verhältnissen stammen, um im Markgräflerland den „Urlaub ihres Lebens“ zu erleben. Auch diesmal ist wieder ein „Extrem-Fall“ dabei, erzählt Harald Werner, „wir konnten nicht abschätzen, was auf uns zukommt“. Der Vater des Mädchens sitze im Gefängnis, die Mutter sei Alkoholikerin, und die Kleine wachse mehr schlecht als recht bei ihrer Oma auf. Doch die Sorgen waren offenbar völlig unbegründet: „Das Kind ist die aufgeschlossendste und aufgewecktest von allen; ich hab sie sofort ins Herz geschlossen“, strahlt der Betreuer. Rund 8.500 Euro bringt der Arbeitskreis jedes Jahr auf, damit er den zehn Kindern und ihren zwei Betreuerinnen den Aufenthalt in Deutschland finanzieren kann. Buben und Mädchen wechseln sich ab. Seit jeher freut sich das Team über großzügige Spender. Allen voran engagiere sich die Roche seit Jahren sehr stark. Die Weiler Wirte liefern seit jeher das Essen oder laden die Kids ein, das DRK stellt Fahrzeuge zur Verfügung. Dazu erhalten die Kinder ärztliche und zahnärztliche Untersuchungen und Behandlungen, braucht ein Kind eine Brille, dann wird auch dafür gesorgt. Die Stadt Schlobin in Weißrussland würdigte diese langjährige Partnerschaft, indem sie im verganenen Jahr das ganze Helferteam eingeladen hat und wünscht sich natürlich eine Fortsetzung der Kooperation. Doch ist beim Arbeitskreis Tschernobylkinder einiges im Umbruch. Die Gründer-Generation zieht sich aus Altersgründen zurück, weshalb nun neue Mitstreiter und Gönner gesucht werden. Noch stehe nicht fest, ob der AK das notwendige Geld für den Aufenthalt 2016 zusammenbekommt, erklärt Andreas Schnetzler. Die Vorbereitungen für 2016 starten schon im Oktober mit der Beantragung der Visa. „Bis dahin sollten wir wissen, ob es mit der Finanzierung klappt“, sagt Harald Werner. Er lädt alle Interessierten gerne ein. Die Kinder und Ihre Betreuerinnen sind ab Freitag, 17. Juli, bei der Weiler Johannesgemeinde untergebracht. Wer die Gruppe besuchen möchte oder sich für die Aktivitäten des Arbeitskreises informieren will, soll sich bei Harald Werner melden: Telefon 0151 61 61 44 24. Wer spontan einen Betrag spenden möchte, kann ihn auf das Konto der ev. Kirchengemeinde bei der Volksbank Dreiländereck überweisen, Stichwort „Tschernobylkinder“, Nr. 512 397, BLZ 683 900 00.
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