Kindheit an der Zingel, Tod in der Gaskammer - Robert

HILDESHEIM
DONNERSTAG, 24. SEPTEMBER 2015
klartext!
von
MiChael heun
HILDESHEIMER ALLGEMEINE ZEITUNG |
15
Keine Stadtvillen – dafür ein Flüchtlingsheim?
Unternehmensgruppe Lüder tritt von seinen Plänen für den Himmelsthürer Bernwardshof zurück / Kongregation sucht nun Plan B
Chefredakteur
[email protected]
G
Ein asoziales
Netzwerk?
egenrede ist besser als
Löschen. So rechtfertigt sich
Facebook gerne, wenn es um
Hass-Tiraden in den Kommentarspalten des Internet-Netzwerks geht.
Argumentieren mache mehr Sinn als
unliebsame Meinungen einfach zu
verbannen. Sagt Facebook.
Nach deutschem Recht endet
Meinungsfreiheit exakt dort, wo
Volksverhetzung und Gewaltverherrlichung anfangen. Das interessiert Facebook aber offensichtlich
nicht. Auch Beschwerden aus
unserer Redaktion wurden mehrfach mit dem immer gleichen
Hinweis beantwortet, dass selbst
Holocaust-Leugnung und Gewaltverherrlichung nicht gegen die
„Gemeinschaftsstandards von
Facebook verstoßen“.
Jetzt aber toppt das Unternehmen aus Kalifornien diese ohnehin
schon fragwürdige Praxis noch –
und führt dabei die eigene Argumentation ad absurdum: Laut
Mediendienst dwdl.de hatte
Moderator und Comedy-Autor
Micky Beisenherz auf einen gegen
Flüchtlinge und Zuwanderung
agitierenden Kommentar „eines
Facebook-Mitglieds mit einem
Namen, der auf einen Migrationshintergrund mit Wurzeln im
ehemaligen Jugoslawien schließen
ließ“, geantwortet: „Mit Deiner
Einstellung würde es einen Amir
Zemdic* in Deutschland nicht
geben.“ (*Name geändert).
Argumentieren statt Löschen.
Genau das hat Beisenherz getan.
Und wie reagiert Facebook? Sie
löschen die Antwort und sperren
Beisenherz für 30 Tage aus. Ich
verstehe die Welt nicht mehr. Den
Holocaust zu leugnen, ist erlaubt,
Rassisten auszubremsen aber nicht?
Es gibt Menschen, die Facebook
schon seit Jahren als asoziales
Netzwerk bezeichnen. Ich fand das
immer übertrieben. Inzwischen bin
ich da nicht mehr so sicher.
Randale am
Wildgatter
HildesHeim. Unbekannte haben am
Dienstagnachmittag im „Steinbergium“
des Wildgatters randaliert. Ein Mikroskopiertisch wurde erheblich beschädigt, wie der Vorsitzende des Fördervereins, Hans-Uwe Bringmann, mitteilte.
Die Täter brachen Mikroskope von den
Halterungen ab und beschädigten die
Stromleitung.
Das „Steinbergium“ wurde 2011 als
„kleinstes Naturkundemuseum der
Welt“ eröffnet. Bringmann zeigte sich
„völlig fassungslos“ über die „unsinnige
Zerstörung“. „Hier wird die ehrenamtliche Arbeit mit Füßen getreten“, sagte
Bringmann. Die Höhe des Sachschadens
beziffert er auf 1000 bis 2000 Euro. skn
Schnäppchen für
die „Schätzchen“
OCHTersum. Der Spielkreis „Zwergenparadies“ der St.-Altfrid-Gemeinde lädt
für Samstag, 26. September, zu seinem
Herbstbasar „Schnäppchen für die
Schätzchen“ ein. Angeboten werden
Kinderbekleidung, Kinderwagen, Autositze, Fahrräder, Spielsachen sowie alle
sonstigen Kinderartikel. Beginn ist um
14 Uhr in der Ochtersumer Aula (Schlesierstraße). Das Ende ist für 16 Uhr geplant. Auch eine Cafeteria mit Kuchen
und Herzhaftem ist geplant.
kurz gemeldet
Küchengespräch
über männer verschoben
HildesHeim. Das für den 28. September
angekündigte Küchengespräch zum Thema „Männer“ in der Evangelischen Familienbildungsstätte fällt aus. Ein neuer Termin
ist für den Januar geplant. Weitere Informationen im Internet unter www.familiehildesheim.de.
apm
Aggressionsabbau
durch Trommeln
HildesHeim. Die VHS bietet unter dem Titel „Hau drauf“ einen Eintages-Kursus in
Aggressionsabbau durch Trommeln, Tanz
und Entspannung. Der Kursus findet statt
am Freitag, 9. Oktober, und richtet sich an
Pädagogen in Kita, Hort und Schule. Die
Teilnahme kostet 49,10 Euro. Anmeldung
unter 9 36 11 11 oder per E-Mail unter [email protected].
apm
Was wird aus dem Bernwardshof in Himmelsthür? Das
ehemalige Erziehungsheim und spätere Tagungszentrum
steht seit dem Auszug der Kongregation leer (links).
Im Garten des Bernwardshofs in Richtung Sierstorfskamp
wollte die Immobilienfirma Lüder eigentlich Stadtvillen
bauen (rechts). Diese Pläne sind nun verworfen.
Fotos: Kaiser
von Marita ZiMMerhof
HildesHeim. Die Hildesheimer Unternehmensgruppe Lüder hat ihre sämtlichen Pläne über Bord geworfen, auf dem
Gelände des Himmelsthürer Bernwardshofs ein Alten- und Pflegeheim sowie
mehrere moderne Stadtvillen zu errichten. In einer gestern veröffentlichten Erklärung hieß es dazu nur: „Die zukünftige geschäftliche Ausrichtung der Unternehmensgruppe wird sich inhaltlich erweitern und begründet den Rücktritt.“
Für die Kongregation der Barmherzigen Schwestern vom Heiligen Vinzenz
von Paul kommt diese Entscheidung offenbar ziemlich überraschend: Ihr gehört
das weitläufige Areal. Lange Zeit war
der Bernwardshof als Erziehungsheim
für Knaben genutzt worden, danach
wurde er Tagungszentrum, zuletzt diente er dem Orden als Übergangsquartier,
während das Mutterhaus in der Neuen
Straße saniert wurde. Seit der Rückkehr
der Ordensschwestern aber steht das
Gelände seit einem Jahr leer.
Schon vor mehr als einem Jahr, erinnert sich Generalrätin Schwester Canisia Corleis, habe die Kongregation mit
der Stadt Gespräche geführt, ob sich die
Anlage für die Unterbringung von
Flüchtlingen eignen könne. Damals
habe die Stadt allerdings dankend abgelehnt, weil ihr der Aufwand für die Herrichtung der Räume als zu hoch erschien.
Jetzt allerdings hat sich die Flüchtlingssituation dramatisch zugespitzt und
könnte zu einer Neubewertung führen.
Bis vor wenigen Tagen allerdings
stand diese Idee überhaupt nicht zur Debatte. Nachdem für den Orden klar geworden war, dass er selbst das Gelände
nicht mehr benötigt, war er mit der Unternehmensgruppe Lüder in Verhand-
lung getreten, die hier fünf moderne,
dreigeschossige Stadtvillen bauen wollte. Zusammen sollten 50 Wohneinheiten
entstehen – hieß es zumindest noch im
März im Ortsrat, als die Stadtverwaltung
die Pläne vorstellte, um eine dafür nötige Änderung des Bebauungs- und Flächennutzungsplans zu erwirken.
Weil dem Ortsrat diese Informationen
für eine Beschlussfassung nicht genügten, stellte in der nachfolgenden Ortsratssitzung im Juni Sebastian Lüder die
Pläne der Investorengruppe selbst vor.
Das Hauptgebäude wollte Lüder abreißen lassen, um dort ein neues Alten- und
Pflegeheim zu bauen. Es sei einfach „zu
alt und zu verwinkelt“, um es nach heutigen Bedürfnissen zu nutzen. Zudem
sollten im hinteren Bereich nun vier
Mehrfamilienhäuser mit jeweils 12 bis
14 Wohneinheiten entstehen. „Barrierefrei, altengerecht und bezahlbar“, wie
Lüder zu diesem Zeitpunkt betonte.
„Seit Frühjahr 2015“, so der Investor
gestern, liefen die Gespräche zwischen
der Lüder-Gruppe und der Kongregation
zur Übernahme des Bernwardshofs. „Politik, Verwaltung und Anwohner“ hätten
den Plan begrüßt, „Eigentumswohnungen und Einfamilienhäuser in einem Zusammenschluss mit einem Alten- und
Pflegeheim“ zu errichten. Doch mehr als
ein Vertrag über ein Vorkaufsrecht und
anschauliche Architektenpläne kamen
nicht zustande.
„Es kam immer wieder zu Zeitverzögerungen, so wurde zum Beispiel noch
ein Bodengutachten in Auftrag gegeben“, sagt Schwester Canisia. Auch über
den Kaufpreis habe Lüder neu verhandeln wollen. „Es hat sich hingezogen.“
Bis die Unternehmensgruppe der Kongregation Ende letzter Woche mitgeteilt
habe, von dem Vorhaben ganz Abstand
nehmen zu wollen. „Das hat uns alle
überrascht“, sagt Florian Gruwe, der
Sprecher der Kongregation.
„Im Fokus der Unternehmensgruppe
stehen die Entwicklung großflächiger
Gewerbeimmobilien und ImmobilienPortfolios in ganz Deutschland“, heißt es
in der Lüder-Erklärung. Warum der
Bernwardshof nun offenbar nicht mehr
in das Konzept passt, dazu wollte das
Unternehmen auch auf Nachfrage keine
weiteren Angaben machen.
„Auch wir wissen es nicht“, sagt Gruwe. In der Kongregation wird nun intensiv nach einem Plan B gesucht. Angeblich besteht in der Stadt kein Mangel an
Altenheimplätzen, eher sogar ein Überangebot. Ob sich die recht kleinen Räume des Tagungshauses hingegen für
Flüchtlingsunterkünfte eignen, ist noch
nicht entschieden. Doch diese Überlegung steht gerade wieder am Anfang.
Kindheit an der Zingel, Tod in der Gaskammer
Eine Stele erinnert seit gestern an die Deportation der Hildesheimer Juden / Kurzer Film über QR-Code abrufbar
von Christian harborth
HildesHeim. Mindestens einen Zeitzeugen gibt es noch. Als sich viele Hildesheimer Juden am 27. März 1942 an der
Polizeikaserne, dem heutigen Gerichtsgelände, versammeln müssen, um ihre
letzte Reise ins Warschauer Ghetto anzutreten, müssen sie eine Kastanie passiert haben. Der Baum steht noch immer
auf dem Areal – als stummer Zeuge unerhörter Ungerechtigkeit, die sich während der Zeit des Nationalsozialismus
auch in Hildesheim abgespielt hat.
Es ist eine kleine Schar Bürger, die
sich gestern an der Stelle versammelt
hat, an der einst die Reise ohne Rückkehr für viele Hildesheimer Juden be-
gann. Schüler der Robert-Bosch-Gesamtschule sind mit Hilfe des Volkshochschul-Projekts „Vernetztes Erinnern“ in
die historischen Details jener Tage abgetaucht. Und sie haben auch einige der
Einzelschicksale recherchiert.
Langlinda Haliti zum Beispiel hat sich
intensiv mit Ilse Rosenthal beschäftigt.
Die Jüdin wuchs an der Zingel 14 auf,
besuchte die nahe Goetheschule und
heiratete im Kriegsjahr 1941 Fritz Heimann. Kein Jahr später wurden beide nach
Warschau deportiert. „Hier verliert sich
ihre Spur“, sagt die 20-jährige Langlinda Haliti. Vermutlich wurde das Paar im
Warschauer Ghetto oder später in Treblinka, wohin viele der Warschauer Juden transportiert wurden, ermordet.
Der Perücken-Mann
fiel schon vorher auf
Seltsam kostümierter Räuber war auch in Ochtersum
von Christian wolters
HildesHeim. Der recht eigenwillig maskierte Räuber, der am Montagabend
eine Spielhalle überfiel und verhaftet
wurde, soll schon zwei Tage zuvor zugeschlagen haben. Wie die Polizei gestern
meldete, war der 34-Jährige am Sonnabend ebenfalls mit seiner Perücke in einem Schreibwarengeschäft mit Postfiliale in Ochtersum aufgetaucht.
Es war Samstagmittag um 12.20 Uhr,
als der Mann beim Verkaufspersonal des
Ladens in der Adolf-Kolping-Straße vorstellig wurde und Geld verlangte. Der
Täter soll höflich gewirkt haben. Und
auch bei dieser Gelegenheit sein Gesicht
schon durch die dunkle Perücke mit den
blonden Strähnen verborgen haben. Auf
dem Kopf trug er obendrein eine Kappe.
Es handele sich um einen Überfall, ließ
er den 47-jährigen Verkaufsleiter wissen
und forderte Geld.
Weil ihn interne Vorschriften dazu anhielten und um sich und weiteres Bedienpersonal zu schützen, händigte der
Geschäftsführer dem Räuber wenige
hundert Euro aus. Danach verließ der
Täter das Geschäft, setzte sich auf ein
Fahrrad und fuhr davon. Der Verkaufsleiter verfolgte den Unbekannten noch,
konnte diesen aber nicht mehr stellen.
Auch die Fahndung der Polizei führte
nicht sofort zum Durchbruch – aber zu
einem wichtigen Zeugen. Dem war der
Perücken-Mann nämlich schon am
Sonnabendvormittag aufgefallen, weil
er vor der nahen Tankstelle stand und
diese zu beobachten schien. Dem Zeugen kamen Verhalten und Aufmachung
des Mannes so komisch vor, dass er ihn
per Handy knipste. Kurz darauf sah er
ihn wieder: unmittelbar nach dem Überfall auf den Laden mit der Postfiliale.
Nur zwei Tage später kreuzte der
34-Jährige dann samt Kunsthaar und
Schusswaffe in einer Spielothek in der
Siemensstraße auf. Mit der Waffe bedrohte er die Aufsicht – die 52-Jährige
gab dem Räuber wenige hundert Euro.
Die Polizei, die von der Wach- und
Schließgesellschaft alarmiert worden
war, setzte mehrere Funkstreifenwagen
ein und fand den Tatverdächtigen kurz
darauf in der Fahrenheitstraße.
Der Räuber versuchte zwar noch davonzuradeln, die Polizisten waren aber
schneller. Die Beute und die Tatwaffe
hatte er noch bei sich. In seiner Vernehmung gestand der 34-Jährige beide
Raubüberfälle. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft erließ das Amtsgericht einen
Untersuchungshaftbefehl. Die Ermittlungen gegen den 34-Jährigen dauern aber
noch an, nicht ausgeschlossen, dass er
noch mehr angestellt hat.
Wer die Stelle passiert, an der die Deportation damals begann, stößt seit gestern auch auf eine Gedenk-Stele. Über
einen sogenannten QR-Code kann man
mit seinem Smartphone einen kurzen
Film über die Deportation anschauen.
„Diese Szene ist so banal – und gleichzeitig so erschreckend“, findet RBGSchulleiter Wilfried Kretschmer. Das
Zeitdokument, das unter anderem auch
ganz kurz die heute noch vorhandene
Kastanie abbildet, wurde am 27. März
1942 angefertigt. Es zeigt Menschen wenige Wochen oder Monate vor ihrem
Tod. „Alle, die sich hier gesammelt haben, sind umgebracht worden“, erklärt
Klaus Schäfer vom „Vernetzten Erinnern“.
Tarek Oppel enthüllt unter den Augen von
Ekkehard Palandt die Stele.
Foto: Kaiser
Gemeinsam mit Langlinda Haliti berichten Jan-Eric Bewer und Tarek Oppel
davon, was damals passiert ist. Wie die
Menschen zunächst zum Hauptbahnhof
gehen müssen. Von dort fahren sie mit
der Straßenbahn nach Hannover-Ahlem.
Hier zwängen die Nazis sie in Viehwaggons, die zunächst nach Warschau rollen. Für viele geht es anschließend weiter in das Konzentrationslager Treblinka,
wo insgesamt 250 000 Juden ermordet
werden.
Bürgermeister Ekkehard Palandt findet bei der Stelen-Enthüllung lobende
Worte für den Einsatz der Schüler und
des VHS-Projekts. „An Unrecht zu erinnern, ist ein Weg, um im Leben noch etwas besser zu machen.“
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