bewegungsfreundlichen Stadt

STUDIE:
BEWEGUNGSFREUNDLICHKEIT
IN DEUTSCHEN GROßSTÄDTEN
»Deutschland bewegt sich!« ist die Gesundheitsinitiative von
BARMER GEK und BILD am SONNTAG für ein gesünderes, besseres
und längeres Leben. Das Ziel ist es, möglichst viele Menschen
dauerhaft und regelmäßig in Bewegung zu bringen.
Prof. Dr. Ingo Froböse von der Deutschen Sporthochschule Köln hat
im Auftrag von BILD am SONNTAG und BARMER GEK die Bewe‑
gungsfreundlichkeit in deutschen Großstädten erforscht. Gegen‑
stand der Studie sind 28 deutsche Städte, wie leicht sie es ihren
Bürgern machen, aktiv zu leben und sich ausreichend zu bewegen.
Bewegungsmangel in Deutschland ist eines der schwerwie‑
gendsten Public Health Probleme des 21. Jahrhunderts bei Erwach‑
senen und Kindern. Fast jeder zweite Deutsche bewegt sich zu
wenig.1 Die Folgen sind unter anderem Übergewicht, Diabetes Typ 2,
Herzkreislauf-Erkrankungen sowie Muskel und Skeletterkran‑
kungen.
Das Bewegungsverhalten wird von vielen verschiedenen Faktoren
beeinflusst, die sich in vier Ebenen untergliedern lassen:
1. Individuelle Verhaltens- und Lebensweisen
2. Unterstützung und Beeinflussung durch das soziale
Umfeld
3. Lebens- und Arbeitsbedingungen
4. Sozioökonomische, kulturelle und physische
Umweltbedingungen
Diese verschiedenen Ebenen beeinflussen sich wechselseitig und
müssen ganzheitlich betrachtet werden.2
Das Wohnumfeld als Lebensraum der Menschen hat Einfluss auf
die verschiedenen Ebenen und ist somit von zentraler Bedeutung
für die Bewegung und Gesundheit.
ΠGesundheitsförderung muss in den jeweiligen Lebenswelten
ansetzen, in denen sich der Alltag von Menschen abspielt.
FAKTEN
• Bewohner aus Wohngegenden mit hoher Walkability, also mit
einer hohen Einwohnerdichte, einer hohen Flächennutzungs‑
durchmischung und einer guten Straßenkonnektivität, bewegen
sich ca. 70 Minuten mehr pro Woche als Bewohner aus Wohn‑
umgebungen mit niedriger Walkability.3
• Gehwege sind für Freizeit- und Transportzwecke nützlich, bei‑
spielsweise zum Spazierengehen, Joggen und Skaten. Einzelne
Merkmale wie Geh- und Fahrradwege, Geschäfte und Halte‑
stellen, können die körperliche Aktivität um bis zu 50 Prozent
erhöhen.4
• Nutzer öffentlicher Verkehrsmittel gehen 30 Prozent mehr zu Fuß
als Autofahrer.5
•E
ine gut ausgebaute Verkehrsinfrastruktur, ein ästhetisches,
grünes Wohnumfeld und die räumliche Nähe zu (freizeitlichen)
Einrichtungen haben einen positiven Effekt auf freizeitbezogene
Bewegung der Anwohner.6
• Nicht nur das Vorhandensein von Gehwegen ist wichtig, auch die
Instandhaltung beeinflusst das Bewegungsverhalten. Je besser
die Gehwege instand gehalten werden, desto mehr bewegen sich
die Anwohner moderat bis intensiv7 und desto mehr transportbe‑
zogenes Gehen konnte verzeichnet werden.8
• In einer verkehrssicheren Umgebung (z.B. mit geringem Verkehrs‑
aufkommen, verkehrsberuhigenden Maßnahmen) gehen die
Anwohner mehr zu Fuß und benutzen häufiger das Fahrrad in
ihrer Freizeit.9
FRAGESTELLUNG DER STUDIE
In welchen deutschen Städten werden Bewegung und ein aktiver
Lebensstil durch das Wohnumfeld unterstützt?
roböse, I., & Wallmann-Sperlich, B. (2015). Der DKV-Report »Wie gesund lebt
F
Deutschland?«.
Dahlgren G, Whitehead M. (1991). European strategies for tackling social inequities
in health: Levelling up Part 2. Copenhagen.
3
Saelens, B. E., Sallis, J. F., Black, J. B., & Chen, D. (2003). Neighborhood-Based Diffe‑
rences in Physical Activity: An Environment Scale Evaluation. American journal of
public health, 93(9), 1552–1558.
4
Sallis, J.F., Bowles, H.R., Bauman, A., Ainsworth, B.E., Bull, F.C., Craig, C.L., et al. (2009).
Neighborhood environments and physical activity among adults in 11 countries.
American journal of preventive medicine, 36(6), 484–490.
5
Edwards, R.D. (2008). Public transit, obesity, and medical costs: assessing the
magnitudes. Preventive medicine, 46(1), 14–21.
6
Adams, E.J., Goodman, A., Sahlqvist, S., Bull, F.C., & Ogilvie, D. (2013). Correlates of
walking and cycling for transport and recreation: factor structure, reliability and beha‑
vioural associations of the perceptions of the environment in the neighbourhood scale
(PENS). The international journal of behavioral nutrition and physical activity, 10:87.
7
Wallmann, B., Bucksch, J., & Froboese, I. (2012). The asso ciation between physical
activity and perceived environment in German adults. The European Journal of Public
Health, 22(4), 502–508.
8
Sugiyama, T., Neuhaus, M., Cole, R., Giles-Corti, B., & Owen, N. (2012). Destination and
route attributes associated with adults‘ walking: a review. Medicine and science in
sports and exercise, 44(7), 1275–1286.
9
van Holle, V., Deforche, B., van Cauwenberg, J., Goubert, L., Maes, L., van de Weghe, N.,
& de Bourdeaudhuij, I. (2012). Relationship between the physical environment and
different domains of physical activity in European adults: a systematic review. BMC
public health, 12:807.
1
2
METHODIK
Unter der wissenschaftlichen Leitung von Univ.-Prof. Dr. Ingo Froböse vom Zentrum für Gesundheit durch Sport und
Bewegung der Deutschen Sporthochschule Köln führte das Meinungsforschungsinstitut GfK Nürnberg eine telefo‑
nische Befragung im Zeitraum von Juli bis August 2015 durch. Es wurden insgesamt 2.808 Personen aus den 16
Landeshauptstädten und in 12 weiteren Großstädten zu ihrer subjektiven Umweltwahrnehmung befragt. Pro Stadt
gab es 100 Befragte.
Die Basis der Befragung bildet der Umweltfragebogen ALPHA (Assessing Levels of Physical Activity), der eigens für
den europäischen Raum entwickelt wurde.
FOLGENDE THEMENKOMPLEXE WURDEN ERFRAGT:
1. Wohndichte
(z.B. Alleinstehende Einfamilienhäuser, Reihenhäuser, Wohnblocks)
2. Entfernung zu Alltagszielen und Einrichtungen
(z.B. Supermarkt, Café, Haltestelle, Sportanlage, Park)
3. Infrastruktur der Fuß- und Radwege
(z.B. Geh- und Radwege, Trennung der Radwege vom Verkehr)
4. Qualität der Infrastruktur
(z.B. Instandhaltung der Parks und Freiflächen)
5. Straßenkonnektivität
(z.B. Abkürzungen, Kreuzungen, Alternativrouten)
6. Sicherheit
(z.B. Kriminalität, Verkehrssicherheit)
7. Attraktivität
(z.B. Graffiti, leerstehende Häuser)
Das Ranking der einzelnen Themenkomplexe erfolgte nach Mittelwerten. Das Gesamtranking ergab sich aus den
Rängen der einzelnen Themenkomplexe.
ERGEBNISSE
Tabelle 1: Gesamtranking
1 Karlsruhe
2 München
3 Hannover
4 Kiel
5 Jena
6 Braunschweig
7 Nürnberg
8 Frankfurt a.M.
9 Bremen
10Potsdam
11 Magdeburg &
Mainz
13Düsseldorf
14Schwerin
15Leipzig
16Berlin
17Rostock
18Köln
19Bremerhaven
20Lübeck
21 Halle (Saale)
22Hamburg
23 Erfurt &
Ludwigshafen a.Rh.
25Wiesbaden
26Stuttgart
27Dresden
28Saarbrücken
Rang
Berlin
Rostock
Magdeburg
München
Jena
Schwerin
Potsdam
Halle (Saale)
Köln
Düsseldorf
Dresden
Frankfurt a.M.
Bremerhaven
Leipzig
Ludwigshafen a.Rh.
Mainz
Hamburg
Nürnberg
Kiel
Karlsruhe
Hannover
Braunschweig
Wiesbaden
Stuttgart
Lübeck
Erfurt
Bremen
Saarbrücken
Wohndichte
Entfernung zu
Alltagszielen
Frankfurt a.M.
Köln
Hannover
Karlsruhe
Kiel
Ludwigshafen a.Rh.
München
Stuttgart
Düsseldorf
Berlin
Braunschweig
Nürnberg
Mainz
Leipzig
Lübeck
Hamburg
Potsdam
Wiesbaden
Bremen
Jena
Magdeburg
Bremerhaven
Dresden
Halle (Saale)
Schwerin
Erfurt
Rostock
Saarbrücken
Tabelle 2: Ranking nach Themenkomplexen
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
22
23
24
25
26
27
28
Infrastruktur
Hannover
Karlsruhe
Bremen
Kiel
München
Magdeburg
Lübeck
Braunschweig
Leipzig
Mainz
Hamburg
Nürnberg
Bremerhaven
Schwerin
Rostock
Halle (Saale)
Köln
Frankfurt a.M.
Düsseldorf
Berlin
Potsdam
Jena
Erfurt
Dresden
Stuttgart
Ludwigshafen a.Rh.
Saarbrücken
Wiesbaden
Qualität der
Infrastruktur
München
Jena
Nürnberg
Karlsruhe
Düsseldorf
Hannover
Magdeburg
Bremerhaven
Leipzig
Braunschweig
Frankfurt a.M.
Ludwigshafen a.Rh.
Potsdam
Kiel
Bremen
Mainz
Dresden
Stuttgart
Schwerin
Wiesbaden
Rostock
Saarbrücken
Lübeck
Erfurt
Berlin
Halle (Saale)
Hamburg
Köln
Köln
Frankfurt a.M.
Jena
Berlin
Hannover
Halle (Saale)
Bremen
Karlsruhe
Nürnberg
Leipzig
Düsseldorf
Kiel
Schwerin
Lübeck
Hamburg
Magdeburg
Braunschweig
Mainz
Potsdam
Erfurt
Bremerhaven
Wiesbaden
München
Ludwigshafen a.Rh.
Rostock
Dresden
Stuttgart
Saarbrücken
Straßen-konnektivität
Mainz
Karlsruhe
Kiel
Braunschweig
München
Rostock
Schwerin
Jena
Nürnberg
Erfurt
Hannover
Potsdam
Bremen
Halle (Saale)
Wiesbaden
Lübeck
Stuttgart
Leipzig
Magdeburg
Bremerhaven
Frankfurt a.M.
Dresden
Berlin
Saarbrücken
Ludwigshafen a.Rh.
Köln
Düsseldorf
Hamburg
Sicherheit
Braunschweig
Potsdam
Erfurt
München
Bremen
Karlsruhe
Wiesbaden
Jena
Rostock
Kiel
Hamburg
Hannover
Lübeck
Bremerhaven
Schwerin
Nürnberg
Düsseldorf
Stuttgart
Berlin
Frankfurt a.M.
Mainz
Dresden
Magdeburg
Ludwigshafen a.Rh.
Köln
Halle (Saale)
Leipzig
Saarbrücken
Attraktivität
Tabelle 3: Übersicht zu den Platzierungen der Städte insgesamt und in den verschiedenen Themenkomplexen
Städte
Berlin
Braunschweig
Bremen
Bremerhaven
Dresden
Düsseldorf
Erfurt
Frankfurt a.M.
Halle (Saale)
Hamburg
Hannover
Jena
Karlsruhe
Kiel
Köln
Leipzig
Lübeck
Ludwigshafen a.R.
Magdeburg
Mainz
München
Nürnberg
Potsdam
Rostock
Saarbrücken
Schwerin
Stuttgart
Wiesbaden
Gesamt
Wohn‑
dichte
Entfernung
zu Alltagszielen
Infrastruktur
Qualität
der Infrastruktur
Straßenkonnektivität
Sicherheit
Attraktivität
16
6
9
19
27
13
23
8
21
22
3
5
1
4
18
15
20
23
11
11
2
7
10
17
28
14
26
25
1
22
27
13
11
10
26
12
8
17
21
5
20
19
9
14
25
15
3
16
4
18
7
2
28
6
24
23
10
11
19
22
23
9
26
1
24
16
3
20
4
5
2
14
15
6
21
13
7
12
17
27
28
25
8
18
20
8
3
13
24
19
23
18
16
11
1
22
2
4
17
9
7
26
6
10
5
12
21
15
27
14
25
28
25
10
15
8
17
5
24
11
26
27
6
2
4
14
28
9
23
12
7
16
1
3
13
21
22
19
18
20
4
17
7
21
26
11
20
2
6
15
5
3
8
12
1
10
14
24
16
18
23
9
19
25
28
13
27
22
23
4
13
20
22
27
10
21
14
28
11
8
2
3
26
18
16
25
19
1
5
9
12
6
24
7
17
15
19
1
5
14
22
17
3
20
26
11
12
8
6
10
25
27
13
24
23
21
4
16
2
9
28
15
18
7
TIPPS FÜR EIN BEWEGUNGSFREUNDLICHERES WOHNUMFELD
WOHNDICHTE UND ENTFERNUNG ZU ALLTAGSZIELEN
• Nutzungsmix von Wohnen, Gewerbe und Freizeit
• Zugang zu verschiedenen Geschäften
• Bereitstellung von Parks, Freizeit- und Sportanlagen
INFRASTRUKTUR
• Ausbau von Fußgängerzonen und Radwegen
• Verbreiterung der Gehwege
• Sichere Abstellmöglichkeiten für Räder
• Ausreichend Sitzmöglichkeiten (Bänke in Parks,
Bushaltestellen etc.)
• Ausreichend Unterstellmöglichkeiten im Falle von Wind
und Wetter
SICHERHEIT
• Geschwindigkeitsbegrenzung
• Sichere Fußgängerüberwege (z.B. Ampeln, Zebrastreifen etc.)
mit wenig Wartezeit und genug Zeit zum Überqueren
• Ausreichende Straßenbeleuchtung
ATTRAKTIVITÄT
• Bäume und Blumen
• Keine Graffitis und kein Müll
• Wohn- und Spielstraßen
QUALITÄT DER INFRASTRUKTUR
• Instandhaltung der Geh- und Radwege
• Keine Hindernisse auf den Geh- und Radwegen
• Erweiterung des öffentlichen Nahverkehrs
• Beschilderung für Fußgänger und Radfahrer
FAZIT
STRASSENKONNEKTIVITÄT
• Ausbau von Fuß- und Radwegen und Rückbau von Straßen
• Keine Sackgassen für Fußgänger und Radfahrer
• Motorisierten Verkehr verlangsamen z.B. durch Brems‑
schwellen, Blumenkästen
• Ampelschaltung auf Radfahrer takten
Π Es ist eine interdisziplinäre Zusammenarbeit,
unter anderem zwischen der Politik, dem
Gesundheitssektor sowie der Verkehrs- und
Städteplanung notwendig!
Π Umdenken in der Städteplanung: weg von der
autofreundlichen Stadt und hin zur menschenund bewegungsfreundlichen Stadt!