Wenn die Niere wandert

G E S UND HE I T
Wenn die Niere wandert
Unsere Nieren leisten täglich Schwerstarbeit – bis zu 300-mal täglich
filtern sie unser Blut, rund 1800 Liter pro Tag. Der medizinische Fachbereich, der sich mit den Nieren und ihren Krankheiten beschäftigt,
heisst Nephrologie – vom Griechischen «nephros» für Niere.
(vs) Normalerweise besitzt ein Mensch zwei
Nieren. Je nach Körpergrösse ist eine gesunde
Niere zwischen 9 und 12 Zentimeter lang, 4
bis 6 Zentimeter breit, etwa 3 bis 5 Zentimeter dick und hat die Form einer Bohne. In
der Regel ist die linke Niere etwas grösser
und schwerer. Es kann sein, dass eine Niere
deutlich kleiner ist oder gar fehlt, dann ist die
andere grösser. Die beiden Nieren wiegen
zusammen nur zirka 300 Gramm. Die Harnleiter – die so genannten Ureter – verbinden
die Nieren beidseits mit der Blase. In den Nieren wird der Urin gebildet, dieser fliesst über
die Harnleiter in die Blase und von der Blase
über die Harnröhre nach aussen.
Die beiden Nieren befinden sich beidseits
der Wirbelsäule, etwa in Höhe der unteren
Rippen. Ihre Hauptaufgabe ist die Reinigung
des Blutes von Giftstoffen, die als Urin ausgeschieden werden.
Ausserdem sorgen sie für die Regulierung des
Flüssigkeitshaushaltes. Der menschliche Körper besteht zu 75 Prozent aus Wasser. Schon
ein Verlust von zwei Prozent führt zu körperlichen Einschränkungen, weswegen ein ausgeglichener Flüssigkeitshaushalt sehr wichtig ist.
Die Nieren haben Einfluss auf den Blutdruck
und die Blutbildung durch die Regelung der
Produktion von roten Blutkörperchen. Des
Weiteren aktivieren die Nieren Vitamin D, das
wiederum für die Regulierung des Phosphatund Calcium-Spiegels im Blut zuständig ist.
Wanderniere
In der Regel befinden sich die Nieren dort,
wo sie hingehören – doch hin und wieder
kann es vorkommen, dass eine Niere Wandergelüste zeigt. Mit dem geläufigen Begriff
«Wanderniere» – der Fachbegriff lautet Nephroptose – bezeichnet man eine Absenkung
der Niere. Bewegt sich der Körper, verändert die Niere ihre Lage nach unten. Schmerzen treten deshalb vor allem an der Flanke
und im Rücken auf, wenn sich der Betrof-
den durch Blutgefässe beziehungsweise die
Fettkapsel unzureichend fixiert. Grund dafür kann auch eine starke Gewichtsabnahme
sein. Oft tritt eine Wanderniere bei sehr
schlanken Patienten auf, dem so genannten
leptosomen Typus. Meistens ist es die rechte
Niere, die auf Wanderschaft geht. Eine Wanderniere tritt meist zwischen dem 18. und 45.
Lebensjahr auf, Frauen sind öfters davon betroffen als Männer.
Man unterscheidet drei Grade der Beweglichkeit der Niere:
• Wanderniere, die keine Beschwerden ver ursacht
•Wanderniere mit diffusen Symptomen
ohne anatomische Störungen
• Wanderniere mit lokalisierbaren Beschwer den und anatomischen Veränderungen,
starken Rücken- und Flankenschmerzen
Behandlung
fene in aufrechter Haltung befindet und sich
bewegt, und verschwinden wieder, wenn
er sich hinlegt. Ferner klagt der Patient oft
über ein Schweregefühl im Bauchraum. Die
Zugwirkung am Nierengefässstiel beim Absenken der Niere kann zum Abknicken des
Harnleiters führen, der die Verbindung zwischen Niere und Harnblase herstellt. Dies
führt langfristig zu einem Harnstau und zu
Nierenbeckenentzündungen oder Infektionen der Harnwege.
Weitere Symptome können eine nachlassende
Urinproduktion sein, was zur Folge hat, dass
die Niere weniger durchblutet wird, was wiederum Auswirkungen auf den Blutdruck hat.
Anatomisch bedingt sind die Nieren durch
die Gefässstiele an der Hauptschlagader und
der Hohlvene und durch die sie umgebende
Fettschicht fixiert. Die häufigste Ursache für
das Senken der Niere ist eine anlagebedingte
Bindegewebeschwäche, das heisst, sie wer-
Oft merkt der Betroffene gar nicht, dass er
eine Wanderniere hat, da keine Beschwerden auftreten, und erfährt zufällig bei einer Untersuchung davon. Die Wanderniere
kann durch eine Röntgen-Kontrastmitteluntersuchung oder mit Hilfe des Ultraschalls
festgestellt werden. Liegen keine oder nur
geringe Beschwerden vor, muss keine Behandlung vorgenommen werden. Am besten ist es, die Bauchmuskulatur zu stärken,
weshalb die Betroffenen physiotherapeutisch behandelt werden und die Übungen
idealerweise regelmässig fortsetzen. Auch das
Tragen eines Korsetts kann in Frage kommen, das die Niere am Absenken hindert.
Können die Symptome durch diese Massnahmen nicht verbessert werden, muss die
Wanderniere operativ fixiert werden. Das ist
vor allem sinnvoll, wenn die Patienten unter sehr starken Schmerzen oder Harnflussstörungen leiden. Die wandernde Niere wird
durch Nähte an der Rippenunterkante oder
an der Rückenmuskulatur befestigt, womit ein
erneutes Absenken verhindert wird.
September 2015
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