Experten zweifeln an Unabhängigkeit von Buchprüfern

Heute
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Die unabhängige Schweizer Tageszeitung
Donnerstag
23. April 2015
123. Jahrgang Nr. 93
Fr. 3.60, Ausland: € 3.00 / AZ 8021 Zürich
Glattpark
Wo sich Tausende
­Städter wie auf
dem Land fühlen.
Vollgas!
Bei 250 km/h
werden in Spanien
Bubenträume wahr.
Meisterwerke
Wie Literatur aus
­Lateinamerika
begeistern kann.
Neue Kampagne
So will der Bund vor
Alkoholmissbrauch
warnen – ab 12 Uhr.
13
25
21
tagesanzeiger.ch
Experten zweifeln
an Unabhängigkeit
von Buchprüfern
Werden Kinder durch Fischen aggressiv?
Bei Revisoren, die ihre Kunden auch beraten,
besteht die Gefahr von Interessenkonflikten.
Benita Vogel
Der Enron-Skandal in den frühen Nullerjahren bedeutete eine Zäsur für die Wirtschaftsprüfer. Nach den Bilanzfälschungen beim Erdgaskonzern haben die grossen Wirtschaftsprüfer ihr Beratungs­
geschäft reduziert oder abgestossen,
weil sich gezeigt hatte, wie heikel die
Kombination sein kann.
Jetzt scheint das wieder vergessen. Die
Beratungsfirmen wachsen, und dies
meist nicht mit ihrem ursprünglichen
Kerngeschäft, der Buchprüfung, sondern
mit Steuer-, Rechts- oder anderen
­Wirtschaftsberatungen. Bei den grossen
Firmen im Markt liegt der Umsatzanteil
aus Beratungsdienstleistungen heute teilweise höher als derjenige der Wirtschafts­
prüfung.
Die aktuellen Geschäftsberichte von
Banken, Industrie- und Pharmafirmen
zeigen denn auch, dass Revisionsgesellschaften ihren Kunden meist auch zusätzliche Dienstleistungen verkaufen.
Im Extremfall betragen die Beratungs-
honorare mehr als doppelt so viel wie
die Revisionshonorare. Die Beratungsfirmen verweisen auf umfangreiche gesetzliche Regeln und Branchenricht­
linien, welche für die Wahrung der Unabhängigkeit des Revisors gelten.
Bei Experten stösst die Kombination
aber auf Kritik. «Sie ist heikel», sagt
­Corporate-Governance-Experte Michael
Otte. Der Chef von zRating fordert, dass
die Unabhängigkeit der Revisionsstellen
in die aktuelle Aktienrechtsrevision eingebunden werden soll. Als Ansatz sieht er
die neuen Regeln der EU. Sie limitieren
die Zusatzdienstleistungen von Revisoren stark.
Dem Aktienrechtler Peter V. Kunz geht
eine gesetzliche Regelung zwar zu weit.
Aber auch er sagt: «Die Entwicklung in
der EU muss in der Schweiz als Massstab
gelten.» Publikumsgesellschaften täten
gut daran, solche internationale Standards freiwillig nachzuvollziehen, wenn
sie eine einwandfreie Corporate Governance vorweisen wollten.
Kommentar Seite 2, Bericht Seite 33
Heute
Jihad-Verdächtiger aus
Untersuchungshaft entlassen
Die Bundesanwaltschaft (BA) liess vor
rund zwei Wochen einen Secondo verhaften, weil er sich offenbar einer Terrorgruppe im Ausland anschliessen wollte.
Doch nach nur 13 Tagen wurde der Mann
aus der U-Haft entlassen. Sein Anwalt
­bezichtigt die BA, nur Werbung in eigener Sache gemacht zu haben. – Seite 5
Champions League: Real Madrid
und Juventus Turin sind weiter
Real Madrid zieht mit einem 1:0-Sieg
­gegen Stadtrivale Atlético in die Halb­
finals der Champions League ein. Juventus verteidigt im Rückspiel gegen Monaco das 1:0 aus dem Hinspiel mit einer
Nullnummer. In den Halbfinals warten
der FC Bayern München und der FC Barcelona.– Seite 39
Service
Kommentare & Analysen
Wetter10
Leserbriefe11
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Todesanzeigen
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Rätsel31
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«Wie die Hunde
ihre Hintern, so
­beschnüffelten
Bildungsbürger
die Regale.»
Constantin Seibt über das Ende
der Bücherwand. – Seite 9
Die Bilanz des saudischen Sturms
auf die Huthi-Rebellen in Jemen
ist verheerend. – Seite 7
Der jetzige Wahlkampf bereitet
die grosse Schlacht um Europa
im nächsten Jahr vor. – Seite 5, 9
Foto: Harold M. Lambert (Getty Images)
Der Schweizer Tierschutz will verhindern, dass Kinder Fische töten – und fordert ein
­Mindestalter für Angler. Unterstützung erhält er von einem Gerichtspsychiater. – Seite 3
Neue Vorwürfe zur
Flüchtlingsdrama:
WM-Vergabe an Katar EU sucht nach Lösung
Englische Journalisten erheben in einem
heute veröffentlichten Buch neue Vorwürfe zur Vergabe der Fussball-WM
2022: Der ­Katarer Mohamed bin Hammam und Fifa-Präsident Sepp Blatter
sollen 2011 einen Deal geschlossen haben, nachdem der Wüstenstaat das Rennen um die Austragung des Turniers gewonnen hatte. Bin Hammam, gegen den
damals bereits w
­ egen Korruptionsverdacht ermittelt wurde, würde auf seine
Kampfkandi­datur als Präsident verzichten, Sepp Blatter im Gegenzug dafür sorgen, dass Katar die WM nicht aberkannt
wird. Die Fifa weist die Darstellung der
Reporter zurück: Es habe keinen solchen Deal gegeben. (ms) – Seite 40
Angesichts der wohl schwersten Flüchtlingstragödie im Mittelmeer mit rund
800 Toten an einem Tag treffen sich
heute die EU-Staats- und -Regierungschefs in Brüssel zu einem Krisengipfel.
Im Zentrum der Diskussionen steht ein
von den EU-Aussen- und -Innen­ministern
präsentierter Zehnpunkteplan, der unter
anderem die Ausweitung der Seenot­
rettung und einen entschlossenen Kampf
gegen Schlepperbanden vorsieht.
Währenddessen mehren sich die
­privaten Initiativen, die selbst vor Ort
helfen möchten. So zum Beispiel Harald
Höppner: Der Deutsche will mit einem eigenen Schiff Flüchtlinge retten. (SDA/TA)
Bericht Seite 6, Hintergrund Seite 8
Beilage
Kulturell genutzte Fabrikareale
werden in Zürich langsam rar.
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BADEN IM GLÜCK.
2
Tages-Anzeiger – Donnerstag, 23. April 2015
Seite Zwei
Kommentar Simon Schmid,
blogs.tagesanzeiger.ch
Wirtschaftsreporter, über
das Verhältnis zwischen Firmen
und Beratern.
Mamablog Lasst die Kinder doch in Ruhe!
Blog Mag Wo halten für Nonstop?
– Ein Papablog von Beat Camenzind*
– Von Philipp Tingler
Konflikte
mit Sprengstoff
PWC, E & Y, KPMG, Deloitte. Die grossen vier der Wirtschaftsprüfung sind Horte der Wirtschaftskompetenz.
Sie werden als Prüfer und Berater von der Unternehmenswelt gebraucht. Umgekehrt sind aber auch die
Consultants auf die Firmen angewiesen – als Auftraggeber. Und zwar je länger, je mehr. Denn im klassischen Prüfgeschäft schwinden die Margen. Umso
wichtiger werden die lukrativen Beratungsaufträge,
die immer dann vergeben werden, wenn wichtige
­Entscheidungen anstehen.
Doch es gibt Grenzen für die Zusammenarbeit.
Eine Regel für Unternehmen lautet, nicht denselben
Wirtschaftsprüfer auch als Berater anzustellen – auch
wenn dies Synergien mit sich bringen würde. Denn
mit der Doppelrolle sind Interessenkonflikte verbunden. Diese können in Teufels Küche führen: Das
schlimmste Beispiel dafür ist ein Skandal aus dem Jahr
2002. Die Beratungsfirma Arthur Andersen deckte damals die Bilanzfälschung im Energiekonzern Enron,
weil sie das Consulting nicht verlieren wollte.
Trotz potenzieller Interessenkonflikte sind
­Doppelaufträge in der Schweiz gang und gäbe. Zum
Beispiel bei ABB, wo zuletzt 5,5 Millionen Franken für
die Beratung an die Revisionsfirma gingen: E & Y.
Nestlé deckte KPMG mit einem Mandat über 5,2 Millionen Franken ein. Die St. Galler Kantonalbank überwies PWC mit 980 000 Franken fast dieselbe Summe
für die Beratung, wie auch die Buchprüfung kostete.
Das schafft Abhängigkeiten und schwächt die Objek­
tivität der externen Prüfer.
Die Radikallösung wäre, die Big 4 zu zerschlagen
und deren Prüf- und Beratungsabteilungen in separate Firmen aufzugliedern. Das wäre ein ähnlicher
Plan, wie er nach der Finanzkrise für die Retail- und
Investmentbanken ausgedacht, aber später wieder
verworfen wurde.
Als Alternative liessen sich Consultingaufträge
für Revisoren schlicht untersagen. Auch das wäre eine
saubere Lösung für das Problem der Interessenkonflikte. Sie wäre sogar besser als der Standard in der
EU, der die maximale Mandatshöhe für Beratungen
bloss prozentual an die Revision koppelt.
Soll man ein Kind in Ruhe lassen? Oder es beschäftigen? Foto: iStock
Der englische Autor Tom Hodgkinson ist eine Kapazität, was
Faulheit betrifft. Von ihm stammen Bücher wie «Anleitung zum
Müssiggang», «Die Kunst, frei zu
sein» oder «Leitfaden für faule
Eltern». Letzteres hat die zentrale These: «Wie erziehe ich
mein Kind? Regel Nummer eins:
Lass es in Ruhe. Regel Nummer
zwei: Lass es in Ruhe. Regel
Nummer drei: Lass es in Ruhe.»
Das heisst nun nicht, die
Kinder komplett sich selbst zu
überlassen. Hodgkinson plädiert aber dafür, sich als Eltern
nicht zum Animator oder gar
zum Manager der Kinder zu
machen. Das ist genau nach
meinem Geschmack. Bei uns
läuft das bisweilen so: Am
Wochenende unternehmen wir
– nichts. Der älteren Tochter
passt das perfekt. Sie verkriecht
sich im Zimmer mit einem Buch
und taucht erst zum Nachtessen
wieder auf. Ihr grösstes Problem
ist, genügend Lesestoff zu
finden. Die Jüngere schnappt
sich jeweils das Telefon und
versucht, ein Gspäändli zu
erreichen. Keine leichte Aufgabe. Ihre beste Freundin kann
oft nicht. Sie muss jeden Samstag mit den Eltern einkaufen
gehen. Der Gang zum Shoppingcenter füllt offenbar den ganzen
Tag aus, mit Parkplatzsuche,
Essen und Hin- und Rückfahrt.
Andere Freundinnen sind mit
den Eltern am Wandern, auf
Verwandtenbesuch oder bei der
Pfadi engagiert. Meistens findet
sie nach x Telefonaten doch
noch eine Spielgefährtin.
Wenn nicht, kommt sie mit
hängenden Schultern angeschlurft, zieht einen Lätsch und
fragt: «Was söll ech machääää?
Mir isch laaaaangwiiiilig.» Natürlich lasse ich sie nicht hängen
und mache ihr Vorschläge, was
wir zusammen tun könnten.
Aber ebenso oft kommt es vor,
dass ich gerade mit etwas beschäftigt bin. Manchmal reicht es
dann, dass ich ihr erkläre,
Langeweile sei gut und der Start
zu etwas Neuem. Bleibt sie
hartnäckig und ich bin unabkömmlich, greife ich zu einem
Trick: Ich fordere dann jeweils,
dass sie ihr Zimmer ausmisten
soll. (Sie ist einer jener Menschen, die nichts – aber auch
wirklich gar nichts – fortwerfen
können und wollen. Entsprechend vollgestopft ist der Raum.)
Ich erwähne also nur beiläufig das Wort «aufräumen», und
das wirkt Wunder. Die Vorstellung, sich von der Zeichnung
aus dem ersten Kindergarten
trennen zu müssen, ist für sie
ein solcher Horror, dass ihr
sofort 1) tausend Dinge einfallen,
die sie auf keinen Fall in den
Keller räumen oder fortwerfen
will, und 2) mit diesen unbedingt jetzt noch spielen will.
* Beat Camenzind ist freischaf­
fender Journalist, Musiker
und Vater von zwei Töchtern.
Unverbesserliche Kulturpessimisten beklagen ja ständig die
sogenannte Amerikanisierung
des alten Europa mit ihren
Begleiterscheinungen der
globalisierten Kettengeschäfte
und 24-Stunden-Nonstop-Mentalität. Ich aber möchte die
Frage aufwerfen: Wo bitte
finden wir denn wirklich
die Rund-um-die-Uhr-Kultur
in Mitteleuropa? Denn nicht
überall, wo «24 Stunden»
draufsteht, sind auch 24 Stunden drin.
Nehmen wir das wichtigste
Beispiel für die vermeintlich
dauermobile moderne Gesellschaft: das Autofahren. Amerika
ist ein grosses Land und braucht
grosse Autos und eine aufs Auto
ausgerichtete Infrastruktur:
Wenn man den Freeway oder
Highway hinunterbraust, ob in
Texas, Tennessee oder Kalifornien, findet man allenthalben
und rund um die Uhr am Wegesrand Zerstreuungsangebote:
Parks mit 24-Stunden-Drugstores wie Walgreens oder Rite Aid,
Rund-um-die-Uhr-Einkaufshallen wie Ralphs oder Kmart und
stets geöffneten Niederlassungen so fabelhafter Verpflegungsketten wie Waffle House, In-NOut oder Ihop, damit das freiheitsliebende Individuum auch
um drei Uhr nachts noch seinen
Energiebedarf decken kann.
Und wie nun sieht das im
vermeintlich total amerikanisierten Mitteleuropa aus? Nun,
ich konnte die Probe aufs Exempel machen, als ich neulich an
der Seite von Richie, dem
besten Ehemann von allen,
mitten in der Nacht mitten
durch Europa fuhr, nämlich von
Berlin in unsere Heimatstadt
Zürich, und zwar mit dem Auto.
Ungefähr auf der Mitte des
Weges liegt die Raststätte Frankenwald, ein Brückenrestaurant
direkt über der Autobahn, das
für sich reklamiert, 24 Stunden
lang geöffnet zu haben. Allerdings stimmt dies buchstäblich
nur teilweise. Denn so gegen
drei Uhr nachts war nur noch
ein winziger Teil des Restaurants offen, dessen Angebot
neben einer Art Gulaschkanone
ein paar verschrumpelte Juras-
sic-Park-Schnitzel umfasste. Wir
entschieden uns für die Suppe
(die übrigens okay war) und
assen, mit Blick auf die nächtliche Autobahn, zwischen ein
paar osteuropäischen Wanderarbeitern und einer Gruppe
übermüdeter Teenager, die kurz
zuvor aus einem versprengten
Reisebus (mit den heute allenthalben üblichen Euphemismen
als «VIP Coach» beschriftet)
gekrabbelt waren und sich nun
durch Squaredance wach zu halten suchten.
Zu wenig Rückgeld
Nach ungefähr zwei weiteren
Stunden Fahrt, die wir uns
damit vertrieben, das Gewicht
und Reiseziel der Insassen der
anderen Autos zu raten, kurz
hinter Nürnberg also, befiel uns
wieder so ein leichtes Verlangen
nach Rast und Nahrung. Es war
inzwischen etwa fünf Uhr
morgens, und die sicherste
Station zur Befriedigung eben
genannter Bedürfnisse schien
uns die mit einem Autohof
verbundene 24-Stunden-Filiale
einer amerikanischen Restaurantkette zu sein, leider keine
der oben genannten, sondern
die langweiligere mit den gol­
denen Bögen.
Wir befanden uns in Kammerstein. Das ist zwischen
Poppenreuth und Neppersreuth, falls Ihnen das hilft. Wir
benutzten die Drive-throughKasse, die in Kontinentaleuropa
Drive-in-Kasse genannt wird,
und das dort wirkende übergewichtige Wesen mit Headset gab
uns 10 Euro zu wenig raus. Als
wir dies feststellten, musste das
Wesen eine Vorgesetzte holen,
die ihrerseits die Kasse abrechnen musste und uns schliesslich
nach ungefähr 15 Minuten
stumm eine 10-Euro-Note
aushändigte. Sie sehen: Die
24-Stunden-Kultur hat sich in
Mitteleuropa irgendwie noch
nicht richtig durchgesetzt. Das
nächste Mal nehmen wir uns ne
Stulle mit. Oder ein Faustbrot,
wie man in Zürich sagt.
Was halten Sie von der NonstopKultur? Diskutieren Sie mit
auf blogmag.tagesanzeiger.ch
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19.90
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Tages-Anzeiger – Donnerstag, 23. April 2015 Wirtschaft
Tesco
Das Vorbild von
Migros und Coop ist
tief in der Krise.
35
SMI
9358 Punkte
Dow Jones Ind.
18038 Punkte
Euro Stoxx 50
3724 Punkte
+0.63%
+0.49%
+0.14%
Heikle Honorare
Japans Handelsbilanz
wieder im Plus
Die meisten Unternehmen lassen sich von derselben Firma beraten, die auch ihre Bücher prüft.
Für die Prüfgesellschaften ist dies ein lukratives Geschäft – für Kritiker ein Interessenkonflikt.
Benita Vogel
Die Straumann-Verwaltungsräte haben
letztes Jahr ihre Revision neu organisiert.
Bis anhin hatte das Zahntechnikunternehmen die Prüfgesellschaft PricewaterhouseCoopers (PWC) gleichzeitig für die
Wirtschaftsprüfung und als Be­rater engagiert. Mit dem Vorwurf einer zu wenig
unabhängigen Prüfung wollte Straumann
aber nicht mehr leben: «Wir haben damit
auf die Kritik reagiert, dass es Interessenkonflikte berge, wenn der Wirtschaftsprüfer auch Steuer- und andere Beratung
macht», sagt ein S
­ precher.
Der Zahntechniker ist die grosse Ausnahme. Bei den Schweizer Publikums­
gesellschaften ist es die Regel, dass der
Revisor seine Kunden gleichzeitig auch
in Steuer-, Rechts- und anderen Wirtschaftsfragen berät. Wenn auch das
­Ausmass sehr unterschiedlich ist.
Ein Blick in die aktuellen Geschäftsabschlüsse zeigt, dass im Extremfall die
Beratungshonorare mehr als doppelt so
hoch liegen wie die Revisionshonorare,
die Unternehmen an Consulting-Firmen
bezahlen. Der Maschinenbauer Schweiter beispielsweise überwies seinem Revisor Deloitte 543 000 Franken für die
Wirtschaftsprüfung und 1,139 Millionen
Franken für die Beratung. Die St. Galler
Kantonalbank, der Baukonzern Im­
plenia und der Industriezulieferer
Dät­
­
wyler weisen vergleichbare Ver­
hältnisse zwischen Prüfungs- und Nichtprüfungsleistungen auf.
Die vier Unternehmen erklären alle,
man sei sich der Thematik bewusst, 2014
sei ein Ausnahmejahr. Bei Schweiter
etwa aufgrund von Fusionen und Übernahmen: «Die erhöhten Mergers-&Acquisitions-Aktivitäten haben 2014 zu
vergleichsweise höheren Transaktionsberatungskosten geführt», sagt Finanzchef Martin Klöti. Schweiter arbeite mit
den Abteilungen Steuerberatung und
Transaction-Services seiner Prüfgesellschaft zusammen. Die Dienstleistungen
würden von unterschiedlichen Partnern
der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft
betreut. «Die bezogenen Leistungen
führen unseren Erachtens zu keinem
­
­Interessenkonflikt des Prüfers.»
Gravierende Verstösse
Aktienrechtler und Experten in Corporate Governance (Grundsätze der Unternehmensführung) sehen das anders. «In
der Praxis führt das Spannungsverhältnis zwischen dem gesetzlichen Prüfauftrag und den kommerziellen Interessen
der Revisionsstelle zu Kompromissen»,
sagt Michael Otte, Chef des Aktionärsdienstleisters zRating. Einerseits sei der
Prüfer verpflichtet, dem Firmenmanagement streng auf die Finger zu schauen,
anderseits müsse er grosszügig sein, um
das Mandat nicht zu verlieren. «Das ist
ein Spagat.»
Konkret geht es vor allem um die Unabhängigkeit der Revisionsstellen. Und
um diese steht es in der Schweiz nicht
zum Besten. Die Aufsichtsbehörde der
Revisoren, die RAB, hat gemäss ihrem
Bericht vor zwei Jahren «noch immer
zahlreiche und teilweise gravierende
Verstösse gegen die Unabhängigkeit festgestellt». Die RAB hat letztes Jahr elf Zulassungsentzüge verfügt im Zusammenhang mit Verstössen gegen die Unabhängigkeit. Im Vorjahr waren es sechs.
Die Unabhängigkeit kann beeinträchtigt sein, wenn die zusätzlich angebotenen Beratungsdienstleistungen eine gewisse Höhe übersteigen, wie Otte sagt.
«Sicher dann, wenn die Beratungshonorare die Revisionshonorare übersteigen»,
so der zRating-Chef. Auch schon Beratungshonorare von mehr als 750 000
Franken pro Jahr seien heikel.
Kritisch kann es aber auch werden,
wenn nur schon der Anschein entsteht,
der Revisor sei nicht unabhängig. Gemäss der Aufsichtsbehörde sind oft Fälle
anzutreffen, in denen Verwaltungsräte
von Consultants gleichzeitig beim geprüften Konzern in Gremien sitzen. So
ist beispielsweise die FDP-Nationalrätin
Gabi Huber Verwaltungsrätin beim In-
Euro in Franken
1.037 +1.16%
Dollar in Franken
0.966 +1.40%
Euro in Dollar
1.073 -0.25%
GB-Pfund in Franken
1.453 +2.04%
Bundesobligationen 10 J. in % -0.13 +2.9 Bp
SNB-Libor 3 Mt. in %
-0.8320 0.000 Bp
Öl (Nordsee Brent) in Dollar 62.81 -0.41%
Gold (Unze) in Dollar
1186.70 -0.91%
Silber (Unze) in Dollar
16.00 +0.52%
Japan hat für März einen Handelsbilanzüberschuss von 229 Milliarden Yen ausgewiesen – das erste Plus seit 30 Monaten.
Allerdings verblassen die umgerechnet
etwa 1,8 Milliarden Franken Überschuss
angesichts der Defizite von durchschnittlich mehr als 8 Milliarden Franken pro
Monat im Steuerjahr 2014. Trotz dieses
positiven Monats muss die einst führende
Exportnation auf die Dauer mit Fehl­
beträgen im Aussenhandel rechnen.
Die überraschend positive MärzBilanz verdankt sich einerseits dem tiefen Öl- und Gaspreis und auch einem
deutlichen Rückgang anderer Importe.
Gegenüber dem Vormonat hat Japan
14,5 Prozent Waren weniger eingeführt,
dabei hatten die Importe schon in den
Monaten zuvor stetig nachgelassen. Der
schwache Yen belastet Japans Konsumenten, viele können sich eingeführte
Güter nicht mehr leisten. Somit ist die
positive Handelsbilanz eher ein Zeichen
der wirtschaftlichen Schwäche. Allerdings hat Japans Industrie im März auch
mehr Computerchips und Autos ins Ausland verkauft, Letztere insbesondere in
die USA. Die Autoexporte nach Amerika
dürften nach Meinung der Experten im
Laufe das Jahres allerdings wieder zurückgehen. (cn)
Nachrichten
Geldpolitik
SNB weitet die Anwendung
von Negativzinsen aus
Das Basler Zahntechnikunternehmen Straumann trennt Revision und Beratung neuerdings strikt. Foto: Georgios Kefalas (Keystone)
nerschweizer Konzern Dätwyler und
gleichzeitig im Stiftungsrat des DätwylerRevisors PWC. Gut vernetzt ist man auch
bei der St. Galler Kantonalbank. Dort ist
der ehemalige PWC-Verwaltungsrats­
präsident Hans Wey im Verwaltungsrat.
Wey hatte die Bank jahrelang geprüft.
Beide Unternehmen betonen, das sei unproblematisch. «Gabi Hubers Sitz im Beirat der PWC hat keinerlei Einfluss auf unsere Geschäftsbeziehung mit PWC», sagt
ein Dätwyler-Sprecher. Und bei der
St. Galler Kantonalbank heisst es: «In
Übereinstimmung mit dem Revisionsaufsichtsgesetz trat Hans Wey sein Mandat
bei der St. Galler Kantonalbank erst zwei
Jahre nach seinem Austritt bei PWC an»,
wie Sprecher Simon Netzle sagt. Auch
die Finma habe die Wahl gutgeheissen.
In der Schweiz gibt es verschiedene
Gesetzesvorgaben, die die Unabhängigkeit von Revisionsstellen sicherstellen
sollen. Wirtschaftsprüfer weisen zudem
auf eigene interne und Branchenricht­
linien hin, die verfolgt würden wie
die grossen vier, PWC, EY (früher Ernst &
Young), ­Deloitte und KPMG, gegenüber
dem TA betonen. Im Gegensatz zu den
USA gibt es in der Schweiz aber keine
strikte Trennung zwischen Revisionsund Beratungsdienstleistungen. Auch die
EU hat die Vorgaben inzwischen verschärft, um die Interessenkonflikte zu reduzieren. So wurde letztes Jahr verabschiedet, dass Revisoren bestimmte Beratungsdienstleistungen wie beispielsweise Steuerberatung und Bewertungsdienstleistungen ihren Kunden nicht
mehr anbieten dürfen. Für weiterhin erlaubte Beratung ist eine finanzielle
Grenze vorgesehen. Diese darf nicht
mehr als 70 Prozent des durchschnittlichen Prüfungshonorars der letzten drei
Jahren betragen.
Schweizer Experten wie etwa Peter V.
Kunz, Aktienrechtler von der Universität Bern, bezeichnen die EU-Vorgaben
als sinnvoll. «Die Entwicklung in der EU
muss auch in der Schweiz als Massstab
genommen werden», so Kunz. Corporate-Governance-Experte Otte fordert,
dass die EU-Richtlinien in der laufenden
Diskussion um die Schweizer Aktienrechtsrevision Einklang finden sollen.
«Es darf nicht sein, dass der klassische
Prüfungsauftrag zum Türöffner für das
So viel bezahlten Firmen für Berater
PrüfungsHonorare in Franken
honorare
Schweiter Technologies
543 000
St. Galler Kantonalbank 1 013 000
Implenia
1 064 500
Dätwyler
840 000
Bachem
183 000
Geberit
1 194 000
Richemont
9 000 000
Syngenta
7 826 000
ABB
24 661 000
SGS
6 000 000
Zurich Insurance
45 500 000
Swisscom
3 697 000
UBS
61 824 000
Néstle
37 000 000
Swatch Group
4 200 000
TA-Grafik /Quelle: zRating
BeratungsRevisionsVerhältnis Prüfung/Beratung in %
stelle
honorare
1 139 000
100:210 Deloitte
983 000
100:97 PWC
1 011 549
100:95 PWC
790 000
100:94 PWC
PWC
150 000
100:82
PWC
7 280 000
100:61
PWC*
2 520 000
100:28
KPMG**
2 184 000
100:28
E&Y**
5 460 000
100:22
1 300 000
100:22
Deloitte**
8 736 000
100:19
PWC
635 000
100:17
KPMG
9 789 000
100:16
E&Y
5 200 000
100:14
KPMG
500 000
100:12
PWC
*Umrechnung Euro/Fr. 1.20 **Umrechnung Dollar/Fr. 0.91
lukrative Beratungsgeschäft verkommt»,
sagt er. Eine Rückbesinnung auf die zentrale Rolle der Revisionsstelle als Schutzinstanz für Aktionäre und Gläubiger sei
notwendig.
Kaum Wachstum, tiefe Margen
Die Ansichten zur Wirkung der EURegeln auf die Schweiz gehen bei den
Beratungsunternehmen auseinander.
Bei EY glaubt man, dass sie sich wegen
der internationalen Zusammensetzung
der Verwaltungsräte – deren Prüfungsausschüsse sind für die R
­ evisionsstellen
zuständig – auch auf die Schweiz auswirken. Bei PWC rechnet man nicht damit.
Zusätzlichen Regulierungsbedarf sehen die grossen vier für die Schweiz
nicht. «Die in der Schweiz zur Anwendung kommenden Unabhängigkeitsrichtlinien sind detailliert genug, um
einen vernünftigen Umgang mit diesem
Thema sicherzustellen», sagt etwa
KPMG-Chef Stefan Pfister.
Die Berater – wie auch die sie engagierenden Firmen – unterstreichen jeweils,
dass es Vorteile gebe, wenn ein Revisor
Zusatzdienstleistungen anbiete: Man
kenne den Kunden und könne effizienter arbeiten, begründen sie.
Dass die Consulting-Firmen nichts
von weiteren Regulierungen wissen
­wollen, hat aber noch andere Gründe:
Wachstum gibt es quasi nur noch im Beratungsgeschäft. Die Wirtschaftsprüfung
ist nicht mehr lukrativ. Ein Vertreter einer bedeutenden Beratungsfirma formuliert es so: «Der Heimmarkt im Bereich
der Wirtschaftsprüfung stagniert seit einigen Jahren, und die Margen sind tief.»
Das zeigt auch ein Blick in die Jahresabschlüsse der vier Grossen. Bei allen sind
die Gesamtumsätze gestiegen. Im Bereich Wirtschaftsprüfung nahmen die
Erlöse jedoch bei allen ausser Deloitte
ab. Bei PWC etwa ist der Umsatzanteil
aus der Beratung seit 2013 höher als derjenige der Wirtschaftsprüfung.
An der Entwicklung in der EU oder
Entscheiden wie bei Straumann dürften
sie keine Freude haben.
Die Schweizerische Nationalbank (SNB)
weitet ihren Kampf gegen den starken
Schweizer Franken aus. In Zukunft
müssen auch staatsnahe Einrichtungen
wie die Altersvorsorge der Verwaltungsangestellten oder die Pensionskasse der SNB selbst Strafzinsen auf
Einlagen bei der Zentralbank zahlen,
wie die Notenbank gestern bekannt
gab. Der ­minimale Freibetrag liege bei
10 Millionen Franken. Nach der Ankündigung der SNB, Strafzinsen auch von
staatsnahen Einrichtungen zu verlangen, verlor der Franken zum Euro und
Dollar an Wert. Ausgenommen von der
neuen Regelung bleiben die Girokonten
der Bundesverwaltung und der staatlichen Alters- und Invalidenversicherung. Die SNB werde die Entwicklung
der Giroguthaben auf diesen Konten
aber weiterhin beobachten. (Reuters)
Bundesrat
Neu sollen die Chefs für
Konkurskosten aufkommen
Die Mitglieder von Geschäftsleitung und
Verwaltungsrat sollen persönlich für ungedeckte Kosten eines Konkursverfahrens geradestehen. Das schlägt der Bundesrat vor. Mit dieser Änderung des Konkursrechts will er die finanziellen Risiken für die Gläubiger verkleinern. Jener
Gläubiger, der das Konkursbegehren
stellt, haftet nach geltendem Recht für
die Kosten, die bis zur Einstellung des
Konkurses oder bis zum Schuldenruf
entstehen. Weiter schlägt der Bundesrat
vor, dass auch öffentlich-rechtliche
Gläubiger wie die Steuerverwaltungen
oder die Suva dazu befugt werden, ein
Konkursbegehren zu stellen. Damit soll
verhindert werden, dass Unternehmen
trotz notorischer Nichtzahlung fälliger
öffentlich-rechtlicher Schulden ihre Geschäftstätigkeit weiterführen. (SDA)
Pharma
Überraschend gutes Quartal
für Roche
Der Pharmakonzern Roche hat im ersten
Quartal ein unerwartet starkes Wachstum verzeichnet. Der Umsatz stieg trotz
der Frankenstärke um 3 Prozent auf
11,8 Milliarden Franken. Zu konstanten
Wechselkursen betrug das Plus gar
5 Prozent, wie Roche am Mittwoch mitteilte. Damit wurden die Erwartungen
der Analysten übertroffen. Diese hatten
im Schnitt mit einem Umsatz von lediglich 11,5 Milliarden Franken gerechnet.
Roche-Konzernchef Severin Schwan verwies in einer Telefonkonferenz auf
starke Verkaufszuwächse und eine gute
Aufnahme neuer Produkte. (SDA)