Heute mit Die unabhängige Schweizer Tageszeitung Donnerstag 23. April 2015 123. Jahrgang Nr. 93 Fr. 3.60, Ausland: € 3.00 / AZ 8021 Zürich Glattpark Wo sich Tausende Städter wie auf dem Land fühlen. Vollgas! Bei 250 km/h werden in Spanien Bubenträume wahr. Meisterwerke Wie Literatur aus Lateinamerika begeistern kann. Neue Kampagne So will der Bund vor Alkoholmissbrauch warnen – ab 12 Uhr. 13 25 21 tagesanzeiger.ch Experten zweifeln an Unabhängigkeit von Buchprüfern Werden Kinder durch Fischen aggressiv? Bei Revisoren, die ihre Kunden auch beraten, besteht die Gefahr von Interessenkonflikten. Benita Vogel Der Enron-Skandal in den frühen Nullerjahren bedeutete eine Zäsur für die Wirtschaftsprüfer. Nach den Bilanzfälschungen beim Erdgaskonzern haben die grossen Wirtschaftsprüfer ihr Beratungs geschäft reduziert oder abgestossen, weil sich gezeigt hatte, wie heikel die Kombination sein kann. Jetzt scheint das wieder vergessen. Die Beratungsfirmen wachsen, und dies meist nicht mit ihrem ursprünglichen Kerngeschäft, der Buchprüfung, sondern mit Steuer-, Rechts- oder anderen Wirtschaftsberatungen. Bei den grossen Firmen im Markt liegt der Umsatzanteil aus Beratungsdienstleistungen heute teilweise höher als derjenige der Wirtschafts prüfung. Die aktuellen Geschäftsberichte von Banken, Industrie- und Pharmafirmen zeigen denn auch, dass Revisionsgesellschaften ihren Kunden meist auch zusätzliche Dienstleistungen verkaufen. Im Extremfall betragen die Beratungs- honorare mehr als doppelt so viel wie die Revisionshonorare. Die Beratungsfirmen verweisen auf umfangreiche gesetzliche Regeln und Branchenricht linien, welche für die Wahrung der Unabhängigkeit des Revisors gelten. Bei Experten stösst die Kombination aber auf Kritik. «Sie ist heikel», sagt Corporate-Governance-Experte Michael Otte. Der Chef von zRating fordert, dass die Unabhängigkeit der Revisionsstellen in die aktuelle Aktienrechtsrevision eingebunden werden soll. Als Ansatz sieht er die neuen Regeln der EU. Sie limitieren die Zusatzdienstleistungen von Revisoren stark. Dem Aktienrechtler Peter V. Kunz geht eine gesetzliche Regelung zwar zu weit. Aber auch er sagt: «Die Entwicklung in der EU muss in der Schweiz als Massstab gelten.» Publikumsgesellschaften täten gut daran, solche internationale Standards freiwillig nachzuvollziehen, wenn sie eine einwandfreie Corporate Governance vorweisen wollten. Kommentar Seite 2, Bericht Seite 33 Heute Jihad-Verdächtiger aus Untersuchungshaft entlassen Die Bundesanwaltschaft (BA) liess vor rund zwei Wochen einen Secondo verhaften, weil er sich offenbar einer Terrorgruppe im Ausland anschliessen wollte. Doch nach nur 13 Tagen wurde der Mann aus der U-Haft entlassen. Sein Anwalt bezichtigt die BA, nur Werbung in eigener Sache gemacht zu haben. – Seite 5 Champions League: Real Madrid und Juventus Turin sind weiter Real Madrid zieht mit einem 1:0-Sieg gegen Stadtrivale Atlético in die Halb finals der Champions League ein. Juventus verteidigt im Rückspiel gegen Monaco das 1:0 aus dem Hinspiel mit einer Nullnummer. In den Halbfinals warten der FC Bayern München und der FC Barcelona.– Seite 39 Service Kommentare & Analysen Wetter10 Leserbriefe11 Fernsehprogramme26 Todesanzeigen 28 Rätsel31 Stellenanzeiger36 Börse37 Abo-Service 044 404 64 64 www.tagesanzeiger.ch/abo Inserate Tel. 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Unterstützung erhält er von einem Gerichtspsychiater. – Seite 3 Neue Vorwürfe zur Flüchtlingsdrama: WM-Vergabe an Katar EU sucht nach Lösung Englische Journalisten erheben in einem heute veröffentlichten Buch neue Vorwürfe zur Vergabe der Fussball-WM 2022: Der Katarer Mohamed bin Hammam und Fifa-Präsident Sepp Blatter sollen 2011 einen Deal geschlossen haben, nachdem der Wüstenstaat das Rennen um die Austragung des Turniers gewonnen hatte. Bin Hammam, gegen den damals bereits w egen Korruptionsverdacht ermittelt wurde, würde auf seine Kampfkandidatur als Präsident verzichten, Sepp Blatter im Gegenzug dafür sorgen, dass Katar die WM nicht aberkannt wird. Die Fifa weist die Darstellung der Reporter zurück: Es habe keinen solchen Deal gegeben. (ms) – Seite 40 Angesichts der wohl schwersten Flüchtlingstragödie im Mittelmeer mit rund 800 Toten an einem Tag treffen sich heute die EU-Staats- und -Regierungschefs in Brüssel zu einem Krisengipfel. Im Zentrum der Diskussionen steht ein von den EU-Aussen- und -Innenministern präsentierter Zehnpunkteplan, der unter anderem die Ausweitung der Seenot rettung und einen entschlossenen Kampf gegen Schlepperbanden vorsieht. Währenddessen mehren sich die privaten Initiativen, die selbst vor Ort helfen möchten. So zum Beispiel Harald Höppner: Der Deutsche will mit einem eigenen Schiff Flüchtlinge retten. (SDA/TA) Bericht Seite 6, Hintergrund Seite 8 Beilage Kulturell genutzte Fabrikareale werden in Zürich langsam rar. Anzeige BADEN IM GLÜCK. 2 Tages-Anzeiger – Donnerstag, 23. April 2015 Seite Zwei Kommentar Simon Schmid, blogs.tagesanzeiger.ch Wirtschaftsreporter, über das Verhältnis zwischen Firmen und Beratern. Mamablog Lasst die Kinder doch in Ruhe! Blog Mag Wo halten für Nonstop? – Ein Papablog von Beat Camenzind* – Von Philipp Tingler Konflikte mit Sprengstoff PWC, E & Y, KPMG, Deloitte. Die grossen vier der Wirtschaftsprüfung sind Horte der Wirtschaftskompetenz. Sie werden als Prüfer und Berater von der Unternehmenswelt gebraucht. Umgekehrt sind aber auch die Consultants auf die Firmen angewiesen – als Auftraggeber. Und zwar je länger, je mehr. Denn im klassischen Prüfgeschäft schwinden die Margen. Umso wichtiger werden die lukrativen Beratungsaufträge, die immer dann vergeben werden, wenn wichtige Entscheidungen anstehen. Doch es gibt Grenzen für die Zusammenarbeit. Eine Regel für Unternehmen lautet, nicht denselben Wirtschaftsprüfer auch als Berater anzustellen – auch wenn dies Synergien mit sich bringen würde. Denn mit der Doppelrolle sind Interessenkonflikte verbunden. Diese können in Teufels Küche führen: Das schlimmste Beispiel dafür ist ein Skandal aus dem Jahr 2002. Die Beratungsfirma Arthur Andersen deckte damals die Bilanzfälschung im Energiekonzern Enron, weil sie das Consulting nicht verlieren wollte. Trotz potenzieller Interessenkonflikte sind Doppelaufträge in der Schweiz gang und gäbe. Zum Beispiel bei ABB, wo zuletzt 5,5 Millionen Franken für die Beratung an die Revisionsfirma gingen: E & Y. Nestlé deckte KPMG mit einem Mandat über 5,2 Millionen Franken ein. Die St. Galler Kantonalbank überwies PWC mit 980 000 Franken fast dieselbe Summe für die Beratung, wie auch die Buchprüfung kostete. Das schafft Abhängigkeiten und schwächt die Objek tivität der externen Prüfer. Die Radikallösung wäre, die Big 4 zu zerschlagen und deren Prüf- und Beratungsabteilungen in separate Firmen aufzugliedern. Das wäre ein ähnlicher Plan, wie er nach der Finanzkrise für die Retail- und Investmentbanken ausgedacht, aber später wieder verworfen wurde. Als Alternative liessen sich Consultingaufträge für Revisoren schlicht untersagen. Auch das wäre eine saubere Lösung für das Problem der Interessenkonflikte. Sie wäre sogar besser als der Standard in der EU, der die maximale Mandatshöhe für Beratungen bloss prozentual an die Revision koppelt. Soll man ein Kind in Ruhe lassen? Oder es beschäftigen? Foto: iStock Der englische Autor Tom Hodgkinson ist eine Kapazität, was Faulheit betrifft. Von ihm stammen Bücher wie «Anleitung zum Müssiggang», «Die Kunst, frei zu sein» oder «Leitfaden für faule Eltern». Letzteres hat die zentrale These: «Wie erziehe ich mein Kind? Regel Nummer eins: Lass es in Ruhe. Regel Nummer zwei: Lass es in Ruhe. Regel Nummer drei: Lass es in Ruhe.» Das heisst nun nicht, die Kinder komplett sich selbst zu überlassen. Hodgkinson plädiert aber dafür, sich als Eltern nicht zum Animator oder gar zum Manager der Kinder zu machen. Das ist genau nach meinem Geschmack. Bei uns läuft das bisweilen so: Am Wochenende unternehmen wir – nichts. Der älteren Tochter passt das perfekt. Sie verkriecht sich im Zimmer mit einem Buch und taucht erst zum Nachtessen wieder auf. Ihr grösstes Problem ist, genügend Lesestoff zu finden. Die Jüngere schnappt sich jeweils das Telefon und versucht, ein Gspäändli zu erreichen. Keine leichte Aufgabe. Ihre beste Freundin kann oft nicht. Sie muss jeden Samstag mit den Eltern einkaufen gehen. Der Gang zum Shoppingcenter füllt offenbar den ganzen Tag aus, mit Parkplatzsuche, Essen und Hin- und Rückfahrt. Andere Freundinnen sind mit den Eltern am Wandern, auf Verwandtenbesuch oder bei der Pfadi engagiert. Meistens findet sie nach x Telefonaten doch noch eine Spielgefährtin. Wenn nicht, kommt sie mit hängenden Schultern angeschlurft, zieht einen Lätsch und fragt: «Was söll ech machääää? Mir isch laaaaangwiiiilig.» Natürlich lasse ich sie nicht hängen und mache ihr Vorschläge, was wir zusammen tun könnten. Aber ebenso oft kommt es vor, dass ich gerade mit etwas beschäftigt bin. Manchmal reicht es dann, dass ich ihr erkläre, Langeweile sei gut und der Start zu etwas Neuem. Bleibt sie hartnäckig und ich bin unabkömmlich, greife ich zu einem Trick: Ich fordere dann jeweils, dass sie ihr Zimmer ausmisten soll. (Sie ist einer jener Menschen, die nichts – aber auch wirklich gar nichts – fortwerfen können und wollen. Entsprechend vollgestopft ist der Raum.) Ich erwähne also nur beiläufig das Wort «aufräumen», und das wirkt Wunder. Die Vorstellung, sich von der Zeichnung aus dem ersten Kindergarten trennen zu müssen, ist für sie ein solcher Horror, dass ihr sofort 1) tausend Dinge einfallen, die sie auf keinen Fall in den Keller räumen oder fortwerfen will, und 2) mit diesen unbedingt jetzt noch spielen will. * Beat Camenzind ist freischaf fender Journalist, Musiker und Vater von zwei Töchtern. Unverbesserliche Kulturpessimisten beklagen ja ständig die sogenannte Amerikanisierung des alten Europa mit ihren Begleiterscheinungen der globalisierten Kettengeschäfte und 24-Stunden-Nonstop-Mentalität. Ich aber möchte die Frage aufwerfen: Wo bitte finden wir denn wirklich die Rund-um-die-Uhr-Kultur in Mitteleuropa? Denn nicht überall, wo «24 Stunden» draufsteht, sind auch 24 Stunden drin. Nehmen wir das wichtigste Beispiel für die vermeintlich dauermobile moderne Gesellschaft: das Autofahren. Amerika ist ein grosses Land und braucht grosse Autos und eine aufs Auto ausgerichtete Infrastruktur: Wenn man den Freeway oder Highway hinunterbraust, ob in Texas, Tennessee oder Kalifornien, findet man allenthalben und rund um die Uhr am Wegesrand Zerstreuungsangebote: Parks mit 24-Stunden-Drugstores wie Walgreens oder Rite Aid, Rund-um-die-Uhr-Einkaufshallen wie Ralphs oder Kmart und stets geöffneten Niederlassungen so fabelhafter Verpflegungsketten wie Waffle House, In-NOut oder Ihop, damit das freiheitsliebende Individuum auch um drei Uhr nachts noch seinen Energiebedarf decken kann. Und wie nun sieht das im vermeintlich total amerikanisierten Mitteleuropa aus? Nun, ich konnte die Probe aufs Exempel machen, als ich neulich an der Seite von Richie, dem besten Ehemann von allen, mitten in der Nacht mitten durch Europa fuhr, nämlich von Berlin in unsere Heimatstadt Zürich, und zwar mit dem Auto. Ungefähr auf der Mitte des Weges liegt die Raststätte Frankenwald, ein Brückenrestaurant direkt über der Autobahn, das für sich reklamiert, 24 Stunden lang geöffnet zu haben. Allerdings stimmt dies buchstäblich nur teilweise. Denn so gegen drei Uhr nachts war nur noch ein winziger Teil des Restaurants offen, dessen Angebot neben einer Art Gulaschkanone ein paar verschrumpelte Juras- sic-Park-Schnitzel umfasste. Wir entschieden uns für die Suppe (die übrigens okay war) und assen, mit Blick auf die nächtliche Autobahn, zwischen ein paar osteuropäischen Wanderarbeitern und einer Gruppe übermüdeter Teenager, die kurz zuvor aus einem versprengten Reisebus (mit den heute allenthalben üblichen Euphemismen als «VIP Coach» beschriftet) gekrabbelt waren und sich nun durch Squaredance wach zu halten suchten. Zu wenig Rückgeld Nach ungefähr zwei weiteren Stunden Fahrt, die wir uns damit vertrieben, das Gewicht und Reiseziel der Insassen der anderen Autos zu raten, kurz hinter Nürnberg also, befiel uns wieder so ein leichtes Verlangen nach Rast und Nahrung. Es war inzwischen etwa fünf Uhr morgens, und die sicherste Station zur Befriedigung eben genannter Bedürfnisse schien uns die mit einem Autohof verbundene 24-Stunden-Filiale einer amerikanischen Restaurantkette zu sein, leider keine der oben genannten, sondern die langweiligere mit den gol denen Bögen. Wir befanden uns in Kammerstein. Das ist zwischen Poppenreuth und Neppersreuth, falls Ihnen das hilft. Wir benutzten die Drive-throughKasse, die in Kontinentaleuropa Drive-in-Kasse genannt wird, und das dort wirkende übergewichtige Wesen mit Headset gab uns 10 Euro zu wenig raus. Als wir dies feststellten, musste das Wesen eine Vorgesetzte holen, die ihrerseits die Kasse abrechnen musste und uns schliesslich nach ungefähr 15 Minuten stumm eine 10-Euro-Note aushändigte. Sie sehen: Die 24-Stunden-Kultur hat sich in Mitteleuropa irgendwie noch nicht richtig durchgesetzt. Das nächste Mal nehmen wir uns ne Stulle mit. Oder ein Faustbrot, wie man in Zürich sagt. Was halten Sie von der NonstopKultur? Diskutieren Sie mit auf blogmag.tagesanzeiger.ch Anzeige Top 19.90 Manor freut sich, Live at Sunset als Hauptsponsor zu unterstützen. 33 Tages-Anzeiger – Donnerstag, 23. April 2015 Wirtschaft Tesco Das Vorbild von Migros und Coop ist tief in der Krise. 35 SMI 9358 Punkte Dow Jones Ind. 18038 Punkte Euro Stoxx 50 3724 Punkte +0.63% +0.49% +0.14% Heikle Honorare Japans Handelsbilanz wieder im Plus Die meisten Unternehmen lassen sich von derselben Firma beraten, die auch ihre Bücher prüft. Für die Prüfgesellschaften ist dies ein lukratives Geschäft – für Kritiker ein Interessenkonflikt. Benita Vogel Die Straumann-Verwaltungsräte haben letztes Jahr ihre Revision neu organisiert. Bis anhin hatte das Zahntechnikunternehmen die Prüfgesellschaft PricewaterhouseCoopers (PWC) gleichzeitig für die Wirtschaftsprüfung und als Berater engagiert. Mit dem Vorwurf einer zu wenig unabhängigen Prüfung wollte Straumann aber nicht mehr leben: «Wir haben damit auf die Kritik reagiert, dass es Interessenkonflikte berge, wenn der Wirtschaftsprüfer auch Steuer- und andere Beratung macht», sagt ein S precher. Der Zahntechniker ist die grosse Ausnahme. Bei den Schweizer Publikums gesellschaften ist es die Regel, dass der Revisor seine Kunden gleichzeitig auch in Steuer-, Rechts- und anderen Wirtschaftsfragen berät. Wenn auch das Ausmass sehr unterschiedlich ist. Ein Blick in die aktuellen Geschäftsabschlüsse zeigt, dass im Extremfall die Beratungshonorare mehr als doppelt so hoch liegen wie die Revisionshonorare, die Unternehmen an Consulting-Firmen bezahlen. Der Maschinenbauer Schweiter beispielsweise überwies seinem Revisor Deloitte 543 000 Franken für die Wirtschaftsprüfung und 1,139 Millionen Franken für die Beratung. Die St. Galler Kantonalbank, der Baukonzern Im plenia und der Industriezulieferer Dät wyler weisen vergleichbare Ver hältnisse zwischen Prüfungs- und Nichtprüfungsleistungen auf. Die vier Unternehmen erklären alle, man sei sich der Thematik bewusst, 2014 sei ein Ausnahmejahr. Bei Schweiter etwa aufgrund von Fusionen und Übernahmen: «Die erhöhten Mergers-&Acquisitions-Aktivitäten haben 2014 zu vergleichsweise höheren Transaktionsberatungskosten geführt», sagt Finanzchef Martin Klöti. Schweiter arbeite mit den Abteilungen Steuerberatung und Transaction-Services seiner Prüfgesellschaft zusammen. Die Dienstleistungen würden von unterschiedlichen Partnern der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft betreut. «Die bezogenen Leistungen führen unseren Erachtens zu keinem Interessenkonflikt des Prüfers.» Gravierende Verstösse Aktienrechtler und Experten in Corporate Governance (Grundsätze der Unternehmensführung) sehen das anders. «In der Praxis führt das Spannungsverhältnis zwischen dem gesetzlichen Prüfauftrag und den kommerziellen Interessen der Revisionsstelle zu Kompromissen», sagt Michael Otte, Chef des Aktionärsdienstleisters zRating. Einerseits sei der Prüfer verpflichtet, dem Firmenmanagement streng auf die Finger zu schauen, anderseits müsse er grosszügig sein, um das Mandat nicht zu verlieren. «Das ist ein Spagat.» Konkret geht es vor allem um die Unabhängigkeit der Revisionsstellen. Und um diese steht es in der Schweiz nicht zum Besten. Die Aufsichtsbehörde der Revisoren, die RAB, hat gemäss ihrem Bericht vor zwei Jahren «noch immer zahlreiche und teilweise gravierende Verstösse gegen die Unabhängigkeit festgestellt». Die RAB hat letztes Jahr elf Zulassungsentzüge verfügt im Zusammenhang mit Verstössen gegen die Unabhängigkeit. Im Vorjahr waren es sechs. Die Unabhängigkeit kann beeinträchtigt sein, wenn die zusätzlich angebotenen Beratungsdienstleistungen eine gewisse Höhe übersteigen, wie Otte sagt. «Sicher dann, wenn die Beratungshonorare die Revisionshonorare übersteigen», so der zRating-Chef. Auch schon Beratungshonorare von mehr als 750 000 Franken pro Jahr seien heikel. Kritisch kann es aber auch werden, wenn nur schon der Anschein entsteht, der Revisor sei nicht unabhängig. Gemäss der Aufsichtsbehörde sind oft Fälle anzutreffen, in denen Verwaltungsräte von Consultants gleichzeitig beim geprüften Konzern in Gremien sitzen. So ist beispielsweise die FDP-Nationalrätin Gabi Huber Verwaltungsrätin beim In- Euro in Franken 1.037 +1.16% Dollar in Franken 0.966 +1.40% Euro in Dollar 1.073 -0.25% GB-Pfund in Franken 1.453 +2.04% Bundesobligationen 10 J. in % -0.13 +2.9 Bp SNB-Libor 3 Mt. in % -0.8320 0.000 Bp Öl (Nordsee Brent) in Dollar 62.81 -0.41% Gold (Unze) in Dollar 1186.70 -0.91% Silber (Unze) in Dollar 16.00 +0.52% Japan hat für März einen Handelsbilanzüberschuss von 229 Milliarden Yen ausgewiesen – das erste Plus seit 30 Monaten. Allerdings verblassen die umgerechnet etwa 1,8 Milliarden Franken Überschuss angesichts der Defizite von durchschnittlich mehr als 8 Milliarden Franken pro Monat im Steuerjahr 2014. Trotz dieses positiven Monats muss die einst führende Exportnation auf die Dauer mit Fehl beträgen im Aussenhandel rechnen. Die überraschend positive MärzBilanz verdankt sich einerseits dem tiefen Öl- und Gaspreis und auch einem deutlichen Rückgang anderer Importe. Gegenüber dem Vormonat hat Japan 14,5 Prozent Waren weniger eingeführt, dabei hatten die Importe schon in den Monaten zuvor stetig nachgelassen. Der schwache Yen belastet Japans Konsumenten, viele können sich eingeführte Güter nicht mehr leisten. Somit ist die positive Handelsbilanz eher ein Zeichen der wirtschaftlichen Schwäche. Allerdings hat Japans Industrie im März auch mehr Computerchips und Autos ins Ausland verkauft, Letztere insbesondere in die USA. Die Autoexporte nach Amerika dürften nach Meinung der Experten im Laufe das Jahres allerdings wieder zurückgehen. (cn) Nachrichten Geldpolitik SNB weitet die Anwendung von Negativzinsen aus Das Basler Zahntechnikunternehmen Straumann trennt Revision und Beratung neuerdings strikt. Foto: Georgios Kefalas (Keystone) nerschweizer Konzern Dätwyler und gleichzeitig im Stiftungsrat des DätwylerRevisors PWC. Gut vernetzt ist man auch bei der St. Galler Kantonalbank. Dort ist der ehemalige PWC-Verwaltungsrats präsident Hans Wey im Verwaltungsrat. Wey hatte die Bank jahrelang geprüft. Beide Unternehmen betonen, das sei unproblematisch. «Gabi Hubers Sitz im Beirat der PWC hat keinerlei Einfluss auf unsere Geschäftsbeziehung mit PWC», sagt ein Dätwyler-Sprecher. Und bei der St. Galler Kantonalbank heisst es: «In Übereinstimmung mit dem Revisionsaufsichtsgesetz trat Hans Wey sein Mandat bei der St. Galler Kantonalbank erst zwei Jahre nach seinem Austritt bei PWC an», wie Sprecher Simon Netzle sagt. Auch die Finma habe die Wahl gutgeheissen. In der Schweiz gibt es verschiedene Gesetzesvorgaben, die die Unabhängigkeit von Revisionsstellen sicherstellen sollen. Wirtschaftsprüfer weisen zudem auf eigene interne und Branchenricht linien hin, die verfolgt würden wie die grossen vier, PWC, EY (früher Ernst & Young), Deloitte und KPMG, gegenüber dem TA betonen. Im Gegensatz zu den USA gibt es in der Schweiz aber keine strikte Trennung zwischen Revisionsund Beratungsdienstleistungen. Auch die EU hat die Vorgaben inzwischen verschärft, um die Interessenkonflikte zu reduzieren. So wurde letztes Jahr verabschiedet, dass Revisoren bestimmte Beratungsdienstleistungen wie beispielsweise Steuerberatung und Bewertungsdienstleistungen ihren Kunden nicht mehr anbieten dürfen. Für weiterhin erlaubte Beratung ist eine finanzielle Grenze vorgesehen. Diese darf nicht mehr als 70 Prozent des durchschnittlichen Prüfungshonorars der letzten drei Jahren betragen. Schweizer Experten wie etwa Peter V. Kunz, Aktienrechtler von der Universität Bern, bezeichnen die EU-Vorgaben als sinnvoll. «Die Entwicklung in der EU muss auch in der Schweiz als Massstab genommen werden», so Kunz. Corporate-Governance-Experte Otte fordert, dass die EU-Richtlinien in der laufenden Diskussion um die Schweizer Aktienrechtsrevision Einklang finden sollen. «Es darf nicht sein, dass der klassische Prüfungsauftrag zum Türöffner für das So viel bezahlten Firmen für Berater PrüfungsHonorare in Franken honorare Schweiter Technologies 543 000 St. Galler Kantonalbank 1 013 000 Implenia 1 064 500 Dätwyler 840 000 Bachem 183 000 Geberit 1 194 000 Richemont 9 000 000 Syngenta 7 826 000 ABB 24 661 000 SGS 6 000 000 Zurich Insurance 45 500 000 Swisscom 3 697 000 UBS 61 824 000 Néstle 37 000 000 Swatch Group 4 200 000 TA-Grafik /Quelle: zRating BeratungsRevisionsVerhältnis Prüfung/Beratung in % stelle honorare 1 139 000 100:210 Deloitte 983 000 100:97 PWC 1 011 549 100:95 PWC 790 000 100:94 PWC PWC 150 000 100:82 PWC 7 280 000 100:61 PWC* 2 520 000 100:28 KPMG** 2 184 000 100:28 E&Y** 5 460 000 100:22 1 300 000 100:22 Deloitte** 8 736 000 100:19 PWC 635 000 100:17 KPMG 9 789 000 100:16 E&Y 5 200 000 100:14 KPMG 500 000 100:12 PWC *Umrechnung Euro/Fr. 1.20 **Umrechnung Dollar/Fr. 0.91 lukrative Beratungsgeschäft verkommt», sagt er. Eine Rückbesinnung auf die zentrale Rolle der Revisionsstelle als Schutzinstanz für Aktionäre und Gläubiger sei notwendig. Kaum Wachstum, tiefe Margen Die Ansichten zur Wirkung der EURegeln auf die Schweiz gehen bei den Beratungsunternehmen auseinander. Bei EY glaubt man, dass sie sich wegen der internationalen Zusammensetzung der Verwaltungsräte – deren Prüfungsausschüsse sind für die R evisionsstellen zuständig – auch auf die Schweiz auswirken. Bei PWC rechnet man nicht damit. Zusätzlichen Regulierungsbedarf sehen die grossen vier für die Schweiz nicht. «Die in der Schweiz zur Anwendung kommenden Unabhängigkeitsrichtlinien sind detailliert genug, um einen vernünftigen Umgang mit diesem Thema sicherzustellen», sagt etwa KPMG-Chef Stefan Pfister. Die Berater – wie auch die sie engagierenden Firmen – unterstreichen jeweils, dass es Vorteile gebe, wenn ein Revisor Zusatzdienstleistungen anbiete: Man kenne den Kunden und könne effizienter arbeiten, begründen sie. Dass die Consulting-Firmen nichts von weiteren Regulierungen wissen wollen, hat aber noch andere Gründe: Wachstum gibt es quasi nur noch im Beratungsgeschäft. Die Wirtschaftsprüfung ist nicht mehr lukrativ. Ein Vertreter einer bedeutenden Beratungsfirma formuliert es so: «Der Heimmarkt im Bereich der Wirtschaftsprüfung stagniert seit einigen Jahren, und die Margen sind tief.» Das zeigt auch ein Blick in die Jahresabschlüsse der vier Grossen. Bei allen sind die Gesamtumsätze gestiegen. Im Bereich Wirtschaftsprüfung nahmen die Erlöse jedoch bei allen ausser Deloitte ab. Bei PWC etwa ist der Umsatzanteil aus der Beratung seit 2013 höher als derjenige der Wirtschaftsprüfung. An der Entwicklung in der EU oder Entscheiden wie bei Straumann dürften sie keine Freude haben. Die Schweizerische Nationalbank (SNB) weitet ihren Kampf gegen den starken Schweizer Franken aus. In Zukunft müssen auch staatsnahe Einrichtungen wie die Altersvorsorge der Verwaltungsangestellten oder die Pensionskasse der SNB selbst Strafzinsen auf Einlagen bei der Zentralbank zahlen, wie die Notenbank gestern bekannt gab. Der minimale Freibetrag liege bei 10 Millionen Franken. Nach der Ankündigung der SNB, Strafzinsen auch von staatsnahen Einrichtungen zu verlangen, verlor der Franken zum Euro und Dollar an Wert. Ausgenommen von der neuen Regelung bleiben die Girokonten der Bundesverwaltung und der staatlichen Alters- und Invalidenversicherung. Die SNB werde die Entwicklung der Giroguthaben auf diesen Konten aber weiterhin beobachten. (Reuters) Bundesrat Neu sollen die Chefs für Konkurskosten aufkommen Die Mitglieder von Geschäftsleitung und Verwaltungsrat sollen persönlich für ungedeckte Kosten eines Konkursverfahrens geradestehen. Das schlägt der Bundesrat vor. Mit dieser Änderung des Konkursrechts will er die finanziellen Risiken für die Gläubiger verkleinern. Jener Gläubiger, der das Konkursbegehren stellt, haftet nach geltendem Recht für die Kosten, die bis zur Einstellung des Konkurses oder bis zum Schuldenruf entstehen. Weiter schlägt der Bundesrat vor, dass auch öffentlich-rechtliche Gläubiger wie die Steuerverwaltungen oder die Suva dazu befugt werden, ein Konkursbegehren zu stellen. Damit soll verhindert werden, dass Unternehmen trotz notorischer Nichtzahlung fälliger öffentlich-rechtlicher Schulden ihre Geschäftstätigkeit weiterführen. (SDA) Pharma Überraschend gutes Quartal für Roche Der Pharmakonzern Roche hat im ersten Quartal ein unerwartet starkes Wachstum verzeichnet. Der Umsatz stieg trotz der Frankenstärke um 3 Prozent auf 11,8 Milliarden Franken. Zu konstanten Wechselkursen betrug das Plus gar 5 Prozent, wie Roche am Mittwoch mitteilte. Damit wurden die Erwartungen der Analysten übertroffen. Diese hatten im Schnitt mit einem Umsatz von lediglich 11,5 Milliarden Franken gerechnet. Roche-Konzernchef Severin Schwan verwies in einer Telefonkonferenz auf starke Verkaufszuwächse und eine gute Aufnahme neuer Produkte. (SDA)
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