Tagesgebet Guter Gott, wir haben die Vögel zwitschern gehört, als

Predigt und Gebete am 15. Sonntag nach Trinitatis (13. September 2015) um 10 Uhr im
Christuspavillon, Kloster Volkenroda.
Tagesgebet
Guter Gott,
wir haben die Vögel zwitschern gehört,
als wir zu dir kamen in dein Haus,
und der Altar ist mit Blumen geschmückt.
Deine Kraft belebt die ganze Schöpfung.
Alles lebt von dir.
Lass auch uns,
deine Kraft spüren!
Zieh uns zu dir
und nimm uns die Schwere.
Lass uns leicht werden
wie die Welt in deinen Händen,
die du behütest und beschützt
von Ewigkeit zu Ewigkeit.
Amen.
Predigt
Gnade und Friede
von dem, der da war
und der ist und der kommt,
sei mit euch allen!
1. PIPPI AUSSER RAND UND BAND
„Sei doch froh, dass du sie los bist!“
Das sagt Pippi Langstrumpf zur Mutter von Annika.
Annika und Tom sind die beiden braven Kinder,
die Spielkameraden von Pippi Langstrumpf,
dem stärksten Mädchen der Welt.
Tom und Annika sind immer brav.
Und Pippi ist immer der Wildfang.
In der Szene aus dem Film „Pippi außer Rand und Band“,
an die ich denke,
hat wohl die Frechheit Pippis ein wenig auf Annika abgefärbt.
Denn sie will ausreißen.
Sie ist wütend aus dem Zimmer gerannt,
weil sie das Erdbeerbeet nicht ausmisten will.
Annikas Mutter ringt mit ihrer Fassung.
Und als Pippi ihr sagt:
„Sei doch froh, dass du sie los bist!“,
beginnt sie zu weinen und schluchzt:
„Eine Mutter macht sich immer Sorgen!“
…
Pippi löst dann das Problem,
indem sie verspricht, mit auszureißen
und so auf alle aufzupassen.
Und so sind Pippi, Tom und Annika gleich darauf unterwegs.
Sie finden Walderdbeeren und fädeln sie auf eine Kette,
um sie gleich darauf genüsslich abzunagen.
Dann beginnt es zu regnen, und sie flüchten in ein Abbruchhaus.
Dort hören sie eine seltsam klagende Melodie.
Annika hat sofort Angst, aber Pippi weiß, es ist eine singende Säge.
So schleichen sie durch das Haus und finden Konrad, den Hausierer,
der hingebungsvoll auf seiner Säge spielt.
„Nehmen Sie doch Platz!“, sagt Konrad freundlich,
„hier auf dem Sofa oder dort auf der Couch!“ „Ich nehme lieber den Schaukelstuhl!“, sagt Pippi
und setzt sich auf den Boden.
Im Zimmer gibt es natürlich weder Couch noch Stühle.
Sie wippt auf ihrem Rücken hin und her und Konrad sagt:
„Ja, so ein Schaukelstuhl ist doch was Feines!“
Später machen die drei auch Bekanntschaft mit Konrads Spezialkleber,
eine schleimige grüne Masse, die prächtig Fäden zieht
und mit deren Hilfe man die Wände hinauf gehen kann, zumindest Pippi.
Vergessen wir nicht, sie ist das stärkste Mädchen der Welt!
Ein anderer, dessen Schuhsohlen
mit Konrads Spezialkleber eingestrichen wären,
könnte seine Füße gar nicht mehr vom Boden los bekommen.
...
2. GLÜCKSBILDER
Liebe Gemeinde!
Wenn mich jemand fragen würde:
„Wie sieht Ihr Bild vom Glück aus?“
Dann würde ich mit dieser Szene antworten.
Mit diesem Film.
Denn die Art, wie die drei unterwegs sind,
die Mühelosigkeit, mit der sich eins aus dem andren ergibt,
eine Szene gewaltlos in die andere übergeht.
Die Begegnungen,
die Verrücktheiten,
die Drucklosigkeit;
die bezaubern mich.
Die Bilder sind nicht so verführerisch
wie die schlanken Glieder der Mädchen in der Bacardi-Werbung
und die relaxende Musik dazu,
nicht so anheimelnd wie manche Szenen der Erinnerung
von Urlaub und mit den Kindern,
nicht so triumphal, wie ich in Situationen fühlte,
in denen mir etwas richtig gut gelungen ist.
Alles das sind auch gute Momente,
aber dieses sorglose Wandern von Pippi und ihren zwei Freunden
kommt mir immer in den Sinn,
wenn ich nach Bildern des Glücks suche.
...
Ich möchte Ihnen vorschlagen,
das Evangelium des heutigen Sonntags einmal so anzuhören:
als Konzept des Glücks,
als Bilder des gelingenden Lebens.
Es steht im sechsten Kapitel des Matthäus-Evangeliums:
3. SORGET NICHT! EIN GLÜCKSKONZEPT?
Darum sage ich euch:
Sorgt euch nicht um euer Leben,
was ihr essen werdet.
Ist nicht das Leben mehr als die Nahrung und
der Leib mehr als die Kleidung?
...
Schaut auf die Vögel des Himmels:
Sie säen nicht, sie ernten nicht,
sie sammeln nicht in Scheunen euer himmlischer Vater ernährt sie.
Seid ihr nicht mehr wert als sie?
Wer von euch vermag durch Sorgen
seiner Lebenszeit auch nur eine Elle hinzu zu fügen?
...
Und was sorgt ihr euch um die Kleidung?
Lernt von den Lilien auf dem Feld, wie sie wachsen:
Sie arbeiten nicht und spinnen nicht,
ich sage euch aber: Selbst Salomo in all seiner Pracht
war nicht gekleidet wie eine von ihnen.
Wenn Gott aber das Gras des Feldes,
das heute steht und morgen in den Ofen geworfen wird, so kleidet,
wieviel mehr dann euch, ihr Kleingläubigen!
...
Sorget euch also nicht und sagt nicht:
Was werden wir essen?
Oder: Was werden wir trinken?
Oder: Was werden wir anziehen?
Denn um all das kümmern sich die Heiden.
Euer himmlischer Vater weiss nämlich, dass ihr all das braucht.
Trachtet vielmehr zuerst nach seinem Reich und seiner Gerechtigkeit,
dann wird euch das alles dazu gegeben werden.
Sorgt euch also nicht um den morgigen Tag,
denn der morgige Tag wird für sich selber sorgen.
Jeder Tag hat genug an seiner eigenen Last.
[Neue Zürcher, Mt 6, 24-34)]
4. EINE ETHIK FÜR LEUTE, DIE UNTERWEGS SIND
Das ist wirklich eine Philosophie für Leute,
die unterwegs sind.
Wer unterwegs ist wie Pippi Langstrumpf und ihre Freunde,
Charlie Chaplins Tramp oder eben Jesus und seine Jüngerinnen und Jünger,
kennt dieses Gefühl,
abhängig zu sein von dem, was kommt -,
was man aber noch nicht kennt.
...
Wenn man um die Ecke biegt,
kann einem Konrad der Hausierer begegnen
oder ein Hausmeister, der hinter einem herschimpft.
Da können einen Dörfer freundlich aufnehmen oder achtkantig 'raus schmeißen.
Wie sagt Jesus seinen Jüngern an anderer Stelle:
Wenn man euch aber in einem Haus oder in einer Stadt nicht aufnimmt
und eure Worte nicht hören will,
dann geht weg, und schüttelt den Staub von euren Füßen. [Mt 10,14]
Diese Situation kennt Jesus also.
Wer unterwegs ist, der weiß,
dass ihn hinter der nächsten Ecke alles erwarten kann, Böses oder Gutes.
Er weiß, wie es ist abhängig zu sein - oder unsicher.
Und wie schwer es ist, sich in dieser Situation einfach in Gottes Schutz zu begeben
und es daran genug sein zu lassen.
Ich zucke besonders bei einem der Sätze, den wir eben gehört haben:
Wer von euch vermag durch Sorgen
seiner Lebenszeit auch nur eine Elle hinzu zu fügen?
Das ist nun wirklich ernst
und nicht mit einem schimpfenden Hausmeister zu vergleichen.
Durch Sorgen seiner Lebenszeit nicht eine Elle hinzufügen können.
Das heißt doch auch, dieses Wandern ist lebensgefährlich.
Und das war es zu Jesu Zeiten.
Die unterwegs sind, haben allen Grund, vorsichtig zu sein:
Sicherheit zu suchen, ein Gasthof, wo noch Licht ist,
Mauern, hinter denen man geschützt ist.
Die beiden Kinder, die mit Pippi Langstrumpf reisen, sind sicher,
weil Pippi das stärkste Mädchen der Welt ist.
Ist Jesus der stärkste Mann der Welt?
Wenn wir mit ihm unterwegs sind:
Sind wir dann genauso sicher wie Tom und Annika?
5. PIPPI IST STARK, GOTT ZAUBERT NICHT.
Jesus sagte einmal,
er könne hundert Legionen Engel zu Hilfe rufen,
aber er tat es dann nicht.
Jesus hat offen und frei gelebt,
er hat die Gnade Gottes nicht nur verkündet,
er hat sie auch gelebt.
Er hat mit seiner Existenz gezeigt, was es heißt,
Gott sein Leben anzuvertrauen,
ihn als sorgenden Vater anzunehmen.
Dennoch war er verletzlich.
Er konnte seiner Lebensspanne schließlich auch keine Elle hinzu fügen.
Hier stoßen wir auf den Unterschied
zwischen Kinderfilmen und dem richtigen Leben.
Dort bleibt das stärkste Mädchen der Welt
stets Sieger über die Schwierigkeiten und Gefahren.
Hier ist es so, dass einer,
der offen und frei lebt
und Gott vertraut,
nicht durch einen Zauber geschützt ist.
Er bleibt verletzlich.
6. DER GEPFLASTERTE LEBENSWEG
Warum dann leben, ohne zu Sorgen?
Weil es der Weg zum Glück ist.
Und der Weg zu einem Gott gefälligen Leben,
was häufiger dasselbe ist, als man denkt.
Das Sorgen möchte Sicherheit.
Es versucht, Situationen zu vermeiden, die einen verletzen können.
Den anderen nicht zu viel verraten.
Streng mit den eigenen Daten umgehen.
Möglichst lange bei den allgemeinen Floskeln bleiben.
Mit den Leuten zusammen sein, die man lange kennt.
Sicherheitsstrategie auch im Beruf,
Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste.
Der Lebensweg wie gepflastert,
und es bleibt nicht die kleinste Ritze,
wo die Zeit ins Kraut schießen kann.
Ich kenne es von mir und anderen:
Häufig sind wir am ordentlichsten,
wenn wir am unglücklichsten sind.
Was tun, wenn wir in Sorge leben
und das Leben sich langsam zu zieht,
wenn die Angst eng macht?
Dann werft alle Sorge auf ihn,
wie unser Wochenspruch sagt.
Und wie geht das?
...
Schaut auf die Vögel des Himmels:
Sie säen nicht, sie ernten nicht,
sie sammeln nicht in Scheunen euer himmlischer Vater ernährt sie.
...
Lernt von den Lilien auf dem Feld, wie sie wachsen:
Sie arbeiten nicht und spinnen nicht,
ich sage euch aber: Selbst Salomo in all seiner Pracht
war nicht gekleidet wie eine von ihnen.
7. EINE ETHIK FÜR LEUTE, DIE UNTERWEGS SIND
Aber sagte ich nicht,
das sind Sätze für die, die unterwegs sind?
Ja - und eben darauf kommt es an.
Wer unterwegs ist, der lässt sich auf Risiken ein.
Der gibt der Zeit die Möglichkeit,
ins Kraut zu schießen.
Der lässt sich auf Begegnungen ein,
ohne sich zuvor zu sichern.
Schließlich heißt es in unserem Text:
Trachtet vielmehr zuerst nach seinem Reich und seiner Gerechtigkeit,
dann wird euch das alles dazu gegeben werden.
…
Das kann ein missionarischer oder politischer Aufbruch sein.
Muss es aber nicht.
Es ist immer schlecht,
wenn man für andere da sein will,
ohne sich selbst zu haben.
Aber: „Sorget nicht!“,
das heißt, einen Weg beginnen,
so klein er auch zunächst sein mag.
Nach seiner Gerechtigkeit zu leben,
das heißt, einen ungeschützten Weg beginnen,
von nun an unterwegs sein,
an sich selbst die Gnade Gottes wirken lassen,
so dass diese für andere sichtbar und erlebbar wird.
sich wie ein Spatz fühlen,
der schon finden wird,
was er zum Leben braucht.
Wie eine Blume,
die mit ihrem Köpfchen zur Sonne schaut
und sich im Laufe des Tages einmal um sich selbst dreht,
im Vertrauen darauf,
dass ihre Schönheit betrachtet,
aber nicht gebrochen wird.
Und die Sorgen?
„Seien Sie doch froh, dass Sie sie los sind!“
Amen.
...
Und der Friede Gottes,
der höher ist als all unsere Vernunft,
bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus.
Amen.
Fürbitten
Barmherziger Gott!
Was uns fehlt, um glücklich zu sein:
Mehr Vertrauen darauf, dass deine Wege mit uns gut sind.
Mehr Mut, unser Leben von Pflastersteinen zu befreien.
Mehr Lust, die Zeit ins Kraut schießen zu lassen.
Mehr Morgenspaziergänge.
Ein besseres Auge für das, was wir tun können.
Mehr Hoffnung auf das Ende von Flüchtlingsströmen.
Mehr Energie, dafür zu beten.
Mehr Kinder und gute Eltern für sie.
Mehr Verantwortungsträger, die dich fürchten!
Mehr Glück im Unglück!
Mehr Liebe in aussichtslosen Situationen.
Wir werfen unsere Sorgen auf dich
und bitten dich: höre uns! Und höre auch,
was wir dir jetzt in der Stille anvertrauen.