Lernfeld 5: Werkzeuge herstellen und vorbereiten

HANDBUCH FÜR DEN
PACKMITTELTECHNOLOGEN
Band 2
Hauptverband Papier- und Kunststoffverarbeitung e.V. (HPV)
[IMPRESSUM: HANDBUCH FÜR DEN PACKMITTELTECHNOLOGEN – Band 2]
IMPRESSUM
HANDBUCH FÜR DEN PACKMITTELTECHNOLOGEN –
Band 2 (Stand: Juli 2015)
Herausgeber:
Hauptverband Papier- und Kunststoffverarbeitung e. V. (HPV)
Vertreten durch Stefan Rössing, V. i. S. d. P.
Chausseestr. 22
10115 Berlin
Telefon: +49 (30) 2478183-0
E-Mail: [email protected]
www.hpv-ev.org
Autorenverzeichnis
Bosch, Bernd; Büttgenbach, Marc; Endres, Sebastian; Fröhlich, Josef;
Graeff, Wilhelm; Grünwald, Herbert; Guggolz, Robin; Hellwig, Stephan;
Hering, Andreas; Hucke, Sebastian; Ihnow, Johannes; Martin, Olga;
Nötzold, Karl-Heinz; Oswald, Fabian; Rogge, Klaus; Rössing, Stefan;
Schwarzmann, Peter; Seim, Carsten; Martin, Silke; van Unen, Thomas;
Wilken, Dr. Renke; Wörtz, Johannes.
Fachliche Koordination
Herbert Grünwald, Gutach
Redaktion/Lektorat
Carsten Seim, avaris | konzept, Bonn
Satz/Layout & Umschlaggestaltung
Bernd Wilfing, Dr. Curt Haefner-Verlag GmbH
Verlag
Dr. Curt Haefner-Verlag GmbH
Vangerowstraße 14/1
69115 Heidelberg
Copyright
Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Publikation darf ohne schriftliche Genehmigung des Hauptverbandes Papier- und Kunststoffverarbeitung e. V. (HPV) bzw. des Verlags nicht vervielfältigt oder verbreitet
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per Kopie sowie die Aufnahme in elektronische Medien jeglicher Art.
[HANDBUCH FÜR DEN PACKMITTELTECHNOLOGEN − Band 2 − Inhalt Lernfeld 5]
Inhalt Lernfeld 5
5
Werkzeuge herstellen und vorbereiten ................................................ 5
5.1
Der industrielle Herstellungsprozess einer Faltschachtel ...................................................... 5
5.2
5.2.1
5.2.2
5.2.2.1
5.2.2.2
5.2.2.3
5.2.2.4
Flache Stanzwerkzeuge für Karton und Wellpappe................................................................ 7
Die Bestandteile einer Stanzform .........................................................................................8
Die Stanzformträgerplatten ................................................................................................ 10
Holzträgerplatten ................................................................................................................11
Duramar-Trägerplatten ....................................................................................................... 12
Sandwich-Trägerplatten ..................................................................................................... 13
Metallstanzformen............................................................................................................. 13
5.3
5.3.1
5.3.2
5.3.3
5.3.4
5.3.4.1
5.3.4.2
5.3.4.3
5.3.5
5.3.6
Schneidlinientypen ........................................................................................................... 14
Erläuterungen zum Stanzvorgang und Anforderungen an Schneidlinien ............................. 15
Maßbezeichnungen an Bandstahllinien ............................................................................. 18
Rilllinien und die einzelnen Vorgänge beim Rillen .............................................................. 19
Weitere Bandstahllinien.....................................................................................................26
Ritzlinien ...........................................................................................................................26
Perforationslinien ..............................................................................................................26
Gegenritzlinien .................................................................................................................. 27
Gummierung .....................................................................................................................28
Gegenzurichtung ............................................................................................................... 31
5.4
Druckkraftberechnung .......................................................................................................39
5.5
5.5.1
5.5.2
5.5.3
5.5.4
5.5.5
5.5.6
Flaches Stanzwerkzeug herstellen......................................................................................42
Die Konstruktion der Stanzkontur ......................................................................................42
Das Lasern der Stanzkontur ............................................................................................... 43
Die Bandstahlmontage ...................................................................................................... 45
Biegefreischleiftechnik ......................................................................................................49
Stoßeinschleiftechnik ........................................................................................................ 51
Das Gummieren des Stanzwerkzeuges ............................................................................... 53
Herausgeber: Hauptverband Papier- und Kunststoffverarbeitung e.V. (HPV)
www.hpv-ev.org
[3]
[HANDBUCH FÜR DEN PACKMITTELTECHNOLOGEN − Band 2 − Inhalt Lernfeld 5]
5.6
Ausbrechwerkzeug ............................................................................................................ 55
5.7
Nutzentrennwerkzeug ........................................................................................................ 57
5.8
Rotationswerkzeuge (Holzhalbschalen).............................................................................. 59
5.9
5.9.1
5.9.2
5.9.3
5.9.4
Rotationswerkzeuge (Vollzylinder) .....................................................................................65
Stanzwerkzeug ..................................................................................................................65
Rillwerkzeug ......................................................................................................................68
Prägewerkzeug ..................................................................................................................68
Nachschärfen ....................................................................................................................69
Herausgeber: Hauptverband Papier- und Kunststoffverarbeitung e.V. (HPV)
www.hpv-ev.org
[4]
Stand 2015
[Werkzeuge herstellen und vorbereiten]
5 Werkzeuge herstellen und vorbereiten
5.1 Der industrielle Herstellungsprozess einer
Faltschachtel
Die industrielle Herstellung von Packmitteln aus Kartonage oder
Wellpappe erfolgt prinzipiell in den Arbeitsschritten (vgl. auch Abbildung 13 auf S. 16 vom Band 1) Drucken – Stanzen – Kleben.
Als Ausgangswerkstoff werden hier zunächst flache Kartonagenbögen angenommen.
Abb. 5.1.1: Druckprozess, Bedrucken der rohen („weißen“) Kartonbögen mit dem spezifischen Druckbild für die spätere Verpackung
Das Stanzen trennt die Kartonbögen in die einzelnen Zuschnitte
(Nutzen) auf. Es erfolgt auch das Rillen des Kartons an der später gewünschten Faltlinie und eventuell weitere Bearbeitungen wie das Prägen oder Ritzen.
Abb. 5.1.2: Trennen der bedruckten Kartonbögen in die einzelnen Zuschnitte durch den
Stanzprozess
Die Maschinen bezeichnet man insbesondere bei der vollautomatischen Bearbeitung als Stanzautomaten. Sie sind ausgerüstet mit einem Stanztiegel, in welchen die Stanzformen eingebaut werden, und
können auch weitere Funktionseinheiten enthalten – zur Entfernung
der Abfallteile im Karton und zum Abtrennen der Nutzen untereinander.
Stanzautomaten enthalten oft
noch weitere Funktionen – zum
Beispiel das Abtrennen der
Nutzen untereinander.
[5]
[Werkzeuge herstellen und vorbereiten]
Klebemaschinen bringen den
Klebstoff auf, falten die Nutzen
an den Faltlinien und pressen
die Klebestellen, bis der Klebstoff ausgehärtet ist.
Abb. 5.1.3: schematische Darstellung eines Stanzautomaten mit den Funktionseinheiten
Stanztiegel, Ausbrecheinheit und Nutzentrennen
Nach dem Stanzen werden die Zuschnitte in die Klebemaschine
eingelegt, dort werden die Packmittel geklebt und gefaltet.
Abb. 5.1.4: Klebemaschine
(Quelle: © Bobst 2015)
Abb. 5.1.5: Klebemaschine in schematischer Darstellung (Quelle: © Bobst 2015)
Die Klebemaschine transportiert die Zuschnitte nacheinander durch
die gesamte Maschinenlänge, während des Durchlaufes erfolgen das
Aufbringen von Leim am Kleberand, das Umlegen der Faltschachteln an
den Faltlinien und das Anpressen, während der Klebstoff aushärtet, um
eine feste Klebestelle zu erzeugen.
Abb. 5.1.6: schematische
Kleberand: Hier wird
Klebstoff aufgebracht; die
Faltschachtel wird
anschließend durch
Umlegen zweier Faltlinien
um 180° zusammengeklebt
Darstellung des Klebevorganges
[6]
Stand 2015
[Werkzeuge herstellen und vorbereiten]
Nach dem Kleben erfolgt üblicherweise der Versand der flachliegenden Zuschnitte zum Abnehmer. Dort werden an Abpackautomaten die
Konsumgüter eingefüllt – zum Beispiel Kosmetika, Arzneimittel oder
Lebensmittel.
Die dargestellten maschinellen Verarbeitungsschritte können auch
miteinander verbunden sein, sodass die Packmittel durchgehend in
einer Anlage bedruckt, gestanzt und geklebt werden.
5.2 Flache Stanzwerkzeuge für Karton und Wellpappe
Alle Verarbeitungsschritte
können in einer vollautomatischen Inline-Maschine auch auf
einmal erledigt werden.
Eine Stanzform ist in grundlegender Ausführung ein Werkzeug zum
Stanzen und Rillen von bedruckten Kartonbögen zur Herstellung von
Verpackungszuschnitten.
Abb. 5.2.2:
Stanzform, teilweise
gummiert
Abb. 5.2.1: Stanzautomat (Quelle: © Bobst 2015)
Abb. 5.2.3: Tiegel am Stanzautomat
Neben den Stanzautomaten finden Stanzformen auch Verwendung
auf reinen Stanztiegeln, Schwenkarmstanzen, Zylindermaschinen und
Kniehebelpressen.
[7]
[Werkzeuge herstellen und vorbereiten]
5.2.1 Die Bestandteile einer Stanzform
Trägerplatte
Stanzlinien für Schnittkonturen
(im Allgemeinen auch „Schneidlinien“
genannt)
Rilllinien zum Einbringen von Rillungen
in den Karton für die spätere Faltung
Gummierung
Abb. 5.2.4: Stanzform ohne und mit Gummierung
Eine Stanzform braucht immer
eine Ambossfläche als Gegenwerkzeug. Dieses kann
Gegenkanäle für die Rillinien im
Verpackungsmaterial enthalten.
Eine Stanzform benötigt immer ein Gegenwerkzeug. Im Allgemeinen
handelt es sich um eine ebene Stanzplatte als Ambossfläche für die
Stanzlinien, ergänzt durch eventuell notwendige Kanäle als Gegenform
für die Rilllinien.
In der Verarbeitung von Wellpappe genügt es oftmals, das Material
durch die Rilllinien an den gewünschten Rillungen gegen die flache Unterlage einzudrücken.
Dagegen benötigen die Rilllinien im Falle der Verarbeitung von Kartonage immer entsprechende Rillkanäle. Dies können Kanäle sein,
welche in die Stanzplatte eingefräst werden (= Stanzrillplatte), aufgeklebte flächige Gegenzurichtungen wie Rillma oder einzelne Gegenzurichtestreifen. Nähere Erläuterungen siehe Abschnitte Rilllinie und
Gegenzurichtung.
Der Stanzprozess läuft wiederholend in folgenden Schritten ab:
• Öffnung der Tiegeleinheit der Maschine (hier gibt es die Varianten
der bewegten Ober- und der bewegten Unterplatte),
• Transport des Kartonbogens durch die Tiegeleinheit, im Allgemeinen
durch ein Greifersystem,
• Stoppen des Kartonbogens,
• Pressvorgang durch den Stanztiegel und damit Durchführung des
Stanzvorganges,
• Öffnung der Tiegeleinheit und
• Weitertransport des gestanzten Bogens.
[8]
Stand 2015
 Transport des Kartonbogens durch die Tiegeleinheit, im Allgemeinen durch ein
Greifersystem,
Transport
des Kartonbogens durch die Tiegeleinheit, im Allgemeinen durch ein
 Stoppen des Kartonbogens,
Greifersystem,
[Werkzeuge herstellen und vorbereiten]
 Pressvorgang
durch den Stanztiegel und damit Durchführung des
 Stoppen
des Kartonbogens,
Stanzvorganges,
 Pressvorgang durch den Stanztiegel und damit Durchführung des
 Öffnung der Tiegeleinheit und
Stanzvorganges,
 Weitertransport
des gestanzten
Bogens.
 Öffnung
der Tiegeleinheit
und
 Weitertransport
des gestanzten
Bogens. so präpariert, dass der Bogen noch an
Die Werkzeuge
sind meistens
Die Werkzeuge sind meistens so präpariert, dass der Bogen noch an einigen
einigen Haltepunkten zusammenhält, um einen zuverlässigen TransHaltepunkten
um einen dass
zuverlässigen
Transport
Bogen zu
Die Werkzeuge
sindzusammenhält,
meistens so präpariert,
der Bogen
noch ander
einigen
port
der
Bogen
zu
gewährleisten.
gewährleisten.
Haltepunkten zusammenhält, um einen zuverlässigen Transport der Bogen zu
gewährleisten.

Tiegel geöffnet, Materialtransport möglich:
Tiegel geöffnet, Materialtransport möglich:
Tiegel geöffnet, Materialtransport möglich:
Trägerplatte
Trägerplatte
Schneidlinie
Rilllinie
Schneidlinie
Gummierung
Gummierung
Rilllinie
Karton
Gegenstanzblech
Gegenstanzblech
Karton
Gegenzurichtung
Gegenzurichtung
Abb. 5.2.5: Tiegel geöffnet, Materialtransport möglich
Stanzvorgang:
Stanzvorgang:
Stanzvorgang:
Stanzvorgang
Stanzvorgang
Schneidlinienhöhe
Schneidlinienhöhe
Rilllinienhöhe
Kartondicke
Rilllinienhöhe
Kartondicke
Rillmakanal
Rillmadicke
Rillmadicke
Rillmakanal
Abb. 5.2.6: Stanzvorgang
Einordnung als Fertigungsverfahren nach DIN 8580
Das Stanzen des Kartons mit der Schneidlinie entspricht nach DIN
8580 dem Fertigungsverfahren „Trennen“ und in der weiteren Untergliederung nach DIN 8588 dem Zerteilen. Unter dem Begriff Zerteilen
fasst man ebenfalls mehrere Verfahren zusammen, von denen das
Scherschneiden und das Keilschneiden dem Trennvorgang bei Stanzwerkzeugen entsprechen.
[9]
[Werkzeuge herstellen und vorbereiten]
Inbesondere handelt es sich um:
Keilschneiden
Bei gleichmäßig hohen Schneidlinien, welche parallel
den Trennvorgang ausführen.
Entspricht dem sehr stark verbreiteten Flachbettstanzen zur Herstellung von Zuschnitten aus Kartonage und
Wellpappe.
Scherschneiden
Bei Sägezahnlinien, vor allem bei runden Stanzformen,
siehe Abschnitt „Rotationswerkzeuge (Holzhalbschalen).“
Das Rillen entspricht nach DIN 8580 dem Fertigungsverfahren „Umformen“, und darunter insbesondere aufgrund der vorherrschenden
Druckeinwirkung als Eindrückverfahren nach DIN 8583.
Neben den grundlegenden Bandstahltypen Schneid- und Rilllinie
weisen Stanzformen noch weitere Funktionsbauteile wie zum Beispiel
Ritzlinien oder Prägestempel auf. Diese werden in den weiteren Abschnitten vorgestellt.
Im Allgemeinen haben die Maschinen, in denen die Stanzformen
eingesetzt werden, bestimmte Formatgrößen. Für eine wirtschaftliche Produktion versucht man möglichst viele Verpackungszuschnitte
(= Nutzen) aus einem Bogen zu erhalten.
5.2.2 Die Stanzformträgerplatten
Die Stanzformträgerplatte stellt die Montagegrundplatte dar und
sorgt für den Verbund des Werkzeuges.
Die Anforderungen lassen sich wie folgt zusammenfassen:
• mechanische Stabilität, genügend Festigkeit, sicherer Zusammenhalt der eingebauten Bandstahllinien insbesondere beim Stanzprozess,
• Verarbeitungsmöglichkeit (über spanende Bearbeitung oder über
Strahlwerkzeuge wie Laser- oder Wasserstrahlmaschinen),
• Lagermöglichkeit,
• ergonomische Gesichtspunkte, niedriges Gewicht sowie
• ökologische Gesichtspunkte: Herstellung aus nachwachsenden Rohstoffen, recycelbar.
Die Trägerplatte einer Stanzform kann aus den verschiedensten Materialien bestehen und wird dementsprechend auch anders bearbeitet.
[ 10 ]
Stand 2015
[Werkzeuge herstellen und vorbereiten]
Es gibt folgende Arten von Stanzformträgerplatten zur Auswahl:
5.2.2.1 Holzträgerplatten
Holzträgerplatten bestehen hauptsächlich aus mehrfach verleimtem
Multiplexholz (Birke/Buche) – bei Karton meistens mit einer Dicke von
18 mm, bei Wellpappe mit einer Dicke von 15 mm, sodass die Linien
etwa um 6 mm beziehungsweise 9 mm herausragen.
In der Etikettenindustrie findet Flugzeugholz mit einer Stärke von
10 mm seine Anwendung.
Holz ist hygroskopisch und verändert sich je nach Umfeld, daher
sind Holzträgerplatten materialbedingten Toleranzen unterworfen.
Toleranzen bis zu +- 0,7 mm auf einem Meter sind möglich.
Holz als Naturwerkstoff hat unterschiedliche physikalische und mechanische Eigenschaften sowie Kennwerte längs oder quer zur Faserrichtung.
Holz reagiert prinzipiell auf Klimaänderung durch
Multiplex, Kunststoff, Verbundmaterialien, Stahl, Aluminium –
Stanzformträgerplatten können
aus sehr unterschiedlichen
Materialien gebaut werden.
Meist kommt aus Kosten- und
Gewichtsgründen Holz zum
Einsatz.
• Längenausdehnung (Quellen) bei zunehmender Feuchtigkeit, Längenkürzung (Schwinden) bei Trocknung.
• Längenausdehnung bei zunehmender Temperatur wie alle technischen Werkstoffe über den spezifischen Längenausdehnungskoeffizienten.
Im Allgemeinen geht eine Temperaturzunahme mit einer Trocknung
einher, sodass sich beide Effekte teilweise kompensieren.
Beide Effekte treten in Faserrichtung weniger stark in Erscheinung als
quer zur Faser.
Für eine optimale Beständigkeit gegenüber Klimaänderung und um
eine hohe mechanische Steifigkeit zu erreichen verwendet man kreuzweise verleimtes Schichtholz.
Um den Feuchtigkeitsaustausch des Holzes zu minimieren werden
die Oberflächen lackiert.
Abb. 5.2.7: schematischer Aufbau einer Multiplexplatte aus querverleimten Furnierschichten
[ 11 ]
[Werkzeuge herstellen und vorbereiten]
Abb. 5.2.8: lasergeschnittene Multiplex-Trägerplatte
Das Schneiden der Holzträgerplatten (Außenmaße und Schlitze für
die später eingebauten Bandstahllinien) erfolgt auf Lasermaschinen.
Weitere Erläuterung hierzu siehe Abschnitt „5.5.2 Das Lasern der Stanzkontur“.
Bei einer Holz-Trägerplatte lassen sich die eingebauten Schneidlinien rund drei- bis fünfmal erneuern. Die Neu-Bemesserung führt man
bei abgenutzten Schneidlinien durch.
5.2.2.2 Duramar-Trägerplatten
Duramar-Trägerplatten bestehen aus glasfaserverstärktem Kunststoff. Gegenüber Holz sind sie unempfindlich gegenüber Feuchtigkeit
und insgesamt etwas formstabiler.
Jedoch ist das Material teurer und die Verarbeitung der Werkzeuge
aufwendiger, sodass die Kosten höher sind.
Die eingebauten Schneidlinien lassen sich gegenüber der Holzform
aber öfter austauschen, sodass sie vor allem bei Stanzaufträgen mit
hohen Auflagen verwendet werden.
Abb. 5.2.9: Duramar-Trägerplatte
Die Stanzkonturen werden hierbei mittels einer Wasserstrahlschneidanlage in die Trägerplatte geschnitten.
[ 12 ]
Stand 2015
[Werkzeuge herstellen und vorbereiten]
5.2.2.3 Sandwich-Trägerplatten
Sandwich-Trägerplatten bestehen aus zwei Stahlplatten, in die mit
Hilfe des Lasers die Stanzkontur eingelasert wird. Beide Stahlplatten
werden mit Distanzbolzen passgerecht übereinander montiert.
Anschließend wird der Hohlraum mit Gießharz ausgegossen und
ausgehärtet. Damit die Zwischenräume für die Linien frei bleiben, setzt
man vor dem Ausgießen beschichteten Bandstahl ein, an denen das
Gießharz nicht haftet. Nach dem Aushärten des Harzes werden diese
wieder entnommen und erst danach wird die Trägerplatte mit den „richtigen“ Linien bestückt.
Die Sandwich-Trägerplatten bieten eine optimale Maßstabilität und
eine extrem lange Standzeit. Wie bei der Duramar-Trägerplatte lassen
sich bei der Sandwich-Platte die Schneidlinien öfter auswechseln als
bei Holz (ca. 10 Mal).
Die Kosten sind allerdings noch höher, sodass anstelle der Sandwich-Form vermehrt die Duramar-Form, bei Bedarf mit zusätzlichen
Blechlagen zur Erhöhung der Stabilität, zum Einsatz kommt.
Abb. 5.2.10: Sandwich-Trägerplatte
5.2.2.4 Metallstanzformen
Es gibt (Voll-)Metallstanzformen aus Aluminium (für technische Teile
wie Displays, Kunststoff-Tiefziehteile, Thermoformen), Stahl- und Messingformen (für Etiketten und Schilder).
Hierbei werden die Konturlinien an einer Wasserstrahlschneidanlage
geschnitten.
Trotz der vielen hochpräzisen
Trägerplatten, die höhere Maßstabilitäten als Holzträgerplatten versprechen, kommen überwiegend
Holzträgerplatten zum Einsatz.
Insbesondere die Metallstanzform wäre in der Größe, wie sie für
Verpackungsproduktion notwendig
wäre, zu teuer und zu schwer.
Abb. 5.2.11: Metallstanzform
[ 13 ]
[Werkzeuge herstellen und vorbereiten]
5.3 Schneidlinientypen
Die Fase ist eine abgeschrägte
Fläche, die an einer Werkstückkante erzeugt wird.
Schneiden können je nach
Anwendung sehr unterschiedlich geformt sein.
Formbeeinflussend sind zum
Beispiel die erforderlichen
Drücke und die zu schneidenden Materialdicken.
Schneidlinien sind in vielen verschiedenen Varianten erhältlich –
zum Beispiel mit doppelseitiger Fase, mit einseitiger Fase, mit Facettenschliff, mit einseitigem Facettenschliff, mit geschabten, geschliffenen, polierten, beschichteten Schneidlinien und vielem mehr.
Die folgende Tabelle stellt eine Übersicht über die hauptsächlich verwendeten Schneidenformen dar:
Schneidlinie mit doppelseitiger Fase:
Bei Schneidenwinkel 54°: als Standardlinie
für die meisten Stanzprozesse bei
Kartonage und Wellpappe geeignet.
Standardhöhe für Flachbett-Stanzen =
23,8 mm
Standardbreite bei Kartonage 0,71 mm
Standardbreite bei Wellpappe 1,05 mm
(beim Flachbett-Stanzen) und 1,42 mm
(beim rotativen Stanzen).
Mit Schneidenwinkel von 42° eher bei
dünnen Folien geeignet. Die schlankere
Spitze hält aber nicht so hohem Druck
stand wie die 54°-Schneide.
Schneidlinien mit einseitiger
Fase beziehungsweise einseitigem Facettenschliff werden
genutzt, wenn am Stanzgut einseitig die seitliche Verdrängung
vermieden werden soll.
Schneidlinie mit Facettenschliff:
Verwendung bei dickeren Materialien –
zum Beispiel Graupappe über 0,8 mm.
Diese Ausführung hat den Vorteil, dass die
seitliche Verdrängung durch den
Facettenschliff nicht so hoch ist.
Schneidlinie mit einseitiger Fase:
Verwendung hauptsächlich bei
technischen Stanzteilen, wenn am
Stanzgut einseitig die seitliche
Verdrängung vermieden werden soll.
Diese Ausführung hat den Nachteil, dass
die Schneidlinienhöhe an Biegestellen
stark abtaucht und dass bei geradlinigen
Stücken die Schneidlinie seitlich durch die
einseitige Druckbelastung weggedrückt
wird.
Verwendung ebenfalls bei technischen
Schneidlinie mit einseitigem
Stanzteilen,
wenn am
Stanzgut einseitig
Facettenschliff:
Abb.
5.3.1: Anwendungen sowie Vor- und Nachteile
verschiedener
Schneidenformen
die seitliche Verdrängung vermieden
werden soll.
Die Facette reduziert den seitlichen Druck.
[ 14 ]
Stand 2015
stark abtaucht und dass bei geradlinigen
Stücken die Schneidlinie seitlich durch die
einseitige Druckbelastung weggedrückt
wird.
[Werkzeuge herstellen und vorbereiten]
Verwendung ebenfalls bei technischen
Stanzteilen, wenn am Stanzgut einseitig
die seitliche Verdrängung vermieden
werden soll.
Schneidlinie mit einseitigem
Facettenschliff:
Die Facette reduziert den seitlichen Druck.
Abb. 5.3.1: Anwendungen sowie Vor- und Nachteile verschiedener Schneidenformen
Die Auswahl oder Festlegung der zu verwendenden Schneidlinie
erfolgt im Einzelfall meistens nach Erfahrungswerten, insbesondere
bei Abweichungen von der Schneidlinie mit doppelseitiger Fase und
Schneidenwinkel 54°.
5.3.1 Erläuterungen zum Stanzvorgang und Anforderungen an
Schneidlinien
Der technisch-physikalische Vorgang des Stanzens lässt sich mit der
Darstellung des Stanzdruckes in den einzelnen Phasen erklären:
Bereich 1:
Leerhub ohne
Materialkontakt
Abb. 5.3.2: einzelne Phasen
des Stanzdrucks
Bereich 2:
Schneidlinie sitzt auf und
komprimiert zunächst den
Karton, es baut sich Druck
auf, bis die Linie eindringt.
Stanzdruck
Bereich 3:
Schneidlinie taucht ein und
der Druck nimmt langsam
zu, bis die komplette
Materialdicke erreicht ist.
Zustellung
Bereich 4:
Karton ist durchgetrennt. Dabei sitzt
die Schneidlinie auf der
Gegenstanzplatte auf.
Charakteristisch ist ein kurzer
Rückgang der Stanzkraft, welche
nun bei weiterer Zustellung aber
sehr stark zunimmt, da die
metallischen Teile (Schneidlinie und
Gegenstanzplatte) direkt
aufeinander pressen.
[ 15 ]
[Werkzeuge herstellen und vorbereiten]
Das Diagramm kann den Vorgang nur qualitativ darstellen, da viele
Parameter den Stanzprozess beeinflussen, hauptsächlich die Materialeigenschaften und die Geometrie der Schneidlinie.
Als Richtwert für das Stanzen von zum Beispiel Chromokarton, ca.
250 – 350 gr., mit einer neuwertigen und damit scharfen Schneidlinie,
gilt ein Stanzdruck von rund 35 kg/cm.
Beim Stanzen muss der erforderliche Druck in Abhängigkeit
vom Material genau richtig
eingestellt sein. Zu hoher Druck
in Phase 4 des Stanzvorgangs
(Material ist durchtrennt)
führt dazu, dass Stanzspitzen
abstumpfen oder brechen. Das
führt zu unsauberen Stanzergebnissen.
Die ideale Maschinenzustellung und Belastungen an Schneidlinien
durch Überlast
Beim Flachbett-Stanzen ist es notwendig, dass die Schneidlinie auf
der Gegenstanzplatte aufsitzt. Nur so lassen sich saubere Schnittkanten am Stanzgut erzielen.
Den Stanzvorgang versucht man am Anfang von Bereich 4 durchzuführen. Hier sitzt die Schneidlinie gerade an der Gegenstanzplatte auf.
Jede weitere Zustellung am Stanztiegel führt zu einer deutlichen Erhöhung des Druckes auf die Schneidlinie; dies kann insbesondere bei der
Schneidenspitze zu einer Überlastung führen. Die Überlastung bewirkt
an der Spitze eine Beschädigung als plastische Verformung (Abstumpfung) oder einen teilweisen Materialabbruch.
Beide Effekte führen zu einem schlechten bis unbrauchbaren Stanzergebnis. Es bilden sich sogenannte Stanzhaare – aus der Schnittfläche herausragende Fasern.
Abb. 5.3.3: schematische Darstellung einer Überlast und einer dadurch hervorgerufenen
abgestumpften und abgebrochenen Spitze
Um Toleranzen von Schneidlinien sowie Unebenheiten und
Verformungen des Stanztiegels auszugleichen, werden
Schneidlinien mit Zurichtepapier oder -band unterlegt.
[ 16 ]
Zurichtung
Nun handelt es sich bei einer Flachbett-Stanzform um ein flächiges
Werkzeug und alle Schneidlinien treffen theoretisch zum gleichen Zeitpunkt auf die Gegenstanzplatte.
Doch auch Schneidlinien weisen – wie alle technisch herzustellenden Produkte – Toleranzen auf. Hinzu kommen noch Unebenheiten
und thermische Maßänderungen im Stanztiegel. Auf diese Weise gibt
es im praktischen Vorgang des Stanzens immer Zonen, in denen einige
Schneidlinien bereits das Stanzgut durchgestanzt haben und auf die
Gegenstanzplatte treffen, während in anderen Bereichen noch keine
komplette Stanzung erreicht worden ist.
Stand 2015
[Werkzeuge herstellen und vorbereiten]
Eine weitere Maschinenzustellung führt aber zu einer Überlastung
von:
• den Schneidlinien in den Bereichen, welche bereits mit Druck auf der
Gegenstanzplatte auftreffen,
• der Gegenstanzplatte (die Schneidlinie gräbt sich ein) und
• der Maschine (eventuell ungleichmäßige Druckverteilung).
Um den Prozess abzustimmen, führt man daher die „Zurichtung“
aus. Dabei unterlegt man diejenigen Schneidlinien, an denen noch
keine Stanzung stattgefunden hat.
Mit dieser zusätzlichen Erhöhung gleicht man die Höhenunterschiede in den Schneidlinien und im Stanztiegel aus.
h


Abb. 5.3.4: Darstellung eines Stanzprozesses bei unebenem Stanztiegel: Die linke Schneidlinie stanzt komplett durch, die rechte dagegen nicht.
Um die Unebenheiten im Tiegel auszugleichen, ist es notwendig, die
rechte Schneidlinie zu unterlegen.


Abb. 5.3.5: Darstellung eines Stanzprozesses mit Zurichtung: Beide Schneidlinien stanzen
komplett durch. Rechts oben gelb markiert: das Zurichteband.
Im Allgemeinen geht man beim Zurichten in zwei 2 Schritten vor:
1. für flächenförmige Unebenheiten mit Zurichtepapier
2. Unterlegen von einzelnen Linien mit streifenförmigem Zurichteband
(in verschiedenen Dicken erhältlich)
[ 17 ]
[Werkzeuge herstellen und vorbereiten]
Zurichten der Schneidlinie
durch Unterlegen kostet Zeit
und damit Geld. Deshalb wird
oft einfach nur der Stanzdruck
der Maschine erhöht, sobald
ein überwiegend zufriedenstellendes Stanzbild erreicht ist.
In der industriellen Produktion ist man aus wirtschaftlichen Gründen
bestrebt, diesen Zurichteprozess und damit den Maschinenstillstand
möglichst kurz zu halten.
Sobald ein Großteil des Formates ein zufriedenstellendes Stanzbild
erreicht, wird man auch versuchen, ein vollständiges Stanzen rein über
die Maschinenzustellung und damit über eine Erhöhung des Stanzdruckes zu erreichen. Jede weitere Zustellung führt zu einem Kompressionsdruck auf Schneidlinie und Gegenstanzblech.
➞ In der Praxis müssen Schneidlinien und Gegenstanzplatte hohen
Belastungen standhalten!
5.3.2 Maßbezeichnungen an Bandstahllinien
Typografisches Maßsystem. Ursprünglich als
„Point typographique“ bezeichnet; im Sprachschatz deutschsprachiger Typografen auch als
„Punkt“ abgekürzt.
Mehr Information:
http://bit.ly/1M05gxb
Die Maßbezeichnungen von Bandstahllinien, insbesondere der Linienbreite, erfolgen meist nach dem typografischen Punkt-System.
Dies begründet sich aus der historischen Entwicklung der Bandstahlwerkzeuge:
Ausgangspunkt waren geschmiedete Messer für die Verarbeitung
von zum Beispiel Leder für die Schuhindustrie.
In den 20er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts wurden sie auch
zunehmend für das Stanzen und Rillen von Kartonagen zur Herstellung
von Verpackungen verwendet.
Dazu wurden sie in Tiegeldruckpressen (Fläche gegen Fläche) für das
Hochdruckverfahren anstelle des Bleisatzes, also der Druckform für
den Buchdruck, eingebaut.
Dazu war es notwendig, die Breite und Höhe der Bandstahllinien an
die sonst verwendeten austauschbaren Lettern der Druckformen anzupassen.
Die Angabe der Letterngröße (Breite und Höhe) erfolgte nach dem
Punkt-System, eine aus Frankreich stammende Normierung, bei der die
Maße als Vielfaches aus einem einzelnen Punkt-Maß angegeben werden.
Für den Punkt wiederum gab es mehrere leicht abweichende Größenangaben, so zum Beispiel den Didot-Punkt mit umgerechnet 0,376 mm.
Bei den Bandstahllinien hat sich folgende Größenzuordnung etabliert:
Bezeichnung
Liniendicke
Bemerkung
1 Pkt.
0,5 mm
Bezeichnung „1 Punkt“ gilt teilweise auch für
0,4 mm, dann ist 0,5 mm als 1,5 Pkt. bezeichnet
2 Pkt.
0,71 mm
3 Pkt.
1,05 mm
4 Pkt.
1,42 mm
6 Pkt.
2,10 mm
Bezeichnung gilt teilweise auch bei 2,00 mm
8 Pkt.
2,84 mm
Bezeichnung gilt teilweise auch bei 3,00 mm
Abb. 5.3.6: Größenzuordnungen von Bandstahllinien
[ 18 ]
Stand 2015
[Werkzeuge herstellen und vorbereiten]
Für die Schrifthöhe legte man zum Beispiel die standardisierte „Pariser Schrifthöhe“ mit 62 2/3 Punkten fest, welche dann umgerechnet
23,56 mm entspricht.
Schneidlinien haben beim Flachbett-Stanzen oftmals eine Standardhöhe von 23,8 mm.
Daran ist erkennbar, dass man die Abmessungen und das Einheitensystem der Drucklettern übernommen hat.
5.3.3 Rilllinien und die einzelnen Vorgänge beim Rillen
Die Rilllinien erzeugen unter Druckeinwirkung eine Rillung am flachen Zuschnitt und definieren damit die gewünschte Position der Faltlinie bei der Faltschachtel.
Bei Wellpappe genügt es oftmals, mit der Rilllinie in das Material gegen eine ebene Gegenstanzplatte zu pressen. Bei Kartonage benötigt
man hingegen eine kanalförmige Gegenzurichtung zur Erzeugung einer
Rillwulst als bleibende Verformung.
Prinzipiell existieren dabei die Verfahren Hohlrillung und Vollrillung:
Der Unterschied liegt in der Formgebung der Gegenzurichtung:
• Vollrillung = Anpressung an kompletter Fläche,
• Hohlrillung = Anpressung nur an 2 Kanten.
Industriell gebräuchlich ist hauptsächlich die Hohlrillung.
Abb. 5.3.7:
Vollrillung
Vollrillung
Bei Kartonagen wird am
häufigsten das Verfahren der
Hohlrillung eingesetzt. Mit
dem Riller wird das Material
in eine eckige Vertiefung der
Gegenzurichtung gedrückt. Bei
Wellpappe reicht es meist aus,
das Material gegen eine ebene
Gegenstanzplatte zu pressen.
Der Variantenreichtum der
Rilllinien ist groß.
Hohlrillung
Hohlrillung
Im Allgemeinen
erfolgt bei Kartonagen
das Stanzen und Rillen auf
Vollrillung
Hohlrillung
die Druckseite, damit die dabei entstehende Rillwulst für den späteren
Faltvorgang auf der Innenseite liegt.
Bedruckte Seite
(Außenseite)
Bedruckte Seite
(Außenseite)
Innenseite
Innenseite
Rillwulst
Rillwulst
Abb. 5.3.8: Stanz- und Rillvorgang bei Karton auf Außenseite
[ 19 ]
[Werkzeuge herstellen und vorbereiten]
Kopfriller lassen sich leicht
gegen Typen mit anderen Kopfmaßen und derselben Grundkörperbreite austauschen.
Bei Wellpappematerialien verhält es sich im Allgemeinen umgekehrt,
hier stanzt und rillt man auf die obenliegende Innenseite.
Wie Schneidlinien gibt es auch Rilllinien in den verschiedensten
Ausführungen.
Es gibt angefaste Rilllinien, abgeflachte, Rilllinien mit reduzierter
Verrundung und viele weitere.
Eine Übersicht über die gebräuchlichsten Typen zeigt die nachfolgende Tabelle:
Standardrilllinie für Kartonage und einwellige
Wellpappe.
Die Festlegung der Breite bei Kartonage ist
hauptsächlich abhängig von der Kartondicke, zur
Orientierung gilt folgende Zordnung;
Kartondicke
Rilllinienbreite
0,20 – 0,35 mm
0,5 mm
0,35 – 0,60 mm
0,7 mm
0,60 – 0,85 mm
1,05 mm
0,85 – 1,10 mm
1,42 mm
Bei Wellpappe im Flachbettstanzen hauptsächlich
1,05 mm,
im rotativen Stanzen hauptsächlich 1,42 mm.
Kopfriller mit flachem Kopf, hauptsächlich bei
doppelwelliger Wellpappe gebräuchlich, oder
einwellige Wellpappe für Rillungen von 180°
Faltlinien.
Beim Flachbettstanzen am Grundkörper 1,05 mm
und am Kopf 2,0 mm oder 3,0 mm.
Beim rotativen Stanzen am Grundkörper 1,42 mm
und am Kopf 3,0 mm.
Kopfriller mit rundem Kopf, ebenso fast nur bei
Wellpappe gebräuchlich.
Die Entscheidung, ob flacher oder runder Kopf,
hängt meist von Erfahrungswerten ab.
Abb. 5.3.9: gebräuchliche Typen von Rilllinien
[ 20 ]
Stand 2015
[Werkzeuge herstellen und vorbereiten]
Der Kopfriller hat den Vorteil, dass der für die Rillung notwendige Teil
relativ breit ausgeformt ist (wie es für dickere Wellpappe-Materialen
notwendig ist), aber in der Trägerplatte nur Schnitte für zum Beispiel
1,42 mm Linien gelasert werden müssen. Auch müssen an den Bandstahlbearbeitungsgeräten wie Ausklinker nur die dünneren Grundkörper bearbeitet werden. Zudem lässt sich dieser Rillertyp leicht durch
einen mit derselben Grundkörperbreite und anderen Kopfabmaßen
auswechseln.
Festlegung der Rilllinienhöhe
Ausgehend von der Schneidlinienhöhe ist die Rilllinienhöhe auf die
verwendete Gegenzurichtung anzupassen. Im Abschnitt „Gegenzurichtungen“ wird die beispielhafte Berechnung einer Rilllinienhöhe vorgestellt.
Im Zweifelsfall oder bei nicht exakt feststehender Stärke des zu verarbeitenden Materials wird die Rilllinienhöhe stets um 0,1 mm niedriger angenommen.
Begründung: Zu hohe Rilllinien führen zu Beschädigungen am Karton und/oder der Zurichtung. Eine Kompensation durch Reduzierung
des Stanzhubes an der Verarbeitungsmaschine ist im Allgemeinen
nicht möglich, da sonst der Druck an der Schneidlinie nicht mehr für
den Stanzvorgang ausreicht.
Die notwendige Maschinenzustellung ist also durch die Schneidlinien vorgegeben und eine Anpassung der Rilllinienhöhe ist durch Unterlegen der Rilllinien möglich.
Zu hohe Rilllinien müssen ausgetauscht werden.
Ausklinker = mechanisches
Stanzgerät, mit welchem man
am Bandstahl die notwendigen
Aussparungen herausschneidet – und zwar an den Stellen,
an denen in der Trägerplatte
Brücken stehen bleiben.
Rilllinien sollte man lieber
0,1 mm niedriger ansetzen.
Sind sie nämlich zu hoch, so
beschädigen sie den Karton
oder die Zurichtung. Deshalb
müssen zu hohe Rilllinien in der
Regel ausgetaucht werden.
Der Faltvorgang
Die Geometrien von Rilllinie und Gegenzurichtung beeinflussen die
Form und damit das Verhalten der Faltlinie am gerillten Material (von
Parametern wie Verarbeitungsgeschwindigkeit im Stanzautomaten abgesehen).
[ 21 ]
[Werkzeuge herstellen und vorbereiten]
Bei dem Faltvorgang zeigen sich die Materialeigenschaften des Kartons, insbesondere die mehrschichtige Zusammensetzung aus den
Papierlagen, wie folgende Darstellungen zeigen:
Zunächst flacher Karton mit nach innen
liegender Rillwulst
Außenseite
Innenseite


Beim Falten wirken die beiden Kanten an der
Rillwulst wie einzelne Knickstellen, sodass sich
der Winkel  durch zwei einzelne
„Teilfaltungen“ um die Rillwulst von jeweils /2
ergibt.
Das Material im Bereich der Rillwulst, also der
Innenbereich, wird durch die Faltung
komprimiert und weiter nach innen gedrückt, im
Außenbereich wird das Material gedehnt, und
das vormals beim Rillen nach innen gedrückte
Material wird durch die Zugspannung nach
außen gezogen.
Durch die beiden gegensätzlichen
Bewegungsrichtungen trennen sich die
Kartonlagen im mittleren Bereich,
typischerweise bei rund 30°. Für den weiteren
Faltvorgang ist meistens weniger Kraft
erforderlich, da die getrennten Lagen sich nun
leichter bewegen.
Bei der weiteren Faltung bis 90° trennen sich
die Lagen in der Kartonmitte noch weiter.
Kennzeichen für eine gute Rillung ist eine
gleichmäßige symmetrische Ausbildung der
Faltlinie. Die Außendecke kann ebenflächig
oder leicht nach innen oder außen geformt sein,
abhängig von den Rill- und Materialparametern.
Abb. 5.3.10: Phasen der Rillung
[ 22 ]
Stand 2015
[Werkzeuge herstellen und vorbereiten]
Folgende Übersicht zeigt einige Beispiele und typische Fehler in der
Auslegung der Rillgeometrie:
gute Rillung, optimale Kantenprägung, gleichmäßig &
symmetrisch gefaltet
noch gute, fast zu breite Rillung
zu schmale Rillung
Schlechte
Rillungen sehen
nicht nur optisch
wenig ansprechend aus. Sie
erfüllen unter
Umständen auch
wichtige Voraussetzungen für die
technische Weiterverarbeitung
nicht. Dazu zählt
beispielsweise
der Biegewiderstand.
Rillung zu breit, kein definiertes Faltverhalten, innere
Wulst eingefallen
Rillung außermittig, Rillkanal und Rilllinie waren nicht
zentriert
Abb. 5.3.11: Optisches Erscheinungsbild guter und weniger gelungener Rillungen
Qualitative Beurteilung von Rillungen
Grundsätzlich sollen Rillungen das Falten des Zuschnittes mit entsprechender optischer Qualität und Festigkeit ermöglichen. Darüber hinaus müssen oft bestimmte technische Kennwerte für den Faltvorgang
eingehalten werden.
Hier geht es insbesondere um die Faktoren, welche den Durchlauf an
der Klebemaschine oder Abpack-Maschine beeinflussen. Hierzu zählen
vor allem die Kraft, die für das Falten notwendig ist (Biegewiderstand
genannt), oder die Rückstellkraft, die nach dem Umfalten ansteht.
Eine Vorgehensweise zur Beurteilung von Rillungen ist beschrieben
in der DIN 55437 „Prüfung von Pappe – Rillungen“.
Nach dieser Norm bewertet man Rillungen ebenfalls nach der visuellen Erscheinung und nach Kennwerten für den Faltvorgang.
[ 23 ]
[Werkzeuge herstellen und vorbereiten]
Bei Materialen, für die noch
keine Erfahrungswerte vorliegen, empfiehlt es sich, den
Biegewiderstand ungerillter
und gerillter Proben zu messen.
In Anlehnung an die DIN 55437, Teil 3, existieren verschiedene Messgeräte zur Ermittlung des Biegewiderstandes.
Üblicherweise werden Proben in bestimmten Größen, abhängig vom
Messgerät, aus ungerilltem und gerilltem Karton ausgeschnitten und
in das Gerät eingelegt. Der Faltvorgang wird dann über einen Antrieb
im Gerät oder manuell ausgeführt. Die Sensorik zeichnet die Kräfte zur
Umfaltung auf.
Abb. 5.3.12: Rilltester, Anbieter: Karl Marbach GmbH, Heilbronn
Anschließend vergleicht man den Biegewiderstand der ungerillten zu
dem der gerillten Proben desselben Materials.
Folgendes Diagramm zeigt als Beispiel eine aufgezeichnete Messkurve an einem GC2 Karton:
Abb. 5.3.13: Aufzeichnung
des Biegewiderstandes an
Proben eines GC2 Kartons
1: ungerillt, quer zur Faser
2: ungerillt, längs zur Faser
3: gerillt, quer zur Faser
4: gerillt, längs zur Faser
[ 24 ]
Stand 2015
[Werkzeuge herstellen und vorbereiten]
Durch Aufzeichnung von Messkurven mehrerer Faltproben, welche
mit unterschiedlichen Rillparametern erstellt wurden (Rilllinienbreite,
Kanalbreite, Kanalform usw.), lassen sich so die quantitativen Unterschiede feststellen.
Dieses Verfahren dient auch der Analyse von eventuell fehlerhaften
Rillungen. Es empfiehlt sich auch bei neuen Materialien wenn noch keine Erfahrungswerte vorliegen.
Ergänzend noch ein Beispiel einer Faltschachtel mit einer guten Rillung (optimal ausgebildeter Rillwulst und geradlinige Kantenprägung).
Abb. 5.3.14: gute Rillung, Innenseite
Abb. 5.3.15: gute Rillung, Außenseite
Die Notwendigkeit der Verwendung einer Gegenzurichtung zeigt das
folgende negative Beispiel: Hier wurde der Karton lediglich in eine
Gummiunterlage gepresst. Dabei entstehen keine definierten Rillkanten. Eine auf diese Weise produzierte Faltschachtel lässt sich nur für
Entwicklungszwecke verwenden, es handelt sich um keine industriell
verwendbare Qualität, weder von den technischen Rillwerten her noch
von optischen Ansprüchen.
Rillungen ohne korrekte Gegenzurichtung liefern keine industriell verwertbaren Ergebnisse.
Rillung ohne korrekte Gegenzurichtung:
Innenseite
Abb. 5.3.16: Innenseite
Aussenseite
Abb. 5.3.17: Außenseite
[ 25 ]
[Werkzeuge herstellen und vorbereiten]
Ritzlinien werden bei sehr
kleinen Faltschachteln angewendet, bei denen es auf sehr
scharfe und glatte Biegekanten
ankommt. Nachteil: Das Material wird geschwächt.
Perforationslinien werden
eingesetzt, um eine Biege- oder
Trennstelle zu schaffen.
Durch Gegenritzlinien entstehen anwenderfreundliche
Aufreißlaschen zum Beispiel bei
Lebensmittelverpackungen.
5.3.4 Weitere Bandstahllinien
5.3.4.1 Ritzlinien
Ritzlinien dringen in das Material ein, ohne es ganz zu durchtrennen – sie sind daher niedriger als Schneidlinien, führen aber zu einer
Schwächung des Materials.
Ritzlinien erzeugen eine scharfe, glatte Biegekante.
Das Material lässt sich dadurch mit sehr wenig Kraft sehr exakt falten, aber das Material ist zusätzlich auch geschwächt und Feuchtigkeit
kann eindringen.
Ritzlinien werden zur Herstellung sehr kleiner Faltschachteln benötigt, wenn Rillzurichtungen nicht mehr möglich sind, oder für die Bearbeitung von Pappe, wenn Rilllinien alleine nicht mehr ausreichen, um
eine glatte Faltkante zu erhalten.
Häufig werden geritzte Biegekanten auch durch kurze dazwischengestellte Rilllinien unterbrochen,um die verringerte Festigkeit des Materials wieder teilweise auszugleichen.
Die Ritztiefe sollte bei dünnem Material (0,25 mm – 0,40 mm) 50 %
betragen, bei dickerem Material 66 %.
Je nach Materialstärke sind Ritzlinien 0,2 mm niedriger als Schneidlinien.
Die Standardhöhe der Ritzlinien für Stanzmaschinen beträgt 23,6 mm.
5.3.4.2 Perforationslinien
Perforationslinien dienen zur Vorbereitung einer Biege- oder Trennstelle.
Perforationslinien sind Schneidlinien, die in bestimmten Abständen
durch eine Lücke unterbrochen sind. Auch diese führen zu einer Schwächung des Materials.
Die Angabe der Schnitt-Lücke-Länge ist nach dem grafischen Punktesystem oder in mm vorgenommen.
Die Höhe entspricht der Höhe
der Schneidlinien.
Perforationslinie
B = Länge der Schneideinheit,
A = Länge der Lücke
Abb. 5.3.18: Perforationslinie
[ 26 ]
Stand 2015
[Werkzeuge herstellen und vorbereiten]
Die Schneide der Perforationslinie hat im Prinzip dieselbe Funktion
wie eine kurze Schneidlinie, deshalb ist es notwendig, dass sie über
dieselbe Höhe verfügt.
Vergleich typische Höhen von Bandstahllinien innerhalb eines Werkzeugs:
•
•
•
•
Stanzlinien
Perforationslinien
Ritzlinien
Rilllinien
23,8 mm
23,8 mm
23,6 mm (- 0,2 mm)
zum Beispiel 23,2 mm (- 0,6 mm)
5.3.4.3 Gegenritzlinien
Der Bedarf, eine Kartonverpackung in einem Arbeitsgang auch von der
Rückseite zu ritzen, hat zur Entwicklung der Gegenritztechnologie geführt.
Die Gegenritztechnik hat ihr Haupteinsatzgebiet in Bereichen, in denen Verpackungen mit geschlossenen, staubdichten Oberflächen gewünscht sind, die sich gleichzeitig anwenderfreundlich aufreißen lassen.
Aufgrund ihrer Staubdichtigkeit wird diese Technik vor allem für Lebensmittelverpackungen eingesetzt.
Während bei reinen Aufreiß- oder Perforierlinien der Karton an den
Schneidsegmenten durchgetrennt wird und von daher das Eindringen
von Staub möglich wäre, bleibt die Oberfläche bei der Gegenritztechnologie prinzipiell geschlossen, da die Kartoninnenseite angeritzt wird.
Gegenritzlinien werden nicht auf die Stanzformträgerplatte montiert
und treffen deshalb nicht von oben auf den Karton auf. Sie werden vielmehr auf der Gegenzurichtung montiert und ritzen den Karton von der
Rückseite an.
Es handelt sich dabei um ein Stahlplättchen, aus dem eine Schneidlinie hervorsteht.
Dieses Stahlplättchen wird auf die Gegenzurichtung geklebt, während in die Stanzform ein Gegendruckblock eingesetzt wird.
Beim Stanzhub wird der Karton von dem Gegendruckblock gegen die
Ritzlinie gepresst, wobei das Material von der Rückseite angeritzt wird.
Abhängig von der Kartondicke werden die Höhe des Gegendruckblocks in der Stanzform und die Höhe der Gegenritzplättchen in der
Gegenzurichtung ausgewählt.
In Kombination mit einer (Standard-)Ritzlinie in der Trägerplatte,
seitlich versetzt zur Gegenritzlinie, lassen sich so anwendungsfreundliche Aufreißlaschen an Verpackungen herstellen.
Abb. 5.3.19: Gegenritzlinie
[ 27 ]
[Werkzeuge herstellen und vorbereiten]
Abb. 5.3.20: Stanzrillplatte mit
Gegenritzplättchen und Gummierung
Abb. 5.3.22: Stanzform mit Gegendruckblöcken
Abb. 5.3.21: Gegenritzplättchen
Abb. 5.3.23: Gegendruckblock
5.3.5 Gummierung
Die Gummierung hat den größten Einfluss auf die Laufeigenschaften
und damit auch auf die Laufgeschwindigkeit der Stanzmaschinen.
Das Gummieren des Bandstahles hat zwei wesentliche Funktionen:
Sicherheitstipp: Gummistreifen
auf beiden Seiten der Schneidlinien helfen zwar, Anwender
vor Verletzungen zu schützen.
Allerdings sollte man Stanzformen generell nur mit Schnittschutzhandschuhen anfassen!
[ 28 ]
1) Festhaltefunktion
Das zu stanzende Material muss während des
Stanzprozesses vom Gummi fest und plan gehalten werden, sodass kein Zug entsteht und
der gestanzte Bogen speziell im Haltepunktbereich nicht vorzeitig zerstört wird.
2) Auswerferfunktion
Das zu stanzende Material muss nach dem
Stanzprozess von den Bandstahllinien abgestreift und ausgeworfen werden.
Auf beiden Seiten der Schneidlinien werden Gummistreifen, etwa
1,5 mm höher als die Schneidlinie und in einem Abstand von ca. 1 mm,
auf die Trägerplatte geklebt. Damit erfüllt die Gummierung als nützlichen Nebeneffekt auch eine Schutzfunktion vor Verletzung für den
Anwender bei der Handhabung der Stanzform. Allerdings darf man sich
nie auf diese Schutzfunktion verlassen (man muss davon ausgehen,
dass die Gummierung nicht ausreicht, und sollte Stanzformen nur mit
Schnittschutzhandschuhen anfassen).
Stand 2015
[Werkzeuge herstellen und vorbereiten]
Entsprechend ihren unterschiedlichen Aufgaben gibt es eine ganze Palette verschiedenartiger Gummisorten. Diese unterscheiden sich
nach Material, Härte, Springfreudigkeit und Form.
Für die Gummierung werden Moosgummi, Zellgummi, Vulkollan und
Kork verwendet.
Für alle nutzentrennenden Messer wird Profilgummi verwendet, der
zusätzlich die Haltepunkte entlastet. Dies gelingt über die spezielle
Formgebung des Gummis: Bei Komprimierung, also beim Stanzvorgang, übt der Gummi eine Schubkraft auf den Karton in Richtung der
Schneidlinie aus. Sie wirkt somit entgegen der von der Schneidlinie
ausgehenden seitlichen Schubkraft, welche aufgrund der keilförmigen
Schneidenform entsteht. Die Kompensation dieser Kraft ist notwendig,
um ein Abreißen der Haltepunkte am Stanzgut zu vermeiden.
Zellkautschuk, auch Zellgummi
genannt, wird zum Abdichten
von Spalten, Türen, Fenstern
und Tore sowie zum Weichlagern von Teilen und als Belag
auf Tischen, Böden, Fächer etc.
verwendet.
Gummielastischer
Polyurethan-Werkstoff
Abb. 5.3.24: Funktion C-Profilgummi, rechts die entgegengesetzte Wirkung des Gummis auf
die seitliche „Keilwirkung“ der Schneidlinie
Die Härte von Gummimaterialien gibt man in der Shore-Härteskala
an. Härte für Werkstoffe im Allgemeinen ist definiert als Widerstand gegen Eindringen (dieser verhält sich sehr oft proportional zur Festigkeit,
dem Widerstand gegen Verformen).
Das Messprinzip der Shore-Härte beruht auch darauf, dass die Eindringtiefe von einem Prüfkörper gemessen wird, welcher mit einer
bestimmten Kraft auf den Gummi drückt. Man unterscheidet je nach
Formgebung des Prüfkörpers und Stärke des Anpressdruckes mehrere
einzelne Prüfverfahren. Je nach Material verwendet man:
• Shore A-Härte für Weichgummi sowie
• Shore C- und D-Härte für Elastomere und auch weiche Thermoplaste.
Die Härte der Gummimaterialien für Stanzformen bezeichnet man
ebenfalls in der Shore A-Einheit. Die Skala reicht von 0 (sehr weich) bis
100 (sehr hart, kein Eindringen des Prüfkörpers messbar).
Nachfolgend eine Übersicht über die gebräuchlichsten Gummimaterialien mit Angabe der Shore-Härte und der Funktion des Gummis an
der Stanzform.
Die Shore-Härte, benannt
nach Albert F. Shore, ist eine
Kennzahl, die vorwiegend für
Elastomere und gummielastische Polymere eingesetzt wird.
Auf Basis der Eindringtiefe wird
die Werkstoffhärte gemessen.
Mehr Informationen:
http://wiki.polymerservicemerseburg.de/index.php/
Shore-Härte
Je nach zu bearbeitendem
Material gibt es eine große
Vielfalt von Materialien und
Härtegraden nach Shore.
[ 29 ]
[Werkzeuge herstellen und vorbereiten]
Moosgummi
Moosgummi
Moosgummi
Moosgummi
ca. 35
Shore
ca. 35
SchneidShore
linie
Schneidlinie
ca. 20
Shore
ca. 20
SchneidShore
linie
Schneidlinie
Zellgummi
Zelleinseitig
gummi
mit
Haut
einseitig
ca.
mit15Haut
Shore
ca. 15
SchneidShore
linie
Schneidlinie
ZellVulgummi
kollan®
ZellVulohne
gummi
kollan®
Haut
ohne
ca.
15
35-55
Haut
Shore
Shore
ca. 15
35-55
universell
Enge
Shore
Shore
universell Schlitze
Enge
(bis 3
Schlitze
mm)
(bis 3
mm)
GummiVollkork
Gummi- gummi
Vollkork
gummi
ca. 65
ca. 60
Shore
ca. 65 Shore
ca. 60
universell
Shore Enge
Shore
universellSchlitze
Enge
(bis 3
Schlitze
mm)
(bis 3
mm)
Abb. 5.3.25: Gummisorten Plattenware, Verwendung bei Kartonage
Vulkollan® als
Profilkork
Profilkork
Profil
Viertelstab
ca.
55 Shoreals ca.
65 Shore
ca.
65 Shore
Vulkollan®
Profilkork
Profilkork
Nutzentr.
Nutzentr.
Nutzentr.
Profil
Viertelstab
Messer
mit
Messer
mit
Messer
ca. 55 Shore
ca. 65 Shore
ca. 65mit
Shore
Haltepunkt
Haltepunkt
Haltepunkt
Nutzentr.
Nutzentr.
Nutzentr.
Messer
Messer
mit bei Kartonage
Messer mit
Abb.
5.3.26:mit
Gummiprofile,
Verwendung
Haltepunkt
Haltepunkt
Haltepunkt
Zellgummi
Softpower
ca. 20 Shore
Auswerfer
Profilgummi
Profilgummi
ca.Profilgummi
60 Shore
Nutzentr.
Messer
ca. 60mit
Shore
Haltepunkt
Nutzentr.
ca. Profilgummi
65 Shore
Nutzentr.
Messer
mitShore
ca. 65
Haltepunkt
Nutzentr.
Messer mit
Haltepunkt
Messer mit
Haltepunkt
Vulkollan®
Aclathan
Elastomer
ca. 40 Shore
Große Abfallteile
ca. 70 Shore
kleine Abfallteile
verschiedene Werte
Rotationsauswerfer
Abb. 5.3.27: Gummisorten Plattenware, Verwendung bei Wellpappe
[ 30 ]
Stand 2015
Softpower
ca. 20 Shore
Auswerfer
ca. 40 Shore
Große Abfallteile
ca. 70 Shore
kleine Abfallteile
verschiedene Werte
Rotationsauswerfer
[Werkzeuge herstellen und vorbereiten]
ProfilKeilgummi
ca. 55 Shore
Rilllinie
Rillgummi
Rillgummi
Rillgummi
Rillgummi
ca. 50 Shore
Rill-SchneidKombination
ca. 50 Shore
Rilllinie
ca. 50 Shore
Rilllinie
ca. 65 Shore
Rilllinie
Abb. 5.3.28: Gummiprofile, Verwendung bei Wellpappe
5.3.6 Gegenzurichtung
Bei der Verarbeitung von Kartonage bedingt die Verwendung von Rilllinien immer eine Gegenzurichtung, auf der sich Rillkanäle befinden.
Diese dienen zur Herstellung eines Rillprofils, in das die Rilllinie beim
Stanzvorgang eindringt, den dazwischenliegenden Karton verformt
und somit eine exakte Biegekante vorbereitet.
Verwendet werden mehrere Zurichtearten.
Welche Auswahl getroffen wird, hängt davon ab, ob einfache Einzelnutzen mit kleiner Auflage am Stanztiegel oder große Auflagen auf
Stanzmaschinen verarbeitet werden.
Weitere Entscheidungskriterien sind die Qualität des zu verarbeitenden Materials, die Kompliziertheit des Packmittels und nicht zuletzt die
maschinelle Einrichtung des Betriebes.
Auf dem Markt werden folgende Arten von Gegenzurichtungen eingesetzt:
a) Kanalfertignuten
Kanalfertignuten sind selbstklebende Zurichtestreifen mit aufgeklebten Kanalrichtstreifen, die auf die Rilllinien aufgesteckt und so auf
die Zurichteplatte übertragen werden. Sie ermöglichen ein schnelles
Zurichten und werden hauptsächlich für kleinere Auflagen mit einer geringen Nutzenanzahl verwendet, da sie sehr weich und daher nicht sehr
haltbar sind.
Die Zurichtestreifen sind in verschiedenen Nutenbreiten erhältlich.
Mit Spezialscheren kann man die benötigten Längen abschneiden
und gleichzeitig auf Gehrung schleifen.
Im Bereich der Wellpappenverarbeitung haben Kanalfertignuten nahezu 100 Prozent Marktanteil, finden jedoch im Bereich der Kartonage
immer weniger Anwendung.
[ 31 ]
[Werkzeuge herstellen und vorbereiten]
Abb. 5.3.29: Kanalfertignuten der Firma Cito, jeweils bestehend aus Leitstreifen, Rillkanal
und Trägerpapier
Vorgehensweise bei dem Einbau/Einrichten der Kanalfertignuten:
Aufbringen des Leitstreifens an
der Rilllinie und Entfernen des
Trägerpapiers.
Stanztiegelbewegung und damit
Ablegen des Kanals auf der
Gegenstanzplatte. Der Kanal haftet
durch die Kleberschicht an der
Kanalunterseite.
Öffnen des Stanztiegels und
Entfernen des Leitstreifens. Die
Gegenzurichtung ist nun
produktionsbereit.
Abb. 5.3.30: So werden Kanalfertignuten eingebaut.
[ 32 ]
Stand 2015
[Werkzeuge herstellen und vorbereiten]
b) Rillma®-Fertigmatrizen
Die Rillma®-Gegenzurichtung besitzt derzeit den höchsten Marktanteil und ist in verschiedenen Materialien wie Pertinax, Vetronit und
Messing erhältlich.
Auf der Rückseite ist die Gegenzurichtung mit einer Klebefolie versehen.
Prinzipiell hat man zu jedem Nutzen auf Stanzform eine einzelne
Matrize.
Für den Stanzvorgang werden die Zurichtungen mittels Passerstiften
auf die Stanzform montiert, die Klebefolie entfernt und während des
ersten Stanzvorganges auf die Stanzplatte übertragen. Sie sind dadurch optimal zum Nutzen ausgerichtet.
Die Gegenzurichtung ist im Bereich der Schneidlinie ausgespart.
Mit numerisch gesteuerten Fräsmaschinen können diese Einzelnutzen-Gegenzurichtungen (Teilmatrizen) nach dem Stanzform-CADProgramm gefräst werden. Die Fräsmaschine ist mit Hochfrequenzspindeln ausgerüstet, deren Fräswerkzeuge je nach Kanalbreite einfach
auswechselbar sind.
Beispielrechnung zur Festlegung von Rilllinienhöhe und Kanaltiefe:
Kartonbogen mit Dicke d = 0,4 mm
Als Standard sollte eine Stanzlinie mit Höhe = 23,8 mm vorgegeben
werden.
Kanalfertignuten mit selbstklebenden Zurichtestreifen werden hauptsächlich bei kleineren
Nutzenzahlen verwendet, da sie
weich und damit wenig haltbar
sind.
Rillma®-Fertigmatrizen haben
aktuell den größten Marktanteil. Sie bestehen aus
Messing, Vetronit oder Pertinax.
Der nachfolgende Abschnitt
informiert, wie man sie richtig
einsetzt.
Berechnung der Kanaltiefe: Um eine optimale Rillausbildung zu erlangen, darf das Kartonmaterial im Rillkanal nicht gequetscht werden.
Die Rillkanaltiefe sollte daher immer die Kartondicke (Kaliber) übertreffen – man rechnet zur Kartondicke + 0,1 mm hinzu.
Also Kanaltiefe = Kartondicke + 0,1 mm, in dem Fall also
= 0,4 mm + 0,1 mm = 0,5 mm
Auswahl Rillma: Es lässt sich eine Rillma mit Höhe 0,6 mm verwenden, wobei im Bereich des Rillkanals die Reststärke von 0,6 – 0,5 =
0,1 mm verbleibt.
Aus diesen Angaben lässt sich die notwendige Höhe der Rilllinie berechnen nach:
Schneidlinienhöhe
abzüglich Rillkanaltiefe
abzüglich Reststärke
23,8 mm
-0,5 mm
-0,1 mm
Ergibt Höhe der Rilllinie
23,2 mm
[ 33 ]
[Werkzeuge herstellen und vorbereiten]
Berechnung der Rillkanalbreite:
Die Rillkanalbreite ist abhängig von der Materialdicke und der Rilllinienstärke.
Generell gilt folgende Faustformel:
Materialdicke x 1,5 + Rilllinienstärke = Rillkanalbreite
Beispiel: Bei 2-Pkt Rilllinie und Kartondicke 0,4 mm ergibt sich daraus die
Rillkanalbreite = 0,4 mm x 1,5 + 0,71 = 1,31 mm
~ 1,3 mm
Gegen den Faserlauf werden immer 0,1 mm in der Kanalbreite zugegeben.
Rillma®-Fertigmatrizen aus:
 Messing
 Vetronit
 Pertinax
daraus die
,3 mm
Abb. 5.3.31: verschiedene Materialien für Rillma®-Fertigmatrizen
Bei Stanzrillplatten sind die
Rillkanäle fest integriert. Sie
werden bei hohen Auflagen und
hohen Qualitätsansprüchen
verwendet. Denn sie erlauben
im Vergleich zur Rillma®Matrize einen gleichmäßigeren
Bogenlauf.
Die marbagrid®-Gegenzurichtung ist kostengünstiger als die
Stanzrillplatte. Bei ihr werden
die fest integrierten Kanäle mit
einem Laser ausgeschnitten.
[ 34 ]
c) Stanzrillplatten
Als Stanzrillplatte bezeichnet man eine Gegenstanzplatte mit integrierten Rillkanälen. Sie beinhaltet also die Funktionen „Stanzfläche für
die Schneidlinien“ und gleichzeitig die der Gegenzurichtung.
Stanzrillplatten verfügen über die höchste Qualität aller Gegenzurichtungsarten und werden bei hochwertigen Verpackungen oder bei
großer Auflagenhöhe eingesetzt. Sie sind in beliebigen Härtegraden
erhältlich. Grundsätzlich gilt im Bezug auf die Härte: Je härter, desto
teurer, aber desto haltbarer.
Die Rillkanäle werden entweder in die Stanzrillplatten erodiert oder
gefräst. Stanzrillplatten versprechen absolute Maßhaltigkeit und eine
sehr hohe Auflagenfestigkeit.
Stand 2015
[Werkzeuge herstellen und vorbereiten]
Abb. 5.3.32: Stanzrillplatte
Als weiteren Vorteil erlaubt die Verwendung einer Stanzrillplatte einen flacheren, gleichmäßigeren Bogendurchlauf als bei einer Rillma®Matrize, vergleiche nachstehende Grafik.
1) bei Verwendung einer Stanzrillplatte
Aluminiumblock
Aluminiumblock
Gleichmäßiger, fast ebener Bogendurchlauf. Daher fast keine Spannung auf
dem Kartonmaterial. Keinerlei Gefahr von Druckstellen durch die Gummierung.
2) bei Verwendung von Rillma®-Matrizen
Aluminiumblock
Aluminiumblock
Unruhiger Bogendurchlauf, da der Höhenunterschied zur Rillma®-Matrize
überwunden werden muss. Sehr große Gefahr von Druckstellen durch die
Gummierung.
Abb. 5.3.33: Vergleich des Bogendurchlaufs bei Verwendung einer Rillma®-Matrize gegenüber einer Stanzrillplatte
[ 35 ]
[Werkzeuge herstellen und vorbereiten]
d) marbagrid®-Gegenzurichtung
Die marbagrid®-Gegenzurichtung ist eine preisgünstige Alternative
zur Stanzrillplatte.
Der Rillkanal wird bei der marbagrid®-Gegenzurichtung komplett
mittels Laser ausgeschnitten. Es ergibt sich somit ebenfalls eine Stanzund Rillfläche in einer Ebene.
Das Ergebnis ist ein Rillkanal, bei dem die Kanaltiefe der Stanzplattendicke entspricht.
Abb. 5.3.34: marbagrid®-
Abb. 5.3.35: Prinzip der marbagrid®-Gegenzurichtung
Gegenzurichtung
Im Rillprozess muss sehr genau
gearbeitet werden. Zwischen
Rilllinie und Rillkanal darf
die Toleranz bei Kartonagen
0,2 mm nicht überschreiten.
Anforderungen an die Genauigkeiten von Gegenzurichtungen
Der Rillprozess besteht im Prinzip aus Rilllinie und Rillkanal – beide
Teile müssen dabei zentrisch zueinander orientiert sein.
Im Kartonagebereich gelten rund 0,2 mm als maximal zulässige Abweichung. Größere Toleranzen beeinflussen das Rillergebnis negativ,
indem unsymmetrische Rillungen oder Beschädigungen entstehen.
Diese verdeutlicht folgende Darstellung:
Abb. 5.3.36: Beispielhafte Darstellung außermittige Rillung bei einer Rillmatrize aufgrund
eines Versatzes zwischen Rilllinie und Rillkanal
[ 36 ]
Stand 2015
[Werkzeuge herstellen und vorbereiten]
Um sich die geforderten Toleranzen zu vergegenwärtigen, kann man
die Maßänderungen einer Stanzrillplatte – allein durch Temperatureinfluss – ermitteln:
Gegenstanzplatten aus Stahl verhalten sich unempfindlich gegenüber Feuchtigkeitsänderung, sie reagieren aber auf Temperaturänderung durch Wärmeausdehnung nach:
l = a1? l1 ? t
Mit
l
a1
l1
t
Längenausdehnung
ଵ ଵ
Längenausdehnungskoeffizient
(werkstoffspezifisch)
Anfangslänge
Temperaturänderung
ଵ ଵ
Beispiel:
Berechnung der Längenänderung bei einer Gegenstanzplatte im 6erFormat der Druckindustrie bei folgenden Daten:
Abmessungen 1420 x 1020, als Anfangslänge l1 die längere Seite
1420 mm betrachtet
a1:0,000 017
(Stahl, legiert, Daten von Tabellenbuch Metall)
t: 5°C (angenommene Temperaturänderung in einer Produktionshalle)
Mit diesen Werten ergibt sich
eine Längenausdehnung l von 0,114 mm
Fazit:
Die Berechnung zeigt, dass man allein aufgrund von Temperatureinfluss mit Maßabweichungen von rund 0,1 mm rechnen muss. Umso
wichtiger ist also ein sorgfältiger und korrekter Einbau von Stanzform
und Gegenzurichtung.
Die Rillma hat den Vorteil, dass sie beim Ablegen zu jedem einzelnen
Nutzen ausgerichtet wird.
Die Stanzrillplatte kann technisch mit hoher Genauigkeit hergestellt
werden. Wichtig ist dann, dass die Stanzformträgerplatte gegenüber
der Stanzrillplatte möglichst wenig durch Temperatur- oder Feuchtigkeitseinflüsse verursachte Maßänderungen erfährt.
Idealerweise hat die Trägerplatte die gleiche Wärmeausdehnung wie
die Stanzrillplatte. Dies erreicht man am besten bei glasfaserverstärktem Kunststoff.
Aus diesem Grund kombiniert man Stanzrillplatten üblicherweise
mit Stanzformen auf Duramar-Trägerplatten.
Schon bei einem Temperaturunterschied von 5°C dehnt sich
eine 1,42 m lange Gegenstanzplatte um 0,1 mm aus. Umso
wichtiger ist ein sorgfältiger
Einbau von Stanzform und
Gegenzurichtung.
[ 37 ]
[Werkzeuge herstellen und vorbereiten]
Rillen von Wellpappe ohne Rillkanal
Bei Wellpappe ist oft kein Rillkanal notwendig; die Faltlinien entstehen durch Eindrücken des Materials durch die Rilllinien gegen eine
flache Gegenstanzplatte.
Abb. 5.3.37: Rillvorgang bei Wellpappe ohne Gegenzurichtung
Die notwendige Rilllinienhöhe berechnet man aus der Schneidlinienhöhe und der Dicke des komprimierten Materials.
Beispiel: B-Welle mit Höhe 3,0 mm, komprimiertes Material ca. 0,8 mm
(Zur Ermittlung der komprimierten Materialdicke kann man eine Materialprobe manuell zusammendrücken und die Höhe messen, da diese
von den eingesetzten Papieren in der Wellpappe abhängt.)
Bei einer Schneidlinienhöhe von 23,8 mm ergibt sich daraus die Rilllinienhöhe nach:
Rilllinienhöhe = 23,8 – 0,8 = 23,0 mm
[ 38 ]
Stand 2015
[Werkzeuge herstellen und vorbereiten]
Zusammenfassung und Vergleich der einzelnen Gegenzurichtungssysteme
Standzeit
®
ca. 300.000
5.3.6.1 Rillma
Pertinax
Rillma® Vetronit ca. 400.000
Preis
Rüstzeit
Genauigkeit
$$$
$$$$
Rillma® Messing ca. 600.000
$$$$$$$
Nyloprint
ca. 200.000
$$$$$$$$$
Pressspan
ca. 300.000
$$
Kanalfertignuten ca. 100.000
$
marbagrid®
ca. 1 Mio.
$$$$$$$$$
Stanzrillplatte
gefräst
ca. 2 Mio.
$$$$$$$$$$$$
Stanzrillplatte
erodiert
ca. 5 Mio.
$$$$$$$$$$$$$$$$
Erläuterung zur Übersicht:
Kanalfertignuten haben den
niedrigsten Preis, zugleich aber
auch die geringste Standzeit
sowie Nachteile bei den Rüstzeiten und der Genauigkeit.
Am teuersten ist die erodierte
Stanzrillplatte. Sie hat dafür
eine sehr hohe Standzeit und
bietet Vorteile bei Rüstzeiten
und Genauigkeit. Welche Systeme angewendet werden, hängt
zum einen vom Anspruch an die
Verpackung und zum anderen
von der Auflage ab.
Abb. 5.3.38: Zusammenfassung und Vergleich der einzelnen Gegenzurichtungssysteme
5.4 Druckkraftberechnung
Es ist oft sehr wichtig, die für einen Stanzauftrag voraussichtlich benötigte Druckkraft im Vorfeld abschätzen zu können. Hierbei spielen jedoch
mehrere Faktoren eine entscheidende Rolle. Bei Veränderung auch nur
eines Parameters (Zustand) dieser Faktoren kann sich die Druckkraft
deutlich verändern. Folgende Faktoren sind ausschlaggebend:
1.) das zu stanzende Material in Bezug
auf:
a) Struktur
b) Spezifikation
c) Flächengewicht
d) Faserrichtung
e) Feuchte
f) Dichte (Festigkeit)
2.) Zustand der Stanzlinien in Bezug auf:
a) Abnutzung (Verschleiß)
b) Linienlänge
3.) Art der Gummierung:
a) Auswahl der Gummisorte
b) Härte der gewählten Gummiarten
4.) die Gegenstanzplatte:
a) Härte der Gegenstanzplatte
b) Zustand (Abnutzung) der
Gegenstanzplatte
5.) Art des zu stanzenden Auftrages:
a) mit Prägung
b) mit Negativritzung
Stanzdruck: Es gibt je nach
Material Erfahrungswerte. Doch
um exakte Druckkraftangaben
zu erhalten, muss man das zu
bearbeitende Material einem
Stanztest unterziehen.
Abb. 5.4.1: Übersicht zu berücksichtigender Faktoren bei einem Stanzauftrag
Um exakte Druckkraftangaben erhalten zu können, ist es notwendig,
diese bei einem Stanztest mit dem zu stanzenden Material zu ermitteln.
[ 39 ]
[Werkzeuge herstellen und vorbereiten]
Als Faustregel können jedoch folgende Werte eingesetzt werden,
angegeben in Kraft pro Längeneinheit beziehungsweise pro Fläche bei
Prägung:
Scharfe
Schneidlinie
in Faserlauf
Scharfe
Schneidlinie
gegen Faserlauf
Stumpfe
(abgenutzte)
Schneidlinie
in Faserlauf
Stumpfe
(abgenutzte)
Schneidlinie
gegen Faserlauf
scharfe Ritzlinie
stumpfe
(abgenutzte)
Ritzlinie
Rilllinie
Moosgummi 30-35
Shore
Vulkollangummi
50-55 Shore
Korkgummi 60-65
Shore
Prägung
Chromokarton Triplexkarton Duplexkarton einwellige doppelwellige
ca. 250-350 gr ca. 250-350 ca. 250-350 Wellpappe Wellpappe
gr
gr
35 kg/cm
38 kg/cm
40 kg/cm
44 kg/cm 54 kg/cm
37 kg/cm
41 kg/cm
44 kg/cm
48 kg/cm
58 kg/cm
45 kg/cm
51 kg/cm
56 kg/cm
60 kg/cm
66 kg/cm
48 kg/cm
54 kg/cm
60 kg/cm
63 kg/cm
68 kg/cm
30 kg/cm
36 kg/cm
32 kg/cm
37 kg/cm
37 kg/cm
40 kg/cm
42 kg/cm
44 kg/cm
54 kg/cm
58 kg/cm
25 kg/cm
18 kg/cm
28 kg/cm
30 kg/cm
32 kg/cm
42 kg/cm
25 kg/cm
35 kg/cm
350 kg/cm²
Abb. 5.4.2: Übersicht der erforderlichen Druckkräfte – ungefähre Angaben, die im Einzelfall
zu überprüfen sind
[ 40 ]
Stand 2015
[Werkzeuge herstellen und vorbereiten]
Beispiel für Zuschnitt = Faltschachtel MB 50A = 80 x 60 x 110 mm
Material = Chromo-Karton, ca. 300 gr/m²
❶
Gesamtlänge der Schneidlinien:
= 142 cm/Ntz.
❷
❻ ❼ = 5.986 kg
= 32 cm x 36,5 kg
= 1.168 kg
Gesamtlänge der Rilllinien:
= 108 cm/Ntz.
❺ = 164 cm x 36,5 kg
Gesamtlänge der Abfalltrennmesser:
= 32 cm/Form
❹
= 20.732 kg
Gesamtlänge der Druckausgleichslinien:
= 82 cm/Stk.
❸
= 568 cm x 36,5 kg
= 432 cm x 25,0 kg
= 10.800 kg
Gesamtlänge des Moosgummis:
= 820 cm
= 820 cm x 18,0 kg
= 14.760 kg
Gesamtlänge des Vulkollangummis:
= 360 cm
= 360 cm x 25,0 kg
= 9.000 kg
Gesamtfläche der zu prägenden Motive:
= 3,5 x 3,5 cm/Ntz.
= 49 cm² x 350 kg
= 17.150 kg
Insges. = 79.596 kg
= ca. 80 Tonnen
Abb. 5.4.3: Beispiel und technische Angaben für einen Zuschnitt
[ 41 ]
[Werkzeuge herstellen und vorbereiten]
5.5 Flaches Stanzwerkzeug herstellen
5.5.1 Die Konstruktion der Stanzkontur
CAD = computer-aided
design = rechnerunterstütztes
Konstruieren
In der Verpackungsmittelindustrie verwendetes
CAD-Programm. Seite des
Herstellers Arden Software:
http://www.ardensoftware.de/
impact/
Weitere Hersteller sind
zum Beispiel:
ERPA (VPACK®):
http://www.erpa.de
ArtiosCAD Esko-Graphics:
http://www.esko.com
Die Konturlinien, in welchen später auf der Trägerplatte die Bandstahllinien montiert werden, werden mit Hilfe eines CAD-Programms in
der Draufsicht konstruiert.
CAD-Konstruktion einer Faltschachtel, hier beispielhaft mit CAD-System „Impact“:
Abb. 5.5.1: CAD-Konstruktion eines Faltschachtelzuschnittes
Zuschnitte können auch Stanzformhersteller erstellen, wenn
sie die CAD-Daten des Kunden,
den ECMA- oder FEFCO-Code
erhalten.
[ 42 ]
Weitere erhältliche CAD-Programme speziell zur Verpackungsentwicklung lauten zum Beispiel VPACK® oder ArtiosCAD.
Die CAD-Daten stellt im Allgemeinen zum Teil schon der Kunde bereit
– zumindest die Zeichnung des reinen Verpackungszuschnittes, so wie
sie bei der Entwicklungstätigkeit entstand.
Über die Angabe des ECMA- oder FEFCO-Codes und den zugehörigen
Maßen ist die Erstellung des Zuschnittes auch durch den Stanzformenhersteller möglich.
Stand 2015
[Werkzeuge herstellen und vorbereiten]
Ausgehend vom ersten Nutzen entsteht nun nach Kundenvorgaben
die komplette Stanzform unter Berücksichtigung
• der Seitenorientierung (die Stanzung von Kartonagen erfolgt von
oben, also auf die Druckseite, die Stanzform ist dann spiegelbildlich
zum Druckbild herzustellen),
• der gewünschten Formatgröße (Stanzmaschinenformat),
• der optimalen Nutzenanordnung,
• Maschinenspezifikationen (zum Beispiel Abstände Holzrahmen bis
erstes Messer, Greiferrand, Rüstvorrichtungen wie Centerline® etc.),
• auftragsspezifische Bauteile wie Prägefelder, Braille-Prägungen, Gegendruckblöcke für Gegenritzplättchen etc.),
• Brücken im Holz – die Schnitte für die Bandstahllinien sind in regelmäßigen Abständen zu unterbrechen, sodass Verbindungspunkte
entstehen und die Trägerplatte stabil bleibt,
• Erweiterungen, wie Abfalltrennmesser, um nach dem Stanzen große
Abfallstücke besser entfernen zu können, sowie
• Druckausgleichslinien, um für eine gleichmäßige Druckverteilung im
Stanztiegel zu sorgen, wenn die Bandstahllinien nicht gleichmäßig
auf der Form verteilt sind.
Für den Stanzformenbau verfügt das CAD-System auch über umfangreiche CAM-Funktionen. Dies bedeutet, dass die CAD-Daten zur Ansteuerung verschiedener CNC-gesteuerter Maschinen, wie Lasermaschinen
oder Abläng- und Biegemaschinen, verwendet werden können. Die
Herstellung der Stanzform erfolgt entweder in einer eigenen Abteilung
des packmittelerzeugenden Betriebes oder (üblicherweise) bei einem
Stanzformenhersteller außerhalb des Hauses.
CAM = computer-aided
manufacturing, also computerunterstützte Fertigung
5.5.2 Das Lasern der Stanzkontur
Laseranlagen bestehen im Allgemeinen aus einer Laserquelle, welche die Laserstrahlung erzeugt, einem Strahlführungssystem sowie Bearbeitungsoptiken (Fokussierung/Schneidkopf), einem Führungssystem
(Antriebe) und der Steuerung.
Abb. 5.5.2: Lasermaschine
[ 43 ]
[Werkzeuge herstellen und vorbereiten]
Kohlendioxid, Stickstoff und
Helium
Die Laserquelle erzeugt die Laserstrahlung, also eine sich nahezu
parallel ausbreitende, kohärente und monochrome elektromagnetische Strahlung. Die enthaltenen Lichtwellen verfügen also alle über die
gleiche Wellenlänge und Phasenbeziehung. Dadurch ist es möglich,
diese Strahlung enger zu fokussieren, als es mit natürlichem Licht möglich wäre. Durch die hohe Energiekonzentration am Fokuspunkt lassen
sich Metalle, Kunststoffe, Holzplatten und viele weitere Materialien
schneiden.
Die Wellenlänge des Lasers bestimmt das Absorptionsverhalten des
zu bearbeitenden Materials – also die Eigenschaft, die Laserenergie
aufzunehmen. Für einen Laser-Schneidprozess ist eine hohe Absorption des jeweiligen Materials notwendig. Während sich bei Metallen eine
Laserstrahlung mit einer Wellenlänge von rund 1 µm als günstig erweist,
so eignet sich bei organischem Material wie Holz eine Laserstrahlung
mit einer Wellenlänge von rund 10 µm. Strahlung dieser Wellenlänge
erzeugen Laserquellen, welche als aktives Lasermedium ein CO2-N2-HeGasgemisch aufweisen. Man spricht in diesem Fall üblicherweise von
CO2-Laserquellen.
Das Schneiden von Trägerplatten aus Holz erfolgt deshalb grundsätzlich auf Lasermaschinen mit CO2-Laserquellen.
Die Laseranlage muss sich so einstellen lassen, dass ein leichter
Press-Sitz für die Bandstahllinien entsteht. Dies erfolgt durch Anpassung der Maschinenparameter wie:
•
•
•
•
Trägerplatten werden heute
mit Lasern geschnitten. Das
ist wesentlich genauer und
weniger zeitaufwendig als die
Sägetechnik vergangener Tage.
[ 44 ]
Fokussieroptik, Anheben, Absenken,
Verfahrgeschwindigkeit,
spezielle Laserleistungssteuerungen wie Pulsbetrieb sowie
Menge und Druck des Schneidgases.
So ist es möglich, in einem Durchgang stufenlos die Schnitte für 1, 2,
3 oder 4 Punkt breite Linien herzustellen.
Dabei ist es für einen stabilen Verbund der Trägerplatte wichtig, nicht
die komplette Kontur des späteren Stanzzuschnittes zu schneiden,
sondern noch Verbindungspunkte (Stege) stehen zu lassen. Der Bandstahl wird an diesen Stegen entsprechend ausgespart (ausgeklinkt).
Stand 2015
[Werkzeuge herstellen und vorbereiten]
Steg
Abb. 5.5.3: lasergeschnittene Trägerplatte, Bandstahl-Elemente für die Sicherheitseinschnitte angesetzt (noch nicht eingearbeitet). Unterbrechungen des Laserschnittes, sodass
Verbindungsstege bleiben.
Mit dem Laser lassen sich auch Dokumentationen wie Auftragsdaten
oder empfohlener Stanzdruck für die spätere Verwendung an der Stanzmaschine auf die Trägerplatte gravieren.
Vor Einführung der Lasertechnik sägte man die Schlitze mit Dekupiersägen. Dies war wesentlich zeitaufwendiger und nicht so wiederholgenau, da die Zuschnittform zuerst auf die Platten gezeichnet und
manuell an der Säge geführt werden musste. Für unterschiedliche Linienbreiten musste man das Sägeblatt wechseln. Für jedes Liniensegment war zunächst ein Loch zu bohren, um das Sägeblatt durchführen
zu können. Im Vergleich dazu lässt sich mit der Lasertechnik die Trägerplatte automatisiert und wesentlich schneller schneiden, es sind auch
feinere Konturen möglich.
5.5.3 Die Bandstahlmontage
Nach wie vor in Handarbeit geschieht das Einsetzen der Bandstahllinien in die vom Laser geschnittene Trägerplatte. Schneid-, Rill-, Ritzund Perforationslinien werden auf die im CAD-Programm vorgegebene
Länge zugeschnitten. Es ist erstrebenswert, möglichst geschlossene Linienzüge zu erzielen – das heißt: so lange wirtschaftlich und technisch
möglich, Linien aus einem Stück zu verwenden.
[ 45 ]
[Werkzeuge herstellen und vorbereiten]
Abb. 5.5.4: Schneidlinie aus einem Stück mit mehreren Biegestellen, Ausklinkungen wegen
Stegen in der Trägerplatte
Bei senkrechten Linienanschlüssen montiert man zuerst die durchgehende Linie und setzt anschließend die seitliche Linie auf. Diese hat
am Ende einen Überhang („Häkchen“) an der Schneidenspitze, sodass
sich an der Übergangsstelle ein geschlossener Linienzug ergibt.
Abb. 5.5.5: Linienreihenfolge bei Montage von Schneidlinien. Links: erst durchgängige
Linie, dann Linie mit Häkchen. Rechts: An der Schneidenspitze entsteht so ein geschlossener Linienzug.
[ 46 ]
Stand 2015
[Werkzeuge herstellen und vorbereiten]
Abb. 5.5.6: aufgesetzte Linie mit Häkchen
Biegungen und Radien werden mit auswechselbaren Einsätzen auf
Biegeapparaten gebogen. Die so gefertigten Bandstahlteile werden
anschließend mit einem Schonhammer in die gelaserten Konturlinien eingearbeitet. Zum Schluss müssen alle Maße nochmals überprüft
werden und gegebenenfalls kleine Korrekturen mit Richtwerkzeugen
vorgenommen werden.
Damit die später gestanzten Kartonbögen sich zuverlässig durch
die Maschine ziehen lassen, ist es notwendig, dass noch kleine Verbindungspunkte („Haltepunkte“) zwischen den Nutzen und den Abfallteilen verbleiben. Diese Haltepunkte entstehen durch kleine Kerben an
den Schneidlinien, welche mit speziellen Schleifgeräten, den „Haltepunktschleifern“, vor oder nach der Montage der Linien eingeschliffen
werden.
Falls so ein Gerät nicht zur Verfügung steht, kann in Einzelfällen der
Haltepunkt mit einem Meißelwerkzeug eingeschlagen werden.
Dies sollte aber nicht das generelle Verfahren sein,
• weil beim Einschlagen zu große Ungenauigkeiten bei der Breite und
Tiefe entstehen. Damit wird der Haltepunkt am Zuschnitt entweder
zu schwach (Zuschnitte würden nicht zuverlässig durch die Stanzmaschine laufen) oder zu stark ausgebildet (deutlich sichtbare
Fasern oder Einrisse beim späteren Trennen).
• weil die Schneide neben dem Haltepunkt teilweise abbrechen kann
(die Schneide ist ein gehärteter und spröder Bereich – sie reagiert
empfindlich auf Schlagbeanspruchung).
Der Schonhammer ist ein
Hammer, dessen Köpfe aus
Kunststoff (zum Beispiel Nylon)
sind. Er dient oft dem Positionieren und Ausrichten von
Maschinen oder montierten
Werkstücken und dem Bearbeiten weicher Metalle.
Schneidlinien sind aus hartem
und damit sprödem Material.
Sie reagieren empfindlich auf
Schlagwirkung. In Ausnahmefällen kann man mit einem
speziellen Meißelwerkzeug Kerben in die Schneidlinie schlagen, damit auf den gestanzten
Nutzen später Haltepunkte
entstehen, welche die Zuschnitte bis zur Weiterverarbeitung
zusammenhalten. Besser und
genauer ist es jedoch, diese
Kerben einzuschleifen.
[ 47 ]
[Werkzeuge herstellen und vorbereiten]
Abb. 5.5.7: Vergleich Haltepunkt,
oben: eingeschliffen,
unten: eingeschlagen
Abb. 5.5.8: Haltepunkte zwischen gestanzten Zuschnitten, erzeugt durch Einkerbungen an
der Schneidenspitze
[ 48 ]
Stand 2015
[Werkzeuge herstellen und vorbereiten]
Abb. 5.5.9: Montagewerkzeuge für Bandstahllinien
5.5.4 Biegefreischleiftechnik
Beim Biegen von Schneidlinien ergeben sich im Verformungsbereich
der Biegekante eine Zug- und eine Druckzone. Dazwischen liegt die
Schneidenspitze:
Abb. 5.5.10: Zug- und Druckzone einer Biegestelle – 1. Schneidenspitze, 2. neutrale Faser
Bei scharfkantigen Biegungen (Radien von 0,5 mm bis 3 mm) wird
die innere Schicht gestaucht und die äußere Schicht gedehnt. Es entsteht eine Druck- und eine Zugspannung. Das führt dazu, dass die
Schneidenspitze durch das Stauchen der inneren Schicht in den hinteren Dehnungsbereich gedrückt wird. In diesem Dehnungsbereich findet
Bei scharfkantigen Biegungen
werden Schneidlinien innen
freigeschliffen. Das führt dazu,
dass sich Druck- und Zugspannungen verringern und damit
auch unerwünschte Verformungen (Höhenverlust). Diese
können zu einem schlechten
Stanzergebnis führen.
[ 49 ]
[Werkzeuge herstellen und vorbereiten]
ein Einschnürungsprozess statt, wodurch die Höhe der Schneidlinie in
diesem Bereich abnimmt. Je nach Materialhärte, Biegeradius und Biegewinkel kann sich dieser Höhenverlust auf bis zu 0,05 mm belaufen.
Diese reduzierte Höhe führt zu schlechten Stanzergebnissen an den
betroffenen Stellen.
Diese Problematik wird weitestgehend dadurch beseitigt, dass die
Schneidlinien vor dem Biegen an den Biegestellen im Druckbereich
freigeschliffen werden. Durch die Entfernung des Materials entwickelt
sich beim Biegen die Druck- und Zugspannung weniger stark und dadurch bleibt die Schneidlinienhöhe weitestgehend konstant.
Abb. 5.5.11: Biegestelle mit Freischliff – 1. Schneidenspitze, 2. neutrale Faser
Spikelmittenradius = spezieller
Begriff, mit welchem Fachleute
beim Werkzeuge-Hersteller
Marbach die Form des Bandstahls zwischen Zigarettenzuschnitten an einer bestimmten
Lasche bezeichnen. Begriffe
dieser Art sind nicht in der
Branche nicht normiert. Alternative Bezeichnung: radienförmige Laschenanschlüsse an
Zigarettenzuschnitten
Das nachfolgende Diagramm zeigt die Anwendungen des Biegefreischleifens im:
•
•
•
•
•
•
•
Faltschachtelbereich bei den
Sicherheitseinschnitten (Abb. 5.5.12, Pos. 4) und bei den
Magazinschlitzen – falls aus 1 Teil gefertigt (Abb. 5.5.12, Pos. 3)
Zigarettenschachtelbereich bei den
Laschenradien (Abb. 5.5.12, Pos. 5) und gelegentlich auch beim
Spikelmittenradius (Abb. 5.5.12, Pos. 7)
allgemeinen Stanzformenbereich bei Radien bis 3 mm und einem
Biegewinkel über 90°.
Abb. 5.5.12: Beispiele der Anwendung
des Biegefreischleifens und der Stoßeinschleiftechnik
[ 50 ]
Stand 2015
[Werkzeuge herstellen und vorbereiten]
5.5.5 Stoßeinschleiftechnik
Bei einem tangentialen Schneidlinienstoß muss ab einer Schrägstellung von rund 20° das Häkchen dem Winkel entsprechend hinterschliffen werden. Dies führt zwangsläufig zu einem Stabilitätsverlust des
Häkchens. In diesem Fall ist es empfehlenswert, die zwar aufwendige,
aber dafür technisch solide Lösung des Stoßeinschleifens zu wählen.
Unterstützt wird diese Technik durch eine zusätzliche Stoßabstützung
(Abb. 5.5.12, Pos. 2).
Das Stoßeinschleifen findet Anwendung im:
• Faltschachtelbereich beim Einstecklaschenstoß (Abb. 5.5.12, Pos. 1)
• Zigarettenschachtelbereich bei den Spikelschlitzen (Abb. 5.5.12,
Pos. 6)
• allgemeinen Stanzformbereich bei tangentialem Stoß ab 20°
Die Linien schleift man manuell geführt an einem Schleifbock oder,
für genauere Ergebnisse beziehungsweise größere Stückzahlen, automatisiert an einem Gehrungsschleifer.
Abb. 5.5.13: Beispiel für tangentialen
Linienstoß mit hinterschliffenen Linien
Abb. 5.5.14: Stanzform mit montierten
Schneid- und Rilllinien
[ 51 ]
[Werkzeuge herstellen und vorbereiten]
Einige wichtige Geräte im Stanzformenbau:
[ 52 ]
Abb. 5.5.15: manuelle Häkchenschere
Abb. 5.5.16: Handbiegeapparat
Abb. 5.5.17: automatische Linienbearbeitungsmaschine
Abb. 5.5.18: hydraulischer Biegeapparat
Abb. 5.5.19: Gehrungsschleifer
Abb. 5.5.20: Biegefreischleifgerät
Stand 2015
[Werkzeuge herstellen und vorbereiten]
5.5.6 Das Gummieren des Stanzwerkzeuges
Nach der Bandstahlmontage folgt als nächster Schritt die Gummierung der Stanzform.
Gummi in Form von Profilen schneidet man manuell mit Scheren,
wohingegen Wasserstrahl- oder Plottermaschinen (mit oszillierendem
Messer) flächige Gummikonturen schneiden können.
Die Gummimaterialien sind auf der Rückseite mit einer Kleberschicht
und Trägermaterial kaschiert, sodass man sie nach dem Schneiden direkt auf die Stanzform aufkleben kann. Je nach Größe der Gummiteile
bringt man zur Unterstützung der Klebeverbindung zusätzlich einen
schnell härtenden Klebstoff auf.
Abb. 5.5.21: Vulkollan (33 – 55 Shore), vorgesehen in engen Schlitzen, hier
„Magazinschlitz“
Abb. 5.5.22: Moosgummi (ca. 35 Shore) als
Abb.5.5.23: C-Profilgummi an nutzentrennender
allgemeiner Auswerfergummi an Schneidlinien
Schneidlinie zur Verhinderung des Abreißens der
Haltepunkte zwischen den Nutzen. Funktionserklärung
siehe Abschnitt „Gummieren“.
[ 53 ]
[Werkzeuge herstellen und vorbereiten]
Abb. 5.5.24: gummierte Stanzform, bereit für die Verwendung an der Stanzmaschine
Abb. 5.5.25: Wasserstrahlschneidanlage
Abb. 5.5.26: Wasserstrahlschneidanlage von innen
[ 54 ]
Stand 2015
[Werkzeuge herstellen und vorbereiten]
5.6 Ausbrechwerkzeug
Abb. 5.6.1: In diesem Maschinenbereich findet das Ausbrechen des Abfalls statt.
Nach dem Stanzen erfolgt – je nach Maschinenausrüstung – das Entfernen des umgebenden, nicht gebrauchsfähigen Abfalls. Diesen Vorgang nennt man das Ausbrechen.
Hierzu wird ein Ausbrechwerkzeug benötigt: Es besteht aus einem
Ausbrechoberteil und einem Ausbrechunterteil. Von der Funktionsweise unterscheidet man zwischen zwei Prinzipien:
• konventionelles Ausbrechen: Im oberen Werkzeug sitzen geformte
Stahllinien, welche der Kontur des Abfalls entsprechen und den Abfall durch die Aussparungen am Ausbrechunterteil hindurchdrücken
• dynamisches Ausbrechen: Im oberen Werkzeug sitzen einzelne standardisierte Krallen, deren Spitzen in das gestanzte Material leicht
eintauchen.
Das dynamische Ausbrechen
des Abfalls läuft dem konventionellen Ausbrechen in der
Betriebspraxis den Rang ab:
Bei der dynamischen Variante sitzen standardisierte
Krallen im oberen Werkzeug
deren Spitzen in das gestanzte
Material leicht eintauchen.
Diese Methode erlaubt höhere
Produktionsgeschwindigkeiten.
Das dynamische Ausbrechen erlaubt höhere Produktionsgeschwindigkeiten als die konventionelle Bauweise und entwickelt sich immer
mehr zum Marktstandard.
Es folgt deshalb hier eine ausführlichere Beschreibung zum dynamischen Ausbrechen:
Die richtige Positionierung und die Verwendung der richtigen Anzahl
an Krallen sind maßgeblich für ein perfektes Ausbrechen, dies wird in
Abhängigkeit zur Kartondicke und Kartonqualität bestimmt. Darüber
hinaus sind im Ausbrechoberteil ausreichend Luftlöcher vorhanden,
um einen Vakuumeffekt beim Zusammenfahren der Maschine zu vermeiden.
Im Ausbrechunterteil befinden sich Aussparungen, durch die der Abfall hindurchfällt.
Die Abfalldurchbrüche im Ausbrechunterteil sind speziell gestaltet.
An definierten Stellen werden so genannte Auflagen gebildet. In diesem Bereich ist der Durchbruch, im Gegensatz zu der ansonsten umlaufend größer ausgeführten Kontur, verengt.
An jedem Auflagepunkt des Ausbrech-Unterteils sind im AusbrechOberteil die Ausbrechkrallen positioniert.
Diese Auflagen sind deshalb notwendig, damit beim Zusammenfahren der Maschine die von oben kommende Ausbrechkralle einen
Gegendruck erhält und das darauf aufliegende Abfallteil fixieren kann.
[ 55 ]
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Durch das weitere Zusammenfahren der Maschine drückt die Ausbrechkralle das Abfallteil nun, nachdem es die Auflagen überwunden hat,
nach unten durch die Aussparung im Ausbrechunterteil hindurch, die
Haltepunkte des Abfallteils werden dadurch gebrochen. Bei diesem
Prozess erhält das Abfallteil eine Eigenspannung: Es biegt sich bedingt
durch die Auflageflächen, durchstößt das Ausbrechunterteil komplett
und schnellt heraus. Somit ist der Abfall beseitigt.
Eine optimale Funktionalität des Ausbrechsystems ist nur dann gegeben, wenn Ausbrechoberteil und Ausbrechunterteil in der Stanzmaschine richtig zum gestanzten Bogen und auch zueinander ausgerichtet sind.
Abb. 5.6.2: Funktionsdarstellung dynamisches Ausbrechen
Abb. 5.6.3: Ausbrechoberteil
[ 56 ]
Abb. 5.6.4: Ausbrechober- und -unterteil
Stand 2015
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5.7 Nutzentrennwerkzeug
Abb. 5.7.1: In diesem Maschinenabschnitt findet das Nutzentrennen statt.
In einer weiteren Maschinenstation erfolgt nach dem Stanz- beziehungsweise Ausbrechvorgang als letzter Schritt das Nutzentrennen,
auch Separieren genannt. Darunter versteht man die Vereinzelung der
Nutzen, sodass sie leicht stapelweise entnommen werden können.
Wie bereits erwähnt, verbleiben zwischen den Nutzen die Haltepunkte, um den Bogentransport durch die Maschine zu ermöglichen. In
der Nutzentrennstation erfolgt nun das Abtrennen der Haltepunkte und
das Abstapeln der Nutzen.
Das Nutzentrennwerkzeug besteht aus einem Ober- und Unterteil.
Der gestanzte Bogen wird über das Nutzentrennunterteil geführt, das
Nutzentrennoberteil senkt sich ab und drückt den einzelnen Nutzen
durch das Trenngitter des Unterteils. Dies bewirkt eine Krümmung der
Nutzen, wobei die Haltepunkte gebrochen und die Nutzen vereinzelt
werden. Durch die Krümmung haben die Nutzen beim Austreten aus
dem Werkzeug eine Federwirkung, sie werden dadurch freigesetzt und
fallen auf den Stapel.
Das Nutzentrennen ist der letzte
Arbeitsgang nach dem Stanzen
und Ausbrechen. Mit Gummi
beklebte Holzstempel drücken
die Nutzen aus den Bogen. Die
Haltepunkte lösen sich, und die
Nutzen fallen auf einen Stapel.
Das Nutzentrennoberteil
Das Nutzentrennoberteil besteht in der Regel aus Holzstempeln.
Diese Stempel sind in ihrer Form kleiner dimensioniert als der Nutzen
selbst und entsprechen dem Umriss der Nutzen. Ihre Aufgabe ist es,
den Zuschnitt durch das Trenngitter zu stoßen. Die Unterseite der Stem-
Abb. 5.7.2: ein Nutzentrennoberteil mit gummierten Holzstempeln
[ 57 ]
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pel ist mit Gummi beklebt, um eine Beschädigung der Nutzen zu verhindern. Sie werden mit einem Distanzbolzen auf eine Trägerplatte aus
Holz aufgebracht. Aussparungen in der Trägerplatte verhindern – wie
beim Ausbrechwerkzeug – ein Vakuum während des Arbeitsprozesses.
Das Nutzentrennoberteil wird auftragsbezogen passend zum Unterteil
gefertigt.
Das Nutzentrennunterteil (Trenngitter)
Das Nutzentrennunterteil ist ein gitterartig aufgebautes Gebilde,
welches den Umrissen der Nutzen in etwa entspricht. Die Gitterplatte
besteht in der Regel aus einem Holzrahmen und einem Trenngitter aus
Stahl. Der Holzrahmen besteht aus Aussparungen für die Photozelle
und Führungsschieber, die ein Geraderichten des separierten Nutzens
gewährleisten. Die Photozelle überwacht die Stapelhöhe im Innengitter. Hat der Nutzenstapel die Photozelle erreicht, senkt sich die Palette
automatisch um einige Millimeter ab. Die Führungsschieber sind für
die Führung der Nutzen zuständig und verhindern ein seitliches Verschieben des entstehenden Stapels, wenn sich die Palette absenkt.
Das Trenngitter besteht aus einer massiven, 15 mm dicken Stahlplatte. In diese sind die Ausschnitte eingebracht, welche konturengenau
den Umrissen des zu trennenden Nutzens entsprechen. Das Trenngitter
wird auf einen Stahlgrundrahmen geschweißt oder geschraubt.
Abb. 5.7.3: das Nutzentrennunterteil
Abb. 5.7.4: das komplette
Nutzentrennwerkzeug
[ 58 ]
Stand 2015
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5.8 Rotationswerkzeuge (Holzhalbschalen)
In der Stanzformtechnik verwendet man auch Stanzwerkzeuge in
rotativer Bauweise, welche hauptsächlich in der Wellpappe-Verarbeitung zum Einsatz kommen.
Stanzung kann auch in einem
rotativen Verfahren stattfinden.
Die Schneidlinien sind dabei
auf einer Walze aufgebracht.
Diese Technologie ist zwar nicht
so genau wie beim Flachbettstanzen. Bei Wellpappe reichen
die hier möglichen Toleranzen
aber meist völlig aus.
Abb. 5.8.1: Rotations-Stanzform
Funktionsprinzip:
unktionsprinzip:
Abb. 5.8.2: Funktionsprinzip Rotationsstanzen (Holzhalbschalen)
Die Rotations-Stanzform wird in der Rotations-Stanzmaschine auf einen Stanzzylinder geschraubt. Bei der Produktion läuft das WellpappeMaterial kontinuierlich zwischen Stanzzylinder und Gegenstanzzylinder
durch. Die Schneidlinien tauchen dabei rund 1,5 mm in den gummibeschichteten Gegenstanzzylinder ein.
Die Schneidlinien sind mit einem Sägezahnprofil ausgestattet, dies
schont die Gegendruckwalze, und beim Stanzen bewirkt das Profil einen Scher- oder Schrägschnitt. Dadurch ist weniger Stanzdruck erforderlich als bei einem „Parallelschnitt“ mit konstanter Linienhöhe wie
beim Flachbett-Stanzen.
Herstellungsprozess
Der Herstellungsprozess ist prinzipiell derselbe wie bei den Flachbettformen, nur besteht die Trägerplatte aus Holzhalbschalen, die auf
Rotations-Lasermaschinen geschnitten werden. Für die Holzhalbschalen verwendet man meistens 13 mm dickes Holz.
[ 59 ]
[Werkzeuge herstellen und vorbereiten]
Abb. 5.8.3: Rotations-Lasermaschine zum Bearbeiten der Halbschalen
Die einzubauenden Bandstahllinien liegen für axiale Einbaurichtung
in geradliniger Form, für radiale (und schräg verlaufende) Einbaurichtung in runder Form vor.
Abb. 5.8.4: Richtungsangaben an einer Rotations-Stanzform
Sägezahnprofil
Sägezahnprofil
ØØDD
Aussparungen
Aussparungen
Abb. 5.8.5: runde Linie
Abb. 5.8.6: axiale Linie
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Stand 2015
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Es existieren mehrere standardisierte Durchmesser der Stanzzylinder. Üblicherweise verwendet man runde Linien mit Ø D, welche
dem entsprechenden Durchmesser des Stanzzylinders entsprechen.
Für Sonder-Durchmesser lassen sich runde Linien auch in Walz-Biegegeräten an den gewünschten Durchmesser anpassen. Zur besseren
Verformbarkeit haben die runden Linien hierfür die Aussparungen am
Grundkörper. Linien, welche in ihrem Verlauf von der direkten radialen Richtung abweichen (beliebige Winkel), passen sich durch die
Aussparungen bei der Montage an den sich ergebenden Durchmesser
an. Für die Montage ist die Holzhalbschale auf einen Stahlzylinder mit
identischem Durchmesser gespannt.
Abb. 5.8.7: runde Linien Ø 177 mm (entsprechend dem Standard-Stanzzylinder Ø 177 mm)
Abb. 5.8.8: Walzbiegegerät zur Veränderung
des Durchmessers einer
runden Linie
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[Werkzeuge herstellen und vorbereiten]
Übergänge axial – radial:
An Linienverläufen, welche von einer axialen in eine radiale Richtung
übergehen, vermeidet man aus Stabilitätsgründen eine Stoßstelle an
einer Ecke oder in einem Radius. Vielmehr biegt man die axiale Linie
ein kurzes Stück in die radiale Richtung (max. ca. 15–20 mm, je nach
Durchmesser) und stößt dort die runde Linie an. Die eingebaute axiale Linie hebt sich an dieser Stelle aufgrund ihrer gradlinigen Formgebung minimal vom Stanzzylinder ab, dies wirkt sich beim Stanzprozess
(noch) nicht negativ aus, da die Linien prinzipiell immer in die Gegendruckwalze eintauchen.
Stoßstellen
Abb. 5.8.9: Stoßverbindungen von axialer in radiale Richtung
Gummierung (zur Auswahl der Gummiarten s. auch Übersicht im
Abschnitt 5.3.5 Gummierung)
Im Bereich des Nutzens hat die Gummierung standardmäßig eine
Höhe von 13 mm und hat die Funktion des Abstreifens der Wellpappe
von der Schneidlinie nach dem Stanzprozess. Im Bereich des Abfalls
hat die Gummierung standardmäßig eine Höhe von 16 mm und hat die
Funktion des Abstreifens der Wellpappe von der Schneidlinie sowie
das Ausbrechen der Abfallteile, indem sie durch den höheren Gummi
stärker nach unten gedrückt werden als die Nutzenbereiche. Somit hat
man im Gegensatz zum Flachbett-Stanzverfahren keine separaten Ausbrechwerkzeuge (wobei es für speziellen Bedarf auch Techniken gibt),
sondern entfernt die Abfallteile über die Gummierung.
An Rilllinien bringt man in Wellenrichtung ebenfalls eine Gummierung an, welche den Rillvorgang unterstützt und das Einreißen des Materials verhindert. Je nach Orientierung der Wellenrichtung gegenüber
der Maschinenlaufrichtung kann die Rillgummierung also in radialer
oder in axialer Richtung sitzen.
[ 62 ]
Stand 2015
[Werkzeuge herstellen und vorbereiten]
Zellgummi als
Auswerfer im
Nutzenbereich,
H = 13 mm
Rillgummi
Elastomer als
Auswerfer im
Abfallbereich,
H = 16 mm
Zellgummi als
Auswerfer im
Nutzenbereich,
H = 13
Abb. 5.8.10: Beispiel für Gummierung einer Rotations-Stanzform
Abwicklung
Die Abwicklung in radialer Richtung, also die Länge der Zuschnitte,
lässt sich nicht direkt an der Rotations-Stanzform abmessen, da die
Schneidlinien ca. 1,5 mm in die Gegendruckwalze eintauchen und damit der (im wörtlichen Sinne) maßgebende Stanz-Durchmesser um
2 · 1,5 mm = 3 mm kleiner ist.
Beispiel: Für einen Stanz-Zylinder Ø von 487,3 mm und einer Schneidlinienhöhe von 25,4 mm lässt sich eine maximal herstellbare Abwicklung berechnen nach:
I = p · (487,3 + 2 · 25,4 - 2 · 1,5 mm) = ~ 1681 mm.
Unter Berücksichtigung einer notwendigen Gummierung und eines
Mindest-Holzrandes an der Holzhalbschale wird die maximal herstellbare Abwicklungslänge also rund 1650 mm betragen.
Dies ist eine allgemeine Betrachtung ohne Berücksichtigung eventuell spezieller Maschinenfunktionen.
Auf der anderen Seite kann man an einer gelaserten (und auch bemesserten) Holzhalbschale die später sich ergebende Abwicklungslänge
herausmessen. Dies erfolgt unter Berücksichtigung des Koeffizienten
von Umfangslänge an der Schale zum maßgebenden Stanz-Durchmesser.
Beispiel: Holzhalbschale für einen Stanz-Zylinder Ø von 487,3 mm,
damit beträgt also der Innendurchmesser der Halbschale 487,3 mm.
Der rechnerische Stanz-Durchmesser beträgt
487,3 + 2 · 25,4 - 2 · 1,5 mm = 535,1 mm
Der Koeffizient berechnet sich also nach 487,3/535,1 = ~ 0,9107
Dieser Wert gibt das Verhältnis zwischen tatsächlicher Abwicklung
beim Stanzen und den radialen Abständen auf der Innenseite der Halbschale an.
Soll in diesem Fall zum Beispiel eine Zuschnittlänge von 700 mm
erreicht werden, so muss sich an der Halbschale ein Abstand zwischen
den entsprechenden Schneidlinien von 700 · 0,9107 = ~ 637,5 mm
nachmessen lassen. Das Nachmessen erfolgt in der Praxis mit einem
biegsamen Stahllineal.
[ 63 ]
[Werkzeuge herstellen und vorbereiten]
Das Rotationsverfahren erreicht
deutlich höhere Geschwindigkeiten, als das Flachbettstanzen.
[ 64 ]
Produktionsmenge, Genauigkeit im Vergleich zum Flachbett-Stanzen
Beim Rotationsstanzen sind größere Zuschnittformate herstellbar
und prinzipbedingt durch den kontinuierlichen Stanzprozess und Materialtransport größere Produktionsmengen möglich als beim Flachbettstanzen (Material stillstehend für den Stanzprozess).
So rechnet man mit einer Größenordnung von max. ca. 30.000 Umdrehungen/Stunde, während beim Flachbettstanzen max. ca. 6.000
Hübe/Stunde möglich sind.
Die Angaben gelten nur als Orientierung und sind abhängig von Maschinenkapazität, Formatgrößen, Materialien usw.
Allerdings ist die Genauigkeit des rotativen Verfahrens geringer, man
rechnet mit Maßabweichungen der tatsächlichen Zuschnitte gegenüber den Sollwerten von ca. +/- 2 mm, beim Flachbettverfahren von
ca. +/- 0,2 mm.
Im Allgemeinen ist die Toleranz für die hauptsächliche Anwendung,
nämlich die Herstellung von Wellpappe-Verpackungen, vollkommen
ausreichend.
Stand 2015
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5.9 Rotationswerkzeuge (Vollzylinder)
Im Gegensatz zu Stanzformen aus Bandstahllinien sind für die drei
Produktionsprozesse Stanzen – Rillen – Prägen jeweils eigene Werkzeugsätze notwendig.
5.9.1 Stanzwerkzeug
4
3
2
5
6
1
7
8
1. Stanzzylinder mit Schneideinsätzen
2. Lagerring
3. Spannsäule
4. Antriebseinheit
5. Kassette – Lagerblock
6. MarbaClick – set-up ring
7. Löcher für Ausbrechnadeln
8. Gegenstanzzylinder
Abb. 5.9.1: Bestandteile eines Rotations-Stanzwerkzeuges
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[Werkzeuge herstellen und vorbereiten]
Rotationswerkzeuge aus Vollstahl sind in der Herstellung
sehr aufwendig und kommen
deshalb nur bei Verpackungszuschnitten in sehr großen Auflagen zum Einsatz. Sie werden
aus Voll-Material gefräst und
geschliffen. Anders als beim
Flachbett-Stanzverfahren lassen
sich die Schneiden hier bis zu
einem gewissen Grad nachschärfen.
Beschreibung
Rotationswerkzeuge aus Vollstahl sind in der Herstellung sehr viel
aufwendiger und kommen nur bei Verpackungszuschnitten in sehr großen Auflagen zum Einsatz.
Das Rotations-Stanzwerkzeug besteht aus einem Stanzzylinder, auf
dem einzelne Schneidsegmente befestigt werden. Die Schneidelemente bestehen aus pulvermetallurgischem Stahl und werden innerhalb
sehr enger Toleranzen gemäß der gewünschten Kontur des zu stanzenden Zuschnittes gefertigt. Im Gegensatz zu den vorgefertigten Bandstählen bei der Stanzformtechnik entstehen diese Segmente über Fräsund Schleifvorgänge aus Voll-Material.
Abb. 5.9.2: aufgeschraubte Schneidsegmente
Abb. 5.9.3: einzelnes Schneidsegment
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Stand 2015
[Werkzeuge herstellen und vorbereiten]
Abb. 5.9.4: Detail an der Schneidenform
Für die genaue Ausführung der Schneidenform greift man auf Erfahrungswerte zurück – die Abbildung oben zeigt: An der Schneidkante ist
am Schneidenende ein Radius von 0,3 mm vorgesehen.
Funktionsweise:
Stanz- und Gegendruckzylinder drehen sich auf den Lagerringen.
Diese Ringe ermöglichen gleichzeitig eine feine Abstimmung des Abstandes der beiden Zylinder und somit der Schnittluft.
Bei diesem Verfahren berühren sich Stanzzylinder und Gegendruckzylinder nicht, es muss ein feiner Spalt von etwa 0,003 bis 0,005 mm
verbleiben.
Die Herstellung des Stanzzylinders sowie des gesamten Rotationswerkzeuges ist eng an die Bedingungen der Rotations-Stanzmaschine
gebunden.
Auf jeder Seite des Werkzeuges befinden sich zwei Spannsäulen zur
Verschraubung der beiden Zylinder mit einer definierten Kraft. Während
des Produktionsprozesses wirken die Spannsäulen elastisch, bei Überdruck können sie sich ausdehnen. Als Antrieb verfügt ein Werkzeugsatz über drei Zahnräder, zwei Stück zur Kopplung von Stanz- und Gegendruckzylinder. Auf der anderen Seite befindet sich das Zahnrad für
den externen Maschinenantrieb des Werkzeugsatzes. Die Lagerblöcke,
auch Kassetten genannt, halten die beiden Zylinder zusammen.
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[Werkzeuge herstellen und vorbereiten]
5.9.2 Rillwerkzeug
Abb. 5.9.5: Rillzylinder
Abb. 5.9.6: Austauschbare
Rillsegmente
Wie die Schneidsegmente stellt man die Rillsegmente aus Vollmaterial her.
Abb. 5.9.7: männliches und weibliches Rillwerkzeug (mögliche Formgebung)
5.9.3 Prägewerkzeug
Abb. 5.9.8: GanzkörperPrägewerkzeug
[ 68 ]
Stand 2015
[Werkzeuge herstellen und vorbereiten]
Abb. 5.9.9: Prägezylinder
mit segmentierten
Einsätzen
5.9.4 Nachschärfen
Ein Vorteil des Verfahrens ist die Möglichkeit, die Werkzeuge nachzuschärfen.
Dies ist fast ausschließlich nur bei Schneidwerkzeugen notwendig, bei Rillwerkzeugen ist dies nur sehr selten vorzunehmen. Die Gebrauchsdauer eines Stanzwerkzeuges ist abhängig vom Stanzprozess,
der Maschine, dem Karton, der Druckfarbe, der Anzahl der Wechsel der
Schneidsegmente – im Schnitt lässt sich eine Auflagengröße von 10
bis 15 Millionen Stanzvorgängen annehmen. Rill- und Prägewerkzeuge
erreichen eine Auflagengröße von rund 100 Millionen.
Erläuterung zum Nachschärfen:
Im Gegensatz zu den Schneidlinien beim
Flachbett-Stanzverfahren kann man die
einzelnen Schneidsegmente
nachschärfen – dies wird notwendig,
wenn die Abflachung an der
Schneidenspitze einen Wert von 0,04 bis
0,05 mm erreicht hat.
Das Nachschärfen wird schleif- und
frästechnisch vorgenommen. Weil dabei
auch die Höhe der Schneidwerkzeuge
zurückgeht, wirkt sich dies in radialer
Richtung auch auf die
Stanzabmessungen aus. Die gestanzten
Abmessungen werden etwas kleiner.
Hier ist je nach Anwendung auf die
minimal zulässige Toleranz zu achten.
Wird diese unterschritten, so müssen die
Schneidsegmente neu erstellt werden,
um wieder die ursprüngliche
Schneidenhöhe zu erreichen.
Wie aus der vorstehenden Beschreibung ersichtlich wird, ist die
Herstellung der Rotationswerkzeuge aus Vollstahl sehr viel aufwendiger und kostspieliger als die von Stanzwerkzeugen aus vorgefertigten
Bandstählen. Sie kommen daher fast ausschließlich bei Verpackungszuschnitten in sehr großen Auflagen zum Einsatz.
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