Herausforderungen in der Palliativversorung im Heim – die

Herausforderungen in der
Palliativversorung im Heim – die
Perspektive der Gerontologischen
Pflege
Fachtagung Palliative Geriatrie
09. Oktober 2015
Berlin
Univ.-Prof. Dr. Hermann Brandenburg
Philosophisch-Theologische Hochschule Vallendar
Dekan der Pflegewissenschaftlichen Fakultät
Lehrstuhl für Gerontologische Pflege
[email protected]
Wo liegt Vallendar?
Vallendar
bei
Koblenz
Quelle: http://www.orte-indeutschland.de/bundeslaender-karte.html
Philosophisch-Theologische Hochschule
Theologische Fakultät und
Pflegewissenschaftliche Fakultät
Gliederung
I.
Einführung – die Situation in den Heimen
II. Verständnis von Palliative Care
III. Orientierung an der Würde des Menschen
IV. Agenda zur Umsetzung von Palliative Care
V. Auf dem Weg zu einer Palliativkultur im Heim
I.
Einführung – Situation in Heimen
Einige Schlaglichter
 Sehr knappe Ressourcen, nicht nur in Deutschland (Maddox &
Parker 2001)
 Verschärfung des Fachkräftemangels in der Zukunft (Pohl 2011,
HWA & AGP 2013)
 Hochaltrigkeit, Multimorbidität, Demenz (Wingenfeld 2008)
 Pflegeheime = Orte des Sterbens (Heller & Wegleitner 2006, Wilson
2010)
Besondere Ausgangslage
 15% der Todesfälle gehen auf onkologische Erkrankungen
zurück (Froggat & Payne 2006)
 Überweisung ins Krankenhaus „zum Sterben“ ist nach wie
vor Praxis (Ewers 2006)
 Medizinische Betreuung erfolgt in der Regel durch
niedergelassene Allgemeinmediziner, häufig ohne
spezialisierte Kenntnisse (Katz et al. 2003)
 Trotzdem wird – angesichts der Gesamtproblematik – eine
Ausweitung von Palliative Care auf Pflegeheimbewohner
diskutiert (Sandgathe & HusebØ 2001)
Der Fokus meiner Ausführungen
 Es steht nicht zur Diskussion, ob wir einen Palliative Care
Ansatz brauchen – den brauchen wir dringend!
 Mir geht es darum herauszuarbeiten, wie dieser Weg mit
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dem Anspruch an ein gutes Heim verbunden werden kann
Welche Ressourcen dafür notwendig sind
Welche Grenzen und Gefahren beachtet werden müssen
 Meine Perspektive ist die der Gerontologischen Pflege
(Brandenburg & Güther 2015)
II.
Verständnis von Palliative Care
Leitlinien der WHO aus dem Jahre 2002
“Palliative Care is an approach that improves the quality of life
of patients and their families facing the problems associated
with life-threatening illness, through the prevention and relief
of suffering by means of early identification and impeccable
assessment and treatment of pain and other problems,
physical, psychosocial and spiritual”
Leitlinien der WHO aus dem Jahre 2002

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
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
provides relief from pain and other distressing symptoms;
affirms life and regards dying as a normal process;
intends neither to hasten or postpone death;
integrates the psychosocial and spiritual aspects of patient care;
offers a support system to help patients live as actively as possible until
death;
offers a support system to help the family cope during the patients
illness and in their own bereavement;
uses a team approach to address the needs of patients and their
families, including bereavement counseling, if indicated;
will enhance quality of life, and may also positively influence the course
of illness;
is applicable early in the course of illness, in conjunction with other
therapies that are intended to prolong life, such as chemotherapy or
radiation therapy, and includes those investigations needed to better
understand and manage distressing clinical complications“ (WHO 2002).
Besonderheiten
 Abrücken von rein akutmedizinischen und ausschließlich
kurativ ausgerichteten Primat der Versorgung (Remmers 2010)
 Todesnähe allein ist kein Maßstab für Palliativbedürftigkeit
(Kojer & Heimerl 2010)
 Teamarbeit, Interdisziplinarität und (Selbst)-Qualifikation
(Böker et al. 2005)
 Christlicher Kerngedanke der Hospizbewegung (Leid gehört
zum Leben und ist von allen zu tragen) (Graf 2006)
III.
Orientierung an der Wüde des Menschen
Würde - Bestimmungsmerkmale
(Knoepffler 2004)
 Würde ist jedem menschlichen Wesen inhärent
 Würde stellt einen normativen Anspruch dar (unabhängig v.
Kompetenzen und Lebensumständen)
 Würde kommt allen Menschen gleich zu
 Würde ist unverlierbar
Würde – Missverständnisse
(Baltes 2003)
 Würde ist kontingent
 Würde ist abhängig von empirischen Gegebenheiten
 Würde kommt Menschen in unterschiedlichem Umgang zu
 Würde kann verloren gehen, z.B. durch Demenz
Würde – Entwürdigung des Alterns
 Pathologisierung, Medikalisierung, Institutionalisierung
 Gesundheits- und Schönheitswahn
 Anti-Aging
IV.
Agenda zur Umsetzung von Palliative Care
Was ist zu tun?

Integration der Leitlinien des Palliative Care Ansatzes in ein Pflege- und
Betreuungskonzepte der Einrichtung

Konsequenz: Palliative Care kein „add on“, sondern Bestandteil des
Gesamtkonzepts

Der Prozess der Organisationsentwicklung

Konsequenz: Strategien des „erfolgreichen Scheiterns“ werden
vermieden, Erkenntnisse der Disseminationsforschung Ernst genommen
Was ist zu tun?

Die Beseitigung des Mangels an zeitlichen, personellen und
ökonomischen Ressourcen

Konsequenz: Die Unterfinanzierung der Langzeitpflege muss beseitigt
werden - eingedenk der Tatsache, dass Geld nicht alle Probleme löst

Die Notwendigkeit der Einschränkung der externen Regulierung des
Heimsektors

Konsequenz: Das interne Qualitätsmanagement muss gestärkt werden,
sonst erodiert letztlich der Ethos der Professionellen
V.
Auf dem Weg zu einer Palliativkultur in Heimen
Ebenen
 Individuelle Ebene
 Einrichtung
 Träger / Verbände
 Politik
 Gesellschaft
Der Blick auf Möglichkeiten und Grenzen
 Realistischer Blick
 Ansätze und Konzepte zur Umsetzung
 Die Gesamtproblematik nicht aus dem Auge verlieren
Hugo Simberg: Der Garten de Todes (1896)
Quelle:http://www.google.de/imgres?imgurl=http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/8/8c/Hugo_Simberg_Garden_of_Death.j
pg&imgrefurl=http://de.wikipedia.org/wiki/Im_Garten_des_Todes&h=1693&w=2048&sz=3293&tbnid=1XxxUv9b1GiOHM:&tbnh=90&t
bnw=109&zoom=1&usg=__62O_ILnvKIFTQ1GupewRgjH0VK4=&docid=T_HPFrouSFiwM&sa=X&ei=C1CYUt6ON8fTtQas6YCQCQ&ved=0CDQQ9QEwAA&dur=174, letzter Abruf am 20. April 2014)
Literatur
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Herzlichen Dank