Erfahrungsbericht – Ein Jahr an der Sophia University, Tōkyō Nadeschda Bachem Ich habe von Sepetember 2007 an im Rahmen der Partnerschaft zwischen der Universität zu Köln und der Sophia University ein Jahr in Tōkyō verbracht. Im Großen und Ganzen war es ein gute Erfahrung, die mich akademisch sowie persönlich sehr bereichert hat und ich möchte jeder/jedem, die/der die Gelegenheit zu einem Austausch hat, trotz aller Hürden, die sich einem in den Weg stellen mögen, dringend dazu raten, diese wahrzunehmen. Doch bevor ich mit klopfendem Herzen, eine letzte Abschiedsträne verstohlen aus dem Augenwinkel wischend, im Flugzeug in Richtung der größten urbanen Region der Welt saß, musste in Deutschland schon Monate zuvor einiges in die Wege geleitet werden. Nachdem ich die Zusage zu einem der Plätze im Austauschprogramm hatte, ging es zunächst an die Beschaffung von Finanzmitteln. Das zuständige Amt für Auslandsbafög in Hannover ist dermaßen überlastet, dass die Bearbeitung der Anträge sechs bis acht Monate dauert, was gerade in der kostspieligen Anfangsphase im Ausland zu Engpässen führen kann. Ich hatte dass Glück durch Vermittlung des Akademischen Auslandsamtes und der Sophia University außerdem noch ein Stipendium des japanischen Studierendenwerks JASSO zu erhalten, was mir im nicht eben kostengünstigen tōkyōter Alltag eine große Hilfe war. Das finanzielle Sicherheitsnetz gespannt, wollte noch Organisatorisches mannigfaltigster Art erledigt werden: Arzttermine für Vorsorgeuntersuchungen wurden gemacht, Stellen, mit denen ich in regelmäßiger Korrespondenz stand, bekamen die Adresse meiner Mutter, an der Uni Köln beantragte ich zwei Urlaubssemester, ich buchte meinen Flug und wiederholte alles, was ich im Japanisch-Kurs gemacht hatte, um mich auf den Einstufungstest an der Sophia in der ersten Woche vorzubereiten. Zudem schloss ich eine private Krankenversicherung beim ADAC ab, wobei dies relativ teuer ist, zumal man im Krankheitsfalle alles an Kosten vorstrecken muss. Es gibt auch die Möglichkeit, bei der Meldung in Japan die sehr günstige staatliche Krankenversicherung in Anspruch zu nehmen. Dann war der große Tag da. Nach einem kurzen stressigen Intermezzo mit Scandinavian Airlines, die mich in Richtung Kopenhagen, wo ich umsteigen musste, kurzerhand in einen früheren Flug gebucht hatten, was ich am Vorabend meines Fluges erfuhr, setzte ich nach einem schier unendlich erscheinendem Flug endlich Fuß auf japanischen Boden. Ich hatte mich glücklicherweise für den Abholservice der Sophia angemeldet – das Bahnennetz in und um Tōkyō wird von etlichen verschiedenen Anbietern betrieben und ist vor allem am Anfang nur sehr schwer zu durchblicken – und so holte mich eine entzückende Deutsch-Studentin ab und brachte mich sicher in mein Domizil – damit war auch schon ein erster Kontakt geknüpft. In Sachen Wohnheim hatte ich mich bedauerlicherweise darauf verlassen, dass die Sophia schon angemessen für die Unterbringung ihrer zahllosen Austauschstudieren sorgen würde, doch leider weit gefehlt. Ich landete in einem der beiden Kyōritsu-Wohnheime, einem privaten Unternehmen, mit dem die Sophia einen Vertrag hat, und das war nun wahrlich nicht die beste aller Unterkünfte. Es lag sehr weit außerhalb (entgegen der Angaben, die in den Unterlagen der Sophia standen, brauchte ich in der morgentlichen Rush Hour etwa anderthalb Stunden zur Uni – was kein Spaß in tōkyōter Zügen ist), war wirklich unverschämt teuer, entsprach nicht unbedingt allen Standarts an Komfort und Sauberkeit und hatte vor allem eine Ausgangssperre um elf Uhr, was bedeutete, dass ich aufgrund des weiten Heimwegs bei allen Unternehmungen als Erste gehen musste. Daher machte ich mich recht bald auf die Suche nach einer neuen Unterkunft und zog mit zwei Freundinnen, die dem Kyōritsu-Wohnheim ebenfalls wenig abgewinnen konnten, nach Saitama in das DK House Warabi, welches mittlerweile auch zu den Sophia-Wohnheimen gehört. Im Vergleich zu meiner vorherigen Unterbringung war das preislich wie komfort-technisch gesehen ein enormer Fortschritt, dennoch muss ich leider sagen, dass auch hier der gemeinsam mit einigen Hygiene-mäßig gesehen minderbemittelten MitbewohnerInnen genutzte Sanitär- und Kochbereich manchmal zu einem Ärgernis wurde. Alles in allem ist die Wohnungssuche in Tōkyō kein Spaß und von Klagen über zu hohe Mietpreise, bis hin zu weiten Fahrtzeiten oder Kakerlaken-Plagen ist mir schon vieles von allen möglichen Austauschstudierenden zu Ohren gekommen. In Japan angekommen, muss man sich innerhalb einer Woche im nächsten Bürgerbüro um eine Alien Registration Card bemühen, die man ständing bei sich zu tragen hat und die man benötigt, um z.B. einen Handy-Vertrag abzuschließen. Prepaid-Handys gibt es in Japan nur zu sehr schlechten Bedingungen und so schließen fast alle Austauschstudierenden einen Vertrag ab, um auf die Kosten eines multifunktionalen und für den japanischen Alltag unverzichtbaren keitai zu kommen. Hier lohnt es sich, darauf zu achten, wo man den Vertrag macht. Die wichtigen Anbieter wie z.B. au oder Softbank haben in der Regel Laufzeiten von zwei Jahren, weswegen man versuchen sollte, sein Mobiltelefon samt vertraglicher Bindung nicht in den jeweiligen Shops dirket zu erstehen, sondern bei assoziierten kleineren Händlern, die alle Anbieter vertreten und auch Laufzeiten von nur einem Jahr in ihrem Repertoire haben. Da ich mir dies zu Herzen genommen hatte blieb mir am Ende im Gegensatz zu den meisten anderen eine lästige Gebühr, die mit dem vorzeitigen Ausstieg aus dem Vertrag verbunden ist, erspart. Doch zur Uni. Eine Woche, bevor der Unterricht beginnt, werden alle Austauschstudierenden mit Japanisch-Vorkenntnissen einem Einstufungstest unterzogen und entsprechend in die Sprachkurse eingeordnet. Auf Intermediate-Niveau hat man die Wahl zwischen einem Intensiv-und einem regulären Kurs. Da ich außer den Sprachkursen auch noch von dem breit gefächerten japanologischem Abgebot der Sophia profitieren und mir außerdem einen Kurs als Hauptseminar anrechnen lassen wollte (was unter bestimmten Bedingungen möglich ist), entschied ich mich für letztere Variante. Generell muss aber gesagt werden, dass das Niveau in den undergraduate Kursen relativ gering, aber aber je nach Unterricht dennoch mit hohem Lern- und Leseaufwand verbunden ist, während das Angebot an inhaltlich anspruchsvolleren graduate Kursen nicht unbedingt groß ist. Jede/r Austauschstudierende sollte sich bewusst sein, was sie/er in Japan erreichen will. Akademisch gesehen sind die graduate Kurse durchaus ansprechend, zudem darf man sich hier einer sehr guten Betreuung durch die DozentInnen und kleine Klassen erfreuen, allerdings wird auch einiges an Aufwand von einem erwartet. Für Menschen, die es vor allem auf das Japan-Erlebnis außerhalb der Klassenräume anlegen, empfiehlt es sich, so wenig Unterricht wie möglich zu machen und die zehn Pflichtwochenstunden entweder mit dem Japanisch-Intensivkurs oder dem regulären Sprachkurs in Verbindung mit undergraduate Kursen zu machen. So ganz wird man um die Uni jedoch nicht herumkommen, was offenbar an anderen unserer Partneruni anders ist. Da die Sophia die Durchmischung von Austausch- und regulären japanischen Studierenden entgegen allem, was sie gerne behauptet, nicht unbedingt fördert, wird man auch nicht ermutigt, an den rein japanischen Veranstaltungen teilzunehmen. Ich hielt mich allerdings nicht an dieses Praxis und bat einen Professor, als auditor an seiner Vorlesung über die Geschichte der japanischen Sprache beiwohnen zu dürfen, was in vielfacher Weise äußerst interessant und überdies eine sehr gute Sprachübung war. Deshalb ist es durchaus empfehlenswert, sich einmal das japanische Vorlesungsverzeichnis, das man am Anfang des Semesters in gedruckter Form erhalten kann, zu Gemüte zu führen und sich auf eigene Faust nach interessanten Veranstaltungen umzusehen. Tōkyō ist eine unglaubliche Stadt mit schier endlosen Betätigungsmöglichkeiten und vielen Facetten. Dennoch sollte jeder/jedem, die/der sich für ein Austauschjahr dort entscheidet, klar sein, dass die Verhältnisse in der japanischen Hauptstadt ganz anders als in Köln sind und dass in dieser Metropole mit weniger als fünf Prozent Grünfläche, dafür ewigvollen Zügen und sich durch die engen Straßen schiebenden Menschenmassen durchaus das Gefühl von Enge und Beklemmung und der Wunsch, sich einfach mal auf einer grünen Wiese mit ausgestreckten Armen im Kreis zu drehen aufkommen können. Solcherlei Gefühlen kann eine Reise ins japanische Restland, das keinesfalls mit Tōkyō gleichgesetzt werden kann, Abhilfe verschaffen. Auch ich hatte in den Semesterferien genügend Zeit, mir mehr vom Land anzugucken und auch einen kurzen Abstecher nach Korea zu machen (was außerhalb der Saison sehr günstig ist) und konnte danach dem Trubel in der Metropole wieder gelassen begegnen. Deshalb bleibt Tōkyō für mich eine der fabelhaftesten Städte der Erde.
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