- Gartenjahr 2016

Urban Gardening meets Village Gardening
2016-02-08
Urban Gardening liegt zu recht im Trend. Gemeinsam säen, wachsen sehen, ernten und
kochen befriedigt Körper und Geist. Das Pflegen von Hausgärten in Dörfern macht hingegen
nur selten Schlagzeilen. Es scheint auch nicht trendy zu sein. Und ausserdem eine einsame
Angelegenheit. Der Begriff „Village Gardening“ existiert nicht wirklich.
Beim Projekt „Urban Gardening meets Village Gardening“ erklären Pflanztröge auf dem
asphaltierten Dorfplatz von Ernen, was Urban Gardening ist und warum es gemacht wird. Ein
Rundgang zum „Grosse Garte“, wo sich 35 Kleinstgärten seit Jahrhunderten zu einem
grossen Garten vereinen, zu ausgewählten Hausgärten und zu professionellen Gemüse- und
Kräutergärten zeigt, wie vielfältig Village Gardening sein kann. Eine Ausstellung im
Museumskeller des Museums Jost-Sigristen thematisiert die Vergangenheit, Gegenwart und
Zukunft von Dorfgärten und stellt die Frage, inwieweit Ideen und Ziele von Urban Gardening
für die ungewisse Zukunft von dörflichen Gärten fruchtbar werden könnten.
Der Garten ist die älteste und schönste Schnittstelle zwischen Mensch und Natur. Ein prächtig blühender
Blumengarten ist der ganze Stolz seiner Besitzerin; grosse Bewunderung ist ihr gewiss. In ertragreichen
Gemüsegärten wuchs früher Gemüse für den Frischkonsum und den Wintervorrat.
Obwohl Ernen auf 1‘200 m ü. M. im Walliser Berggebiet liegt, wächst hier eine erstaunliche Vielfalt an
Gemüsesorten. Früher wurden in den Hausgärten vor allem Kohl (Chabis), Mangold (Chrütschtila), Zwiebeln
(Zibile), Kefen (Minsete), Erbsen (Ärbsleni), Karotten (Rieblini), Spinat (Schpinat), Randen (Rota Retrich), Lauch
(Poretsch), Blumenkohl (Schuflör), Buschbohnen (Bone), Steckrüben (Rave) und Saubohnen (Schwibone),
angebaut. Um 1900 wurden in den Gärten Zucchetti, Kohlrabi, Rosenkohl, verschiedene Salatsorten und selten
auch Tomaten und Gurken heimisch. Noch später wurde Rhabarber entdeckt. Neuerdings läuft Brokkoli dem
Blumenkohl den Rang ab.
Noch vor 50 Jahren hatte jeder Haushalt einen oder mehrere Gemüsegärten. Sie waren ein wichtiger Teil der
Selbstversorgung. Vielfach stehen in den Gärten und um die Häuser auch Birn-, Apfel-, Zwetschgen- und
Pflaumenbäume. Auch ästhetisch tragen die Blumen- und Gemüsegärten immens dazu bei, dass wir die Dörfer
als schön empfinden.
Heute ist der Gemüseanbau im Hausgarten in erster Linie ein befriedigendes Hobby, weil Gemüse das ganze
Jahr über frisch und günstig im Dorfladen gekauft werden kann. Entsprechend haben sich die Funktionen von
Hausgärten erweitert. Nebst Blumen und Gemüse bieten sie lauschige Gartensitzplätze oder beherbergen
Ausstellungen von Gartenzwergen oder Skulpturen. Im schlimmsten Fall müssen sie Parkplätzen oder Strassen
weichen. Zu Zeit gehen immer mehr Gemüsegärten ein und es kommen kaum neue dazu. Es stellt sich die
Frage: Wie könnte Village Gardening revitalisiert werden?
Urban Gardens im Spätherbst beim Bahnhof Zürich Wipkingen
Der Hausgarten von Ulrich Stucky mit Goldmelisse, verschiedenen Gemüsesorten, Dahlien und Malven vor
einem traditionellen Speicher aus Lärchenholz.
„Dr Gross Garte“ wird seit Jahrhunderten bepflanzt. Er besteht aus 35 privaten Kleinstparzellen. Die Vielfalt geht
zurück: Oft werden Kartoffeln angebaut, weil sie wenig Arbeit geben und vergleichsweise unkompliziert sind.