ESSEN ESSEN GESTERN: Luxusgastronomie in St. Moritz HEUTE: Klinikgastronomie in Zürich Im Fünfsternehotel Suvretta House dinieren die Gäste in einem grandiosen Speisesaal. Im Restaurant des Epilepsie-Zentrums speist man draussen (u.) unter Platanen oder drinnen (g. u.) in modernem Design. Es muss nicht IMMER LUXUS SEIN Schluss mit Kaviar und Gänseleber: Spitzenkoch BERND ACKERMANN hat Fünfsterne- gegen Kantinengastronomie eingetauscht. Für mehr Familienleben und weniger Stress. Text Michael Lütscher Fotos Salvatore Vinci E in grosses, altes Haus. Prächtig gelegen in einem Park, mit unverbautem Blick auf den See. Platanen spenden den Tischen im Kiesgarten Schatten. Das Schweizerische EpilepsieZentrum am Stadtrand von Zürich ist eine Oase. Im öffentlichen Restaurant isst man gut und günstig. Zum Beispiel einen vor- 58 Schweizer Familie 42/2015 züglichen Kalbfleischvogel an Champignonrahmsauce mit Polenta und Romanesco. Der Teller kostet 15.50 Franken, ein kleiner Salat inklusive. Bedienen muss man sich selbst. Seit Anfang Juli ist Bernd Ackermann, 47, als Küchenchef dafür verantwortlich, was hier, im Restaurant Epi Park und in der ganzen Klinik, geschöpft wird. Zuvor Bernd Ackermann in der Küche des Epi-Restaurants. arbeitete er 14 Jahre lang in gleicher Position in einem anderen alten, grossen Haus mit Seeblick, dem Suvretta House in St. Moritz. Dort wird das Essen serviert, und man kann sich nicht irgendwie an die weiss gedeckten Tische setzen. Der grandiose Speisesaal des Fünfsternehotels ist eine der letzten Bastionen im Land, wo Anzug und Krawatte fürs männliche Geschlecht obligatorisch sind. ➳ Schweizer Familie 42/2015 59 ESSEN ESSEN zu einer der riesigen Kippbratpfannen, nimmt einen Löffel aus seiner Brusttasche und kostet die helle Sauce mit den geschälten Krustentierchen drin. Ein paar Mundbewegungen, ein konzentrierter Blick. «Das ist gut», sagt er. Für spezielle Feste oder Apéros demonstriert der Küchenchef die Kunst des Anrichtens. Jeden Tag versammelt sich das Team um 9.30 Uhr, um den Anweisungen des Chefs zuzuhören. hören, was der Chef sagt. Er fragt, ob alles läuft, stellt einen neuen Mitarbeiter vor und gibt Tipps zum Umgang mit einem der vielen technischen Geräte. Dann ist Znünipause, bevor die Leute weiterarbeiten. Salate, Suppen, Desserts, Teigwaren, Polenta, Fleisch, Meeresfrüchte, Saucen, die Diätküche – bis um 10.30 Uhr muss alles zum Schöpfen bereit sein. Davor muss der Chef sein O. K. geben. Im Suvretta House begutachtete er jeden Tel- Bernd Ackermann überwacht die Zubereitung eines Imbisses. ler, der in den Speisesaal ging, hier nimmt er die Musterteller ab, die in einer Reihe zur Schau stehen, und probiert jedes Gericht, bevor es geschöpft wird. «Die Crevettensauce ist bereit zum Abschmecken», meldet einer der Köche. Ackermann geht Der Einkauf ist zentral «Die Kunst besteht darin, aus wenig viel zu machen», sagt der Ackermann. Das Budget sei «knallhart». Immerhin, die grossen Mengen, die hier benötigt werden, führten zu günstigen Konditionen. Der Einkauf ist neben der Menügestaltung und der Arbeitseinteilung der Mit arbeitenden eine der zentralen Aufgaben des Küchenchefs. «Die Umstellung ist enorm», sagt Ackermann. Im Suvretta House waren die Warenkosten zweitrangig. Das Essen sollte in erster Linie das Wohlbefinden der Gäste steigern. Diese konnten täglich aus 18 Vor-, Haupt- und Nachspeisen ihr individuelles Menü zusammenstellen. Für die Küche bedeutete dies im Vergleich ➳ Die Familie geht vor Gross gewachsen, schlank, braune Haare, modischer Kinnbart; mit 47 Jahren scheint Ackermann im besten Alter. Aufgewachsen in Baden-Baden in Süddeutschland, lebt und arbeitet er seit 25 Jahren in der Schweiz – bisher ausschliesslich in der gehobenen und in der Luxusgastronomie. Wieso der Wechsel in die Gemeinschaftsgastronomie? «Die Familie», sagt Ackermann ohne Umschweife. Seine Frau plant nach einer Kinderpause den Wiedereinstieg ins Berufsleben, als Sonderschulpädagogin. In der Region Zürich hat sie dafür mehr Möglichkeiten als im Berg60 Schweizer Familie 42/2015 Täglich werden im Epi-Restaurant 1200 Essen zubereitet – doppelt so viele wie im Suvretta House. tal Engadin. Umso mehr braucht aber Bernd Ackermann Zeit fürs Leben zu Hause und für die beiden schulpflichtigen Kinder. Sein Schritt ist unüblich, aber nicht einmalig. Er zählt ein paar Berufskollegen auf, die von Gourmetrestaurants in die Personalverpflegung gewechselt haben. Die Wechsel sind Ausdruck der hohen Arbeitsbelastung in der Gastronomie. Im Suvretta House arbeitete Ackermann während der Saisons im Sommer und im Winter von morgens früh bis abends spät, sieben Tage die Woche, unterbrochen jeweils von ein paar Zimmerstunden am Nachmittag. Im Epi-Zentrum beginnt er morgens um 6 Uhr, aber um 16 Uhr geht er nach Hause. Abends ist das Restaurant geschlossen, und wenn Patienten, Mitarbeiter und Gäste mittags zu Tisch sitzen, ist die Hektik in der Küche vorüber. Falls es überhaupt zu einer gekommen ist. Denn hier läuft alles nach Plan. Weil täglich rund 1200 Essen zubereitet werden müssen – doppelt so viele wie im Suvretta House. Und weil die Patienten «ähnlich anspruchsvoll sind», wie Ackermann sagt. In der Klinik liegen Patienten, die Verletzungen oder Blutungen im Hirn erlitten haben, in den angegliederten Heimen wohnen Menschen, deren Hirnschäden oder schwere Epilepsieleiden ein unbegleitetes Leben verunmöglichen. Viele erhalten eine individuelle Diät. Auswählen können sie aus drei Menüvorschlägen; die Wahl und Sonderwünsche für den Tag müssen bis morgens um 9 Uhr in der Küche eintreffen. Spontane Spezialwünsche, wie im Luxushotel Suvretta House üblich, gibt es hier nicht. In der hellen Grossküche herrscht am Morgen kontrollierte Betriebsamkeit. Wie jeden Tag versammelt Ackermann um 9.30 Uhr die ganze Equipe. Zwei Dutzend Männer und Frauen stehen zusammen, Tut gut. © Antistress AG Für ihre Gäste bereiteten Ackermann und seine Köche im Suvretta House etwa einen Lammrücken in Röstikruste zu. Oder eine Bouillabaisse mit Meeresfischen und einer Haube aus Blätterteig oder Gänge mit Hummer und Gänseleber. Preis für einen Hauptgang: 48 bis 58 Franken. Jahr für Jahr bewertete der Gourmetführer «Gault Millau» das Grand Restaurant des Suvretta House mit 15 Punkten für einen «hohen Grad an Kochkunst und Qualität». ImholzDesign ANZEIGE Burgerstein Vitamine <wm>10CAsNsjY0MDQx0TU2tzA2NgcAuxJ0fg8AAAA=</wm> <wm>10CFXKqw6AMBBE0S_aZra701IqSV2DIPgagub_FQ-HuOrc3isDvpa27m2rCnUXy5NZriwMMafqYDD6g4gRyhkFVNOC3y_u_gjG-4hCEAeKwIQ2qClcx3kDUjESr3IAAAA=</wm> Erhältlich in Ihrer Apotheke oder Drogerie – Gesundheit braucht Beratung. www.burgerstein.ch ESSEN ESSEN zum Epi-Zentrum: mehr Produkte, kleinere Mengen und mehr Köche. Einen Teil dieser Erfahrungen bringt Ackermann nun in die Klinikküche ein. Er koche leichter, als dies hier üblich war. Er lege mehr Wert auf die Präsentation der Teller. Sein Vorgänger, der im Sommer in Pension ging, hinterliess eine Menüplanung, die bis Ende Jahr reicht. Nächstes Jahr kann Ackermann das Essen nach seinem Gusto «zeitgemässer», wie er sagt, gestalten. Dann will er auch eine Weiterbildung zum Diätkoch machen, um sein neues Metier umfassender zu beherrschen. Es gibt aber auch Abläufe, die sind im Luxushotel und in der Klinik fast gleich. Im Suvretta House kam während einer Saison nichts zweimal aufs Menü, in der Epiklinik gibt es frühestens nach sechs Wochen eine Wiederholung. Langeweile soll vermieden werden. Trotzdem: Vermisst Ackermann die kreativen Möglichkeiten der Gourmet gastronomie nicht? «Irgendwann hat man genug von Kaviar und Gänseleber», sagt «Ich vermisse die Gourmetgastronomie nicht. Irgendwann hat man genug von Kaviar und Gänseleber.» mal gabs bisher, was er im Suvretta House mit Erfolg etabliert hatte: einen «Chef ’s Table» – ein Gourmetessen im kleinen Rahmen mitten in der grossen Küche. Bernd Ackermann, Chefkoch er mit einem ironischen Unterton. Und weist darauf hin, dass auch im Epi-Zentrum für spezielle Anlässe besonders gekocht werde. Sein Stellvertreter Guido Ambrosini ist gerade dabei, Kalbsrücken in Stücke zu schneiden. Die Steaks werden anderntags bei einem Bankett serviert. Im Epi-ParkKomplex mit seinen zahlreichen Räumen finden täglich Seminare, häufig Apéros, Bankette und manchmal auch Geburtstagsfeste und Hochzeiten statt. Und ein- ANZEIGE << Ist Deine coole Klasse schon vollständig? >> << Schnell, schnell – sammle uns noch bis am 24. 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Ein Mit arbeiter schiebt die Tabletts in Kästen auf Rollen, die Induktionswagen heissen. Die Hauptspeisen ins geheizte, die Desserts ins gekühlte Abteil. Anschliessend werden die Wagen mit einem Elektrotransporter auf die verschiedenen Gebäude des 12 Hektar grossen Geländes verteilt. «In der Küche werden die Speisen nur zu 70 Prozent gegart. Der Rest geschieht im Induktionswagen», sagt Ackermann. Und in der kleinen Küche des Restaurants. Alle sollen ein perfektes Essen erhalten und nicht ein verkochtes. Einmal pro Woche macht er einen Rundgang, um zu erfahren, ob die Patienten zufrieden sind mit der gebotenen Kost. «Wir haben einen Super-Küchenchef!», ruft einer der Bewohner, als Ackermann uns das Gelände mitsamt seinem grossen Kräutergarten zeigt. Ackermann freut sich. Manchmal kommen auch Suvretta-House-Gäste, die am Zürichsee wohnen, zum Essen in die Epiklinik. Und manchmal gastiert Ackermann bei Einzelnen von ihnen an der Goldküste, die ihn als Störkoch verpflichten. ● Kontakt Restaurant Epi Park der Schweizerischen Epilepsie-Stiftung, Bleulerstrasse 60, 8008 Zürich. Tel. 044 387 61 11. Öffnungszeiten: Mo–Fr, 7.30–17 Uhr, Sa/So, 10–16.30 Uhr. www.swissepi.ch GE SCHMORTE K A LBFLEISCH VÖGEL A N POLENTA U ND ROM A NE SCO - GEMÜSE • Rezept für 4 Personen ZUTATEN FLEISCHVÖGEL 400 g Kalbshuft, 200 g Kalbsbrät, 120 g buntes Gemüse, 30 g Zwiebeln, 1 TL Tomatenmark, 1 dl Weisswein, 200 g brauner Kalbsfond, Paprikapulver, 4 Messerspitzen Senf mild, Sonnenblumenöl, 25 g Butter, Salz, weisser Pfeffer aus der Mühle ZUTATEN POLENTA Olivenöl, ½ Knoblauchzehe, ½ Zwiebel, ½ Lorbeerblatt, 5 dl Bouillon, 125 g Maisgriess grob, 1 EL Sbrinz gerieben, Salz, weisser Pfeffer aus der Mühle VORBEREITUNG 1. Zwiebeln, Knoblauch schälen, fein hacken 1. Kalbshuft in dünne Schnitzel schneiden und leicht klopfen. 2. Zwiebeln und Gemüse in dünne Blättchen schneiden. ZUBEREITUNG 1. Kalbsschnitzel mit Senf bestreichen, mit Paprikapulver bestäuben. 2. Kalbsbrät auf die Schnitzel verteilen. Schnitzel seitlich ca. 1 cm einklappen, einrollen, mit Küchenschnur binden. 3. Mit Salz und weissem Pfeffer würzen. In Sonnenblumenöl in einem Topf von allen Seiten gut anbraten. Rausnehmen, überschüssiges Öl abgiessen. 4. Zwiebeln und Gemüse zufügen und leicht mitrösten. 5.Tomatenmark beigeben, umrühren und mit Weisswein ablöschen. Kalbsfond dazu geben. Röllchen hineinlegen. Sie sollten nur leicht bedeckt sein. 6. Im Ofen unter Wenden weich garen. 7. Röllchen rausnehmen, Sauce passieren und leicht einkochen. Mit Butterflocken binden und abschmecken. 8. Küchenschnur entfernen, Kalbsröllchen tranchieren und anrichten. Mit der Sauce nappieren. Zubereitung: ca. 60 Minuten VORBEREITUNG ZUBEREITUNG 1. Zwiebeln und Knoblauch in Olivenöl glasig andünsten. Mit Bouillon ablöschen und zum Sieden bringen. 2. Maisgriess unter Rühren einrieseln lassen. Bei kleiner Hitze unter ständigem Rühren 5 bis 6 Minuten köcheln. 3. Lorbeerblatt zufügen, mit Salz und Pfeffer würzen. Im Ofen etwa 45 Minuten zugedeckt ziehen lassen. Nicht rühren! Sbrinz untermischen. 4. Mit Hilfe eines Eisportionierers Kugeln oder Nocken abstechen und anrichten. Zubereitung: ca. 70 Minuten ZUTATEN ROMANESCO 240 g Romanesco-Röschen, Salz, Butter ZUBEREITUNG 1. Romanesco in Salzwasser sieden oder dämpfen. Gut abtropfen lassen. 2. Romanesco–Röschen in einem Topf in der heissen Butter schwenken, mit Salz abschmecken und anrichten. Zubereitung: ca. 15 Minuten Schweizer Familie 42/2015 63
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