BornerwillQuerdenkerstattLernmaschinen - WWZ

Basel.Stadt.
| Dienstag, 19. Januar 2016 | Seite 22
Borner will Querdenker statt Lernmaschinen
Wirtschaftsprofessor förderte das eigenständige Denken an der Uni Basel – nun gibt er die Summer School ab
Mit Herzblut und Engagement. Silvio Borner (links) hat mit seinem Projekt dem administrativen und bürokratischen Leerlauf ein Schnippchen geschlagen.
Von Franziska Laur
Basel. Leicht gebeugt begrüsst er den
Gast, buschige Augenbrauen über den
flink hin und her eilenden Augen. Silvio
Borner hat Rückenschmerzen, doch die
sind wie weggeblasen, als er sich an sei­
nen Tisch im Büro des Wirtschafts­
wissenschaftlichen Zentrums am Peter­
Merian­Weg 6 setzt und zu erzählen
beginnt. Ab und zu schweift sein Blick
während des Gesprächs auf die Geleise
vor dem Gebäude, ab und zu wird der
Ton etwas melancholisch. In den ver­
gangenen Monaten hat der 75­Jährige
Schwerarbeit geleistet: Er gab als Direk­
tor der Summer School sein Projekt ab,
das er jahrelang hegte und pflegte.
Doch beginnen wir von vorne: Vor
16 Jahren begann die Geschichte der
Summer School mit Hans Heiner Zaes­
lin, einem wohlhabenden Basler
Finanzspezialisten und Investor. Dieser
wollte etwas für die Universität tun,
jedoch nicht einfach Geld verschenken,
sondern ein spezielles Programm unter­
stützen. Mit Wirtschaftsprofessor Silvio
Borner fand er den geeigneten Partner.
Dieser baute das sogenannte Zaeslin­
Programm for Law and Economics an
der Universität Basel aus. Das ermög­
lichte Hunderten Studenten den Aus­
tausch in der Wirtschafts­ und Rechts­
wissenschaft zwischen der Universität
Basel und den Vereinigten Staaten von
Amerika. Sie konnten sich mit den
neusten amerikanischen Forschungs­
und Lehrmethoden vertraut machen,
und vor allem lernten sie gemäss Borner
das kritische Hinterfragen und das
kreative Schaffen.
Routine als Leistungskiller
In Amerika fand Borner Dozenten,
denen Lehre und Wissenschaft wichtig
war, die jedoch die Politikrelevanz nicht
aus den Augen verloren. So kommen
seit 16 Jahren jeweils 12 bis 14 Gastpro­
fessoren für zwei Wochen nach Basel.
Sie lehren stets praxisnah und inter­
aktiv. Im Rahmen dieser Intensivkurse
können die Studenten beispielsweise
über Nacht eigenständige «Hausauf­
gaben» bearbeiten, die Praxistests für
die Theorie enthalten.
Letztlich will die Summer School
weg vom Lehrbuch, weg vom Routine­
Lehrbetrieb, sie will die Begabten und
Neugierigen unter den Studenten för­
dern und zu Querdenkern heranzie­
hen. «Viele Studenten fühlen sich über­
fordert, doch ich habe festgestellt, dass
sie intellektuell unterfordert sind. Das
Gefühl der Überforderung kommt aus
der Routine und dem administrativen
und bürokratischen Ablauf wenn nicht
gar Leerlauf.» So reiste Borner im Laufe
seines 16­jährigen Engagements jedes
Jahr mit einer ausgewählten Gruppe für
14 Tage in die Staaten. «Auch das war
ein Experimentierraum für diejenigen,
die kritisch hinterfragen, anstatt ledig­
lich eindimensional auf Prüfungen zu
büffeln.» Jeder musste mit einer Projekt­
«Zu viele schaffen das
Studium nicht oder
haben danach Mühe,
eine Stelle zu finden –
ausser beim Staat.»
Silvio Borner
idee auf Reise gehen, diese vortragen
und sich der offenen Kritik aussetzen,
sagt der Wirtschaftsprofessor, der sel­
ber Kritik noch nie scheute und sich mit
seinen pointierten Ansichten nicht nur
Freunde schafft.
Borner verhehlt auch seine Begeiste­
rung für den angelsächsischen Raum
nicht. So präferiert er das amerikanische
Foto Sophie Langloh
Gebührensystem an den Universitäten:
«Die Studenten, die jährlich Tausende
Franken bezahlen, betrachten dies als
kostspielige Investition in ihre Zukunft
und wollen etwas Verwertbares lernen.»
Er hält nicht viel von der Fast­gratis­
Mentalität der Schweiz. Das Resultat
seien viel zu viele Studenten in Studien­
richtungen, bei denen die Berufsaussich­
ten gering seien. Ausserdem gebe es
immer noch zu viele Studenten, die gar
nicht für die Universität geeignet seien.
«Ein viel zu hoher Anteil schafft ein Stu­
dium nicht und viele haben Mühe, eine
Stelle zu finden – ausser beim Staat.»
Wo Studenten brillant sein dürfen
Doch die Schweizer stünden sich
auch selber im Weg. Während man in
Amerika ein brillanter Student sein
darf, werde man bei zu grossem Fleiss
und Interesse hierzulande schnell als
Ehrgeizling oder als Selbstdarsteller
abqualifiziert. Borner hat ein entspann­
tes Verhältnis zu den amerikanischen
Gepflogenheiten. So kann er sich auch
nicht empören, wenn sich dort Sam­
melklagen häufen, beispielsweise als
McDonald’s allzu heissen Kaffee aus­
schenkte und sich eine Frau das Bein
verbrühte. «In Amerika ist Haftung
Mit «Welcome Home» in die grosse Welt hinaus
Die Barkeeper Christof Reichert und Adriano Volpe aus dem Hotel Les Trois Rois mixen ganz vorne mit
Einerseits, um sich weiterzubilden.
Andererseits, um weltweit vernetzt zu
bleiben. Adriano Volpe, der bereits ein­
mal die Schweizer Cocktailmeister­
schaften gewonnen hat, nutzt die
Anlässe bewusst, um neue Kontakte zu
knüpfen. «An solchen Wettbewerben
entstehen Freundschaften zu Berufskol­
legen, die in Singapur oder Tokio arbei­
ten. Wir tauschen uns regelmässig über
die neuesten Entwicklungen in der
Szene aus und versuchen, das eigene
Handwerk zu verfeinern.» Christof Rei­
chert bleibt ebenfalls mit ehemaligen
Kollegen und Mentoren aus München
und Frankfurt in Kontakt, mixt auch
gerne mal in anderen Bars, um zu
sehen, wie sein «Welcome Home»­
Drink dort bei den Gästen ankommt.
Von Denise Muchenberger
Basel. Der eine trägt Fliege, der andere
Krawatte. Sonst aber haben Christof
Reichert und Adriano Volpe jede Menge
gemeinsam: Beide haben die Hotelfach­
schule absolviert, beide arbeiten heute
als leidenschaftliche Barkeeper. Am sel­
ben Arbeitsort, in der diesjährigen «Bar
des Jahres» des Grand Hotel Les Trois
Rois. Und beide nehmen regelmässig an
nationalen und internationalen Wettbe­
werben teil – mit Erfolg.
Adriano Volpe konnte erst diesen
September in Luzern den nationalen
Titel «Barkeeper des Jahres» holen. Für
ihn ist damit ein grosser Traum in Erfül­
lung gegangen: «Als mein Name aufge­
rufen wurde, war das ein sensationelles
Gefühl. Ich habe über Monate auf dieses
Ziel hingearbeitet, viel Zeit und Geld
investiert», erklärt der gebürtige Italie­
ner. Zu Beginn des Wettbewerbs traten
zwölf Teilnehmer an, von Runde zu
Runde wurden es immer weniger. Mit
seinem Cocktail, aber auch mit seiner
Persönlichkeit und seiner Präsentati­
onstechnik konnte er am Schluss Gäste
und Fachjury überzeugen.
Bauchgefühl entscheidet
Wenn Volpe einen Drink kreiert, tüf­
telt er stundenlang daran herum, unter­
nimmt etliche Versuche, bis der Mix am
Ende stimmt und sein Gaumen das
Okay gibt. «Natürlich geben wir uns
unter Kollegen Tipps und probieren
gegenseitig die Kreationen der anderen.
Am Ende entscheidet aber immer mein
Meister der Drinks. Adriano Volpe (links) und Christof Reichert mixen im «Trois
Rois». Jetzt streben sie international höhere Weihen an. Foto Pino Covino
persönliches Bauchgefühl, welcher Cock­
tail ins Rennen geht.»
Auch bei Christof Reichert stehen
derzeit spannende Wochen an. An der
internationalen und renommierten
«Bacardi Legacy Competition», die zu
den wichtigsten Wettbewerben welt­
weit in der Barkeeper­Szene gehört, ist
er unter den Top drei in der Schweiz.
Gemeinsam mit zwei Barkeepern aus
Zürich hat er sich für die nächste Runde
qualifiziert, die im März in London aus­
getragen wird. Dort werden die Würfel
fallen und wird entschieden, wer die
Schweiz am gossen Weltfinale in San
Francisco vertreten darf. Bis dahin rührt
Reichert kräftig die Werbetrommel für
seinen Drink mit dem Namen «Wel­
come Home», der neben Bacardi, Ran­
densaft, Zuckersirup, Zitronensaft und
Kokossirup etwas frisch geraspelten
Zimt enthält. Lange hat er am Drink
und seiner Zusammensetzung gearbei­
tet, bis das für ihn perfekte Ergebnis
stand.
An Wettbewerben teilzunehmen,
sich mit anderen Barkeepern zu mes­
sen, ist beiden Barkeepern wichtig.
Gespür für Menschen
Gute und vor allem individuelle
Drinks zu mixen, sei eine Eigenschaft,
die er einem guten Barkeeper zuordnet.
Das Gastgebersein die andere. «Als Bar­
keeper in einem Grand Hotel treffen wir
auf spannende Menschen aus allen
Ecken der Welt. Jeder Gast hat eine
andere Geschichte.» Hinter der Bar zu
arbeiten, bedeutet für ihn auch, ein
Gespür für Menschen zu entwickeln.
Wie gut das Gespür für seinen
Bacardi­Drink war, wird sich im März in
London zeigen. Kollege Volpe drückt
ihm kräftig die Daumen. Denn, und da
sind sich die beiden einmal mehr einig:
«Im ‹Trois Rois› zu arbeiten macht des­
halb so Spass, weil neben den Gästen
auch das Team stimmt.»
wichtig. Natürlich kann man argumen­
tieren, dass da übertrieben wird, doch
bei uns wird die Regulierung übertrie­
ben.» In der Schweiz werde alles regle­
mentiert, und dafür sei niemand mehr
haftbar zu machen. «In Amerika ist viel
weniger reguliert. Dafür hat man viel
mehr Freiheiten.»
Auf mehrere Schultern verteilt
«Jetzt habe ich aufgehört. Ich habe
die Summer School an Rolf Weder gege­
ben, er hat noch zwei Stellvertreter an
der Uni in Basel und zwei an der Uni
Georgetown.» Die Schule so zu leiten,
wie er es getan habe, sei nicht mehr
möglich. «Bei mir hat es sich gut getrof­
fen, dass ich mit 68 pensioniert wurde.
Ich habe dies also sieben Jahre aus
Freude und Überzeugung so gemacht,
es war praktisch ein Halbtagesjob.»
Nun wird er sein Büro noch für zwei
Jahre behalten und dem Leitungsteam
beratend zur Seite stehen. Die Sponso­
ren Rudolf Maag und Hans Heiner Zaes­
lin konnte er halten. «Wir haben ein
Budget von einer halben Million pro
Jahr. Damit kann man viel erreichen,
wenn man die noch verbliebene akade­
mische Freiheit in dieser Nische wieder­
aufleben lässt.»
Gerichts-Gesetz
ist gültig
Bundesgericht tritt auf
Beschwerde nicht ein
Lausanne. Der Beschluss des Grossen
Rates zur Revision des Gerichtsorgani­
sationsgesetzes ist gültig. Das Bundes­
gericht ist auf eine Beschwerde eines
Stimmbürgers nicht eingetreten.
Im Juni 2015 verabschiedete der
Grosse Rat von Basel­Stadt zwecks Neu­
ordnung der Gerichtsorganisation nicht
nur mehrere Änderungen der Kantons­
verfassung, sondern auch ein neues
Gerichtsorganisationsgesetz samt Aus­
führungsbestimmungen. Das Referen­
dum wurde nicht ergriffen. Im Novem­
ber 2015 nahm das Basler Volk die
Änderung der Kantonsverfassung zur
Revision der Gerichtsorganisation mit
einem Ja­Anteil von 84,73 Prozent an.
Bereits zuvor hatte ein Stimm­
bürger eine Beschwerde beim Bun­
desgericht erhoben. Er forderte, das
neue Gerichtsorganisationsgesetz sei
höchstrichterlich einer Prüfung zu
unterziehen mit dem Ziel, verfassungs­
widrige Elemente des Gesetzes zu elimi­
nieren. Das Bundesgericht ist nun gar
nicht auf die Beschwerde eingetreten,
weil sie viel zu spät eingereicht worden
war. Den Vorwurf, das neue Gerichtsor­
ganisationsgesetz hätte nicht in Kraft
gesetzt werden dürfen, bevor das Volk
auch der Verfassungsänderung zuge­
stimmt hat, liess das Bundesgericht
nicht gelten. Der Grosse Rat durfte die
Gesetzesrevision – unter dem Vorbehalt
des Ausgangs der Verfassungsabstim­
mung vom November 2015 – in Kraft
setzen. tzi (Urteil 1C_487/2015 vom 6.1.2016)