druckfrisch 09 - Ulenspiegel Druck

Druckfrisch Nummer neun – die heilige Zahl der Maya
Was bedeutet Gemeinwohl-Ökonomie?
Gemeinwohl-Ökonomie bezeichnet ein Wirtschaftssystem, das auf bestimmten Werten aufbaut, die
auf lange Sicht die wirtschaftlichen, politischen und
gesellschaftlichen Ebenen soweit durchdringen, dass
dadurch Strukturen entstehen, die die reine Profitwirtschaft zugunsten eines das Gemeinwohl fördernden
Wertesystems transformieren.
Der Erfolg eines Unternehmens wird dabei nicht länger
an den Mitteln des kapitalistischen Wirtschaftens
(Geld, Kapital, Finanzgewinn) gemessen, sondern an
den Zielen (Bedürfnisbefriedigung, Lebensqualität,
Gemeinwohl). Auf der Ebene der Volkswirtschaft
wird das BIP als Erfolgsindikator vom GemeinwohlProdukt abgelöst, auf der Ebene der Unternehmensführung wird die Finanzbilanz durch die Gemeinwohlbilanz ersetzt. Je sozialer, ökologischer, demokratischer
und solidarischer Unternehmen agieren und sich organisieren, desto bessere Bilanzergebnisse erreichen sie.
Je besser die Gemeinwohlbilanz-Ergebnisse der Unternehmen in einer Volkswirtschaft sind, desto größer ist
das Gemeinwohl-Produkt.
Wie wird Gemeinwohl-Ökonomie konkret bilanziert?
Mit Hilfe einer Bewertungsmatrix werden verschiedene gesellschaftliche und soziale Werte des eigenen
Unternehmens dokumentiert: Menschenwürde,
Solidarität, ökologische Nachhaltigkeit, soziale Gerechtigkeit, demokratische Mitbestimmung & Transparenz.
Einige dieser Werte sind bei uns durch unser langjähriges Umweltmanagementsystem schon gut im
Betrieb implementiert. Um diese zu optimieren, haben
wir die Erstellung einer Gemeinwohlbilanz in unser
Umweltprogramm aufgenommen. In Zukunft werden
wir gemeinsam mit unserer Umwelterklärung auch
unsere Gemeinwohlbilanz veröffentlichen.
Dies ist nun die neunte Ausgabe unseres Druckfrisch,
die wir zur Gestaltung (natürlich gegen Bezahlung)
außer Haus gegeben haben. Wir stellen einer mit uns
partnerschaftlich verbundenen Designagentur unser
Text- und Bildmaterial zur Verfügung. Wir machen
keine Gestaltungsvorgaben, sondern freuen uns auf
einen intensiven Austausch zwischen Kreation und
Produktion. Die vorliegende Juliausgabe befand sich
in der Obhut von Katja Knahn (paperkate.de) in
Komplizenschaft mit Wolf Eigner (complizenwerk.de).
Wenn unzustellbar, zurück! Bei Umzug Anschriftenberechtigungskarte!
Als Ergänzung zu unserem Umweltmanagementsystem EMAS haben wir beschlossen, uns innerhalb
der sozialen, ökologischen und ökonomischen Indikatoren der Gemeinwohl-Ökonomie zu verorten.
Sozialökonomische Komponenten kommen in herkömmlichen (leider auch in vielen ökologischen) Wirtschaftsstrukturen so gut wie nicht vor. Wir sind jedoch
davon überzeugt, dass ihnen innerhalb dieser Strukturen eine herausragende Stellung zukommen muss.
Seit Mitte 2013 sind wir nun Mitglied der GemeinwohlÖkonomie. Für das Jahr 2015 haben wir uns vorgenommen, eine Gemeinwohlbilanz vorzulegen und dieses
Vorhaben in unser Umweltprogramm einzubetten.
Die nächste Ausgabe des Druckfrisch erscheint im
Oktober 2015 und wird von Jenny Brouard und
Katharina von Hellberg (dear-robinson.com) gestaltet.
Wir freuen uns schon darauf!
Wer sich für die Gestaltung bewerben will – nur Mut!
Bei zu vielen Bewerbungen lassen wir allerdings das Los
entscheiden.
Jung muss man
zum Drucken sein!
HAP Grieshaber
zum Gedenken
Ulenspiegel und
die GemeinwohlÖkonomie
Gedruckt wurde dieses Druckfrisch mit Farben der
hochpigmentierten Buntfarbenserie QuickFast der
Michael Huber München GmbH auf dem Papier Focus
Art Natural, 115 g/m², 1,1 Vol., FSC-Mix GFA-COC001787.
Herausgeber:
Ulenspiegel Druck GmbH & Co. KG
Birkenstraße 3
82346 Andechs
Telefon: 08157 997590
[email protected]
www.ulenspiegeldruck.de
Kundeninformation
der Ulenspiegel Druck
GmbH & Co. KG
Ulenspiegel Druck GmbH & Co. KG
Birkenstraße 3, 82346 Andechs
www.ulenspiegeldruck.de
3 Jahre Mitgliedschaft in der Gemeinwohl-Ökonomie
Liebe Ulenspiegel-Kunden,
„Drucken ist eine Begegnung des Zufalls mit dem
Sinnvollen.“ In diesem Spannungsfeld sehen wir seit
vielen Jahren unsere Aufgabe. Das Zitat selbst stammt
aus dem Buch „Drucken ist ein Abenteuer“ von
HAP Grieshaber, dem wohl bedeutendsten deutschen
Kalligrafen, Schriftsetzer und Holzschneider des vergangenen Jahrhunderts. Mit unserem aktuellen Druckfrisch wollen wir deshalb nicht nur an diesen genialen
Künstler und politischen Menschen erinnern, sondern
auch daran, dass – wie er es formulierte – Drucken
immer schon eine junge Kunst gewesen ist, die man
sich nicht durch die Gesetze des Computers nehmen
lassen darf.
Leider dominiert das Gesetz des Computers den Markt,
daran werden auch noch so viele Awards für das Ausgefallenste und das Perfekteste nichts ändern. Denn
die wichtigste Ingredienz, der eigentliche Prozess des
Werdens, wird verleugnet in einer Zeit, die keine Zeit
mehr hat.
Daten und Aufträge werden durchs Netz gejagt, von
einer Region zur nächsten, von einem Land ins andere,
aus der Ersten Welt in die Dritte, meist immer dorthin,
wo Produkte so gut wie nichts mehr kosten, weil das
Leben der Produzenten so gut wie keinen Wert mehr
hat.
Sich wieder beschränken auf das Eigentliche wäre
das Gebot der Stunde, innehalten und den Sinn des
Schaffens wieder entdecken. In diesem Sinne versuchen wir seit drei Jahren unsere Umweltmaßnahmen
mit den Ansprüchen der Gemeinwohl-Ökonomie in
Verbindung zu bringen und auf diese Weise unserer
Arbeit ihre ursprüngliche Bedeutung zurückzugeben.
Wir wünschen Ihnen eine
interessante Lektüre und einen
erholsamen Sommer.
Herzliche Grüße aus Andechs
Ihr Guido Schmidt
Umweltbeauftragter
An alle Jünger Gutenbergs
Jung muss man zum Drucken
sein. Drucken ist ein Abenteuer.
„Ich hab’s gewagt“, sagt der bedruckte Bogen. Im Prozess des
Druckens, des Schneidens kann
die Dynamik aus Gewaltsamkeit,
Glück und Verzweiflung ausgelotet werden. Drucken ist eine
Begegnung des Zufalls mit dem
Sinnvollen. Drucken ist selbst das
Erlebnis. Drucken ist der Rausch
des Machens und gleichzeitig
Kontrolle darüber. Spannung,
Gewalt des Ausdrucks,Triebkraft,
Radikalität, die uns das Gesetz
des Computers für immer wegnehmen will. Drucken ist stets
eine junge Kunst gewesen. Lasst
sie euch nicht nehmen!
HAP Grieshaber
HAP Grieshaber
Er war ein Mythos schon zu Lebzeiten. Er wohnte auf
der Achalm, in einem Haus, das er sich mit eigenen
Händen erbaut hatte, mit einem wunderbaren Blick
über die Schwäbische Alb. Da hauste er mit seinen
Tieren, die ihm, wenn er sie brauchen konnte, auch
mal als Modell dienten, der Esel, das vietnamesische
Hängebauchschwein und natürlich der Affe im Wohnzimmer, der mit Zigarettenstummeln gefüttert wurde.
Helmut Andreas Paul Grieshaber wird am 15. Februar
1909 im oberschwäbischen Rot an der Rot geboren.
Seine Schulzeit absolviert er in Nagold und Reutlingen.
Danach beginnt er eine Lehre als Buchdrucker und
Schriftsetzer. An der Staatlichen Buchgewerbeschule
studiert er gleichzeitig Kalligrafie. Die Jahre von 1931
bis 1933 verbringt er im Ausland. Während eines sechsmonatigen Aufenthaltes in London arbeitet er als
Illustrator und Buchgrafiker, u. a. für die Zeitschrift
„Vogue“.
Mit der Holzschnitttechnik setzt sich er sich ab 1932
intensiv auseinander. Sie wird für ihn früh zum wichtigsten künstlerischen Medium und beeinflusst wie
keine andere Technik seine grafischen Arbeiten. 1932
reist Grieshaber über Paris nach Ägypten und Griechenland, wo er jeweils in verschiedenen Städten Ausstellungen der eigenen Werke organisieren kann. In
Athen gibt Grieshaber die kulturpolitische Zeitschrift
„Deutsche Zeitung“ heraus. Wegen solcher Aktivitäten wird er im April 1933 vom deutschen Gesandten
Ernst Eisenlohr bedroht, der als parteiloser Büttel des
Naziregimes Grieshaber zur Rückreise nach Deutschland zwingt, wo er sofort Mal- und Ausstellungsverbot
erhält.
W r l b n n n r W lt pt sch r B f hl
Er kann seine Arbeiten nur noch in getarnten Ausstellungen zeigen. So lautet der offizielle Ausstellungstitel in der Stuttgarter Galerie Valentien „arabische
Volksbücher – griechische Volksmalerei“. Als Hilfsarbeiter und Zeitungsausträger verdient der Künstler in
dieser Zeit seinen Unterhalt. 1940 wird er zur Wehrmacht eingezogen. 1945 gerät er in belgische Kriegsgefangenschaft. Seit 1947, dem Jahr seiner Rückkehr
nach Deutschland, lebt der Künstler auf der Achalm
bei Reutlingen.
1955/56 erhält er Lehraufträge an der Akademie in
Karlsruhe und an der Akademie der Künste in Berlin.
Aus Protest gegen die Prüfungsordnung tritt Grieshaber 1960 von seinem Lehramt in Karlsruhe zurück.
Zusammen mit Walter Warnach und Heinrich Böll
arbeitet er ab 1960 zwei Jahre lang an der Zeitschrift
„Labyrinth“, 1964 wird er zum Gründer und Mitherausgeber der Zeitschrift „Engel der Geschichte“,
die zu aktuellen gesellschaftlichen Themen Stellung
nimmt, zum Beispiel gegen die Diktaturen in Griechenland zwischen 1967 und 1974 und in Chile nach dem
Militärputsch von 1973. Bald engagiert er sich auch
für Ökologie, z. B. gegen den Bau des Atomkraftwerks
Wyhl im Kaiserstuhl, und für den Brückenschlag zwischen den beiden deutschen Staaten DDR und BRD.
Der Künstler schafft Arbeiten für den öffentlichen
Raum wie Holzreliefs, Mosaiken, Wandmalereien und
Glasfenster. Grieshaber wird durch zahlreiche Preise
und Retrospektiven gewürdigt. 1959 und 1964 nimmt
er an der documenta teil. 1978 wird er zum korrespondierenden Mitglied der Akademie der Künste in
Berlin/Ost gewählt.
HAP Grieshaber stirbt am 12. Mai 1981 auf der Achalm.
Wir leben in einer Welt optischer Befehle. Abkürzungen, die uns täglich sagen, was wir zu tun und zu lassen
haben. Symbole beherrschen uns. Über unsere Wirklichkeit sagen sie nichts. Wehrlos sind wir ihnen ausgeliefert. Keiner wird dabei aus seiner Deckung herausgelockt, niemand wird davon geheimnisvoll berührt.
Es ist für Analphabeten der Augen. Jeder kennt den
Hirsch an der Schnellstraße, obwohl es gar kein Hirsch
ist. Das entscheidende Signum fehlt. Jedes Kind kennt
den unbestimmten Onkel, der es dabei an der Hand
hält. Ein gefährliches Verkehrszeichen! Und wenn einer
muss, geht er durch eine Tür, die sein Geschlecht veralbert. Was hätten die Griechen oder die alten Römer da
auf die Tür gemalt?!
Die babylonische Verwirrung durch optische Befehle
kann also ins Auge gehen. Dort etwa, wo man gewöhnt
ist von rechts nach links zu lesen. Auch wenn man des
Lesens unkundig ist. In Südafrika z. B., da können die
meisten Bergarbeiter nicht lesen. Der Minenverwaltung
ist das böse ins Auge gegangen. Um die Bergarbeiter
dazu zu bringen, die Geleise der Grubenbahn von herabfallenden Steinbrocken frei zu halten, hat sie eine Tafel
aufgestellt. Die weißen Herren dachten, die Schwarzen
werden die Bilder wie sie selbst von links nach rechts
„lesen“. Viele Schwarze aber kennen nur den Koran, der
von rechts nach links gelesen wird. Jetzt blockierten erst
recht Steine die Geleise der Bahn.
HAP Grieshaber
aus: Drucken ist ein Abenteuer, Bibliothek S