2015 DAS ARTEFAKT RUCKSACK T H E O R I E S E M I N A R S O Z I O LO G I E | D E S I G N PA S C A L T R A C H S L E R | S O N J A F R E Y 0 1 2 3 4 5 6 7 VO RWO RT [S. 2] VON DE R K R A X E Z UM TÄ G L I C H E N H E L F E R [S. 3- 7] D E R R I C H T I G E R U C K S A C K F Ü R D E N [S. 8- 11] A L LTA G R U C K S A C K V S . TA S C H E [S. 12- 14] DE R RU C K S AC K I M T R A M [S. 12- 22] S C H LU S S WORT [S. 23] QUELLENVERZEICHNIS [S. 24] A BBI LU NG S V E R Z E IC H N I S [S. 25-26] 1 VO RWO RT D er Rucksack ist ein „sackartiger Behälter mit zwei daran befestigten breiteren Riemen, der auf dem Rücken getragen wird.“ (Duden, http://www.duden.de/rechtschreibung/Rucksack) Der Rucksack - seit jeher sowohl funktionaler Behälter und Tragehilfe, als auch Modeaccessoire mit formalen Ansprüchen. Besonders in den letzten Jahren ist das vielseitige Alltagsobjekt wieder beliebter Begleiter fürs tägliche Unterwegssein, ob zur Arbeit oder auf den Berg, zu Fuss oder per Fahrrad. Aktuell und omnipräsent wie der Rucksack heute ist, war er auch in der Vergangenheit stets eine wichtige Transporthilfe. Denn der Mensch ist, sowohl damals als auch heute, unterwegs und muss Dinge mit sich bringen. In dieser Arbeit fokussieren wir uns auf die Entwicklungsgeschichte des Rucksacks mit einem Schwerpunkt auf das letzte Jahrhundert, stellen Varianten vor und erläutern die Gegenüberstellung des Rucksacks und der Tasche. Wir konzentrieren uns dabei auf den städtischen Alltagsgebrauch. 2 1 VON DER KRAXE ZUM TÄ G L I C H E N HELFER 3 W er denkt, Rucksäcke existierten erst seit dem 20. Jahrhundert, irrt sich: Die erste Form des Rucksacks, die sogenannte Kraxe oder auch Rückentrage, wurde bereits bei der Gletschermumie Ötzi gefunden. Der Fund stammt aus der Jungsteinzeit, circa 3300 v. Chr. (vgl. Wikipedia, http://de.wikipedia.org/wiki/Rucksack) Diese Vorstufe des heutigen Rucksacks besteht lediglich aus Trageriemen und einem Holzgestell. Verwendet wurde diese Konstruktion vorwiegend, um grosse Lasten über längere Strecken zu transportieren. (Abbild 1.) Die Rucksäcke des 20. Jh. finden ihren Ursprung hauptsächlich in Militärrucksäcken. Diese waren aus robustem, gewachstem Baumwollstoff und Leder gefertigt, teils mit einem Tragegestell verstärkt. Zahlreiche, heute weltbekannte Rucksackhersteller, wie zum Beispiel Eastpak, starteten ihre Produktion fürs Militär und führten ihre Produkte später in den Markt ein. Abbild 1. : Schwer, aber auch robust: Die Holzkraxe. 5 Die folgenden Abschnitte dieses Kapitels folgen in den Grundzügen Eva Riedmann/Tagespiegel/2014. (http://www.tagesspiegel.de/weltspiegel/sonntag/typologie-der-rucksack-der-geschichte/9780014.html.) Zum politischen Statement wurde der Rucksack erstmals durch die Friedensbewegung gegen den Vietnamkrieg. In den 70er Jahren trugen Jugendliche Militärrucksäcke als Zeichen des Protests und verfremdeten diese mit farbenfrohen Aufnähern. Diese Militärrucksäcke waren jedoch nicht besonders bequem und besassen oft ein hohes Eigengewicht. (Abbild 2) In den 80er Jahren wurde der Rucksack, dem Fitnesstrend entsprechend, weiterentwickelt und den jungen, sportbegeisterten Menschen angepasst. Dank Materialien wie Nylon, wurde der Rucksack leichter und bot somit höheren Tragekomfort. Mit dem Rucksack aufgeschnallt konnten die neuen Trendsportarten, wie Wandern oder Rollerbladen, mit freien Händen ausgeführt werden. (Abbild 3.) Abbild 2. : Abbild 3.: Schweizer Militärrucksack aus den 60er Ein typisch farbenfroher Nylonrucksack Jahren. von Wolf Creek aus den 80ern. 6 In den 90ern erlebte der Rucksack seine Blütezeit. Er löste auf Schulhöfen den klassischen Schulranzen ab, wurde tief getragen und öfters auch mit Filzstiften verziert. Besonders die Marke Eastpak war beliebter denn je und genoss grosse Aufmerksamkeit, nicht zuletzt dank provokativer Werbung. (Abbild 4.) Ab der Jahrtausendwende wurde der Rucksack weiterhin als praktische Alternative zur Tasche getragen, verschwand jedoch einige Jahre aus der Modewelt. Nun feiert er seit circa drei Jahren ein Comeback. Die Daypacks von den Marken Fjällräven oder auch Herschel Supply Co. werden von einer breiten Altersgruppe getragen und sind allgegenwärtig im städtischen Treiben. Formal erinnern sie stark an Modelle aus früheren Jahrzehnten, ganz im Gegensatz zu den Hightech-Sportrucksäcken, die ebenfalls gerne zum Arbeits- und Alltagsrucksack umfunktioniert werden. (vgl. Natalie Avanzino/NZZ, 2012, http://www.nzz.ch/aktuell/zuerich/uebersicht/er-ist-zurueck-1.17384563) (Abbild 5.) Abbild 4. : Abbild 5. : Der Rucksack überdauert den Menschen: Das Modell Kånken von Fjällräven. Die berühmte Werbung von Eastpak. 7 2 DER RICHTIGE RU C K S AC K FÜR DEN A L LTA G 8 I n den letzten Jahrzehnten lässt sich bei den Rucksackherstellern ein starker Trend zur Speziali- sierung erkennen. Für praktisch jeden denkbaren Anwendungsbereich werden Rucksäcke produziert. Obwohl die Grundfunktion, nämlich das transportieren von Gegenständen auf dem Rücken, bei allen Variationen dieselbe bleibt, gibt es je nach Qualität und Anwendung riesige Unterschiede in der Ausstattung. In unserer Arbeit steht der Fokus auf dem städtischen Bereich. Man verlässt morgens das Haus und packt seinen Rucksack mit allen Gegenständen, welche tagsüber gebraucht werden. Je nach Anspruch, fordern die verschiedenen Gegenstände (Laptop, Bücher, Unterlagen, Proviant, Sportsachen usw.) nach unterschiedlichen Grössen, Materialien und Funktionen. Beim Kauf eines Alltagsrucksacks steht aber nicht nur der funktionale Aspekt im Vordergrund, sondern auch die äussere Erscheinung. Der am meist verbreitete Alltagsrucksack ist der City-Rucksack. Er ist eine modisch gestylte, leichte Form des Rucksacks. Er dient als Ersatz für eine Handtasche, Tragetasche, Einkaufstasche, oder einen Aktenkoffer. City-Rucksäcke gibt es in unzähligen Varianten, Materialien, Farben und Größen. (vgl. Rucksackberatung, :http://www.rucksackberatung.de/rucksacktypen/) (Abbild 6 und 7) Abbild 6. : Abbild 7. : City Bag von Herschel/ Textil mit Lederrie- City bag von Piké / Rindleder/ Rotbraun men / Schwarz 9 Eine moderne Variante des City-Rucksack ist der Eingurt-Rucksack. Dabei handelt es sich um eine Tasche, die mit einem Gurt quer über den Oberkörper befestigt wird. Dadurch ist die Gewichtsverteilung besser als bei einer Tragetasche, jedoch nicht ganz so komfortabel wie beim klassischen Rucksack mit zwei Schultergurten. Der Korpus wird meist mit einem Klettverschluss befestigt, so dass der Eingurt- Rucksack sehr komfortabel und unkompliziert nutzbar ist. Zudem spielt der modische Aspekt bei dieser Rucksackvariante eine große Rolle. (Vgl: Wikipedia, http://de.wikipedia.org/wiki/ Bodybag_(Tasche) (Abbild 8.) Da heutzutage das Fahrrad in vielen Städten als zentrales Fortbewegungsmittel genutzt wird, erfreuen sich Fahrrad- oder Kurierrucksäcke einer grossen Beliebtheit. Dabei handelt es sich um eine einfache Tasche aus wasserdichten Materialien wie Beispielsweise Kunstfaser. Getragen wird er meist mit zwei Schultergurten auf dem Rücken. Ursprünglich wurde dieser Rucksacktyp für Fahrradkuriere entwickelt, wird aber längst auch von anderen Radfahrern, zum Beispiel zum Einkaufen, genutzt. (vgl. Rucksackberatung, :http://www.rucksackberatung.de/rucksacktypen/) (Abbild 9.) Abbild 8. : Abbild 9.: Eingurt-Rucksack von Jack Wolfskin / Fahrradrucksack von Bree /wasserdichtes Textil / Dunkelblau Polyester /Neongelb 10 Eine weitere zentrale Funktion im Alltag ist das transportieren eines Laptops. Der Laptop-Rucksack ist ein einfacher Rucksack, der die passende Form für die Aufnahme eines tragbaren Computers hat. Der Rucksack ist meist gepolstert, damit der Laptop vor Stößen und Erschütterungen geschützt wird. Mittlerweile gehört ein Laptopfach aber auch bei den meisten City-Rucksäcken zum Standard. (vgl. Rucksackberatung, :http://www.rucksackberatung.de/rucksacktypen/) (Abbild 10.) Es ist schwierig, die verschieden Rucksackformen klar voneinander zu trennen. Durch die Überschneidung aller Bedürfnisse vermischen sie sich immer mehr. Am Beispiel von Fjällräven und Herschel erkennt man wie Tagesrucksäcke, welcher ursprünglich für Tagesausflüge im Outdoor Bereich konzipiert wurden, sich immer mehr im städtischen Alltag einfinden. (Abbild 11.) Ein weiteres Beispiel zeigt Freitag mit dem Model F48 Hazzard, welches die Vorteile eines Fahrrad- und Laptop-Rucksack kombiniert. (Abbild 12.) Abbild 10. : Abbild 11. : Laptoprucksack von Offermann Model Kanken von Fjaellräven / /Rindsleder/ Schwarz Abbild 12. : Model Hazzarrd von Freitag Textil mit Lederriemen / Senf- / Lastwagenblache / Schwarz gelb 11 Gelb 3 RU C K S AC K VS. TA S C H E 12 R ucksäcke werden oft mit Sportlichkeit und Lässigkeit verbunden - eine Assoziation, die man möglicherweise vermeiden möchte, wenn man mit dem Anzug zur Arbeit geht und seine Unterlagen mit sich bringt. Gerade auch das weibliche Publikum tendiert beim Aspekt der modischen Erscheinung eher zu einer Tasche. Doch immer mehr setzt sich auch der Rucksack in einer modebewussten Kundschaft nieder und findet gerade im städtischen Bereich immer mehr Anklang. Heute ist er aus den Kollektionen der grossen Designer kaum noch wegzudenken. So war der Rucksack bei den Herbst / Winter 2015 Kollektionen der Mercedes Benz Fashion Week in Berlin und Paris bei verschiedenen Designern, wie Marina Hoermanseder, WUNDERKIND und Julian Zigerli auf dem Laufsteg zu sehen. (Vgl. Fashion-Street Berlin, http://www.fashionstreet-berlin.de/der-rucksack2015-ist-wieder-da/96142/) (Abbild 13.) Wie der Jutebeutel, welcher von der modebewussten Gesellschaft lange verhasst war, setzt auch der Rucksack wieder neue Trends. Alternative Jugendliche entdeckten das No-Name-Produkt Jutebeutel damals in den Tiefen ihrer Kleiderschränke, Blogger wurden darauf aufmerksam und seitdem ist der Beutel die Tasche für Jugendliche. Während der Jutebeutel langsam immer beliebter wurde, fragte man sich, warum eigentlich der Rucksack so verhasst ist. Es ging nicht lange und man fischte den alten Lederrucksack der Eltern aus dem Keller und schaffte den nächsten Trend. Rucksäcke können mittlerweile gut mit den modischen Anforderungen einer Tasche konkurrieren und durch ihre Variabilität ist für praktisch jeden ein passendes Model vorhanden. Abbild 13. : Mercedes Benz Fashion Week 13 Der Unterschied zwischen Tasche und Rucksack liegt also im Wesentlichen im Tragekomfort. Bei kleinem Gewicht erfüllt die Tasche einen guten Dienst und bietet sogar einen schnelleren Zugang zum Inhalt als der Rucksack. Doch ab einer gewissen Masse leidet sowohl die Körperhaltung, als auch das Material der Tasche, und wird einem Rucksack weichen müssen. Unter ergonomischen Gesichtspunkten gewinnt der Rucksack deutlich, erlaubt er doch eine ausgeglichene Gewichtsverteilung über beide Körperhälften und unbeschränkte Hand- und Armfreiheit. Die Entscheidung zwischen Tasche und Rucksack geschieht letztendlich ganz individuell. Und selbst wenn man sich nicht entscheiden kann, bieten einige Rucksackhersteller Hybridmodelle, die je nach Situation als Tasche oder Rucksack getragen werden können. (Abbild 14.) Abbild 14.: Model: Pete von Freitag/ Lastwagenblache / Türkis-Gelb 14 15 4 DE R RU C K S AC K IM TRAM 16 D er Rucksack etabliert sich immer mehr als zentrale Tragehilfe im städtischen Umfeld. Ist man zu Fuss oder mit dem Fahrrad unterwegs, bietet der Rucksack eine optimale Gewichtsverteilung und gleichzeitig die Freiheit beider Arme. Doch wie sieht es im öffentlichen Verkehr aus? Viele Leute sind auf die Fortbewegung mit dem Zug oder dem Tram angewiesen. Hier erweist sich die Trageart auf dem Rücken oftmals als ungünstig und eine alternative Position muss gefunden werden. Genau hier erweisen sich die heutigen Modelle nicht immer als optimal. Uns als Produktdesigner interessiert wie die Leute mit dieser Alltagssituation umgehen und welche Veränderungen ein Rucksack benötigt, um auch im öffentlichen Verkehr als optimaler Begleiter zu dienen. Wir haben uns entschieden die Strecke des 4er Trams zwischen Zürich, Altstetten und Zürich, Tiefenbrunnen zu beobachten. Grund dafür war die Verbindung zwei urbaner Gebiete, welche sich deutlich voneinander unterscheiden. Einerseits befindet sich die Strecke zwischen Zürich, Altstetten und Zürich, Central in einer Industriezone welche vor allem durch Erwerbstätige und Studenten belebt wird. Auf der anderen Seite befinden sich im Gebiet zwischen Zürich, Central und Zürich, Tiefenbrunnen die Einkaufs - und Freizeitmeile Niederdorf, welche vor allem während der Freizeit besucht wird. Um das Verhalten in einer grossen Menschenmenge unter die Lupe zu nehmen haben wir unsere Beobachtung auf die Stosszeiten zwischen 17:00 und 19:00 Uhr gelegt. Abbild 15. : Trammuseum Zürich 17 Erstaunlich auffällig war die Verteilung der Rucksäcke. Im erwähnten industriellen Gebiet haben wir eine Rucksackdichte von über 50% beobachtet, wobei diese in der Freizeitzone zwischen Central und Tiefenbrunnen drastisch auf etwa 5% abgenommen hat. Man kann also sagen, dass der Rucksack im urbanen Gebiet hauptsächlich als Transporthilfe zwischen dem zu Hause und dem Arbeitsplatz respektive Studienplatz dient. Die Anwendung in der Freizeit ist, auf die Masse bezogen, also eher sekundär. STEHEN Die von uns als häufigste beobachtete Trageart im Stehen, ist das Tragen mit einem Trageriemen über der Schulter. Da der Rucksack so auf der Seite des Trägers liegt, kann er einfach mit der Hand gehalten werden. So erlangt man gute ein Kontrolle und Überblick seines Rucksacks, was gerade in dichten Menschenmengen, wie bei Stosszeiten im Tram, sehr wichtig ist. Einerseits kann man sich so freier bewegen, ohne dass jemand vom Rucksack getroffen wird, andererseits ist man besser von Diebstählen geschützt. In dieser Position bedarf der Rucksack aber meistens einer zusätzlichen Sicherung mit der Hand, so dass er nicht von der Schulter rutscht. Häufig wird der Rucksack deshalb auch zwischen den Beinen auf den Boden gestellt, so erlangt man die Freiheit beider Arme. Hier muss der Rucksack jedoch ganz ausgezogen werden. Da das Gefühl über den Kontrollverlust des Rucksacks sehr unangenehm ist, wird das Tragen mit zwei Tragriemen auf dem Rücken eher selten beobachtet. Erstaunlich ist, dass die am wenigsten beobachtete Trageart im Stehen, das Tragen auf dem Bauch ist. Sie bietet sowohl die Freiheit beider Arme, die Kontrolle und den Überblick des Gepäcks und zusätzlich die Möglichkeit den Rucksack bequem zu öffnen, ohne sich bücken zu müssen. Der Grund für die Seltenheit dieser Trageart liegt wohl darin, dass sie auch am Aufwendigsten ist. Der Rucksack muss ganz ausgezogen werden und anschliessend wieder neu angezogen werden. SITZEN Die meisten Leute nehmen ihr Gepäck auf den Schoss. Gerade bei einem vollen 4er Abteil nimmt es so am wenigsten Platz weg. Jedoch muss hier das Gepäck meisten festgehalten werden, so dass es nicht runter fällt. Zudem liegt das Gewicht auf dem Schoss, was gerade bei einem vollgepackten 18 Rucksack und bei längeren Fahrten unangenehm sein kann. Viele Leute entscheiden sich deshalb das Gepäck zwischen den Beinen auf den Boden zu stellen. Da die Beinfreiheit gerade bei grossen Leuten ohnehin schon sehr knapp ist, ergibt sich aber auch hier ein grosser Nachteil. Am wohl bequemsten, aber auch am umstrittensten, ist das Abstellen auf dem Nebensitz. Da das aber bedeutet, dass man einen zusätzlichen Sitzplatz in Anspruch nimmt, wird dies gerade bei den Stosszeiten nur ungern gesehen. Seit dem Fahrplanwechsel der SBB am 11. Dezember 2011 können Personen, welche einen Sitzplatz mehr in Anspruch nehmen sogar gebüsst werden. Darin ist explizit festgehalten, dass „pro Person nur ein Sitzplatz zu belegen ist“. (vgl. http://www.20min.ch/news/dossier/oevau/story/SBB-drohen-Sitzplatz-Blockierern-mit-Rauswurf-23076700). In den wenigsten Fällen wird der Rucksack beim Sitzen anbehalten. Bei kurzen Strecken kann dies aber durchaus vorkommen, wobei hier der Sitzkomfort durch den benötigten Platz für den Rucksack wesentlich beeinträchtigt wird. ÖFFNEN Das Öffnen des Rucksacks im Tram scheint beinahe ausgestorben. Das Handy befindet sich bei den meisten Rucksackträgern in der Hosen- oder Jackentasche. Da dies während der Tramfahrt oft der einzig benötigte Gegenstand ist, wird sonst nichts aus dem Rucksack hervorgeholt. Wird jedoch trotzdem etwas aus dem Rucksack genommen, passiert dies meistens im Sitzen. Ob auf dem Schoss zwischen den Beinen oder auf dem Nebensitz stellt hier keinen grossen Unterschied dar. Das Öffnen im Stehen stellt sich jedoch als relativ schwierig dar, hier muss man sich einerseits festhalten, so dass man bei einer holprigen Tramfahrt nicht das Gleichgewicht verliert, andererseits muss der Rucksack gleichzeitig geöffnet und stabilisiert werden. Das tragen auf dem Bauch würde sich hier noch als beste Variante erweisen. Alternativ kann der Rucksack auch auf dem Boden oder auf einer erhöhten Abstellfläche geöffnet werden. 19 UMNUTZUNG Während unserer Beobachtung haben wir überraschend wenig Umnutzungen festgestellt. Wenn eine Umnutzung stattfand, war sie oft nicht extremer Art und deshalb auch nicht sofort als solche erkennbar. Die häufigste Art der Umnutzung war, den Rucksack als Abstützung umzufunktionieren. Wenn beispielsweise der Rucksack auf dem Nebensitz steht, kann der Arm ruhend auf dem Rucksack liegen. Ist der Rucksack auf dem Schoss platziert, kommt es vor, dass besonders müde Passagiere ihren Kopf darauf ausruhen und ein kurzes Nickerchen halten, bevor sie wieder aussteigen müssen. Bei grossen Wanderrucksäcken kommt es auch vor, dass er als Sitz genutzt wird, um beispielsweise während einer Wartezeit bequemer zu verweilen. Eine etwas auffälligere Umnutzung war zu beobachten, als eine Person ihre Jacke in den Trageriemen eingehängt hatte. Nach anfänglicher Irritation über diese unübliche Geste, fiel uns jedoch auf, dass sie durchaus sinnvoll war. Denn mit der ständig umschwingenden Wetterlage, hatte die Person die Jacke so immer griffbereit und doch ihre Hände frei. Hätte sie die Jacke hingegen im Rucksack verstaut, hätte das Hervorholen weitaus mehr Zeit und Mühe beansprucht. Als ein plötzlicher, heftiger Regenschauer die aussteigenden Passagiere überraschte, hielten einige den Rucksack, oder andere Gepäckstücke, schützend über ihren Kopf und eilten zum nächsten Unterstand. Eine Weile später strahlte wieder die Sonne vom Himmel und wir trafen noch auf einen Jugendlichen, der seine Sportschuhe und ein Duschtuch aussen an seinem Rucksack zum Auslüften angeschnallt hatte. Bei diesem Fall wurde uns jedoch später bewusst, dass diese ungewöhnliche Nutzung vermutlich im Programm berücksichtigt war, denn die Gummibänder aussen am Rucksack lassen offen, ob und was man darin einklemmt. PROBLEME Hat der Rucksack doch zahlreiche ergonomische Vorteile, so ist er in seinem Umgang doch noch nicht fehlerfrei. Die grössten Störungen entstehen sowohl beim An- und Abziehen, als auch beim Öffnen und Schliessen des Rucksacks. Beim Anziehen suchen die Arme oft nach hinten verrenkt nach den Trageriemen, welche auch gerne verdrehen und dann nicht mehr bequem sitzen. Um den Rucksack zu Öffnen, wird er mit Schwung vom Rücken auf den Bauch befördert und muss dann umständlich mit einem Oberschenkel stabilisiert werden, da das meist textile Material des Rucksacks 20 zu wenig Eigensteifigkeit besitzt. Zum eigentlichen Öffnen des Reissverschlusses müssen beide Hände frei sein. Mit einer Hand hält man den Stoff, die andere Hand zieht am Reissverschluss. Dieser Vorgang ist selten schnell und flüssig, der Reissverschluss klemmt den Stoff ein, oder muss um den ganzen Rucksack herum geöffnet werden, weil er nur ein grosses Hauptfach besitzt. Auch beim Sitzen tauchen Probleme auf. Der Rucksack kann nur unbequem auf dem Rücken behalten werden, also wird er nach vorne genommen. Bei schweren, oder auch grösseren Rucksäcken, rutscht er ab dem Schoss und muss während der Fahrt im Tram oder im Zug festgehalten werden. Wird der Rucksack stattdessen auf dem Rücken getragen, entstehen besonders in engen Platzverhältnissen, welche man in Verkehrsmitteln oft, und zur Stosszeit sowieso immer hat, kleine Zusammenstösse mit anderen Passagieren. Der Mensch hat Mühe, ein Gefühl für das zusätzliche Volumen an seinem Rücken zu entwickeln und vor allem bei schnellem Wenden touchiert der Rucksack teils mit erstaunlicher Wucht die umstehenden Personen und verärgert diese. VERBESSERUNGEN Das grösste Verbesserungspotential sehen wir bei der Vielseitigkeit und Flexibilität des Rucksacks. Er wechselt ständig die Position am menschlichen Körper. Sei dies, weil der Mensch selbst seine Haltung ändert, oder weil die Situation um ihn herum vom weiten zum engen Raum übergeht. Deshalb ist es essentiell, dass bei der Gestaltung des Rucksack mehrere Tragepositionen berücksichtigt werden. Diese Tragepositionen können in unzählige Kategorien eingeordnet werden: Zwei- und einarmig, lang- und kurzfristig, schwer und leicht bepackt, gehend oder fahrend. Diese breite Herangehensweise an die Nutzung des Rucksacks könnte spannende neue Formen ergeben. Einige der neuartigen Taschen-Rucksack-Hybride lösen diese komplexe Anforderung bereits recht gut. Auch das Innenleben des Rucksacks trägt massgeblich zur einfachen Benutzung bei. Rucksäcke die lediglich ein grosses Hauptfach und ein kleines Aussenfach besitzen, gibt es nur noch selten. Die Rucksackhersteller haben offenbar erkannt, wie wichtig dem Kunden viele kleine Nebenfächer sind. Dies befriedigt nicht nur Menschen mit einem ausgeprägten Sinn für Ordnung, sondern erlaubt auch, mit einem gezielten Griff den gewünschten Gegenstand aus dem Rucksack zu holen, ohne in einem ungeordneten Haufen lange suchen zu müssen. Bei der Entwicklung dieser Fächer gilt es aber 21 nicht nur den zukünftigen Inhalt zu bedenken, sondern auch die damit einhergehende Handlung zu berücksichtigen. So möchte man unterwegs seinen Schlüsselbund einerseits zwar sicher und tief im Rucksack verstauen, andererseits muss der Schlüssel vor der zu öffnenden Tür schnell hervorgeholt werden können. Diesen teils widersprüchlichen Ansprüchen gilt es gerecht zu werden. Eine ebenfalls entscheidende Rolle spielt dabei auch die Art des Verschlusses. Obwohl noch vorwiegend Reissverschlüsse verwendet werden, könnten je nach Rucksack und Fach anderen Verschlusssysteme besser funktionieren. Eine schnell zu öffnende Seitentasche könnte beispielsweise einen Magnetverschluss haben, die stark belasteten Trageriemen robuste Kobraschnallen, welche dem Fallschirmsport entstammen. Nicht zuletzt kann auch bei der Materialwahl nochmals viel zu einer stimmigen Rucksackkonstruktion beitragen. Auf dem heutigen Markt gibt es eine unüberschaubare Auswahl an Textilien, Kunststoffen und Schaumstoffen, die in der richtigen Kombination den Rucksack verbessern können. Der Rucksack als Industrieprodukt eignet sich insofern zur ständigen Weiterentwicklung, weil keine grossen Investitionen getätigt werden müssen. Die Herstellungsverfahren in der Textilverarbeitung können meist übernommen werden und es gibt keine horrende Werkzeugkosten wie bei beispielsweise bei Kunststoffprodukten. Auch in modischer Hinsicht ist der Rucksack ein attraktives Objekt. Der Modebranche gelingt es, Saison für Saison den Rucksack optisch zu verändern, ohne dass dessen Funktion ebenfalls neu sein muss. Dank diesen günstigen Bedingungen, kann der Rucksack Veränderungen ohne Verzögerung mitmachen und ist somit stets aktuell und relevant. Der Rucksack der Zukunft wird bestimmt noch leichter, robuster und angepasster an den anspruchsvollen Nutzer und seinen Alltag. 22 S C H LU S S WORT R ucksäcke werden so schnell nicht aus unserem Alltag verschwinden. Sie existieren bereits seit langer Zeit, ist zuweilen mehr oder weniger im Trend, doch insgesamt kann er sich gut gegen seine Konkurrenten behaupten. Der auf dem Rücken getragene Behälter besitzt die Fähigkeit, über die Zeiten hinweg zu bestehen und sich der stetig ändernden Umwelt anzupassen. Es ist die Aufgabe von Designern, dieses Produkt sowohl formal, als auch funktional zeitgemäss zu halten und immer wieder neu zu erfinden. Die nötigen Veränderungen sind dabei nicht immer drastischer oder revolutionärer Natur, sondern viel mehr kleine, unscheinbare Anpassungen in den Details. Der Rucksack ist so eng mit dem Menschen in Kontakt, dass sein Aussehen und seine Funktion auch immer ein Abbild des Zeitgeistes darstellen. Der Aspekt der Mobilität, welcher auch den Rucksack stark beeinflusst, spielt seit jeher eine wichtige Rolle im Alltag des Menschen und wird sich in den nächsten Jahrzehnten weiterentwickeln. Auch der Rucksack wird diesen Veränderungen folgen und in neuen Formen dem Menschen das Tragen erleichtern. 23 QUELLENVERZEICHNIS Duden: Rucksack, der. In: http://www.duden.de/rechtschreibung/Rucksack. 10.4.2015 Wikipedia: Rucksack. In: http://de.wikipedia.org/wiki/Rucksack. 6.4.2015 Wikipedia: B odybag. In: http://de.wikipedia.org/wiki/B odybag_(Tasche) 8.4.2015 Tagespiegel: Typologie: Der Rucksack der Geschichte. Eva Riedmann. 20.4.2014. In: http:// www.tagesspiegel.de/weltspiegel/sonntag/typologie-der-rucksack-der-geschichte/9780014. html. 6.4.2015 Eastpak: Eastpak: The Brand with a stor y to tell. In: http://www.eastpak.com/uk-en/about_ eastpak/ 6.4.2015 NZZ: Rucksack von Street Files: Er ist zurück. Natalie Avanzino. 21.7.2012. In: http://www. n zz.ch/aktuell/zuerich/uebersicht/er-ist-zurueck-1.17384563 3.4.2015 Fa s h i o n s t r e e t B e r l i n : D e r Ru c k s a c k i s t w i d e r d a 0 5 . 0 3 . 2 0 1 5 . I n : h t t p : / / w w w. f a s h i o n s t r e e t - b e r l i n . d e / d e r- r u c k s a c k - 2 0 1 5 - i s t - w i e d e r- d a / 9 6 1 4 2 / 1 0 . 0 4 . 2 0 1 5 We l t . d e : F j a e l l r a e v e n . I n : h t t p : / / w w w. w e l t . d e / i c o n / a r t i c l e 1 3 7 9 7 5 2 3 4 / D e r- Fj a e l l r a e v e n - i s t - d e r- 4 Yo u - Ru c k s a c k - f u e r- H i p s t e r. h t m l 1 0 . 0 4 . 2 0 1 5 Ru c k s a c k b e r a t u n g . d e : Ru c k s a u c k s a c k t y p e n . I n . : h t t p : / / w w w. r u c k s a c k b e r a t u n g . d e / rucksacktypen/ 8.4.2015 S t u d i s - O n l i n e : F r a g e Ta s c h e v s . Ru c k s a c k I n . : h t t p : / / w w w. s t u d i s - o n l i n e . d e / F r a gen-Brett/read.php?110,274513,page=2 2 0 m i n : S B B - d r o h e n - S i t z p l a t z - B l o c k i e r e r n - m i t - R a u s w u r f I n . : h t t p : / / w w w. 2 0 m i n . ch/news/dossier/oevau/stor y/SBB-drohen-Sitzplatz-Blockierern-mit-R auswurf-23076700 24 ABBILDUNGSVERZEICHNIS Abbild_1: Aller-Leih. In: http://www.aller-leih.com/static/images/productimage-picture-ruckentrage-kraxe-11495_JPG_600x600_q85.jpg Abbild_2: Wikipedia: Klassischer Rucksack der Schweizer Armee ca. 1960. In: http://de.wikipedia.org/wiki/Rucksack#/media/File:Rucksack_Schweizer_Armee_1960er_a.jpg. 6.4.2015 Abbild_3: Etsy: vintage 1980s BACKPACK pack back pack WOLF CREEK day pack. anniehaul. In: https://www.etsy.com/listing/83349863/vintage-1980s-backpack-pack-back-pack. 11.4.2015 Abbild_4: Neonmagazinescans. In: https://neonmagazinescans.files.wordpress.com/2010/12/ ad11.jpg. 6.4.2015 Abbild_5: Fjällräven: Kånken No. 2. In: http://www.fjallraven.de/catalog/product/view/ id/31256/s/kanken-no-2/category/384/?option_id=962. 11.4.2015 Abbild_6: C i t y B a g v o n H e r s c h e l . In: h t t p : / / w w w . s t y l e f i l e . d e / h e r s c h e l - c i t y rucksack-schwarz-fid-43891.html 13.04.2015 Abbild_7: C i t y B a g v o n P i k é . In:h t t p : / / w w w . p i k e e . c o m / D a m e n t a s c h e n / R u c k s a e c k e / 0 0 0 3 0 7 - C i t y - R u c k s a c k - G r i f o n e - L e d e r. h t m l 1 3 . 0 4 . 2 0 1 5 Abbild_8: E i n g u r t R u c k s a c k v o n J a c k Wo l f s k i n In: h t t p s : / / w w w . k o f f e r p r o f i . d e / M a r k e n / J a c k - Wo l f s k i n / J a c k - Wo l f s k i n - D a y p a c k s - B o d y b a g - S t a n m o r e - 1 0 1 0 night-blue.html 13.04.2015 Abbild_9: F a h r r a d r u c k s a c k v o n B r e e . I n : h t t p : / / w w w . w a r d o w . c o m / b r e e - p u n c h 9 2 - r u c k s a c k - 8 3 3 5 0 0 9 2 - y e l l o w. h t m l ? u t m _ s o u r c e = p r e i s s u c h m a s c h i n e & u t m _ medium=cpc&utm_campaign=preissuchmaschine 13.04.2015 25 Abbild_10: L a p t o p r u c k s a c k v o n O f f e r m a n n . I n : h t t p : / / w w w . w a r d o w . c o m / o f f e r mann-city-laptop-rucksack-5245-0710.html 13.04.2015 Abbild_11: Model K a n k e n v o n F j a e l l r ä v e n . I n : h t t p : / / w w w . w e a r e . d e / b l o g / r u c k s a cke-taschen/18160/fjaellraeven-rucksack.html 13.04.2015 Abbild_12: Model H a z z a r r d v o n F r e i t a g I n : h t t p : / / b a g - b l o g . d e / w p - c o n t e n t / uploads/2012/10/freitag-hazzard.jpg 13.04.2015 Abbild_13: M e r c e d e s - b e n s F a s h i o n We e k . I n : h t t p : / / w w w . f a s h i o n s t r e e t - b e r l i n . de/der-rucksack-2015-ist-wieder-da/96142/ 13.04.2015 Abbild_14: Model: Pete von Freitag/ Lastwagenblache / Türkis-Gelb I n : h t t p : / / w w w . f r e i t a g . ch/Fundamentals/Backpacks PETE/p/F201_00383 13.04.2015 Abbild_15: Tram Museum Zürich I n : h t t p : / / w w w . r a d i o m u s e u m . o r g / m u s e u m / c h / tram-museum-zuerich/.html 20.05.2015 26
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