Am lauten Puls der Maschinen - SDS

PORTRÄT
S c h w i ng u ng s D i ag no s e S e r v i c e G m b H
Am lauten Puls der Maschinen
Das Unternehmen im sächsischen Böhlen ist auf die Messung und Bewertung von Schallemissionen
spezialisiert. Die zu begutachtenden Objekte reichen von Kraft- und Arbeitsmaschinen in
Tagebauen und in Kraftwerken bis hin zu Straßenbahnen im lärmbelasteten Großstadtverkehr.
E
ine Kreuzung im Leipziger Norden.
In Spitzenzeiten donnert hier, wo
die Lindenthaler die Schumannstraße quert, alle zwei Minuten eine
Straßenbahn vorbei. Direkt neben den
Gleisen haben Männer in orangenen
Westen ein Mikrofon aufgestellt. Daneben liegt auf dem Boden ein Messgerät,
das anmutet wie eine verkabelte Gehwegplatte. Ein Team der Schwingungs Diagnose Service GmbH (SDS) misst an diesem Tag für Leipzigs Verkehrsbetriebe
die Schallwellen, die vorbeifahrende
Trams verursachen: Welche Lautstärke
erzeugen sie? Welche Schwingungen wirken auf das Ohr, welche auf den Bauch?
Werden Grenzwerte überschritten?
Dies zu erkunden sei die Aufgabe ihrer Ingenieure, erläutert Johannes Köllner, der technische Geschäftsführer von
SDS. Zu einem späteren Zeitpunkt würden diese Messungen dann wiederholt,
um geplante Sanierungsmaßnahmen
auf ihren Erfolg zu überprüfen.
Foto: H. Lachmann
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Straßenbahnen bilden indes nur eines
von zahlreichen Einsatzfeldern der
Schallexperten. Nicht ohne Grund hat
die Firma ihren Sitz in Böhlen, quasi im
Herzen des westsächsischen Energie- und
Braunkohlereviers. Denn die Diagnose
der gewaltigen Kraft- und Arbeitsmaschinen, Kohleförderbrücken, Chemieanlagen oder Dampferzeuger ist laut Gattin
Sylvana Köllner das traditionelle Kerngeschäft. Auch hier werden Laufgeräusche
und Körperschallemissionen unter Lastund Leistungsbedingungen geprüft.
Mit raffinierter Technik diagnostizieren die Ingenieure und Techniker kaum
noch wahrnehmbare Parameter wie
Schwingweg, -beschleunigung und -geschwindigkeit, berichtet die kaufmännische Geschäftsführerin. Das Einsatzspektrum wachse unaufhörlich, ergänzt ihr
Mann: »Wir untersuchen Stahlwerkskonstruktionen, große Wasserpumpen und
Rohrleitungen auf schwingungstechnische Belastungen.« Zudem wuchte man
Rotoren aus – im eingebauten Zustand
und unter Betriebsbedingungen. Denn
in jedem zweiten Fall verursachten Unwuchten rotierender Maschinenteile die
WIRTSCHAFT & MARKT 07–08/12
unerwünschten Schwingungen – oft verschärft durch Verschleiß und Korrosion.
»Moderne und leistungsfähige Maschinen sind ein bedeutender und kostenintensiver Produktionsfaktor«, weiß Johannes Köllner. Sicherheit, Zuverlässigkeit
und Verfügbarkeit zählen da umso mehr.
Zugleich sollten die Wartungskosten gering gehalten werden. Hier greift die
Schwingungsdiagnose. »Wir liefern dem
Betreiber wertvolle Informationen zum
Zustand seiner Anlagen.« Diese könnten
Wartung und Instandhaltung rechtzeitig
planen und zum optimalen Zeitpunkt
durchführen. »Warum soll man intakte
Maschinen vorzeitig stilllegen, um sie zu
warten?«, fragt er. Das verursache unnötige Kosten und störe die Produktion.
Die Kunst der SDS-Diagnostiker besteht darin, den optimalen Zeitpunkt für
die nächste Durchsicht zu finden. Keine
Maschine dürfe ungeplant ausfallen, so
Köllner. Der 46-Jährige sieht darin »die
große Herausforderung, der wir uns täglich mit den Betreibern stellen«. Die eigenen Leute sind durchweg Spezialisten.
Alles erfahrene Maschinenbauer, die genau wüssten, wie eine Anlage richtig
tickt und welche Schallemissionen einen
nahenden Schaden ankündigen.
FA M I L I E N B E T R I E B :
Immer häufiger ist SDS auch im Bausektor tätig. »Erschütterungen durch
Bautätigkeiten beeinträchtigen Bauwerke, sie können aber auch den menschlichen Organismus schädigen«, sagt
Köllner. So charterten viele Kunden die
Böhlener Schallexperten speziell dazu,
Bauarbeiten messtechnisch zu begleiten
– und notfalls Warnzeichen zu geben.
Die Intensität von Baumaßnahmen, etwa
bei Rammarbeiten, solle so gesteuert
werden, dass keine Folgeschäden entstünden und die gesetzlichen Grenzwerte eingehalten würden. So könne dann
ein Hausbesitzer später nicht einfach behaupten, einen Riss in der Fassade habe
die benachbarte Baustelle verursacht.
KUNST DER RICHTIGEN DIAGNOSE
»Poliklinik« steht groß über dem Gebäude, in dem SDS sein Labor betreibt. Das
ist Zufall und bald auch Geschichte.
Noch dieses Jahr bezieht die Firma ein
neues Gebäude in Zwenkau. Ein Vergleich mit Ärzten scheint nicht so abwegig. Wie bei einem Mediziner besteht die
Kunst auch bei SDS darin, aus Symptomen die richtige Diagnose zu erstellen
und, falls nötig, eine heilende Therapie
einzuleiten. Für Köllners ist die lang-
Hans-Jürgen Hornisch (M.) mit Tochter und Schwiegersohn.
BERICHT
jährige Erfahrung ihrer Ingenieure das
wichtigste Kapital des Unternehmens.
Das Ehepaar steht für die zweite Generation in der Firma. Zu Jahresbeginn
übernahmen sie das Steuer. Privatisiert
und erfolgreich in die Marktwirtschaft
überführt hatte die frühere Fachabteilung des Böhlener Chemiekombinates
Hans-Jürgen Hornisch, der Vater von Sylvana Köllner. 1994 war das. Tochter und
Schwiegersohn lebten damals in Nordrhein-Westfalen. Hier war die Sächsin gelandet, nachdem sie 1989 auf abenteuerliche Weise über die deutsche Botschaft
in Prag gen Westen geflohen war.
Johannes Köllner war zuletzt Produktionsleiter bei einem mittelständischen
Kunststoffverarbeiter, Sylvana arbeitete
im kaufmännischen Bereich eines Industriebetriebes. Sie hatten Haus und Kind
und eine Zukunft. Doch Hans-Jürgen
Hornisch, der SDS bis 2011 führte, begann nach einem Nachfolger zu suchen.
Die Entscheidung zum Umzug in den
Leipziger Raum traf das Paar vor neun
Jahren – rechtzeitig vor der Einschulung
ihrer Tochter. Der Senior nahm sie
schnell in Verantwortung, so dass sie hinreichend Zeit bekamen, sich in das sehr
spezielle Metier einzuarbeiten. Mittlerweile lenken und leiten Sylvana und Johannes Köllner das Unternehmen, das
neun Mitarbeiter hat und pro Jahr gut
700.000 Euro Umsatz erwirtschaftet.
Foto: Green Ventures
K O O P E R AT I O N I N D E R F O R S C H U N G
Johannes Köllner engagierte sich von Beginn an auch im Forschungsbereich. SDS
hat einen sehr guten Namen bei wissenschaftlichen Partnern an verschiedenen
sächsischen Hochschulen und Instituten. »Es gibt eben kaum Standards für
das, was wir tun«, erzählt er. Ein Teil ihrer Methoden und Geräte müsse selbst
entwickelt und von der Mannschaft in
praxi stetig verfeinert werden.
Zurzeit arbeite man mit Instituten in
Freiberg und Chemnitz an einem neuen
Mess- und Diagnoseverfahren für industrielle Thermoprozessanlagen. Damit
ließen sich »über Sensoren zeitgleich optische Signale und Schwingungsdaten
während des Betriebes erfassen«. Gefördert werde dieses Vorhaben vom Bund.
»Forschungskooperationen sind für
uns wichtig«, sagt Köllner. »Wir sind in
vielen Branchen unterwegs und sehen
täglich Problemstellungen, für die es weder Geräte noch Verfahren gibt.« Nur die
gute Idee reiche nicht. Ein klassisches
Budget für Forschung und Entwicklung
könne eine kleine Firma schwer vorhalten. Ohne die Förderung ließen sich solche Projekte nicht erfolgreich umsetzen.
&
Harald Lachmann
Un t e r n e h m e r t r e f f e n a m T e m p l i n e r S e e
Gefragte Kooperationsbörse in Grün
Vertreter von Firmen und Institutionen aus 45 Ländern knüpften
bei den 15. Green Ventures in Potsdam wirtschaftliche Kontakte
I
nternational ging es Mitte Juni im
idyllisch zwischen Pirschheide und
Templiner See eingebetteten Seminaris Seehotel Potsdam zu: Bei den Green
Ventures 2012 trafen sich nach Angaben
des Veranstalters Vertreter von 220 Unternehmen und Institutionen aus 45 Ländern. Die Kooperationsbörse der Energieund Umweltbranche fand zum 15. Male
statt, sie hat sich offenbar als Impulsgeber etabliert, so Brandenburgs Wirtschaftsminister Ralf Christoffers.
Zur Auftaktveranstaltung am 14. Juni
hatte René Kohl, Hauptgeschäftsführer
der Industrie- und Handelskammer (IHK)
Potsdam, die Teilnehmer begrüßt. »Das
Kontaktforum legt den Fokus auf Kooperationsprojekte in den Bereichen Wasser,
Luft und Boden, Energie und Bau sowie
Recycling und regenerative Materialien«,
sagte er. Franzjosef Schafhausen vom
Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit unterstrich die Vorbildfunktion Deutschlands
bei der Nutzung der Erneuerbaren Energien. Die Energiewende sei »das zentrale
Projekt der Bundesregierung«.
In Gesprächsrunden nutzten die Unternehmensvertreter die Gelegenheit,
sich über Investitionen und Konzepte
auszutauschen und die Möglichkeiten
der Zusammenarbeit auszuloten. Die in
Hennigsdorf (Oberhavel) ansässige ZIM
Plant Technology GmbH bietet eine Technologie an, die mittels Sensoren den
Wasserbedarf von Pflanzen bestimmt.
Firmengründer Ulrich Zimmermann
konnte im vergangenen Jahr die ersten
großen Aufträge verbuchen, die über
frühere Kontakte im Rahmen der Börse
entstanden. »Unsere Sonden werden heute auf brasilianischen Zuckerrohrfeldern
genutzt. Zum Einsatz in Mangroven-Wäldern sind wir im Gespräch mit Partnern,
die wir bei der Kooperationsbörse trafen«, informierte er .
Auf dem Abendempfang des diesjährigen Partnerlandes Belgien betonte Christoffers: »Wir kennen die Chancen, aber
auch die Herausforderungen der Energiewende sehr gut. Deshalb ist der internationale Austausch besonders wichtig.«
Der Belgische Botschafter Renier Nijskens sprach vom Nachholbedarf beim
Einsatz grüner Technologien. »Belgien ist
noch nicht so weit wie Deutschland, was
die Umstellung auf regenerative Energie-
quellen angeht. Das Land hat sich in
den letzten Jahren jedoch ganz gut entwickelt, woraus viele Kooperationsmöglichkeiten, besonders in den Bereichen
Recycling, Abwasser und Erneuerbare
Energien, hervorgehen.«
Ein Highlight der Veranstaltung: die
Venture Capital Börse. Sie zeigte den Unternehmern, wie sie mit ihren Ideen und
Innovationen auf Investoren zugehen
können. Teilnehmer hatten die Möglichkeit, Konzepte von Clean Capital London,
einem unabhängigen Londoner Finanzberatungsunternehmen, prüfen zu lassen und nach anschließender Beratung
Investoren zu präsentieren. Abschluss
des dreitägigen Forums bildete eine Exkursion zu Unternehmen und Projekten.
I M D I A L O G : Unternehmensvertreter erörtern
Möglichkeiten der Zusammenarbeit.
Im Solarpark Brandenburg-Briest wurde
das von Q-Cells errichtete 91-MegawattPhotovoltaik-Kraftwerk mit rund 383.000
kristallinen Solarmodulen besichtigt, im
Premnitzer Industriepark die Anlage von
E.ON Energy from waste sowie die Firstwood GmbH besucht.
Victor Stimming zog als Präsident des
Veranstalters IHK Potsdam eine positive
Bilanz: »In vielen Gesprächen wurde
deutlich, wie sehr Know-how in den Bereichen Energie- und Umwelttechnik
nachgefragt wird. Dementsprechend
hoch ist auch das Potenzial für die wirtschaftliche Zusammenarbeit und Kooperationsprojekte. Wir freuen uns, dass wir
auch in diesem Jahr vor allem die internationale Geschäftsanbahnung unterstützen und als Veranstaltung einen Teil
zur Energiewende beitragen konnten.«
Sten Seliger
WIRTSCHAFT & MARKT 07–08/12
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