26 Der DomschulDomschul-Chor... Um es vorweg zu sagen: Die – zugegebenermaßen – hohen Erwartungen, die aus den tollen Revuen und Konzerten der letzten Jahre erwuchsen, konnten an diesem Abend nicht voll erfüllt werden. Der Funken sprang einfach nicht im gewohnten Umfang vom Chor auf das eher träge Publikum über. Selbst Stücke wie „Ein Freund, ein guter Der Chor ging ab, aber das Publikum blieb blass… Freund“ oder „Am Sonntag Das alljährliche Konzert der Chöre der Domschule will mein Süßer mit mir segeln gehn“, bei denen und der Thomas-Mann-Schule Lübeck stand in dienormalerweise jeder mitgeht, entfalteten beim sem Jahr ganz im Zeichen der Zwanziger Jahre – Publikum nicht die geplante Wirkung. Allerdings einer Zeit mit goldenen, aber auch vielen dunklen hatten auch die Sänger nicht ihren besten Tag Seiten. erwischt; teilweise wirkten sie wie auf der Flucht, nicht einmal der Applaus nach den Stücken wurEine Woche nach den Auftritten in der Hansestadt de abgewartet, sondern es wurde schnell mit an der Trave war unsere Aula am Wochenende dem Umstellen auf der Bühne begonnen. Aber vom 15.-17. April das Refugium für fast 100 Sänfangen wir vorne an. gerinnen und Sänger. Noch vor dem Start ließ ein ungezwungenes GeUnter der engagierten Leitung von Bärbel Sonntag spräch der nach und nach auf der Aula-Bühne und Monika Tonner boten sie den Zuhörern eine eintrudelnden Akteure - mit Klavierbegleitung unAuswahl an Stücken, die den Zeitgeist der 20er termalt - den Geist der „Goldenen Zwanziger“ Jahre widerspiegeln sollten. aufleben. Dazu spiegelten die farbenprächtigen und mit Liebe zum Detail ausgewählten Kostüme der Schülerinnen – inklusive Federboas in allen erdenklichen Farbkombinationen – sowie die Kopfbedeckungen (Zylinder & Hüte) und Anzüge der Männer die Mode der „Roaring Twenties“ wider. Beginnend mit der „Internationalen“ wurden den Zuhörern anfangs einige Marschlieder präsentiert. ...in Concert Darauf folgte der Gassenhauer „Was kann der Sigismund dafür, dass er so schön ist“, bei dem erstmals ein wenig Stimmung im Publikum aufkam. Jannis Andresen als trommelnder Sigismund blickte kühl gen Aula-Decke, während ihn sowohl das männliche, als auch das weibliche Geschlecht umgarnte. Den ersten musikalischen Höhepunkt setzte Nikolas Kuhl, der nicht nur mit seiner Stimme, sondern auch mit seiner Interpretation von „Immer nur lächeln“ voll überzeugen konnte. Die folgenden Stücke, unter anderem aus der Dreigroschenoper, sensibilisierten das Publikum für die Probleme der Nachkriegsgesellschaft: Große soziale Gegensätze und Verarbeitung der schrecklichen Erlebnisse des Weltkrieges, Unsicherheit und Unzufriedenheit. Die Losung „Erst das Fressen, dann die Moral“ machte deutlich, wo die Kritik Bert Brechts in diesen Zeiten ansetzte. Obwohl das Publikum, großteils bestehend aus Eltern, Anverwandten und Freunden, bis zu diesem Zeitpunkt schwer zu begeistern schien, wurde der Chor nach dem „Hochzeitslied“ mit Applaus in die Pause verabschiedet. Versorgt wurden die Gäste in dieser Zeit mit kühlen Getränken und Brezeln, die - von wem auch immer - reibungslos organisiert wurden. Nach der Pause begann das Eis endlich zu schmelzen. Mit der Performance von „Am Sonntag will mein Süßer mit mir segeln gehn“ wurde den Zuschauern ein peppiger und immer junger Schlager präsentiert. Im Mittelpunkt der Bühne wurde dazu allerdings eine männliche Schaufensterpuppe mit Anzug, Fliege und Seemannsjacke arrangiert, die von den Mädchen angehimmelt wurde. Ob sich für diesen Job kein Mitglied des Chores zur Verfügung hätte stellen können, fragten sich viele. Kurios wurde es beim übernächsten Stück, als Nikolas Kuhl wiederum überzeugend „Dein ist mein ganzes Herz“ zeigte, bei der er die Puppe umarmte und liebkoste. Die unfreiwillige Komik der Situation sorgte für Heiterkeit im Auditorium. Zuvor hatte die Choreographie zu „Ein Freund, ein guter Freund“ zu Stirnkräuseln geführt; im Hin-und-Her- sowie Auf-und-AbGeschaukel aller Sänger ging der Gesang fast unter. Nun folgten zwei Werke Bert Brechts und Kurt Tucholskys, „Das Lied von der Unzulänglichkeit“ und der Text „Der Mensch (Ein Schulaufsatz)“, mit dem Kim Schaffer die Zuhörer, unter denen übrigens auch einige Schüler und Lehrer der Lornsenschule waren, ein wenig zu überraschen schien. Es zeigte sich wieder, dass die in der allgemeinen Erinnerung als „Goldene Zwanziger“ abgebuchte Zeit für viele Menschen damals auch eine Zeit war, in der das Menschenbild breiter Schichten durch die Kriegserlebnisse stark ins 27 Wanken gekommen war. Dies „freitagabendgerecht“ zu präsentieren, ist eine schwierige Aufgabe. Den letzten Abschnitt des Konzertes leitete der Schlager „Wochenend’ und Sonnenschein“ ein, bei dem der den ganzen Abend engagiert mitsingende Herr Holst die Gelegenheit nutzte, sich als Tänzer zu beweisen. Danach folgte mit „In der kleinen Konditorei“ ein echtes Highlight mit Johanna Zybarth und HansChristian Bandholz als Solisten. Hier unterstütze das Publikum endlich einmal die Sänger und der bereits angesprochene Funken hatte gezündet. Im Anschluss wurde ein - offensichtlich als ein wenig lustig geplanter - lyrischer Text präsentiert: „Danach“, von Kurt Tucholsky. Inhaltlich ging es um die Gründe für das Ausblenden eines Filmes beim Abspann: Die Liebe nach dem Happy End verlaufe häufig nicht wie erhofft. Während das Publikum noch grübelte, wurde es jäh durch das Stück „Mir geht’s gut“ und eine tolle SteppPerformance (der dicken Tonne) unterbrochen. Auf dem Höhepunkt endete der Abend mit dem Evergreen „Mein kleiner Grüner Kaktus“ von den „Comedian Harmonists“, bei dem endlich mal die ganze Aula mitging. Den Dank der Schulleitung, in Form von Rosen für die Sänger und edler Tropfen für die Chorleiterinnen und die für ihre Leistung am Klavier mit großem Applaus bedachte Frau Zander, überbrachten Herr Reußner und Herr Meißner. Mit dem Lied „Was kann der Sigismund dafür, dass er so schön ist“ zogen die Chormitglieder unter Applaus aus der Aula aus. Fazit: Die Auswahl der Stücke barg eine gewisse Problematik, da die 20er offensichtlich ein nicht so einfaches Thema wie 80er oder 60er Jahre sind; man hat die Stücke teilweise einfach nicht im Ohr. Einige Stücke, wie die Märsche, machten ein Mitgehen schwer möglich, und andere potentielle Stimmungsmacher wurden an diesem Abend von einem ziemlich zurückhaltenden Publikum nicht so aufgenommen, wie man es von den Aufführungen der letzten Jahre gewohnt war. Höhepunkte gab es trotzdem so einige, bei denen die Schüler aus Lübeck und Schleswig zeigen konnten, was in ihnen steckte. Das Mitwirken von Lehrern und sogar einigen Ex-Abiturienten, vor allem aber die große Gesamtzahl der Mitwirkenden, zeigt den hohen Stellenwert, den der Chor für unsere Schule hat. Es ist das Potential vorhanden, dass es dem Chor im nächsten Jahr mit einem besser umzusetzendem Themenschwerpunkt und besserem Publikum möglich machen wird, an das außerordentlich hohe Niveau der vergangenen Jahre anzuknüpfen. [ had ] & [ cso ]
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