Der Domschul Der Domschul-Chor

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Der DomschulDomschul-Chor...
Um es vorweg zu
sagen: Die – zugegebenermaßen – hohen
Erwartungen,
die aus den tollen
Revuen und Konzerten der letzten Jahre
erwuchsen, konnten
an diesem Abend
nicht voll erfüllt werden.
Der
Funken
sprang einfach nicht
im gewohnten Umfang vom Chor auf
das eher träge Publikum über. Selbst
Stücke wie
„Ein
Freund, ein guter
Der Chor ging ab, aber das Publikum blieb blass…
Freund“
oder
„Am
Sonntag
Das alljährliche Konzert der Chöre der Domschule
will mein Süßer mit mir segeln gehn“, bei denen
und der Thomas-Mann-Schule Lübeck stand in dienormalerweise jeder mitgeht, entfalteten beim
sem Jahr ganz im Zeichen der Zwanziger Jahre –
Publikum nicht die geplante Wirkung. Allerdings
einer Zeit mit goldenen, aber auch vielen dunklen
hatten auch die Sänger nicht ihren besten Tag
Seiten.
erwischt; teilweise wirkten sie wie auf der Flucht,
nicht einmal der Applaus nach den Stücken wurEine Woche nach den Auftritten in der Hansestadt
de abgewartet, sondern es wurde schnell mit
an der Trave war unsere Aula am Wochenende
dem Umstellen auf der Bühne begonnen. Aber
vom 15.-17. April das Refugium für fast 100 Sänfangen wir vorne an.
gerinnen und Sänger.
Noch vor dem Start ließ ein ungezwungenes GeUnter der engagierten Leitung von Bärbel Sonntag
spräch der nach und nach auf der Aula-Bühne
und Monika Tonner boten sie den Zuhörern eine
eintrudelnden Akteure - mit Klavierbegleitung unAuswahl an Stücken, die den Zeitgeist der 20er
termalt - den Geist der „Goldenen Zwanziger“
Jahre widerspiegeln sollten.
aufleben. Dazu spiegelten
die farbenprächtigen und
mit Liebe zum Detail ausgewählten Kostüme der Schülerinnen – inklusive Federboas in allen erdenklichen
Farbkombinationen – sowie
die
Kopfbedeckungen
(Zylinder & Hüte) und Anzüge der Männer die Mode der
„Roaring Twenties“ wider.
Beginnend
mit
der
„Internationalen“
wurden
den Zuhörern anfangs einige Marschlieder präsentiert.
...in Concert
Darauf folgte der Gassenhauer „Was kann der
Sigismund dafür, dass er so schön ist“, bei dem
erstmals ein wenig Stimmung im Publikum aufkam. Jannis Andresen als trommelnder Sigismund blickte kühl gen Aula-Decke, während ihn
sowohl das männliche, als auch das weibliche Geschlecht umgarnte.
Den ersten musikalischen Höhepunkt setzte Nikolas Kuhl, der nicht nur mit seiner Stimme, sondern auch mit seiner Interpretation von „Immer
nur lächeln“ voll überzeugen konnte.
Die folgenden Stücke, unter anderem aus der
Dreigroschenoper, sensibilisierten das Publikum
für die Probleme der Nachkriegsgesellschaft: Große soziale Gegensätze und Verarbeitung der
schrecklichen Erlebnisse des Weltkrieges, Unsicherheit und Unzufriedenheit. Die Losung „Erst
das Fressen, dann die Moral“ machte deutlich, wo
die Kritik Bert Brechts in diesen Zeiten ansetzte.
Obwohl das Publikum, großteils bestehend aus
Eltern, Anverwandten und Freunden, bis zu diesem Zeitpunkt schwer zu begeistern schien, wurde der Chor nach dem „Hochzeitslied“ mit Applaus in die Pause verabschiedet.
Versorgt wurden die Gäste in dieser Zeit mit kühlen Getränken und Brezeln, die - von wem auch
immer - reibungslos organisiert wurden.
Nach der Pause begann das Eis endlich zu
schmelzen. Mit der Performance von „Am Sonntag will mein Süßer mit mir segeln gehn“ wurde
den Zuschauern ein peppiger und immer junger
Schlager präsentiert. Im Mittelpunkt der Bühne
wurde dazu allerdings eine männliche Schaufensterpuppe mit Anzug, Fliege und Seemannsjacke
arrangiert, die von den Mädchen angehimmelt
wurde. Ob sich für diesen Job kein Mitglied des
Chores zur Verfügung hätte stellen können, fragten sich viele. Kurios wurde es beim übernächsten Stück, als Nikolas Kuhl wiederum überzeugend „Dein ist mein ganzes Herz“ zeigte, bei der
er die Puppe umarmte und liebkoste. Die unfreiwillige Komik der Situation sorgte für Heiterkeit
im Auditorium. Zuvor hatte die Choreographie zu
„Ein Freund, ein guter Freund“ zu Stirnkräuseln
geführt; im Hin-und-Her- sowie Auf-und-AbGeschaukel aller Sänger ging der Gesang fast unter.
Nun folgten zwei Werke Bert Brechts und Kurt
Tucholskys, „Das Lied von der Unzulänglichkeit“
und der Text „Der Mensch (Ein Schulaufsatz)“,
mit dem Kim Schaffer die Zuhörer, unter denen
übrigens auch einige Schüler und Lehrer der
Lornsenschule waren, ein wenig zu überraschen
schien. Es zeigte sich wieder, dass die in der allgemeinen Erinnerung als „Goldene Zwanziger“
abgebuchte Zeit für viele Menschen damals auch
eine Zeit war, in der das Menschenbild breiter
Schichten durch die Kriegserlebnisse stark ins
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Wanken
gekommen
war.
Dies
„freitagabendgerecht“ zu präsentieren, ist eine
schwierige Aufgabe.
Den letzten Abschnitt des Konzertes leitete der
Schlager „Wochenend’ und Sonnenschein“ ein,
bei dem der den ganzen Abend engagiert mitsingende Herr Holst die Gelegenheit nutzte, sich als
Tänzer zu beweisen.
Danach folgte mit „In der kleinen Konditorei“ ein
echtes Highlight mit Johanna Zybarth und HansChristian Bandholz als Solisten. Hier unterstütze
das Publikum endlich einmal die Sänger und der
bereits angesprochene Funken hatte gezündet.
Im Anschluss wurde ein - offensichtlich als ein
wenig lustig geplanter - lyrischer Text präsentiert:
„Danach“, von Kurt Tucholsky. Inhaltlich ging es
um die Gründe für das Ausblenden eines Filmes
beim Abspann: Die Liebe nach dem Happy End
verlaufe häufig nicht wie erhofft. Während das
Publikum noch grübelte, wurde es jäh durch das
Stück „Mir geht’s gut“ und eine tolle SteppPerformance (der dicken Tonne) unterbrochen.
Auf dem Höhepunkt endete der Abend mit dem
Evergreen „Mein kleiner Grüner Kaktus“ von den
„Comedian Harmonists“, bei dem endlich mal die
ganze Aula mitging.
Den Dank der Schulleitung, in Form von Rosen für
die Sänger und edler Tropfen für die Chorleiterinnen und die für ihre Leistung am Klavier mit großem Applaus bedachte Frau Zander, überbrachten
Herr Reußner und Herr Meißner. Mit dem Lied
„Was kann der Sigismund dafür, dass er so schön
ist“ zogen die Chormitglieder unter Applaus aus
der Aula aus.
Fazit: Die Auswahl der Stücke barg eine gewisse
Problematik, da die 20er offensichtlich ein nicht so
einfaches Thema wie 80er oder 60er Jahre sind;
man hat die Stücke teilweise einfach nicht im Ohr.
Einige Stücke, wie die Märsche, machten ein Mitgehen schwer möglich, und andere potentielle
Stimmungsmacher wurden an diesem Abend von
einem ziemlich zurückhaltenden Publikum nicht so
aufgenommen, wie man es von den Aufführungen
der letzten Jahre gewohnt war. Höhepunkte gab
es trotzdem so einige, bei denen die Schüler aus
Lübeck und Schleswig zeigen konnten, was in ihnen steckte. Das Mitwirken von Lehrern und sogar
einigen Ex-Abiturienten, vor allem aber die große
Gesamtzahl der Mitwirkenden, zeigt den hohen
Stellenwert, den der Chor für unsere Schule hat.
Es ist das Potential vorhanden, dass es dem Chor
im nächsten Jahr mit einem besser umzusetzendem Themenschwerpunkt und besserem Publikum
möglich machen wird, an das außerordentlich hohe Niveau der vergangenen Jahre anzuknüpfen.
[ had ] & [ cso ]