KULTUR 17 NORDWESTSCHWEIZ DIENSTAG, 19. MAI 2015 Sie spielt Mozarts Geige Esther Hoppe steht mit Mozarts Geige nicht nur auf der Bühne, sie ist zugleich CoLeiterin des neuen Festivals für Kammermusik. Kammermusik Am Wochenende findet erstmals das Pfingstfestival Schloss Brunegg statt – Geigerin Esther Hoppe ist Mitgründerin VON ANJA WERNICKE «Als ich das Instrument zum ersten Mal in die Hand nahm, habe ich sofort eine spezielle Verbindung gespürt.» Esther Hoppe, die Ausnahmegeigerin aus Zug spricht hier nicht von irgendeinem Instrument, sondern von der Geige, auf der Wolfgang Amadeus Mozart höchstpersönlich gespielt hat, als er in Wien lebte. Das 1764 in Italien gebaute Instrument befand sich jahrelang im Privatbesitz eines AmateurMusikers in Deutschland. Die Kunstliebhaberin und Chefin des schwäbischen Maschinenbauers Trumpf, Nicola Leibinger-Kammüller, kaufte ihm die Geige ab und schenkte sie der Mozart-Stiftung in Salzburg. So kam es, dass Hoppe die Ehre zuteil wurde, die Geige erstmals wieder öffentlich zu spielen. Premiere im Schloss Mit dem Konzert wurde auch gleich die Bedingung erfüllt, welche die Spenderin an die Schenkung geknüpft hatte. Das Instrument sollte nicht hinter Glas verstummen, sondern weiterhin gespielt werden. Das leuchtet ein, denn ein Streichinstrument ist immer auch ein lebendiges Stück Holz, das in Schwingung gehalten werden muss. Nun hat es Esther Hoppe, die seit 2013 Professorin am Mozarteum in Salzburg ist, geschafft, das kostbare Instrument für ein Konzert in die Schweiz zu holen. Zum Eröffnungskonzert des neu gegründeten Pfingstfestivals Schloss Brunegg, das sie gemeinsam mit Jürg Dähler künstlerisch leitet, wird das Instrument zu erleben sein. Nach 20 Jahren Renovationszeit (das Schloss war Wohnsitz des Historikers Jean Rudolf von Salis und ist literarisch in Hermann Burgers Roman Brunsleben verewigt) öffnen die Schlossbesitzer von Salis die Tenne in der Unterburg sowie den Schlosssaal für zwei Abendkonzerte REMO UBEZIO /HO sie hatte auch grossen Erfolg mit dem Tecchler-Trio (2003 – 2011, erste Preise an Wettbewerben wie dem Deutschen Musikwettbewerb, dem Migros-Wettbewerb und dem Internationalen ARD-Wettbewerb München) und wirkte vier Jahre als Konzertmeisterin beim Münchner Kammerorchester. Ihre Ausbildung absolvierte sie zunächst in Basel und ging anschliessend ans Curtis Institute of Music in Philadelphia. und drei Mittagskonzerte verbunden mit einem Lunchangebot. Die Mozart-Geige zu spielen war für Hoppe wie ein «Heimkommen». Sie erklärt: «Ich hatte schon immer eine starke Affinität zu Mozart. Es ist die Musik, bei der ich mich am wenigsten anpassen muss.» Beim Eröffnungskonzert am Freitag wird sie neben Mozart auch Werke von Haydn und Schubert auf dem Instrument spielen. Für das zeitgenössische Werk von David Philip Hefti, geboren 1975 in St. Gallen und Composer in Residence beim Festival, greift sie allerdings zu ihrer eigenen Geige. Kein Wunder, denn schon der Titel des Werks für Streichtrio «Magma» verrät, dass das Stück wohl einiges an Spannung enthält. Die Mischung aus Alter und Neuer Musik zieht sich durch das gesamte Festival-Programm und war für Hoppe und Dähler besonders wichtig, das zeigen auch die zwei Schweizer Erstaufführungen am Festival (Streichsextett «Monumentum» von Hefti und «Moonshadow-Sunshadow» der amerikanischen Komponistin Vanessa Lann). «Die neuen Stücke putzen einem die Ohren. Danach hört man einen Mozart völlig anders.» Für Esther Hoppe ist die Auseinandersetzung mit zeitgenössischer Musik ganz selbstverständlich. «Neue Musik ist wie eine andere Sprache», erklärt sie, die offenbar genügend Entdeckergeist und Wissendurst mitbringt, sich diese neue Sprache anzueignen. Ihre Neugier spiegelt sich auch in den verschiedenen Stationen, die sie in ihrer Laufbahn bereits absolviert hat. Nachdem sie 2002 den Internationalen Mozartwettbewerb in Salzburg gewonnen hat, konzertierte sie nicht nur als Solistin mit verschiedenen Orchestern (Kammerorchester Basel, Zürcher Kammerorchester, Musikkollegium Winterthur – um nur ein paar Schweizer Orchester zu nennen), Hochkarätige Musiker Die Auslandserfahrung hat sie bereichert: «Ich wurde da sehr ins kalte Wasser geworfen. Während ich vom Studium in Basel gewohnt war, die Werke Schritt für Schritt zu erarbeiten, sollte ich hier innerhalb kürzester Zeit ein ganzes Solokonzert einstudieren. Einfach machen war die Devise.» Beide Herangehensweise verinnerlicht, versucht Hoppe heute stets mit einer Balance aus Intellekt und Intuition in ihre Interpretationen hineinzugehen. Beim Festival auf Schloss Brunegg hat sie mit dem weltbekannten Klarinettisten Reto Bieri, dem Solo-Cellisten des Tonhalle-Orchesters Thomas Grossenbacher sowie dem aus Zürich stammenden Cellisten Christian Poltéra und den internationalen Gästen, Geigerin Liza Ferschtman aus den Niederlanden und der US-Bratschistin Jennifer Stumm sowie dem Bratschisten Jürg Dähler illustre Kammermusik-Partner. Sie alle werden in kontrastvollen Programmen auch solistisch zu erleben sein. Wenn ein Streichtrio von Beethoven auf ein Solostück für Klarinette mit Elektronik «New York Counterpoint» von Steve Reich prallt oder eine Cello-Suite von Bach mit Luciano Berios «Sequenza VIII» für Violine solo kombiniert wird, weht auf dem alten Schloss ein frischer Wind. Pfingstfestival Schloss Brunegg 22. bis 25. Mai. Infos: www.festivalbrunegg.ch Neuentdeckung eines Aargauer Komponisten Klassik Das Argovia Philhamonic Orchestra brilliert unter der Leitung von Doublas Bostock und mit Star-Geiger Valeriy Sokolov zu heimischer Musik VON ALFRED ZILTENER Was für eine wunderbare Neuentdeckung! 2012 hat die Argovia Philharmonic, damals noch Aargauer Symphonie Orchester, die lange vergessene Sinfonie d-moll des Aargauers Hermann Suter auf CD herausgebracht und dafür viel Lob geerntet. Da ist es schon erstaunlich, dass es drei Jahre brauchte, bis das Orchester diesen Trumpf auch im Konzert ausspielte. Im letzten Programm der Saison, das am Wochenende in der «Bärenmatte» in Suhr Premiere hatte, dirigiert Douglas Bostock nun Suters Werk und die direkte Begegnung mit der Musik löst ein, was die Aufnahme versprochen hat. Die Sinfonie entstand 1914 als Dank an die Universität Basel für den Ehrendoktor-Titel. Damals war Suter als Leiter der Sinfoniekonzerte der Allgemeinen Musikgesellschaft und als Dirigent mehrerer Chöre eine Schlüsselgestalt im Basler Musikleben. Später übernahm er zudem die Direktion von Musikschule und MusikAkademie. Er starb 1926 in Basel. Begeisternder Auftritt Zwei seiner Kompositionen sind bis heute populär geblieben, das Lied «Im Aargau sind zwöi Liebi» und der «Wettsteinmarsch», Basels heimliche Stadthymne. Seine viersätzige Sinfonie ist ein Werk der Spätromantik, ideenreich und mit Witz komponiert, dazu hervor- ragend instrumentiert. Natürlich sind Einflüsse auszumachen – die Farbenpracht des Kopfsatzes erinnert an Alexander von Zemlinsky, das Thema des Adagio molto atmet den Geist Gustav Mahlers, einiges lässt an den jungen Richard Strauss denken, – doch Suters Musiksprache bleibt eigenständig. Originell ist der Scherzo-Satz, ein Militärmarsch, der vor dem Auftrumpfen jeweils ironisch gebrochen wird, im Trio unterbrochen von instrumentalem Hühnergackern; das Trompetenmotiv am Schluss ist Armeesignal und Hahnenschrei zugleich. Der Schlusssatz verarbeitet Schweizer Volkslieder. Bostock und das Orchester begeisterten in der «Bärenmatte» mit einer Auf- führung auf hohem Niveau, energiegeladen, prachtvoll klingend, präzis und ausdrucksvoll musiziert. Das Spiel mit Volksliedern schlug den Bogen zurück zum ersten Stück des Konzerts, der «Akademischen Festouvertüre» von Johannes Brahms, die in ähnlicher Weise Studentenlieder verarbeitet und ebenfalls einen Ehrendoktor – der Universität Breslau – verdankt. Bostock dirigierte eine schlanke, nervige Interpretation ohne breites Pathos, doch durchaus mit Spass am den triumphalen Fortissimo-Höhepunkten. Das Erste Violinkonzert von Max Bruch passte gut in diese Reihe. Der junge Ukrainer Valeriy Sokolov gestaltete den Solopart kraftvoll und beredt, mit vielen Farben. Das gesangliche Adagio interpretierte er beseelt, aber in einheitlichem Mezzoforte, wo differenziertes Pianospiel gefragt wäre. Das allerdings passte zu Bostocks kräftig zupackendem Dirigat. Mit Fritz Kreislers hochvirtuosem «Rezitativ und Scherzo-Caprice» verabschiedet sich Sokolov vom jubelnden Publikum. In einer Zugabe, von Fritz Kreisler demonstrierte Sokolov erstaunliche Virtuosität. Weitere Aufführungen Dienstag, 19. Mai, 19.30 Uhr, Bärenmatte in Suhr. Freitag, 22. Mai, 19.30 Uhr, Trafo in Baden.
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