Nein zur Korruption

Best Practice für Compliance und Sicherheit
www.comply-online.de
1. JAHRGANG
OKTOBER 2015
SEITEN 1- 84
ISSN 2364-7604
FACHMAGAZIN FÜR COMPLIANCE-VERANTWORTLICHE
ESSENTIALS
> RISIKEN
„Wir machen uns die Hände
schon nicht schmutzig“
Mehr Sicherheit für
Kritische Infrastrukturen
Die EU-DatenschutzGrundverordnung
> INNOVATION
Sneakpreview ISO 37001
Anti-bribery management systems
MITTELSTAND
© bobaa22 · miakievy/istock.com
> FORTBILDUNG
Mitarbeiterschulung zur
Korruptionsprävention
GLOBAL
> RUSSLAND
> CHINA
> THAILAND
PERSPEKTIVEN
Ein Compliance-System ohne Grenzen
SERVICE GUIDE
Übersicht CM-Software
I N KO O P E R AT I O N M I T:
Nein zur
Korruption
Global
China
Chinas „Fuchsjagd auf
Tiger und Fliegen“
Aktuelle Anti-Korruptions-Kampagnen in der Volksrepublik China
und rechtliche Reformen für mehr Compliance
Compliance und eine bestmögliche Bekämpfung von Korruption sind erklärtes Ziel der Anti-Korruptions-Kampagne des Parteichefs und Staatspräsidenten der Volksrepublik China (VRC) Xi Jinping.
„Operation Fuchsjagd“ nennt die chinesische Führung ihre seit 2014 erheblich verstärkte Anti-Korruptions-Kampagne, mit der die parteiinterne Disziplinkommission in Zusammenarbeit mit lokalen
Behörden und Staatsanwaltschaften Korruption streng verfolgt und versucht, so einen Gewinn an
Rechtsstaatlichkeit und eine Verbesserung des Investitionsklimas in China zu erreichen. Dies hat auch
für ausländische Unternehmen mit wirtschaftlichen Aktivitäten in China Konsequenzen. Dieser Beitrag
gibt Anregungen von Praktikern, was daraus für verantwortliche Unternehmensrepräsentanten folgt.
Korruptionsbekämpfung in China –
ein neues Phänomen?
Kampagnen gegen Bestechlichkeit und Korruption sind
in China kein neues Phänomen. Auch wenn die Intensität der aktuellen Kampagne gegen Bestechlichkeit
unter Parteichef Xi Jinping seit 2012 es so erscheinen
lässt, als sei diese Art der Verfolgung von Korruption
neu, haben auch seine Amtsvorgänger Hu Jintao und
Jiang Zemin jeweils zu Beginn ihrer Amtszeit Anti-Korruptions-Kampagnen initiiert.
Noch weiter zurück gehen die strafrechtlichen Bestimmungen, die Korruption unter Strafe stellen. Diese sind
im Strafgesetzbuch der Volksrepublik China enthalten,
dessen Neufassung auf das Jahr 1997 datiert. Die einschlägigen Vorschriften sind verstreut in verschiedenen
Gesetzen und Verwaltungsrichtlinien. Verschärfungen
wurden teils erst kürzlich im Juli 2015 beschlossen.
Trotz dieser Kampagnen gegen Bestechlichkeit liegt
China auf dem Korruptionswahrnehmungsindex („Corruption Perception Index“) von Transparency International auf den hinteren Rängen und hat sich im Jahr 2014
in der Einstufung erheblich verschlechtert. Während
Deutschland beispielsweise am oberen Ende auf Platz 12
liegt, steht China in 2014 zusammen mit Algerien und
Surinam auf Rang 100 von 175 Ländern und ist damit
um 20 Ränge von Platz 80 in 2013 gefallen. Dies konnte
auch die Anti-Korruptions-Kampagne des neuen Staatspräsidenten nicht verhindern.
Die Anti-Korruptions-Kampagne
von Xi Jinping
Die Anti-Korruptions-Kampagne von Xi Jinping ist der
rigorosen Verfolgung von Korruption in der öffentlichen
Hand, aber auch in der Privatwirtschaft, gewidmet. Sie
wird geleitet von Wang Qishan, dem Vorsitzenden der
Disziplinkommission, der in der Verfolgung rigoros
durchgreift.
58
Ziel der Kampagne war zunächst die Bekämpfung
der Korruption durch die Verfolgung bestechlicher
Amtsträger der öffentlichen Hand ungeachtet von
Rang und Namen. Darunter fallen in der Nomenklatur Pekings „Tiger“, allerhöchste Parteibonzen, die
als „politische Tiger“ ihre Macht infolge Korruption
missbraucht oder als „wirtschaft liche Tiger“ mit
Managementfunktionen in Staatskonzernen korrupt gehandelt haben, ebenso wie die sog. „Fliegen“,
kleine KP-Beamte, die ihre Macht missbraucht und
Bestechungsgelder eingefordert haben, weshalb die
Kampagne auch als die „Xi-Wang Jagd auf Tiger und
Fliegen“ bezeichnet wird.
Seither sind zahlreiche hochrangige chinesische
Politiker und eine Vielzahl korrupter Kleinbeamter
verfolgt, verhört und für schuldig befunden, drastische Strafen verhängt und Vermögen eingezogen
worden, meist unter größter medialer Aufmerksamkeit, wie beispielsweise Zhou Yongkang, ehemals
Mitglied im Ständigen Ausschuss des Politbüros und
Schlüsselfigur der chinesischen Ölindustrie. Starken
Medienfokus setzen Xi Jinping und Wang Qishan zur
Abschreckung ein – wie auch die bewusste Offenlegung von Korruptionsfällen, die seit 2012 in einer
extra dafür geschaffenen Datenbank gespeichert werden. Einzelheiten der jeweiligen Tat, die Firma des
Unternehmens, die Höhe der Bestechungsgelder und
die Sanktionen werden festgehalten. Dritte können
dies zur Überprüfung von Vertragspartnern nutzen und einen Auszug für bestimmte Personen bzw.
Unternehmen bei der Staatsanwaltschaft anfordern.
Dabei fällt auf, dass die Anti-Korruptions-Kampagne von der Bevölkerung begrüßt wird bis hin
zur Aufdeckung Verdächtiger durch die chinesische Netizen-Community, die sich zum Ziel gesetzt
hat, Fehlverhalten von Staatsträgern öffentlich zu
machen. Daraus entwickelte sich der Begriff der sog.
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China
„Menschenfleisch-Suchmaschine“, der das Phänomen
der Enttarnung korrupter Staatsbediensteter durch
digitale Medien in Blogs etc. und durch Einstellen
von Bildern (zum Beispiel von Amtsträgern, die teure
Uhren tragen) auf der Website der Disziplinkommission umschreibt. Durch die Preisgabe verdächtiger
Verhaltensweisen im Netz werden so Ermittlungen
ausgelöst.
Verschärfungen der Anti-KorruptionsGesetzgebung in 2015
Dabei will Staatspräsident Xi Jinping es aber nicht
belassen, sondern hat in 2015 Phase 2 der AntiKorruptions-Kampagne eingeläutet.
Ziele der Anti-Korruptions-Kampagne 2015 in China
Fortsetzung der verstärkten Kontrolle
von hochrangigen Beamten,
Æ
Festnahme von ins Ausland geflüchteten
korrupten Staatsbeamten,
Æ
strenge Überwachung von Entscheidungsträgern und Inspektionen in Staatsunternehmen,
Æ
Erweiterung der Haftung von politischen Funktionsträgern für Korruptionsfälle in
ihrem Verantwortungsbereich,
Æ
Beseitigung von Bürokratie zur
Verhinderung von Machtmissbrauch,
Æ
schärfere Sanktionierung von
Korruption im Bereich
Infrastrukturprojekte und
bei öffentlichen Landverkäufen,
Æ
verstärkte internationale
Zusammenarbeit sowie
Æ
verstärkte Verfolgung von Korruption
auch in der Privatwirtschaft im
geschäft lichen Verkehr.
Dr. Christine
Heeg, LL.M.
Die Autorin ist
Partnerin der
Rechtsanwaltskanzlei
KPMG Law und
Leiterin der Praxisgruppe Commercial
Law. Sie ist spezialisiert
auf rechtliche Fragen
rund um den internationalen Handel mit einem
besonderen Länderfokus
auf China. Sie ist Mitglied der Praxisgruppe
Compliance.
© Yali Shi/fotolia.com
Æ
Hinzu kommen Reformpläne für eine Verschärfung
des Sanktionssystems. Die Bestimmungen zu Korruption sind in China zerstreut im Strafgesetzbuch,
im Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb, in Verwaltungsrichtlinien und insbesondere den „Vorläufigen
Regelungen zum Verbot der Bestechung im geschäftlichen Verkehr“. Teils bestehen regionale Unterschiede. Die Infografi k skizziert diese Vorschriften in
Auszügen und die geplante Verschärfung der jeweiligen Sanktionen sowie flankierende zivilrechtliche
und gesellschaftsrechtliche Haftungsnormen in einem
Kurzüberblick (siehe Abbildung 1).
Die aktuellen Tendenzen zu einer Verschärfung des
Sanktionssystems und weite Ermessensspielräume bei
der Verhängung von empfindlichen Bußgeldern und
Konfiszierung von Vermögen zum Zwecke der Gewinnabschöpfung deuten darauf hin, dass Prävention in
Zukunft für chinesische und ausländische Unternehmen eine größere Bedeutung zukommen wird. Dies
gilt insbesondere, als in China eine Überprüfung der
Verhängung solcher Sanktionen durch unabhängige
Gerichte in geordneten Verfahren nicht möglich ist.
Global
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59
Global
Korruptionstyp
China
Norm
San
Tatbestand
ÆÆ
ÆÆ
Art. 385 f. Strafgesetzbuch VRC
ÆÆ A
ktive Einforderung von Bestechungsgeldern oder Annahme von Bestechungsgeldern
durch einen Amtsträger oder staatlichen Bediensteten (passiv)
ÆÆ
ÆÆ Kumulation der Werte aus mehreren Einzelfällen
ÆÆ
Bestechung der
öffentlichen Hand
Art. 387 Strafgesetzbuch VRC
ÆÆ A
nnahme von Bestechungsgeldern oder aktive Einforderung von Bestechungsgeldern
durch eine staatliche Institution oder ein Staatsunternehmen (passiv)
Art. 391 Strafgesetzbuch VRC
ÆÆ A
ktive Bestechung einer staatlichen Institution oder eines Staatsunternehmens durch eine
natürliche Person oder ein Unternehmen durch verbotswidrige Discounts oder dergleichen
Art. 393 Strafgesetzbuch VRC
ÆÆ Aktive Bestechung eines Staatsbeamten durch ein Unternehmen
Art. 392 Strafgesetzbuch VRC
ÆÆ Fungieren als Vermittler in der Bestechung eines Staatsbeamten
Art. 163 Strafgesetzbuch VRC
ÆÆ Vorteilsannahme oder Bestechlichkeit (passiv) eines Angestellten eines Unternehmens
Bestechung im
geschäftlichen Verkehr
– Privatwirtschaft
ÆÆ S trafrechtliche Verantwortlichkeit von Unternehmen und Institutionen für das Verhalten
ihrer Organe und Angestellten
Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb
Art. 8 Gesetz gegen unlauteren
Wettbewerb VRC
ÆÆ B
estechung mit Barmitteln oder Vermögensgegenständen oder anderen Mitteln (nach
Verwaltungspraxis auch versteckte Kickbacks, Reisen, Entertainment oder mittelbare
Vorteile wie Einstellung von Familienmitgliedern etc.) zum Zwecke des Kaufs oder
Verkaufs von Produkten in einer Art und Weise, die den freien Wettbewerb beschränkt
Gesellschaftsrechtliche Regelungen
Art 147 ff. Gesellschaftsrecht VRC
ÆÆ Z ivilrechtliche Haftung des Managements gegenüber der Gesellschaft oder deren Gesellschaftern für Schäden aus Compliance-Verstößen oder wegen Verletzung ihrer Pflichten
Art. 43 Zivilgesetzbuch VRC
ÆÆ Zivilrechtliche Haftung von Unternehmen für das Verhalten ihrer Organe und Angestellten
Art. 63 Zivilgesetzbuch VRC
ÆÆ Zivilrechtliche Haftung von Unternehmen für das Handeln von Bevollmächtigten
Richtlinie über den Empfang und die
Überreichung von Geschenken in
öffentlichen Funktionen im Umgang
mit Ausländern von 1993
ÆÆ 200 RMB als erlaubter Wert
Erwartung der Verwaltung
ÆÆ Einrichtung eines Compliance Management Systems für mögliche Enthaftung
Abbildung 1: Überblick Compliance-Vorschriften, Sanktionen und geplante Verschärfungen in China
60
ÆÆ
ÆÆ
ÆÆ
ÆÆ
Art. 30 f. Strafgesetzbuch VRC
Verwaltungspraxis
ÆÆ
ÆÆ W
ertmindestschwelle 10.000 RMB bei Begehung durch eine natürliche Person und
200.000 RMB bei Begehung durch ein Unternehmen oder eine Institution
Allgemeine
Regelungen
Zivilrechtliche
Regelungen
ÆÆ
ÆÆ
ÆÆ Bestechung eines Angestellten eines Unternehmens (aktiv)
Art. 164 Strafgesetzbuch VRC
ÆÆ
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ÆÆ
ÆÆ
ÆÆ
n
China
Sanktion
Global
Verschärfung
ÆÆ F reiheitsstrafe nicht unter 10 Jahren bis lebenslänglich ab einem Schwellenwert von 100.000 RMB,
in besonders schweren Fällen Todesstrafe und Einziehung von Vermögen
ÆÆ F reiheitsstrafe nicht unter 5 Jahren und Einziehung von Vermögen bei Schwellenwerten von 50.000 bis 100.000 RMB,
in besonders schweren Fällen lebenslange Freiheitsstrafe und Einziehung von Vermögen
ÆÆ F reiheitsstrafe zwischen 1 und 7 Jahren bei Schwellenwerten zwischen 5.000 und 50.000 RMB, in schweren Fällen
zwischen 7 und 10 Jahren; Strafminderung oder Strafverschonung bei Reue und Schwellenwerten zwischen 5.000
und 10.000 RMB
Keine feste Anzahl für erschwerte
Tatbestände, sondern Schwellenwert
(nach Kumulation) unbestimmt
(relatively large amount – huge amount – especially huge amount)
ÆÆ F reiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder Internierung bei Schwellenwerten unter 5.000 RMB, bei Geringfügigkeit
Verwaltungssanktionen
ÆÆ Bußgeld für das Unternehmen bzw. die Institution; Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren oder Internierung der Verantwortlichen
Sog. „Provisionen“ oder „Bearbeitungsgebühren‘‘ können als Bestechung eingestuft
werden
ÆÆ Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren oder Internierung
ÆÆ Bußgeld für Unternehmen oder Institution
ÆÆ Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren oder Internierung der Verantwortlichen
ÆÆ Verschärfung bei Erlangung persönlicher Vorteile
ÆÆ Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren oder Internierung
Strafminderung nur bei Selbstanzeige
und Offenlegung von Umständen, die
weitere schwere Fälle aufzuklären helfen
Keine Strafverschonung bei
Selbstanzeige mehr
ÆÆ F reiheitsstrafe bis zu 5 Jahren oder Internierung,
in schweren Fällen Freiheitsstrafe nicht unter 5 Jahren und Einziehung von Vermögen
ÆÆ F reiheitsstrafe bis zu 3 Jahren oder Internierung,
in schweren Fällen Freiheitsstrafe von 3 bis 10 Jahren und Bußgeld
ÆÆ B
ußgeld für das Unternehmen,
persönliche Strafbarkeit des Managements für kriminelles Handeln des Unternehmens
durch seine Mitarbeiter (piercing the corporate veil)
ÆÆ S chadensersatz, Gewinnabschöpfung, Rechtsverfolgungskosten, strafrechtliche Verantwortlichkeit nach den
einschlägigen Vorschriften, Einziehung von Vermögen, Bußgeld in Höhe von 10.000 bis 200.000 RMB
Bußgeld und Gewinnabschöpfung
auch bei Staatsunternehmen
ÆÆ S chadensersatz,
Verbot der Übernahme von Geschäftsführertätigkeiten in der Zukunft
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Global
China
• 4.5.
com
• 9 Pe
• 10 I
> Anp
vers
Konsequenzen für
ausländische Unternehmen
Die Vehemenz der Anti-Korruptions-Kampagne,
die Verschärfung des Sanktionssystems und die
empfi ndlichen Bußgelder und absatzgefährdenden
Ermittlungen gegen ausländische Unternehmen mit
Medienfokus – insbesondere in der Automobil- und
der Pharmaindustrie – zeigen, dass Compliance
und Korruptionsvermeidung bei wirtschaft lichen
Aktivitäten in China eines effektiven Compliance
Managements bedürfen. Ausländische Unternehmen mit Wirtschaft saktivitäten in China müssen
daraus für ihre Tochtergesellschaften, Joint Ventures und Mitarbeiter vor Ort Konsequenzen ziehen.
Dabei sind sie noch mehr als lokale Unternehmen
in der Beherrschung des Dilemmas aus kulturell
geübten Verhaltensweisen (chinesisches Networking
– guanxi, Anreizsysteme für Mitarbeiter, erhebliche
Bürokratie und Machtausübung durch Amtsträger
in verschiedensten Positionen) und „neuen“ Anforderungen einer strikten Korruptionsvermeidung
gefordert, da die Erkennung von Risiken guter
Kenntnisse chinesischer Traditionen und Umgangsformen bedarf.
• 5.3.5 Management responsibilities
• 5.3.6 Employee responsibilities
• 7.2.2 Training
• 7.3.1 Awareness – General
• 7.3.2.3 Compliance culture
• 7.4 Communication
> Arbeitsvertragliche Regelungen
zu Compliance und
Korruptionsvermeidung
• 5.2 Compliance policy
• 6.1 Actions to address
compliance risks
• 8 Operation
> Richtlinie für Geschenke
und Bewirtung
Anregungen für die Praxis
Risikoanalyse zeigt konkreten Handlungsbedarf
Zunächst sind die spezifischen Risiken im Hinblick
auf Compliance und insbesondere die Vermeidung
von Korruption im Rahmen des spezifischen wirtschaft lichen Engagements zu identifi zieren. Hierfür
muss eine Risikoanalyse unter Beachtung der Besonderheiten und weiten Straft at- und Haft ungstatbestände des chinesischen Rechts und Spezifi ka der
chinesischen Gepflogenheiten in der geschäft lichen
Tätigkeit erfolgen. Dies geschieht durch die Durchführung einer Due Diligence und Interviews mit
Verantwortlichen und mündet in eine Risikomatrix,
aus der sich der Handlungsbedarf für das jeweilige
Unternehmen ableiten lässt.
Umsetzung präventiver Maßnahmen
Sodann sind präventive Maßnahmen zu ergreifen,
die die Etablierung eines maßgeschneiderten Compliance Management Systems umfassen. Dazu gehört
die Ausarbeitung einer Anti-Korruptions-Richtlinie
für das Unternehmen, die in alle Unternehmensebenen kommuniziert und wiederholt vermittelt
werden muss. Dies kann durch Rundschreiben,
Aushänge und Schulungen geschehen. Dabei muss
stets deutlich werden, dass die Unternehmensführung Korruption unter keinen Umständen duldet.
Mitarbeiter sollten sensibilisiert werden, welche
Verhaltensweisen nach chinesischem Recht als Korruption eingestuft werden. Dies gilt insbesondere
für die Gewährung von Vorteilen an Verwandte und
Freunde auch im geschäft lichen Verkehr zwischen
62
Abbildung 2: Compliance in China
Unternehmen der Privatwirtschaft sowie sämtliche Formen der Bestechung von Bediensteten und
Amtsträgern der öffentlichen Hand, da dies der
Tradition des chinesischen Netzwerkes (guanxi)
entgegenläuft und es insoweit ein in China kulturell
angelegtes und verbreitetes Verhalten teils zu vermeiden gilt. Die Abgrenzung zwischen zulässigem
Verhalten und sanktionierter Bestechung wird den
Mitarbeitern vor Ort aufgrund dieser Tradition ggf.
nicht leicht zu vermitteln sein. Eine solche Kultur
muss im Unternehmen etabliert, wieder und wieder
vermittelt und ihre Einhaltung aktiv vom Management eingefordert werden (tone at the top). Dies gilt
es zu dokumentieren.
Anpassung der Verträge mit Organen und
Mitarbeitern
Die Verpfl ichtung zu Compliance kann auch in
Verträgen von Organträgern und Arbeitsverträgen der Angestellten festgehalten und für Verstöße
Sanktionen vereinbart werden (arbeitsrechtliche
Komponente). Dies unterstützt im Fall einer Ermittlung den Nachweis, dass korruptes Verhalten vom
Management nicht geduldet wird und dies allen
Mitarbeitern bereits aufgrund ihrer vertraglichen
Verpfl ichtungen bewusst ist.
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K
China
• 4.4 Compliance management
system and principle of good governance
• 5.1 Leadership and commitment
• 7.3.2.1 Behaviour – General
• 7.3.2.2 Top management’s role
in encouraging compliance
• 4.5.2 Maintenance of
compliance obligations
• 9 Performance evaluation
• 10 Improvement
> Anpassung an sich ändernde und
verschärfende rechtliche Anforderungen
> Guanxi – Networking
ComplianceÜberwachung u.
Verbesserung
ComplianceKommunikation
Compliance-Kultur
COMPLIANCE
Compliance-Ziele
ComplianceOrganisation
ComplianceProgramm
• 4.2 Understanding the needs and
expectations of interested parties
• 4.3 Determining the scope of the
compliance management system
• 4.5.1 Identification of compliance obligations
• 6.2 Compliance objectives and planning
to achieve them
> Chinesisches Recht zur Korruption
Compliance-Risiken
s
ke
Global
• 4.1 Understanding the organization
and its context
• 4.6 Identification, analysis and
evaluation of compliance risks
• 7.4 Communication
> Seniorität /
Authorität der
Verantwortlichen
• 5.3.1 Organizational roles, responsibilities
and authorities – General
• 5.3.2 Assigning responsibilities in the organization
• 5.3.3 Governing body and top
management role and responsibilities
• 5.3.4 Compliance function
• 5.3.5 Management responsibilities
• 5.3.6 Employee responsibilities
• 7.1 Resources
• 7.2.1 Competence
• 7.5 Documented
information
> Review Anreizsystem für Mitarbeiter
> Discounts und Kickbacks im chinesischen Vertrieb
Implementierung eines Überwachungssystems
Sodann ist ein Überwachungssystem mit effektiven
Kontrollmechanismen zu etablieren. Dazu gehören
interne Kontrollen ebenso wie Mindeststandards
für die Zusammenarbeit mit Vertragspartnern, zum
Beispiel durch Abgleich der Korruptionsdatenbank,
Verpfl ichtungen zur Einhaltung festgelegter Compliance-Standards oder vorherige oder wiederholte
Audits und Überprüfungen von Vertragspartnern.
Zudem gilt es auch, das Vertriebssystem und Vergütungsanreize zu überprüfen und beispielsweise
versteckte Discounts und Kickbacks zu eliminieren.
Option auf Enthaftung
Durch entsprechende Maßnahmen können Unternehmen vorbeugen. Es ist bislang aber offen, ob eine
Enthaft ung im Fall von Verstößen durch Nachweis
solcher Maßnahmen nach chinesischem Recht und
insbesondere chinesischer Verfolgungspraxis möglich ist. Diese Schritte ermöglichen aber zumindest
den Versuch einer Enthaft ung und tragen dazu bei,
dass korruptes Verhalten im Unternehmen bereits
im Keim erstickt wird. Grafisch lässt sich dies am
Beispiel des Standards ISO 19600 wie folgt darstellen
(Standard auf Englisch in blau – Besonderheiten aus
der chinesischen Praxis beispielhaft in rot – Abbildung 2 siehe oben).
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0
FAZIT
Im Ergebnis ist zu erwarten, dass die Volksrepublik China die Anti-Korruptions-Kampagne im Hinblick auf private Wirtschaftsunternehmen
ausweiten wird. Von besonderer Relevanz ist hier, dass Bestechung im
geschäft lichen Verkehr in China sanktioniert ist, sodass auch Anreizsysteme im Vertrieb und Verhaltensweisen des guanxi als strafbarer und
Bußgelder auslösender Vorgang bewertet werden können.
Dabei geraten ausländische Unternehmen mehr und mehr ins Visier
der Ermittler. Durch die mediale Verbreitung solcher Ermittlungen drohen erhebliche Reputationsschäden und Umsatzeinbußen im chinesischen Absatzmarkt sowie empfindliche Bußgelder, Gewinnabschöpfung
und zivil- und strafrechtliche Haftung. Die verstärkte internationale
Zusammenarbeit kann zu Ermittlungen nach dem US Foreign Corrupt
Practices Act und dem UK Bribery Act führen.
Da noch offen ist, inwieweit eine Enthaftung nach chinesischem Recht
möglich ist, und vor dem Hintergrund, dass die Verfahren intransparent
und ohne unabhängige Kontrollinstanz durchgeführt werden, ist es für
ausländische Unternehmen in China unerlässlich, die Anforderungen
des chinesischen Rechts zu kennen, präventive Maßnahmen zu ergreifen
und in alle Unternehmensebenen zu kommunizieren, dass Korruption
vom Management nicht geduldet wird. Dies ist bestmöglich zu dokumentieren, damit im Ermittlungsfall eine Entlastung versucht werden kann.
Dafür bedarf es eines auf chinesische Besonderheiten zugeschnittenen
Compliance Management Systems für Tochtergesellschaften, Joint Ventures und Mitarbeiter in der Volksrepublik China.
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