Aufträge gesucht! Behinderte in Taicang bieten Industrie 3.5

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Aufträge gesucht!
Behinderte in Taicang bieten Industrie 3.5
INITIATIVE. Ein Vorzeigeprojekt im chinesischen Taicang macht Furore:
Deutsche Unternehmen haben eine Behindertenwerkstatt ins Leben gerufen
und lassen dort bereits fertigen. Weitere Auftraggeber sind willkommen.
Problemlage. 85 Millionen Chinesen sind
behindert, die Politik hat bisher nur rudimentäre Fördermaßnahmen umgesetzt.
In China wird geistige oder psychische
Einschränkung oft als „ansteckende
Krankheit“ gewertet; nichtbehinderte
Mitarbeiter arbeiten ungern mit „Kranken“. Eine Montagelinie, an der beide
Seiten zusammen wirken, ist noch undenkbar. Die Situation ist vergleichbar
mit der in Deutschland in den sechziger
Jahren. Erwachsene und Kinder werden
40
im Reich der Mitte von einem Elternteil
zuhause betreut. Die Familien sind oft
arm. Der Mensch mit Behinderung, aber
auch Mutter oder Vater stehen dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung. Hinzu
kommt: Durch die langjährige Einkindpolitik in China fehlt generell qualifizierter
Nachwuchs in den Betrieben. Die Fluktuation der Mitarbeiter liegt häufig bei bis
zu 100 Prozent Prozent im Jahr.
Behinderte in Lohn und Brot. Vor diesem
Hintergrund haben Unternehmen des
Taicang Roundtable (TRT) – ein Industrieverband zumeist deutscher KMU mit
rund 80 Mitgliedern – mit Unterstützung
der deutschen Lebenshilfe und der Deutschen Außenhandelskammer im März
2015 eine Behindertenwerkstatt nach
deutschem Vorbild eröffnet: den Workshop Taicang-Sino-German Handicapped
Technology Co. Ltd. Durch die hier angestellten zwölf Arbeiter mit Behinderung
wurde die boomende Region auf dem
Arbeitsmarkt um 24 Köpfe erhöht – denn
auch zwölf Familienangehörige können
nun einer bezahlten Tätigkeit nachgehen.
Das sozialversicherungspflichtige Einkommen der Werkstattbeschäftigten liegt
bei umgerechnet 290 Euro pro Monat,
was dem Grundlohn eines nicht-behin-
derten Arbeiters entspricht. Drei Mitarbeiter sind physisch, einer sensorisch
(taub) und acht geistig behindert. Ziel ist,
mit dem Anstieg der Arbeitsaufträge und
dem Training weiterer Job Coaches die
Anzahl der Arbeitsgruppen auszubauen
und bis zu 40 Behinderte anzustellen.
Nach der Stabilisierungsphase soll die
Werkstatt als Vorzeigebetrieb und Trainingscenter dienen. Konzepte und
Know-how können dann auf andere
Regionen mit ähnlichen Rahmenbedingungen und Problemstellungen in China
übertragen werden. Mit der von der
Lebenshilfe entwickelten Qualifizierung
„Train the Trainer+“ lassen sich Job
Coaches in 380 Stunden für die Aufgaben in der Anleitung behinderter Mitarbeiter qualifizieren.
Fertigungskapazitäten. „Wir leisten da-
mit einen Beitrag zur gesellschaftlichen
Integration unserer Mitarbeiter, ermöglichen die finanzielle Unabhängigkeit der
betroffenen Familien und können zugleich unseren Unternehmen neue Kapazitäten für die Fertigung bieten“, sagt
Thilo Köppe, Gründungsmitglied und
Vorsitzender des TRT. Im Juni 2015
wechselte der 45-Jährige als Vice President beim Motorenhersteller Ametek/
BIP 5 · 2015, 6. Jahrgang
Fotos: Handicapped Workshop Taicang, China
E
gal ob soziales Engagement
oder wirtschaftliches Kalkül:
Auftraggeber erwarten von Behindertenwerkstätten gleichbleibend hohe Qualität und
pünktliche Lieferung. In Deutschland arbeiten zirka 300 000 Behinderte in 700
Werkstätten; hier werden seit vielen Jahren Zulieferteile aller Art in Milliardenstückzahlen für die Wirtschaft gefertigt.
Deutsche Mittelständler haben sich jetzt
im chinesischen Taicang zusammengetan, um der ersten Behindertenwerkstatt
des Landes, die sich der Förderung geistig behinderter Menschen annimmt, zur
Geburt zu verhelfen. Von 15 Mitarbeitern
sind zwölf sogenannte Challenged Persons.
Dunkermotoren (das Mutterunternehmen sitzt in Bonndorf, Baden-Württemberg) zum Schweizer Verbindungstechnikunternehmen Huber+Suhner, wo er
als Managing Director North Asia am
Standort Shanghai auch die Supply Chain
im Fokus hat.
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Hohe Motivation und Effizienz. Köppe be-
Thilo Köppe (Managing Director Huber+Suhner,
Shanghai) nahm am 22. Mai 2015 im Namen des
Handicapped Workshops von Rotary International/
Shanghai den Corporate Leadership Award of
Excellence entgegen.
mindestens gleicher Qualität“. Die Unternehmen E.G.O, Iro-Memminger, Simtech,
Ejot, Weiss-Voetsch, MDT, Fischer und
LQ Mechatronics lassen dort bereits fertigen. Schaeffler und ZF sind ebenfalls
interessiert.
Sabine Ursel, Journalistin
Taicang Roundtable
2006 gegründeter Industrieverband
deutscher-europäischer KMU, der mit offizieller Gewerbegenehmigung unabhängig
tätig ist. Ziel ist, in Kooperation mit der
Arbeit und Produkte Mit diesen Arbeiten
deutschen Außenhandelskammer die lokale
wurde gestartet: Manuelles Crimpen
(Ablängen und Verpressen von Kabeln
und Kabelsträngen), Kabelkonfektionierung (inkl. Ultraschallverschweißung),
Montagearbeiten (manuell oder mit
pneumatischem Schraubenzieher, Kniehebelpresse etc.), Verpacken von Produkten, Sortierarbeiten.
Thilo Köppe appelliert an Einkäufer im
Großraum Taicang/Shanghai, die Taicang Sino-German Handicapped Technology Co., Ltd. als alternativen Zulieferer
ins Auge zu fassen. Gründe unter anderem: „Wahrnehmung der sozialen Unternehmensverantwortung und Vorbildfunktion mit positivem Einfluss auf
eigene Belegschaft sowie das kostenneutrale Outsourcing von Lohnarbeiten bei
betriebsbedingte Nachfrage zu festigen und
BIP 35 · 2015, 6. Jahrgang
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zwischen den rund 80 Mitgliedsunternehmen zu vereinfachen. Der TRT führt auch
Projekte durch, die die nachhaltige Entwicklung der Mitgliedsfirmen in Bezug auf
soziale und kommerzielle Aspekte unterstützen.
Kontakte/weitere Infos
Taicang Roundtable:
www.taicang-roundtable.com
Behindertenwerkstatt Taicang:
www.inclusion-factory.com
Lebenshilfe Offenburg:
www.lebenshilfe-offenburg.de
CR003G15
zeichnet die Einrichtung der Werkstatt
als „besondere Leistung, weil es abgesehen von Einmalspenden und einer zeitlich limitierten Mietfreiheit der Werkstatträume keine laufende finanzielle
Unterstützung von öffentlichen Stellen
gibt“. Zudem wurde die kleine Fabrik in
kurzer Zeit mit moderner Technologie
ausgerüstet, um sowohl gleichbleibend
gute Qualität und termingerechte Auftragsdurchläufe sicherzustellen als auch
Montagefehler bei komplizierteren Tätigkeiten auszuschließen. Die Werkstattsteuerung ist IT-unterstützt. Ein NFCcodiertes Materialflusssystem stellt
sicher, dass das korrekte Material am
richtigen Arbeitsplatz mit dem entsprechenden Auftrag verbaut wird. Gefertigt
wird „smart“ mit innovativem Vorrichtungsbau, um den von der Industrie geforderten Durchsatz ohne Stressbelastung der Mitarbeiter (Arbeitszeit sechs
Stunden pro Tag) zu erreichen. Job Coach
Veronika Steuermann berichtet von einer
„sehr hohen Motivation“ der Mitarbeiter,
die sich positiv auf die Effizienz auswirke.
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