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Einleitung
Die vorliegende Untersuchung beschäftigt sich mit dem Phänomen ‚Modal­
partikeln‘ im Deutschen und im Russischen aus kontrastiver Sicht. Modalpartikeln stellen ein besonders diskutiertes Thema dar, das mit großem Interesse
sowohl in slawistischen als auch in germanistischen Forschungen erörtert wird.
Es erschien mir in diesem Zusammenhang von besonderem Interesse, die Eigenschaften dieser Wörter auf der Ebene des einfachen, des komplexen Satzes sowie
auf der satzübergreifenden Ebene zu analysieren und zu beschreiben.
Da die Wortklasse ‚Modalpartikeln‘ sowohl im Deutschen als auch im Russischen eine sehr umfangreiche Gruppe bildet, habe ich mich auf drei Modalpartikeln im Deutschen – ja, doch und denn sowie ihre möglichen Äquivalente im
Russischen – ved’, že und vot – beschränkt.
Das Ziel der Arbeit besteht darin, auf die semantischen, grammatischen und
kommunikativen Faktoren der Legitimierung von Modalpartikeln in Neben­
sätzen einzugehen sowie die Funktionen und Lesarten dieser Wörter im komplexen Satz, und zwar in asyndetischen Sätzen, in Nebensätzen sowie in der
Satzreihe zu analysieren.
Über Modalpartikeln ist viel geschrieben worden1, wobei die gründlichste Analyse der Lizenzierung dieser Wörter in Nebensätzen von Marco
1 In diesem Zusammenhang sind solche Arbeiten zu erwähnen wie Weydt, Harald:
„Methoden und Fragestellungen der Partikelforschung“. In: Weydt, Harald (Hrsg.):
Partikeln und Deutschunterricht. Abtönungspartikeln für Lerner des Deutschen.
Heidelberg 1981, S. 45–64; siehe auch Bublitz, Wolfram: Ausdrucksweisen der Sprecher­
einstellung im Deutschen und Englischen. Untersuchungen zur Syntax, Semantik
und Pragmatik der deutschen Modalpartikeln und Vergewisserungsfragen und ihrer
englischen Entsprechungen. Niemeyer Verlag: Tübingen 1978; siehe auch Borst, Dieter:
Die affirmativen Modalpartikeln doch, ja und schon: Ihre Bedeutung, Funktion, Stellung
und ihr Vorkommen. Niemeyer: Tübingen 1985; siehe auch Hentschel, Elke: Funktion
und Geschichte deutscher Partikeln. Ja, doch, halt und eben. Max Niemeyer Verlag: Tübingen 1986; siehe auch die bahnbrechende Arbeit von Thurmair, Maria: Modalpar­
tikeln und ihre Kombinationen. Niemeyer Verlag: Tübingen 1989; siehe auch Doherty,
Monika: Epistemische Bedeutung. Berlin: Akademie Verlag, 1985; siehe auch Jacobs,
Joachim: On the semantics of modal particles. – In: Abraham, Werner (ed.): Discourse
particles: descriptive and theoretical investigations on the logical, syntactic, and pragmatic
properties of discourse particles in German. De Gruyter: Groningen 1991, pp. 141–162;
siehe auch Meibauer, Jörg: Modaler Kontrast und konzeptuelle Verschiebung. Studien zur
Syntax und Semantik deutscher Modalpartikeln. Niemeyer Verlag: Tübingen 1994; siehe
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Coniglio2 vorgelegt wurde. Es gibt aber noch viele offene Fragen, die einer Antwort bedürfen, und zwar:
• W
ie sollte die universelle Definition des Phänomens „illokutiv selbständiger
Satz“ formuliert werden?
• Wie wird die illokutive Selbständigkeit des Nebensatzes auf der semantischen,
grammatischen und kommunikativen Ebene kodiert?
• Wie hängt die Lizenzierung von Modalpartikeln im Nebensatz mit semantischen und grammatischen Besonderheiten des Matrixsatzes zusammen?
• Was ist der Grund für die Verwendung von Modalpartikeln in Nebensätzen?
• Was beeinflusst die Lesarten von Modalpartikeln?
• Wodurch unterscheiden sich die Modalpartikeln in der Konnektorenlesart
von Subjunktoren mit entsprechender Semantik?
In der vorliegenden Arbeit wird eine systematische Untersuchung der genannten
Aspekte angeboten. Der Schwerpunkt der Arbeit liegt in der Beschreibung von
Faktoren der Lizenzierung und Faktoren der Verwendung der Modalpartikeln in
Nebensätzen, die ein Zusammenspiel von Grammatik, Semantik und Pragmatik
ausmachen. Im Zentrum des Interesses steht auch die Beschreibung der Kon­
nektoreneigenschaften von Modalpartikeln auf der Satz- und Mikrotextebene.
auch Omelius-Sandblom, Elisabeth: Die Modalpartikeln ja, doch, und schon. Zu ihrer
Syntax, Semantik und Pragmatik. Almquist & Wiksell International: Stokholm-Sweden
1997; siehe auch die Monographie über deutsch-tschechische Entsprechungen von
Rinas, Karsten: Die Abtönungspartikeln doch und ja. Semantik, Idiomatisierung, Kombinationen, tschechische Äquivalente. Peter Lang: Frankfurt a.M. 2006; die russischen
Partikeln wurden behandelt in Nikolajewa, Tatiana: Neparadigmatičeskaja linguistika /
[Nichtparadigmatische Linguistik]. Jazyki slavjanskoj kultury: Moskva, 2008; die Eigenschaften der deutschen Modalpartikeln sind beschrieben in: Abraham, Werner: „Über
Unhintergehbarkeiten in der modernen Modalitätsforschung“. In: Diewald, Gabriele/
Smirnova, Elena (Hrsg.): Modalität und Evidentialität. Focus: Trier 2011, S. 125–147;
über den Zusammenhang zwischen Modalität und Aspekt sieh Abraham, Werner: „Zur
grammatischen Grundlegung von Modalität - semantisch-syntaktische Affinitäten zu
nominaler Referenz, Aspekt und Quantifikation“. In: Abraham, Werner/Leiss, Elisabeth
(Hrsg.): Funktionen der Modalität. De Gruyter: Berlin et al. 2013, S. 25–75; wichtige
Aspekte des Funktionierens von Modalpartikeln auf der syntaktischen Ebene werden
behandelt auch in: Abraham, Werner: Deutsche Syntax im Sprachenvergleich. Grund­
legung einer typologischen Syntax im Deutschen. 3., erweiterte Auflage. Stauffenburg
Verlag: Tübingen, 2013.
2 Coniglio, Marco: Die Syntax der deutschen Modalpartikeln. Ihre Distribution und
Lizenzierung in Haupt- und Nebensätzen. Akademieverlag: Berlin 2011.
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Es sollte ebenfalls gezeigt werden, welche Eigenschaften die Modalpartikeln
ved’, že und vot im Russischen haben, die nicht identische, sondern ähnliche Funktionen wie die Modalpartikeln ja doch und denn im Deutschen aufweisen. Da die
Lizenzierung der genannten Modalpartikeln in Nebensätzen in einem gewissen
Maße von ihrer Etymologie und Semantik abhängt, wurden auch semantische und
etymologische Eigenschaften der Modalpartikeln im Deutschen und im Russischen beschrieben sowie die Besonderheiten der Partikelsyntax analysiert und die
Abhängigkeit der Partikelsyntax von der Satzsemantik aufgezeigt. In der Monographie werden Fragen wie Funktionen der Modalpartikeln, ihr Status sowie ihre
Valenzeigenschaften behandelt.
Der Gang der Untersuchung ist wie folgt:
In Kapitel 1 betrachte ich die Besonderheiten der Syntax, der Semantik und
der Etymologie der Modalpartikeln ja, doch und denn im Deutschen und ved’,
že und vot im Russischen in ihrem Zusammenhang. Ich gebe auch eine kurze
Übersicht über die unterschiedlichen Funktionen der Modalpartikeln und
stelle diese Wörter als Regentia auf drei sprachlichen Ebenen dar: auf der Ebene
des einfachen Satzes, des komplexen Satzes sowie auf der satzübergreifenden
Ebene. Damit möchte ich zeigen, dass die Modalpartikeln nicht nur in einem
komplexen Satz, sondern auch auf der Ebene des einfachen Satzes als regierende
Elemente auftreten. Darin besteht meiner Meinung nach ihre Hauptfunktion.
In Kapitel 2 werden Faktoren der Partikellegitimierung in Nebensätzen einer
Betrachtung unterzogen. Das Kapitel beschäftigt sich mit semantischen, grammatischen und kommunikativen Besonderheiten des Matrix- und Nebensatzes, die
die Modalpartikeln im Nebensatz legitimieren. Aufgrund dieser Beobachtungen
schlage ich die Definition des Phänomens „illokutiv selbständiger Nebensatz“ vor.
In Kapitel 3 betrachte ich Funktionen der Modalpartikeln in Nebensätzen und
gehe auf die Frage ein, welche Rolle Nebensätze mit diesen Wörtern in der Informations-, Argumentations- und Illokutionsstruktur des Textes spielen. Ich gehe
auch der Frage nach, wie semantische und grammatische Eigenschaften des illokutiv selbständigen und unselbständigen Nebensatzes mit der Sprechakttheo­rie
korrelieren.
Das Kapitel 4 stellt eine Untersuchung von zwei Lesarten der Modalpartikeln
dar. Ich betrachte die Modalpartikeln sowohl als Einstellungswörter als auch als
Konnektoren, die kausale und adversative Relationen auf der satzübergreifenden
Ebene schaffen. Ich gehe auch auf die Unterschiede zwischen den Modalpartikeln
in der Konnektorenlesart von den entsprechenden kausalen Konnektoren ein.
In der Arbeit wird das Phänomen der illokutiven Selbständigkeit des Nebensatzes als semantische, grammatische und kommunikative Größe definiert und
gezeigt, dass Funktionen der Modalpartikeln in Nebensätzen darin bestehen,
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Nebensätze zu Illokutionen zu machen sowie Argumentationen im Rahmen der
Konstituentenstruktur des Textes zu kodieren. Eine kontrastive Untersuchung
der Modalpartikeln in Nebensätzen kann auch die Vorstellung von den Eigenschaften dieser Wörter erweitern, die sowohl universelle als auch einzelsprachliche Besonderheiten aufweisen.
Als Belegmaterial habe ich die Korpora der Humboldt-Universität zu Berlin
genutzt: DeWaC, Parlamentsreden, Mannheimer Korpus, sowie das Korpus der
Freien Universität zu Berlin „COLiBRi“.
Das von mir analysierte Korpus „Parlamentsreden“ enthält Plenarprotokolle
des Deutschen Bundestages von 1993 bis 2003.
Das Korpus DeWaC stellt automatisch generierte deutsche Webkorpora und
ist formell in einige Untergruppen eingeteilt: DeWaC 1, DeWaC 2, DeWaC 3,
DeWaC 4, DeWaC 5 und DeWaC 6. Es enthält deutsche Webseiten im Gesamtumfang von mehr als 1,5 Milliarden Wörtern, die im Jahr 2005 von Baroni archiviert wurden.
Das größte deutsche Korpus COLiBRi der Freien Universität zu Berlin ist aus
Webseiten im Jahre 2012 automatisch generiert. Es besteht aus den Unterkorpora
DECOW 2011, 2012 u.a. In meiner Arbeit wurde DECOW 2012 benutzt. DECOW
enthält 9,108,097,177 Zeichen in 7,632,384 Dokumenten und 552,259,011 Sätzen.
Die genannten Korpora stellen zum größten Teil Textsorten wie „Gespräche
in den Medien“, „Gespräche im Bildungswesen“, „Gespräche im ökonomischen
Bereich“, „Gespräche im politischen Bereich“ und „Alltagsgespräche“ dar.
Zur Veranschaulichung einzelner Phänomene wurden auch Belege aus wissen­
schaftlichen Arbeiten sowie aus der schönen Literatur zu Rate gezogen. Der Grund
dafür ist, dass manche Erscheinungen nur an größeren Textauszügen exempli­
fiziert werden können.
Für die Analyse der russischen Modalpartikeln habe ich das Nationalkorpus
der russischen Sprache benutzt. Es besteht aus dem Zeitungskorpus, dem Grundkorpus, dem Korpus der Alltagsrede u.a. Das Zeitungskorpus der russischen
Sprache enthält Zeitungsartikel, die im Zeitraum von 1990 bis heute entstanden
sind. Das Grundkorpus enthält russische prosaische Werke des XX. und des XXI.
Jahrhunderts. Das Korpus der Alltagsrede beinhaltet Aufnahmen aus der öffentlichen und der privaten Alltagsrede sowie aus Filmen.
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