Tschernitzer bangt um Dorf

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Spremberg 02. Februar 2016, 02:35 Uhr
Tschernitzer bangt um Dorf-Historie
Langjähriger Vereins-Chef: Heimatstube vor dem Aus / Bürgermeister Drobig widerspricht
TSCHERNITZ Nachdem sich der Heimatverein in Tschernitz aufgelöst hat, droht sein Erbe zu
verkümmern. Der langjährige Vorsitzende fürchtet sogar das Ende der Heimatstube – doch
Bürgermeister Peter Drobig (CDU) widerspricht ihm.
Die Treppe hinauf läuft Paul Wernitz, vorbei an den
Schautafeln, die Auskunft zur Geschichte des Dorfes
geben. Sie erinnern an das Rittergut, das sich im Jahr
1500 im Besitz der Familie von Berge befand, an die
Gründung des Glaswerks im Jahr 1829 und an den
Schulbetrieb im roten Backsteingebäude. Als Paul
Wernitz die letzte Stufe erklommen hat, will er die Tür
zur Heimatstube aufschließen. Doch sein Schlüssel
passt nicht mehr.
Der 76-Jährige leitete den Heimatverein
"Föhrenfließ", bis dieser sich vor knapp einem Jahr
Heimatstube zu öffnen: Das Schloss wurde
auflöste. Wie bei so vielen Vereinen, die sich mit der
ausgetauscht.
Geschichte ihrer Region befassen, fehlte es am Ende
Foto: René Wappler
an Unterstützung: So sagt es Paul Wernitz. Er selbst
erforscht die Historie von Tschernitz weiter, wie
bisher aus eigener Tasche. "Jeder Besuch in einem Archiv kostet Geld", erklärt er. Die Begeisterung
scheint ihn nicht loszulassen. So kann er in farbigen Details aus dem Leben des Tschernitzer NaziGegners Erich Melzer erzählen, der im Konzentrationslager Buchenwald inhaftiert wurde. Für ihn ließ
Paul Wernitz im Jahr 2012 eine Gedenktafel an dessen Geburtshaus anbringen. "Dabei haben mich
immerhin seine Angehörigen finanziell unterstützt, die heute im kanadischen Vancouver leben",
berichtet er.
Paul Wernitz versucht vergeblich, die Tür der
Nun raubt ihm ein Gerücht die Ruhe, von dem er nach eigenen Worten "durch die Hintertür" erfuhr.
Angeblich soll die Heimatstube ausgeräumt und geschlossen werden. So hätten es die
Gemeindevertreter vereinbart. Ein Klassenraum der Schule befand sich einst dort, wo der frühere
Heimatverein seine Exponate untergebracht hat. Nun, so fürchtet Paul Wernitz, würde eine "der
letzten identitätsstiftenden Einrichtungen" im Dorf zerschlagen. Der Austausch des Schlosses an der
Heimatstube dient ihm als Indiz dafür, dass genau dies passieren wird.
Allerdings widerspricht Bürgermeister Peter Drobig dieser Version der Geschichte vehement. "Das
stimmt so nicht", erklärt er. "Da sich der Verein aufgelöst hat, müssen wir die Heimatstube samt ihren
Exponaten sichern." Nur diese Absicht gelte als Grund für das ausgetauschte Schloss. "Wir suchen
nun nach jemandem, der die Heimatstube im Ehrenamt weiterführt", erläutert der Bürgermeister.
"Aufgelöst wird sie auf gar keinen Fall."
Ähnlich äußert sich der Gemeindevertreter Ekkart Herold, der im Nachbardorf Wolfshain lebt. "Wir
haben uns vorgenommen, die Heimatstube zu erhalten", sagt er. "Es ist ohnehin schon traurig genug,
wie viel überall aus der alten Zeit verloren geht." So erzählt Ekkart Herold davon, wie er und seine
Frau einst als junges Ehepaar ihre Wäsche noch im Kessel kochten. "Waschmaschinen waren für uns
unerschwinglich, aber die meisten jungen Leute können sich dieses Leben damals gar nicht mehr
vorstellen." Immer schwieriger werde es, die Erinnerung an die Geschichte der Dörfer am Leben zu
halten, zumal es vielen Gemeinden am Geld fehle, um jemand für die Pflege einer solchen Chronik zu
bezahlen. Trotzdem beteuert Ekkart Herold: "Wir bemühen uns darum, ein schlüssiges Konzept für die
Heimatstube zu finden."
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Der ehemalige Vereinsvorsitzende Paul Wernitz traut dem Frieden jedoch nicht – offenbar aufgrund
enttäuschender Erfahrungen. "Eine handgeschriebene Schulchronik von mir ist mal verschwunden
und später auf dem Schrottplatz gelandet." Nur durch Zufall habe er selbst sie aufgespürt und letztlich
gerettet. "Diese Chronik liegt jetzt hier, hinter der verschlossenen Tür, die ich nicht mehr öffnen kann."
Zum Thema:
Der Heimatverein wurde nach Angaben der damaligen Mitglieder am 12. September 2003
gegründet und am 4. März 2004 in das Vereinsregister des Amtsgerichts Cottbus eingetragen.
Sein Zweck war die Förderung und Pflege der Heimatkultur. So widmete er sich der Aufgabe,
heimatkundliche Sammlungen zu archivieren und zu pflegen. Seinen Namen hatte er vom
Föhrenfließ, einem kleinen Nebenfluss der Neiße, 10,8 Kilometer lang, mit beachtlicher
Fließgeschwindigkeit. Bereits im Mittelalter wurde sein Wasser zum Antrieb von Mühlen genutzt.
René Wappler
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