Programmheft - Badisches Staatstheater Karlsruhe

TODUNDWIEDERAUFERSTEHUNG
WELT MIR
DER
MEINER ELTERN IN
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UND DANN KOMMT
IHM DIESES WORT
IN DEN KOPF. GANZ
KLAR UND GENAU:
HYPERINFLATION
TOD UND WIEDERAUFERSTEHUNG
DER WELT MEINER ELTERN IN MIR
von Nis-Momme Stockmann
Dramatikerpreis des Kulturkreises der Deutschen Wirtschaft im BDI 2014
Mann
Kaschinsky
Bodo Schäfer / Vater / Banker
Mann mit Turban / Banker
Ehefrau
Die junge Frau
Kind / Banker Banker
Tauben / Ein Chor durchschnittlich
informierter EU-Bürger
FRANK WIEGARD
KLAUS COFALKA-ADAMI
ANDRÉ WAGNER
SEBASTIAN REISS
AMÉLIE BELOHRADSKY a. G.
FLORENTINE KRAFFT
JOHANNES SCHUMACHER
MAXIMILIAN GRÜNEWALD
Regie Bühne Kostüme
Musik
Licht
Dramaturgie
SIMONE BLATTNER
ALAIN RAPPAPORT
DANIELA SELIG
CHRISTOPHER BRANDT
CHRISTOPH PÖSCHKO
MICHAEL GMAJ
PREMIERE 21.5.15 KLEINES HAUS
Aufführungsdauer 2 ½ Stunden, eine Pause
JOHANNES SCHUMACHER Chorführer, MAXIMILIAN GRÜNEWALD, BENEDIKT ARNOLD, JOHANNA
BERNUTZ, JACQUELINE GRIESSER,
ANDREAS HIRSCH, SAMUEL KUHNLE,
PIA LAMPERT, THOMAS LÄMMLE,
TALIA MASINO, GABRIEL MEIER,
EVALOTTE PIETSCH, IRENA POZAR,
STEPHANIE SCHUMANN,
MARKUS SCHMIDT, ANNA YOFFE
Regieassistenz CORNELIUS EDLEFSEN Bühnenbildassistenz JOHANNES FRIED, MANUEL
KOLIP Kostümassistenz STEFANIE GAISSERT Soufflage HANS PETER SCHENCK Inspizienz JULIKA VAN DEN BUSCH
Technische Direktion HARALD FASSLRINNER, RALF HASLINGER Bühne HENDRIK
BRÜGGEMANN, EDGAR LUGMAIER Leiter der Beleuchtung STEFAN WOINKE Leiter der
Tonabteilung STEFAN RAEBEL Ton TILL MEILER, DIETER SCHMIDT Leiter der Requisite WOLFGANG FEGER Requisite CLEMENS WIDMANN Werkstättenleiter GUIDO
SCHNEITZ Konstrukteur EDUARD MOSER Malsaalvorstand GIUSEPPE VIVA Leiter der
Theaterplastiker LADISLAUS ZABAN Schreinerei ROUVEN BITSCH Schlosserei MARIO
WEIMAR Polster- und Dekoabteilung UTE WIENBERG Kostümdirektorin CHRISTINE
HALLER Gewandmeister/in Herren PETRA ANNETTE SCHREIBER, ROBERT HARTER
Gewandmeisterinnen Damen TATJANA GRAF, KARIN WÖRNER, ANNETTE GROPP
Waffenmeister MICHAEL PAOLONE, HARALD HEUSINGER Schuhmacherei THOMAS
MAHLER, VALENTIN KAUFMANN, BARBARA KISTNER Modisterei DIANA FERRARA,
JEANETTE HARDY Chefmaskenbildner RAIMUND OSTERTAG Maske HATAY YALCIN,
LILLA SLOMKA
Wir machen darauf aufmerksam, dass Ton- und/oder Bildaufnahmen unserer
Aufführungen durch jede Art elektronischer Geräte strikt untersagt sind.
WACHSTUM
EXISTIERT NICHT!
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Frank Wiegard
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EIN
GRAUER FLECK,
DER EIN MANN IST
ZUM INHALT
Die traumwandlerische Reise des „Mannes“ beginnt mit dem Ausstieg aus seinem alten Leben. Er will sich von einer
ökonomisierten Welt losreißen, die sein
Leben bestimmte und im Wesentlichen aus
Zahlen, Geld, Renditen, Leverage, Fonds
und Aktienkursen bestand. Er möchte von
einem Leben Abschied nehmen, das ihn
zu einer Person modellierte, die er als ein
Produkt des Willens Anderer erkennt. Die
Banken und die Wirtschaft haben ihn seelisch zerstört. Er möchte neu beginnen, wieder von vorne anfangen, bei sich, diesem
Menschen, an dem sein ganzes Leben lang
„rumgepuzzelt“ wurde, so dass er gar nicht
mehr weiß, was er ist „außer dem, was
man sich so erzählt“ wie er sein sollte. Um
dieses Vorhaben der Neugestaltung seines
Lebens in die Tat umzusetzen, entschließt
er sich, mit seinem alten Leben abzurechnen, es zu liquidieren. Dies möchte er auf
privater und ideologischer Ebene vollziehen. Der Mann möchte eine Hyperinflation
auslösen und die Bank zu Fall bringen, für
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die er über 20 Jahre seines Lebens gearbeitet hat. Hierbei sollen ihm die 4,5 Millionen
Euro helfen, die der Mann in seinem „ehemals 2000 Euro teuren Samsonite-Koffer“
mit sich herumträgt.
Der Mann beginnt seinen neuen Lebensabschnitt in der trostlos anmutenden
Inheidenerstr. 71, Frankfurt. Er bezieht
eine Wohnung in der 20. Etage, fern von
allen Wirtschaftsturbulenzen, die ihn sein
Leben über begleitet haben. Der schrullige
Vermieter Kaschinsky weiht den Mann in
die häuslichen Gebote ein, bei denen die
Verscheuchung der Tauben eine zentrale
Rolle spielt. Die Tauben kreisen ständig
um Kaschinskys Eigentum und „scheißen
alles voll, obwohl deren Brut abgetötet
ist“. Diese erscheinen dem Vermieter wie
eine unkontrollierbare Plage, die sich nun
auch allmählich in das Leben des Mannes
einschleicht. Den Tauben wird auf diesem
Wege eine Stimme verliehen, die Traum und
Wirklichkeit ineinander fließen lässt.
Dem neurotischen Vermieter mit einem
Faible für historische Artillerie stehen sprechende Tauben gegenüber, die systemkonformen Maschinen gleichen. Sie sind auch
Vertreter besorgter EU-Bürger in einer
globalisierten Welt, in der ihnen immer wieder in Erinnerung gerufen wird, noch mehr
zu arbeiten, noch mehr zu leisten.
Für den Mann sind es Stimmen seines alten
Ichs, die ihn unweigerlich mit seinem alten
Leben konfrontieren. Die Versuchung und
Verführung einer Rückkehr in das alte System wird durch Bodo Schäfer personifiziert,
der den Mann daran zu erinnern versucht,
was Geld bedeutet, wofür es eigentlich
steht, und zwar für Sicherheit, Freiheit und
Wohlstand. Das kapitalistische System
bietet jedem die Möglichkeit, sich all das zu
erarbeiten, eine Dreieinigkeit, nach der sich
jeder sehnt.
Auf dem Weg sich von seinem früheren
Leben zu trennen, holen den Mann sowohl
alte Weggefährten als auch existentielle
Fragen ein. Er begegnet seiner ehemaligen
Frau, die er gewissenlos verlassen hat,
um etwas mit dem Geld anzufangen, „das
wirklich etwas ändert“. Während der Mann
ihr gemeinsames Haus verkauft und den
Entschluss gefasst hat, sich auf den Weg
nach einer neuen Identität und der Auslösung einer Hyperinflation zu machen, ließ
er seine Frau allein zurück. Sie lebt auf ihrer
„ungedeckten Karte im Hotel“. Niedergeschlagen aber entschlossen fordert sie das
Geld ein, welches ihr zusteht. Der Protagonist lässt sich nicht von seinem Weg abbringen und versucht ihr zu verdeutlichen,
dass er für eine größere Sache kämpft: für
eine bessere und gerechtere Welt. Schlussendlich drückt er seiner Frau 500.000 Euro
in die Hand und geht unbeirrt und einsam
seinen Weg weiter.
Vergangenheit und Zukunft, Traum und
Wirklichkeit, Raum, Zeit, Perspektiven und
Erzählebenen wechseln sich ständig ab und
vermengen sich immer wieder miteinander.
Wenn der Mann auf den Mann mit Turban
trifft, kommt es zu einem rätselhaften Höhepunkt. Der Mann mit Turban gleicht einem
Mephisto mit eigenartigem Akzent, der dem
Mann verschiedene neue Wege aufzeigt, um
sie im nächsten Moment wieder verschwinden zu lassen. Er gibt vor, sich einzig für das
Jackett des Mannes zu interessieren, was
ihn aber nicht daran hindert, sich über Geld,
Moral und den Kapitalismus auszulassen. Er
schlägt ihm einen Tausch vor: Der Mann gibt
dem Mann mit Turban das Jackett und im
Gegenzug soll der Mann die ersehnte Hyperinflation erhalten. Kurz vor der Übergabe
verschwindet der Mann mit Turban, von
Kaschinsky wie eine Taube verjagt.
Der Mann beschreibt sich selbst als einen
grauen Fleck. Dieser schreitet durch seine
graue Geschichte, sein Leben, das er selbst
in die Hand nehmen, selber schreiben
möchte. Wirklich etwas zu tun, zu ändern,
vermag er aber nicht.
So wie er seiner Frau den Rücken kehrte,
rechnet er mit seinem senilen Vater ab. Ein
Hoffnungsschimmer bietet die Begegnung
mit der skurrilen jungen Frau aus der 13.
Etage. So wie alle Protagonisten weiß auch
sie über seinen Hintergrund als Banker Bescheid. Sie hingegen bleibt ihm ein Rätsel,
das ihn magisch anzieht. Die junge Frau hat
Schulden bei Kaschinsky, dem sie sie in
„Naturalien“ abbezahlt. In der sich zwischen dem Mann und ihr anbahnenden Liebesgeschichte offenbaren sie sich gegenseitig ihre Geheimnisse: Der Mann erzählt
ihr von seinem geplanten Bankenbetrug und
sie zeigt ihm ihren Sprengstoff. Die finanzielle Not und Abhängigkeit der jungen Frau
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bringen den Mann dazu, aus missverstandenem Vertrauen selbstlos etwas zu tun.
Er will Kaschinsky damit konfrontieren und
der jungen Frau eine Hilfe erweisen. Der
Vermieter führt ihn in einen tiefen Stollen in
der er dem Mann eine Zehnzentner-Bombe,
einen Blindgänger aus dem 2. Weltkrieg,
zeigt, den er als Synonym für seine und die
Existenz des grauen Mannes sieht. Als der
Mann wieder an die Oberfläche kommt, entdeckt er, dass sein Geld entwendet wurde.
Die junge Frau hat sich dazu entschieden,
damit ein neues Leben zu beginnen.
Allein gelassen, bleibt der Mann sitzen, nur
mit einem Koffer voller Plastiksprengstoff
aus dem Keller der jungen Frau und Stielhandgranaten aus Kaschinskys Sammlung,
unter ihm im Stollen die tödliche Bombe.
Als letzter Rettungsanker bleibt ihm nur
noch der Mann mit Turban, der ihm im
Tausch für das Jackett eine Hyperinflation versprochen hat. So machen sie ihren
Handel. Während sich der Mann mit Turban
in dem Jackett „wie ein Rockstar“ fühlt,
wird der Mann mit einer Hyperinflation in
naher oder ferner Zukunft vertröstet. So
mysteriös wie der Mann mit Turban kam
verschwindet er auch wieder. Eigentlich
wollte „der graue Fleck, der ein Mann“
ist zum „Kern der Sache“ vordringen, den
maßlosen Finanzkapitalismus bekämpfen
und sein Ich neu definieren – und nun findet
er sich dort vor, wo sein großes Bestreben
begann: wieder allein, ohne sich wirklich
verändert zu haben, auf dem Platz vor der
Inheidenerstr. 71 – ohne Geld, ohne Job, am
Ende – oder am Anfang.
ICH ESSE KEINEN BISSEN
OHNE DASS JEMAND
ANDERES IRGENDWO
IHN WENIGER ISST
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Klaus Cofalka-Adami, Frank Wiegard
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Florentine Krafft, Frank Wiegard, Sprechchor junger Karlsruherinnen und Karlsruher
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KEINE
KOMPROMISSE
DREI FRAGEN AN DEN AUTOR
Nis-Momme Stockmann, Jahrgang 81,
studierte Szenisches Schreiben in Berlin.
2009 gewann er mit seinem Debüt Der
Mann der die Welt aß den Haupt- und Publikumspreis des Heidelberger Stückemarktes, es wurde in der Regie von Dominique
Schnizer uraufgeführt. 2010 wurde er in
der Kritikerumfrage von Theater heute
zum Nachwuchsdramatiker des Jahres gewählt. Seine nächsten Arbeiten, Das blaue
blaue Meer und Kein Schiff wird kommen
folgten im kurzen Abstand in Frankfurt und
Stuttgart.
Was war der entscheidende Impuls für Ihr
Stück Tod und Wiederauferstehung der
Welt meiner Eltern in mir – ein Zufall, eine
Idee, eine Wut, ein Auftrag?
Nis-Momme Stockmann: Ich habe mit der
Arbeit an Tod und Wiederauferstehung
in meiner Zeit als Hausautor in Frankfurt
begonnen. Die Nähe der Europäischen
Zentralbank zum Schauspiel und die offenkundig zutage tretende und deswegen
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kaum noch skandaltaugliche Perversion
der Stadt- und Gesellschaftsstruktur
in Frankfurt haben mich zu dem Stück
gebracht, das eigentlich, und ich scheue
den Begriff nicht, ein Sittenbild, bzw. eine
Auseinandersetzung mit den inneren,
psychosozialen Aspekten des – und auch
dieser Begriff ist mir nicht zu blöd – Kapitalismus ist. Auch: Wohin hat uns das
ganze bürgerliche Gemeine am Theater mit
unserer Kapitalismuskritik denn geführt?
In die krasseste Form des Kapitalismus
aller Zeiten. Welchen Gebrauchswert hat
Kritik, welchen Gebrauchswert hat unser
Diskurs über den Kapitalismus, welchen
Gebrauchswert hat die Scham – wenn
auch sie uns nur weiter hinein transportiert? Oder vielleicht: Ist die Art, wie
wir die Affekte des Kapitalismus in den
Medien verhandeln, sogar nur eine Form
der Ablasshandlung? Es liegt auf der Hand,
dass sich das Schauspiel Frankfurt für den
Stoff nicht interessiert hat. Ich habe daran
weitergeschrieben. Die ganze Schmierigkeit des Diskurses über Moral, das ganze
sublime Einverständnis mit dem neoliberalen Konzept, das ganze Aufrichtigkeitsgeheuchele, die ekelhaften Formen der
kapitalistischen Normatitivität und sein
Ausdruck in unserem Miteinander – das
alles sind Dinge, die mich in meiner Arbeit
beschäftigen.
In Tod und Wiederauferstehung habe ich
mich dem im ganzen Umfang widmen,
keine Kompromisse machen wollen.
Die Politiker sagen Politik. Die Künstler
sagen Kunst. Die Bauern sagen Landwirtschaft. Aber was meinen Sie? Sie meinen
Kapital (und seine Akkumulation). Entweder tatsächliches oder symbolisches
Kapital. Das ist nicht skandaltauglich,
weil jeder in seinem Herzen eine Kammer
dafür öffnen muss. Und was ist Kapital
heute? Irgendein abstrakter Prosperitätsgedanke? Nein: Das ist der Mehrwert des
Ichs. Bei dem Kapitalistischen Projekt
geht es direkt um uns. Darum ist es auch
so verwoben und so schwer entwirrbar.
Unser Interesse daran, den Kapitalismus
als etwas Externes zu begreifen, ist ein
Entlastungsinteresse, ein Interesse, das
uns von Verantwortung und Scham befreit,
letztlich ein moralisches Komfortinteresse. Deswegen sträuben wir uns auch so:
Zwischen „normal“ und „pervers“ liegt
heute nur ein Begriff, nur ein Hauch, ein
Millimeter.
Tod und Wiederauferstehung der Welt
meiner Eltern in mir ist ein Mammutwerk,
sowohl im Vergleich zu Ihren früheren
Stücken als auch zu den Texten anderer
Autoren Ihrer Generation. Woher haben
Sie den Mut für ein solch maßloses, beinahe unspielbares Stück genommen?
NMS: Ich weiß nicht ob man es Mut nennen kann. Das ist mir eine Spur zu heroisch. Ich habe mir herausgenommen, mich
weder von innerer noch äußerer Zensur in
der Form des Stoffes beschränken zu lassen. Auch wenn viele Leute den Gedanken
einer Zensur heute lächerlich finden: Vor
allem die selbstverordnete erste Variante
ist heute eine der praktikabelsten Methoden des medialen Streamlinings (und
damit einer der großen inneren Hebel des
Kapitalismus).
Wann sind Sie das letzte Mal an Ihrem
Beruf verzweifelt?
NMS: Von früh bis spät. Ich glaube fest
daran, dass das in der Natur der Sache
liegt. Wer professionell ist, ist kalt und berechnend. Die simple Frage: Worum geht’s
dir denn? Was ist dein Anliegen: Willst du
in dich reinhorchen, willst du dich selbst
verwirklichen, willst du glücklich werden,
bewundert werden, willst du die Hand
aufhalten oder über einen roten Teppich
laufen? Oder geht’s dir um Kunst? Weil, die
frisst dich auf. Wo sehen wir denn die Seele? Wir sehen sie im Außen. Da kann man
sie sehen. Die Künstler tragen ihre Seele
außen: Bei ihren Iphones und bei ihren
Macbooks und ihren Häusern auf Madeira,
nicht in ihrem gleichzeitigen gefälligen
Gerede von der Notwendigkeit einer
Anprangerung hier, eines Angriffs dort,
ihrem Gemeine über dieses oder jenes,
ihrer Ichschöpfung, die ja auch nur ne Art
von Bereicherung ist. Das ist doch albern,
die äußere Seele muss mit der inneren in
Einklang gebracht werden. Wir Europäer
haben ein Problem mit der Metaphysik. Sie
ist der echten Erkenntnis im Weg: Seht uns
doch mal an – hier im Außen, da kann man
erkennen was wir sind. Und da können wir
uns noch so oft die Geschichte unseres
höheren inneren Wesens erzählen. Wir
sind die dickbäuchigen Betrüger. Die Räuber. Die Narzissten.
André Wagner, Maximilian Grünewald, Sprechor junger Karlsruherinnen und Karlsruher
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EINE
ZUMUTUNG
ZUM STÜCK
VON JUDITH GERSTENBERG ZUR URAUFFÜHRUNG AM SCHAUSPIEL HANNOVER
Die Welt der Eltern ist groß. Es gab die
Angst, nicht Herr über das Thema
zu werden. Das Material vermehrte sich,
wuchs; die elektronischen Notizbücher
mit einer unüberschaubaren Zahl an Links
schwollen an, die vielen Zettel und Verweise, ausgelegt auf dem Boden, bereit,
zu einem Teppich verwoben zu werden,
nahmen viele, zu viele Quadratmeter ein.
Verzweiflungsschübe, Kampfansagen,
Selbstüberlistungsversuche. Erschrecken
vor den Lebensirrtümern, den politischen
Illusionen. Leiden an der eigenen Verlogenheit. Vergossenes Herzblut. Eine Odyssee.
So beschreibt Nis-Momme Stockmann die
Arbeit an seinem Stück Tod und Wiederauferstehung der Welt meiner Eltern in mir.
Für sie hatte er sich zurückgezogen aus
einem Betrieb, der ihn bereits adoptiert
hatte als Hoffnungsträger und außerordentliche Begabung – die er ist, zweifellos. In
Interviews wehrte er sich gegen die dumme
Kultur der Verortung, des Verstehens und
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der Nutzbarmachung, ließ verlauten, die
ersten Stücke, für die er geliebt wurde,
interessierten ihn nicht mehr. Stattdessen:
Der Gedanke dürfe in keine verständliche
Dramaturgie gezwängt werden, sondern
müsse entfesselt, diskursiv kreisend und
uneindeutig sein. Die Kritik hat ihm dafür
nachsichtig, etwas altväterlich auf die
Schulter geklopft und sich bedauernd verabschiedet, hoffend, dass der Junge bald
zurückfindet.
Jetzt liegt das Stück vor. Es ist maßlos. Eine
Zumutung, die gewollt ist, eine Zumutung
als Antwort auf die Zumutung der Welt.
Weit mehr als zweihundert Seiten stark.
Ein Stück über Demut, Lust, Dressur und
Macht, vor allem aber über Angst und Geld.
Auch über die Scham und die Wut auf die
Scham. Ein Sittenbild. Das Drama unserer
Verfasstheit. Eine Kakofonie, die sich zwischen poetischer Parabel, Wutgesang, Musikrevue, Dialogszene und Kommentar ihren
Ausdruck sucht. Eine energiegeladene,
lustvoll-verzweifelte Kampfansage gegen
die resignative Depression. Eine Expedition
zu den Grundfragen unseres gegenwärtigen
Lebens.
Vor drei Jahren hatte Stockmann den Text
begonnen, zu der Zeit, als er als Hausautor
am Schauspiel Frankfurt engagiert war,
jenem Haus, das geduckt im Schatten der
phallisch aufragenden Bankengebäude
steht, von denen aus – wie mittlerweile
das allgemeine Unbehagen glaubt – das
Gesetz der Welt diktiert und der Politik das
Primat der Gestaltungsmacht aus der Hand
genommen wird. Abends kehrte er zurück
in die Theaterwohnung in der Inheidenerstraße 71, einem Hochhauskomplex mit
einer Vielzahl von Mietern, die dank eines
Wohnberechtigungsscheines dort leben,
und in dem Stockmann per Aushang angewiesen wurde, wie er den Duschvorhang
zu benutzen habe und, überhaupt, nach
welchem Regelwerk das Gemeinleben zu
funktionieren habe. Sich in Opposition zu
stellen zu dieser Welt, in die ihn die Eltern
hineingeboren haben, die Absage an sie,
muss Ausgangspunkt dieses Stückes gewesen sein; die Entdeckung, dass diese Welt
im gleichen Moment hinter einem wieder
aufersteht, wo man sie gerade beerdigt hat,
der Endpunkt.
Dieses Leben zu leben ist eine Aufgabe, zumal, wenn die Verdrängungskraft nachlässt
und die Nerven empfindlich sind. Stockmann stellt sich ihr mit großer Empathie –
auch für das Scheitern. Und mit einem fast
tröstlichen Blick durch die Poesie, die er
bereit ist im Alltäglichen zu finden. Wahrscheinlich ein Überlebenstrick. Ungemein
schöne Bilder, die er in Klänge verwandelt,
die zum Gesang werden, zu Chören anschwellen. Wie schön das tönt. Endlose
Seiten voller Chöre durchschnittlich gut
informierter EU-Bürger, ein erschöpfendes
Meinungswirrwarr, unerträgliches Gerede.
Es ist so etwas wie Verwunderung und
Dankbarkeit, die einen befällt, über solche
Hingabe an das Grau der Wirklichkeit.
In diese Inheidener Straße 71 nun, von
der aus man auf die Finanzstadt hinabsehen kann und in der – wie der Autor erst
nachträglich erfuhr, nachdem er selbst dort
schon durch sein Schreiben eine ganze
Artillerie und Plastiksprengstoff eingelagert
hatte – Andreas Baader ein Waffenlager
unterhielt, in diese Inheidener Straße 71
lässt Stockmann einen Mann einziehen,
der sonst Räume mit Trittschalldämmung
und Zedernholzparkett gewöhnt war; einen
Banker, der in der Mitte seines Lebens alle
Gewissheiten verloren, sein 4,5 Millionen
teures Haus verkauft und die Frau verlassen
hat. In seinem Koffer das ganze Vermögen,
zu Bargeld gemacht. Es ist seine Waffe, für
deren Anwendung er den richtigen Zeitpunkt sucht. Er fühlt den "Mut zum Pathetischen", den er sich immer gewünscht hat.
Ein Einzelgänger, ein Aussteiger, der in
den Mandelkern der Welt, in das System
kapitalistischer Ertragslogik dringen und es
verändern will.
Jenes System, an dem wir leiden, über das
wir klagen und dabei vergessen, dass es
so erfolgreich ist, weil es sich mit dem Begehren der Allgemeinheit und des Einzelnen
verbunden hat; das System, das die Globalisierung als Evolutionsprozess der sozialen
Marktwirtschaft verspricht; das System,
in dem ökonomische Probleme moralische
Probleme geworden sind. Das Vorhaben
dieses Bankers ist tatsächlich spektakulär,
der Weg dorthin der Emanzipationsprozess von politischen und philosophischen
Illusionen – dieser Prozess ist, so bitter er
ist, auch sehr komisch, weil er sich in der
genauen Beobachtung und Kenntnis der
konvulsivischen Innenwelt eines leidenden,
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auch wehleidigen, hochfahrenden, verwirrten, spottenden, hoffenden, empörten,
selbstgerechten und auch hin und wieder
kitschigen Bewusstseins abbildet, das auf
einen Sinnzusammenhang hofft, auf ein
alles entschuldigendes Gegenüber, einen
Verantwortlichen, der nicht zu finden ist.
Es begegnet nur immer sich selbst.
Der ursprüngliche Plan des Mannes
verflüchtigt sich denn auch im Laufe des
Stückes, durch seinen Irrlauf in jenem Spiegelkabinett, das sich durch die permanente
Reflexion aller seiner Schritte, Wahrnehmungen und Gedanken aufbaut. Permanent
fühlt er sich beobachtet, sieht sich selbst,
findet sich in Bildern wieder, für die es
immer schon Fertigrahmen gibt. Sein Weg
durch das Stück, seine permanente Fluchtbewegung ins Freie, ist eine erschöpfende
Kraftanstrengung, begleitet von Panikattacken und Brechreiz.
Stockmanns Qualität liegt gerade darin,
dass er das Offensichtliche zum Thema
macht, das keiner mehr hinterfragt. Wer
oder was erklärt dem Mann sein unentwegtes Oszillieren zwischen Wirklichkeit
und Traum, seine Paranoiaschübe? Was,
wenn etwas mit der Welt nicht in Ordnung
ist? Achselzucken. Rat zur Therapie. Da
bleibt nur, zu speien, alles, was gefressen
wurde, die ganze Welt wieder auszuspeien.
Und siehe da: Das Rote, der Auswurf eines
blutigen Magengeschwürs, ist plötzlich die
einzige Farbe in diesem Grau der Welt. Ein
Zeichen der Hoffnung. Ein Beginn.
Judith Gerstenberg ist Leitende Dramaturgin am Schauspiel Hannover.
SIE HABEN GELD
BENUTZT WIE
VERTRAUEN,
UND VERTRAUEN
GEDACHT WIE GELD.
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Klaus Cofalka-Adami, Sebastian Reiß, Sprechchor junger Karlsruherinnen und Karlsruher
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NICHTS IST WICHTIGER ALS DIE
ÄUSSERE
ERSCHEINUNG!
ZUR INSZENIERUNG
Nis-Momme Stockmanns Stück ist in seiner
Originalfassung mit Addendum 320 Seiten
lang, ein Mammutwerk also, welches verschiedene Genres und Textstile vermischt
und alle Mittel nutzt, eine Zustandsbeschreibung unserer vom Finanzkapitalismus
zersetzten Welt zu liefern. Die Uraufführung
des Schauspiel Hannover 2012, die fünf
Stunden dauerte, zeigte gerade einmal
einen Drittel des Stoffes und nutzte dafür
virtuos die verschiedensten Theatermittel
um dem Text und seiner Vielfalt an Genres
gerecht zu werden. Das STAATSTHEATER
KARLSRUHE zeigt nun in der Inszenierung
von Simone Blattner eine noch kürzere Fassung, die sich vor allem mit dem Plot um den
grauen Mann, den ausgestiegenen Banker,
beschäftigt. Stockmanns Textkonvolut stellt
eine Herausforderung dar, denn so disparat,
so verwoben es geschrieben ist, so stark
widersetzt es sich üblichen Inszenierungsmethoden. Im Kern ist es eine gut geschriebene Komödie über Geld, die auf unterhaltsame Weise, weil so präzise beobachtet,
Fragen an unsere Gesellschaft und unseren
Umgang mit Geld oder Wert(en) stellt. Diese
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Fragen haben die Regisseurin Simone Blattner interessiert, und so war es naheliegend,
sie für die Karlsruher Fassung zuzuspitzen.
Die Orientierungslosigkeit des grauen
Mannes, der mit all seinen Facetten in
jedem von uns steckt, stellte sie ins Zentrum
des Abends. Stockmanns Text funktioniert
nicht mit den Mitteln einer herkömmlichen
Dramaturgie. Er ist überbordend, fantasievoll und erschlägt mit seiner Textmasse und
der Wucht seiner Sprache. Dieser Text wird
aber von eigenartigen Figuren gesprochen,
die dem Mann, einem Stationendrama
gleich, nach und nach begegnen. Eine dieser
Figuren, die unvermittelt auftaucht, Bodo
Schäfer, wurde in der Karlsruher Fassung
als Antagonist zu dem grauen Mann herausgearbeitet.
Bodo Schäfer ist keine erfundene Figur,
sondern ein tatsächlich existierender umtriebiger Geschäftsmann, der sich selbst als
„Money-Coach“ bezeichnet. Er gibt Kurse
und Vorträge und erklärt seinem Publikum,
genauso wie im Stück, wieso man Geld
lieben sollte, und wieso wir unser proble-
matisches Verhältnis zu unserem Vermögen
verändern müssen, um wirklich erfolgreich
und reich zu werden. Dieser Bodo Schäfer steht also für das absolut idealisierte
System des Kapitalismus: Werde reich und
du wirst glücklich. Häufe um jeden Preis
Geld an, Wachstum ist dein Heilsbringer. Die
Karlsruher Fassung setzt nun Bodo Schäfer
gegen den grauen Mann und fokussiert das
Geschehen auf den Widerstreit der beiden
konträren Ansichten des gleichen Systems.
Während der graue Mann, im Laufe seiner
Sinnsuche, das Publikum davon überzeugen
möchte, dass Wachstum nicht existiert und
das Publikum auffordert, die richtigen Fragen zu stellen, verkauft uns die Figur Bodo
Schäfer den Kapitalismus als bestes System
aller Zeiten.
Im Stück spricht der Vermieter Kaschinsky
immer wieder von Tauben, die seinen Wohnblock in Beschlag genommen haben. Diese
Erzählung über die Tauben ist immer wieder
mit Texten des Chors der durchschnittlich
informierten EU-Bürger verschnitten. Das
legt nahe, diesen Chor auch die Tauben
spielen zu lassen und somit die Tauben, die
Kaschinsky vernichten will, die arbeitende,
zu ernährende Gesellschaft, über ihren
Zustand und den Zustand des Wirtschaftssytems sprechen zu lassen. Die Tauben, die
von einem Laienchor von jungen Karlsruherinnen und Karlsruhern gespielt und von
zwei Schauspielern geführt werden, sprechen das aus, was weder der graue Mann
noch Bodo Schäfer aussprechen können.
Sie funktionieren in dem System, dass sie
am Leben erhält, somit kann Bodo Schäfer
sich unter sie mischen, einen grauen Mann
hören sie aber nicht, sondern arbeiten,
agieren einfach weiter, ohne sich von ihm
ablenken zu lassen. Eine weitere Fokussierung nahm Simone Blattner in Bezug auf
den Erzähltext vor. Da die Figuren beschrei-
ben, was sie tun, werden keine Requisiten
verwendet. So bleibt alles Idee in dieser Inszenierung; eine erzählerische Behauptung.
Das einzige übrig gebliebene Requisit sind
Geldscheine, doch die sind auch nur eine
Idee und die wohl größte gesellschaftliche
Behauptung schlechthin: ein bisschen Papier mit einem behaupteten aufgedruckten
Wert, die man gegen tatsächliche, nützliche
Dinge eintauschen kann. Es gibt also nichts
auf dieser Bühne, dieser Welt des grauen
Mannes, außer erfundene "Objekte". Alles
was übrig bleibt ist der Vorgang des Tausches und des Handels.
Der Bühnenbildner Alain Rappaport gestaltete für Karlsruhe ein abstraktes, symbolisches Bühnenbild. Zu Beginn sehen wir
einfach nur einen Betonblock der aus zahlreichen Steinen besteht und die Architektur
des Bühnenraums nachahmt. Es könnte der
Wohnblock der Inheidener Strasse sein, in
den der graue Mann zieht. Der Chor trägt
dann nach und nach die einzelnen Steine
ab und schält langsam aus dem Block einen
Schneemann heraus. Die Tauben sprechen
in ihren Texten von Arbeit und von Ausbeutung. Und davon, dass wir irgendwo etwas
wegnehmen müssen, um selbst mehr zu
haben. Genau dieser Aussage folgt der Abbau der Steine, der Block wird abgetragen,
damit auf der Bühne ein Bühnenbild für die
späteren Szenen entsteht – neue Räume, ein
Mehr an Spielmöglichkeiten. Nebenbei wird
der Kern frei gelegt, den der Mann so lange
sucht: ein Schneemann. Dieser Kern ist
hier aber nur ein verspieltes Symbol für die
Kälte des Finanzkapitalismus, oder die Kälte
dieser Gesellschaft, dieses Systems, das uns
übrig geblieben ist. Ein deformierter riesiger
Schneemann mit dem der graue Mann zum
Schluss des Stücks alleine zurück bleibt.
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EIN MANN, SEIN VATER
UND DIE
KRISE
GESPRÄCH MIT DEM VOLKSWIRTSCHAFTSPROFESSOR WOLFGANG WIEGARD
Schauspieler Frank Wiegard, der die
Hauptrolle spielt, sprach mit seinem Vater
Wolfgang Wiegard, der zehn Jahre lang
einer der fünf Wirtschaftsweisen war
über das Stück, die Finanzkrise und ihre
Hintergründe.
Frank Wiegard: Im Stück spiele ich einen
Mann, der ganz allein eine Bank zu Fall
bringen will. Geht sowas überhaupt?
Wolfgang Wiegard: Diese Möglichkeit
besteht durchaus. Es gibt eine ganze Reihe
von Präzedenzfällen: In Frankreich oder in
Hong Kong gab es einzelne Trader, die mit
so hohen Summen spekuliert und sich verspekuliert haben, dass milliardenhohe Verluste eingefahren worden sind. Das konnte
bis jetzt in den meisten Fällen aufgefangen
werden. Zur Not, wenn es sich um eine
systemrelevante Bank handelt, wird auch
der Staat eingreifen. In der Regel haben
Banken aber immanente Sicherheitssysteme für die Trader, so dass gewisse Risikopositionen nicht eingegangen werden
können oder bestimmte Summen nicht
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überschritten werden dürfen. Diese sind
allerdings zum Teil vor und in der Finanzkrise bewusst umgangen worden.
FW: Es heißt, der Banker hat eine Summe
von 4,5 Millionen Euro zur Verfügung, bar,
mit der er die Bank zu Fall bringen will.
WW: Das ist eine lächerliche Summe, damit kann man keine Bank zu Fall bringen.
Dazu sind hohe Milliarden-Beträge erforderlich. Mittlerweile gibt es aber strenge
Regularien, dass Händler nicht so viel
Geld in die Hand nehmen dürfen, so viele
offene Positionen eingehen dürfen, dass
eine Bank in ernsthafte Schwierigkeiten
geraten könnte. Aber kein Überwachungssystem ist wirklich perfekt.
FW: Wird immer der Steuerzahler zur
Kasse gebeten, wenn eine Bank solche
untragbaren Verluste macht?
WW: Nein, in den USA oder Deutschland
sind durchaus einige Banken pleitegegangen. Es gehört zum Wesen einer
Amélie Belohradsky, Frank Wiegard
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Marktwirtschaft, dass, wer sich verzockt,
auch vom Markt verschwinden muss. Es
wird dann schwierig, wenn sehr große,
mit anderen stark verflochtene Institute
betroffen sind – und große Banken sind
immer verflochten. Wenn eine pleitegehen
würde – bei der Commerzbank hat man
das ja beispielsweise lange befürchtet –
zieht das eine Kettenreaktion nach sich.
Und um das zu verhindern, ist dann der
Staat, und damit letztlich der Steuerzahler,
eingesprungen.
FW: Wie stark werden systemrelevante
Banken mittlerweile reguliert?
WW: Das ist ja eine der Lehren aus der
Finanzkrise: Man schreibt den Banken jetzt
u. a. eine höhere Eigenkapitalquote vor. Das
Problem war, dass die Banken, auch die
Deutsche Bank, eine ganz geringe hatten.
Sie hatten sich überwiegend fremdfinanziert, indem sie Anleihen ausgegeben haben. Ein Teil des Eigen- und Fremdkapitals
wurde dann als Kredite an Unternehmen
oder auch private Haushalte ausgereicht.
Wenn diese Verluste gemacht haben, musste die Bank sie abdecken und dafür ihr Eigenkapital einsetzen, den Verlustpuffer. Das
ist z. B. in den Vereinigten Staaten passiert,
als die Immobilienkredite ausgefallen sind.
Wenn dann der Puffer zu gering ist, steht
man vor der Frage, ob man die Bank pleitegehen lässt oder ob man sie rettet.
FW: Du warst 10 Jahre lang im Sachverständigenrat für Wirtschaft und hast u. a.
die Bundesregierung in finanzpolitischen
Fragen beraten, auch zur Zeit der Finanzkrise …
WW: Ja. Vor allem 2008, als Lehman Brothers Pleite gegangen ist, und auch in den
Jahren danach.
22
FW: Wie reagiert man auf so etwas? Gab
es Vorahnungen, oder war das wirklich für
alle eine große Überraschung?
WW: Eine Überraschung war, dass die
amerikanische Regierung Lehman Brothers nicht gerettet hat. Dass die Immobilienmärkte in Spanien, Großbritannien,
Irland und den USA überhitzt waren und
zusammenbrechen könnten, dass die
Kreditvergabe viel zu leichtsinnig war, das
hatten wir auf dem Radar. So haben wir
wiederholt in unseren Gutachten auf eine
mögliche Immobilienpreisblase hingewiesen. Man musste sich ja nur anschauen,
wie die Preise explodiert sind. Was man
nicht vorhersehen konnte, war die Pleite
von Lehman Brothers. Und die war der
Brandbeschleuniger, der die Banken- und
Finanzkrise über die ganze Welt verteilt
hat. Die Banken konnten die Verluste aus
den Krediten nicht auffangen. Es war ihnen auch ziemlich egal, denn die großen
wussten, dass sie gar nicht Pleite gehen
können, weil der Steuerzahler sie retten
muss. Sie verdienten gut an dieser lockeren Kreditvergabe. Wenn alles gut ginge,
führen sie große Gewinne ein, sollte es
schlecht ausgehen, verlören sie nur das
Wenige an Eigenkapital, für den anderen
Teil würde der Steuerzahler einspringen.
Das führte zu einer exzessiven Risikobereitschaft der Banken.
Daraus hat man gelernt und unterschiedliche Maßnahmen ergriffen, um das Bankensystem krisenfester zu machen und
vor allem: zukünftig den Steuerzahler nicht
mehr in Haftung für Verluste der Banken
zu nehmen. Deshalb wird eine Bankenund Finanzkrise in dieser Form so wohl
nicht mehr auftreten. Aber natürlich können irgendwann andere Krisen auftreten.
Leider weiß man oft erst hinterher, was
schiefgelaufen ist. Aber generell ist man
heute besser gerüstet, um Krisen zu vermeiden oder zu bekämpfen.
FW: Wie agiert man im Sachverständigenrat in solchen Krisensituationen?
WW: Der war damals nicht direkt eingebunden in das Regierungshandeln, indirekt
aber schon. Angela Merkel ist eine kluge
Frau, ich hatte öfters mit ihr zu tun; sie ist
eine sehr klare und strukturierte Denkerin,
aber sie ist Physikerin, keine Ökonomin.
Deshalb hat sie sich von Ökonomen beraten lassen. Und da haben frühere Mitarbeiter oder Mitglieder des Sachverständigenrats eine wichtige Rolle gespielt. Merkels
wichtigster Berater war Jens Weidmann
als Abteilungsleiter für Wirtschafts- und
Finanzpolitik, der während meiner Zeit
Generalsekretär des Sachverständigenrates war. Auch Axel Weber hat als damaliger Präsident der Deutschen Bundesbank
eine wichtige Rolle gespielt. Die beiden
haben dann wiederum mit uns gesprochen.
Außerdem haben wir natürlich in unseren
Jahresgutachten Vorschläge unterbreitet,
wie man die unmittelbaren Auswirkungen
der Krise durch finanzpolitische Maßnahmen abmildern und durch eine bessere
Regulierung der Finanzmärkte zukünftige
Krisen vermeiden kann. Ein Teil unserer
Vorschläge wurde umgesetzt, ein Teil
nicht.
FW: Der Protagonist des Stücks Tod und
Wiederauferstehung der Welt meiner
Eltern in mir sehnt sich nach einer Hyperinflation, da er glaubt, dadurch könne ein
Umdenken in der Gesellschaft stattfinden.
Er hofft auch, dass nach so einer Entwicklung die Finanzmärkte stärker kontrolliert
werden. Wie kann man eine solche Hyperinflation auslösen?
WW: Eine Hyperinflation kann eigentlich
nur die Zentralbank initiieren. Eine einzelne Bank selbst kann auch Geld schöpfen,
aber nie so viel, dass sie damit eine Inflation auslöst. Das kann in Europa nur noch
die Europäische Zentralbank, die muss
dann sehr viel Geld drucken und dieses in
Umlauf bringen. Im Moment versucht das
die EZB, denn die Inflationsrate im Euroraum liegt aktuell im negativen Bereich,
die Preise sind nicht gestiegen, sondern
gefallen.
FW: Liegt das daran, dass der Ölpreis gesunken ist?
WW: Ja, das liegt wesentlich an den gesunkenen Energiepreisen. Bei negativen
Inflationsraten droht eine Deflationsgefahr; und die will die Europäische Zentralbank bekämpfen, unter anderem mit einem
gigantischen Anleihenaufkaufprogramm.
Bis September 2016 will die EZB jeden
Monat 60 Milliarden Euro aufwenden, um
Anleihen aufzukaufen. Dadurch bringt
sie einerseits mehr Geld in Umlauf, zum
anderen wertet der Euro ab und andere
Währungen, etwa der US-Dollar, werten
dementsprechend auf. So werden Importe
teurer und es kommt zu einer importierten
Inflation. Das beobachten wir derzeit. Der
Euro hat abgewertet, und die Inflationsrate zieht leicht an. Aber von einer Hyperinflation sind wir Lichtjahre entfernt. Eine
solche gab es in Deutschland in den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts vor
Ausbruch der Weltwirtschaftskrise mit
einer Inflationsrate von mehr als 1000 Prozent im Monat.
Aber: mit 4,5 Millionen Euro kann man
keine Bank zu Fall bringen und erst recht
keine Hyperinflation erzeugen, nicht einmal ein „Inflatiönchen“.
Florentine Krafft, Frank Wiegard, Sprechchor junger Karlsruherinnen und Karlsruher
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24
25
SPEKTAKULÄRE
BÖRSENCRASHS
1637 – 2008
Börsenturbulenzen gibt es so lange wie die
Börse selbst. Am „Schwarzen Freitag”, dem
25. Oktober 1929, ereignete sich der wohl
spektakulärste Börsencrash aller Zeiten.
Doch wie in den Jahrzehnten danach, sind
auch schon in den Jahrhunderten davor
viele Spekulationsblasen – zum Leidwesen
zahlreicher Aktionäre – geplatzt.
1637: Spekulationsobjekt Tulpenzwiebel
Bereits im 17. Jahrhundert erschütterte ein
Crash die Welt des Handels: In den Niederlanden brach 1637 der Markt für Tulpenzwiebeln zusammen. Tausende hatten ihr
Vermögen in Tulpenzwiebeln investiert,
nachdem die Preise für die damals seltenen
asiatischen Importpflanzen in astronomische Höhen geschnellt waren. Vom Grafen
bis zum Knecht spekulierten die Menschen
mit den Knollen. Preise und Wert der Zwiebeln standen bald in keinem reellen Verhältnis mehr zueinander.
26
1636 war eine Zwiebel beispielsweise einen
„neuen Wagen, samt Geschirr und zweier
grauer Pferde” wert. Für seltene Exemplare wurden nach heutiger Rechnung bis zu
50.000 Euro gezahlt. Immer mehr Spekulanten waren in der Hoffnung auf schnelle Gewinne auf den fahrenden Zug aufgesprungen. Doch dann stiegen die ersten wieder
aus, um sich ihre Gewinne zu sichern. Eine
Verkaufspanik entstand, die Spekulationsblase platzte wie ein Luftballon. Die „Tulipomanie” der Niederländer war schlagartig
beendet. Die Tulpenzwiebel-Spekulation
war eine Krise des Warenhandels.
1720: Spekulationsobjekt Gold
Den ersten richtigen Wertpapiercrash gab
es zu Beginn des 18. Jahrhunderts. 1720
platzten in London und Paris zwei riesige
Spekulationsblasen. In England hatten
Anleger Aktien der „South Sei Company”
gekauft. Die Firma hatte Gold in Nord-
amerika schürfen wollen. Die Aktie stieg
innerhalb kurzer Zeit von 120 Pfund auf über
1000 Pfund. Als sich die Goldhoffnungen in
Luft auflösten, fiel der Kurs ins Bodenlose.
Zur gleichen Zeit erlebte die Pariser Börse
einen ähnlichen Schock. Die „Banque
Royale” hatte Papiergeld ausgegeben, um
die französische Staatsverschuldung zu
senken. Das Papiergeld sollte seine Deckung durch Erträge aus dem Goldhandel in
Amerika erhalten. Geld hatte damals in der
Regel nur den Wert seines Edelmetallgehaltes. Papiergeld war somit nichts anderes
als ein Tausch. Und den ließ die „Banque
Royale” platzen, weil ihre Rechnung nicht
aufging: Als Spekulanten ihr Papiergeld in
Gold umtauschen wollten, brach die Bank
zusammen.
1929: Der „Schwarze Freitag”
Am 24. Oktober begannen an der Wall
Street in New York die Kurse zu sinken. Tags
darauf brachen die Kurse stärker ein. Daher
beschlossen die meisten Aktionäre, ihre
Aktien in der Folgewoche zu verkaufen. Viele
mussten es sogar, denn sie hatten Aktien
auf Kredit gekauft. Die Banken verlangten
neue Sicherheiten oder kündigten nach dem
Kurseinbruch die Kredite. Am Dienstag, den
29. Oktober 1929, wechselten 16,5 Millionen
Aktien an der Wall Street den Besitzer. Die
Ticker waren mit der Kursanzeige mehrere
Stunden im Rückstand. Ob in den Hotelhallen oder in Drugstores – überall, wo die
Kurse angezeigt wurden, verfolgten Anleger
fassungslos, wie ihr Wertpapiervermögen
schmolz. Viele Menschen waren ruiniert,
Banken brachen zusammen. Die Kurse erholten sich zwar kurzfristig im darauf folgenden
Winter, sanken dann aber weiter, ehe sie im
März 1933 ihren Tiefststand erreichten. Im
Schnitt hatten die Aktien zu diesem Zeitpunkt
75 Prozent ihres Wertes von 1929 verloren.
1931: Bankenkrise in Deutschland
Der Börsencrash von New York wirkte sich
auch auf Europa und Lateinamerika aus.
Amerikaner zogen ihre kurzfristigen Geldanlagen aus Europa und Lateinamerika ab. Im
Mai 1931 brach die „Österreichische Kreditanstalt” zusammen. Sie hatte ausländische
Gelder in langfristige Industriebeteiligungen
investiert. Als amerikanische und französische Termingelder (Gelder, die bis zu einem
bestimmten Termin auf ein Konto festgelegt
werden) gekündigt wurden, war die Bank
zahlungsunfähig. Eine Bankenkrise erschütterte Deutschland und Österreich. Die
Reichsbank griff nicht ein, um die Währung
nicht aufzuweichen. Die Sparer stürmten
die Banken, es gab „Bankfeiertage”: Die
Banken blieben zeitweilig geschlossen.
Viele kreditfinanzierte Betriebe mussten
schließen, die Arbeiter wurden entlassen.
Die Weltwirtschaftskrise lähmte die Industrienationen, würgte den Welthandel ab und
bereitete totalitären politischen Bewegungen den Boden.
1987: Sorgen um den Welthandel
Vergleichsweise glimpflich verliefen die
Börsencrashs gegen Ende des 20. Jahrhunderts. Am 18. Oktober 1987 hatte der
damalige US-Finanzminister James Baker
die Finanzmärkte beunruhigt, indem er die
Deutsche Bundesbank in deutlichen Worten
zu einer Zinssenkung auffordert hatte.
Professionelle Anleger verstanden dass als
Zeichen, dass die USA wirtschaftlich nicht
mehr in dem Umfang mit der Bundesrepublik
zusammenarbeiten wolle, wie sie es bis
dahin getan hatte. Der US-Haushalt ächzte
zu dieser Zeit unter der Schuldenpolitik
Ronald Reagans, die Handelsbilanz hatte ein
Rekorddefizit erreicht. Das amerikanische
Börsenbarometer schlechthin, der Dow27
Jones-Index, fiel am 19. Oktober 1987 von
2246 auf 1738 Punkte: ein Minus von fast 23
Prozent. Die Kursstürze verliefen wie eine
Kettenreaktion: Automatische Verkäufe
wurden per Computer getätigt, da Kurslimits
unterschritten wurden. Realwirtschaftlich
hatte der Börsenkrach von 1987 kaum Folgen, doch viele Kleinanleger verloren Teile
ihres Vermögens.
1997: Die Asien-Krise
Ernsthaftere Folgen hatte der Crash von
1997: die Asien-Krise. Ausgangspunkt
waren Währungskrisen in Südostasien.
Einige Schwellenstaaten hatten ihre
Währungen künstlich hoch gehalten. Am 2.
Juli 1997 wertete Thailand schließlich seine
Währung, den Baht, ab. Es folgten Indonesien, Malaysia und die Philippinen. Am 23.
Oktober 1997 brach schließlich Hongkongs
Börsenindex Hang-Seng ein. Bis Monatsende betrugen die Verluste rund 40 Prozent.
Am 28. Oktober gab der Deutsche Aktienindex (DAX) 312 Punkte ab. Das entsprach
ungefähr 8 Prozent. Tags zuvor hatte der
Dow Jones 7,2 Prozent verloren. Die Kurse
erholten sich bald, aber Südostasien steckte
tief in einer Krise. Konsum, Bautätigkeit
und Kreditfinanzierung sanken drastisch.
Die freigegebenen Währungen, also die
Währungen, die nicht mehr an den US-Dollar
gekoppelt waren, brachen ein – das Vermögen der Südostasiaten schrumpfte bedenklich zusammen.
Medien- und Technologiebranche investiert.
Diese New Economy Unternehmen versprachen Innovationen und scheinbar grenzenloses Wachstum. Oft wurde investiert,
obwohl jegliches Hintergrundwissen über
das jeweilige Unternehmen fehlte. Startschuss für die Mobilisierung der Kleinanleger in Deutschland war die Einführung der
Telekom-Aktie im November 1996, für die im
Vorfeld intensiv geworben worden war. Es
entstand ein regelrechtes Börsenfieber, das
die Kurse in die Höhe trieb.
Im Neuen Markt Segment konnten wachstumsstarke Firmen an die Börse gehen, ohne
belegen zu müssen, dass sie in den Jahren
zuvor Gewinne gemacht hatten. Die Folge
war, dass viele sich nach dem erfolgreichen
Börsengang übernahmen und ihre Prognosen nach unten korrigieren mussten. Hinzu
kamen Ermittlungen wegen Bilanzfälschungen und Insiderhandels gegen verschiedene
New Economy Unternehmen. Als ein Ende
des Booms abzusehen war, zogen große
Investoren sich zurück. Das ließ die Kurse
sinken und führte zu Panikverkäufen bei den
Kleinaktionären. Die Kurse stürzten ab.
Im Oktober 2002 war der Index des Neuen
Marktes (Nemax) auf seinem Tiefststand;
die Aktionäre hatten seit März 2000 mehr als
200 Milliarden Euro verloren. Im Juni 2003
wurde der Handel am Neuen Markt Segment der Börse geschlossen. Der Nemax 50
wurde durch den Theda als neuen Index für
Technologiewerte ersetzt.
2000: Die Dotcom-Blase
Im März 2000 begann der rapide Fall der
Werte auf dem Neuen Markt. Seit 1997
hatte dieser Börsensektor ein beispielloses Wachstum verzeichnet. Besonders
Kleinaktionäre hatten in die vielen Start-upUnternehmen aus der Telekommunikations-,
28
2007/2008: Die Hypothekenkrise
Im Frühjahr 2007 kam es in den USA zu einer
Immobilienkrise, die eine weltweite Bankenkrise nach sich zog. Seit 2001 hatte der niedrige Leitzins dazu geführt, dass immer mehr
US-Bürger mit niedrigem Einkommen einen
Kredit aufnahmen, um sich ihr Eigenheim zu
finanzieren. Gelockt wurden sie dabei von
Angeboten einiger Hypothekenfinanzierer,
die auch Personen mit niedriger Bonität
Kredite gewährten. Der Nachteil dieser
sogenannten Subprime Loans (zweitklassige
Kredite) waren die variablen Zinssätze. Um
das Ausfallrisiko weiterzugeben, ließen die
Banken die Kredite in durch Hypotheken
abgesicherte Wertpapiere umwandeln.
Diese Wertpapier-Pakete wurden von den
zuständigen Rating-Agenturen als sicher
eingestuft und weltweit an Kreditinstitute
verkauft.
Ab Mitte 2004 wurde der US-Leitzins
schrittweise wieder angehoben. Viele der
Subprime Kreditnehmer konnten die stetig
steigenden Raten ihrer Hypothekenkredite
nicht mehr bezahlen und mussten ihre Häuser verkaufen. Die Häuserpreise stürzten ab,
wodurch die Wertpapier-Pakete abgestuft
wurden und an Wert verloren. Das führte zu
einer starken Verunsicherung und wachsendem Misstrauen im gesamten Finanzsektor.
Den Banken wurde es zu riskant, sich untereinander Geld zu leihen. Als Folge kam es
weltweit zu immensen Verlusten und Insolvenzen bei Finanzunternehmen, zum Beispiel
von „Lehman Brothers”. An den Börsen gab
es Kurseinbrüche und die Wachstumsprognosen für 2009 mussten nach unten korrigiert werden. Um eine Rezession zu verhindern, beschlossen die Politiker, Staatshilfen
zu gewähren. Im Oktober 2008 wurde in
Deutschland ein Bankenrettungspaket im
Wert von 480 Milliarden Euro verabschiedet.
ES BRAUCHT
NOCH EIN MUSICAL
EIN GROSSES MUSICAL –
WELT – UND DANN BIST
DU BEFREIT
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Frank Wiegard, André Wagner, Sprechchor junger Karlsruherinnen und Karlsruher
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SIMONE BLATTNER Regie
ALAIN RAPPAPORT Bühne
Simone Blattner, geboren in Basel,
studierte Regie an der Otto-FalckenbergSchule in München. Seit 1998 arbeitet
sie als freie Regisseurin, u. a. am Staatsschauspiel München, Schauspiel Frankfurt, Staatsschauspiel Dresden, am Berliner Ensemble und Thalia Theater Hamburg.
Sie inszenierte u. a. die Uraufführungen
mehrerer Stücke von Martin Heckmanns,
darunter Schieß doch, Kaufhaus! am TIF
Dresden und Kränk am Schauspiel Frankfurt. Beide Inszenierungen wurden zu den
Mülheimer Theatertagen eingeladen und
erhielten jeweils den Publikumspreis. In
Karlsruhe inszenierte sie zur Eröffnung
des STUDIOS 2011 Der große Marsch
von Wolfram Lotz und Lessings Minna
von Barnhelm als Doppelabend. Zuletzt
inszenierte sie am Theater Neumarkt in
Zürich Ein Teil der Gans im Haus der Lüge.
Weiterhin sind ihre Arbeiten Dantons Tod
und Kabale und Liebe im Programm des
STAATSTHEATERS zu sehen.
Alain Rappaport wurde 1964 in Zürich
geboren. Dort studierte und diplomierte
er in Architektur und Bildender Kunst. Anschließend arbeitete er als Architekt im
Studio dpd9 in New York und als Bühnenbildassistent am Schauspielhaus Zürich.
Seit 1995 ist Alain Rappaport als freischaffender Bühnenbildner, Architekt und
Künstler tätig und realisierte und konzipierte Bühnenbilder u. a. am Burgtheater
Wien, Schauspiel Frankfurt, Schauspiel
Köln, Theater Basel, Theater Neumarkt,
Schauspielhaus Zürich und an der Staatsoper Unter den Linden. Er arbeitete mit
den Regisseuren Christoph Frick, Ruedi
Häusermann, Robert Lehniger, Christiane
Pohle und Bernd Mottl zusammen. Seit
2011 ist er Dozent für Szenographie im
Studiengang Ausstellen & Vermitteln an
der Zürcher Hochschule der Künste. Für
das STAATSTEHATER erarbeite bereits
die Bühnenbilder für Dantons Tod und
Kabale und Liebe.
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DANIELA SELIG Kostüme
CHRISTOPHER BRANDT Musik
Daniela Selig wurde 1972 in München
geboren und lebt in Berlin. Sie studierte Kostümbild an der Hochschule für
angewandte Wissenschaften Hamburg
und Bühnenbild an der Kunsthochschule
Berlin Weißensee. Seit 2001 arbeitet sie
als freie Bühnen- und Kostümbildnerin
u. a. am Hamburger Schauspielhaus,
an den Münchner Kammerspielen, am
Schauspielhaus Zürich, am Theater
Basel und am Deutschen Theater Berlin.
Außerdem war sie als Kostümbildnerin
an verschiedenen Filmproduktionen u.
a. 3 Grad kälter, ausgezeichnet 2006 mit
dem silbernen Leoparden in Locarno. Am
Theater arbeitet sie regelmäßig mit den
Regisseuren Tom Kühnel / Jürgen Kuttner,
Peter Kastenmüller, Sandra Strunz und
Schorsch Kamerun. Seit 2009 entstanden
Produktionen in Zusammenarbeit mit Falk
Richter an der Schaubühne Berlin. 2013
hat sie ein Café in Berlin eröffnet.
Christopher Brandt studierte Schulmusik,
Gitarre und Komposition in Frankfurt,
Würzburg und Darmstaft, sowie Germanistik und Philosophie in Frankfurt.
Zusammenarbeiten verbanden ihn u. a.
mit dem Ensemble Modern, dem Klangforum Wien, der Tokyo Sinfonietta, den
Bochumer Sinfonikern und den Wiener
Philharmonikern. Er wirkte bei Ur- und
Erstaufführungen u. a. von Olga Neuwirth, Wolfgang Rihm, Frank Zappa mit,
u. a. bei den Berliner Festwochen, den
Wiener Festwochen und dem New Yorker
Lincoln Center Festival. Er arbeitete als
Musikalischer Leiter, Komponist und
Bühnenmusiker u. a. am Staatstheater
Kassel, Hamburger Thalia Theater und
am Schauspiel Frankfurt. Seit 2008 ist
Christopher Brandt Professor für Gitarre
und Methodik an der Frankfurter Musikhochschule. Er zeichnete verantwortlich
für die Musik in Dantons Tod und Kabale
und Liebe.
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AMÉLIE BELOHRADSKY a. G. Ehefrau
wurde 1979 in München geboren, Mutter Französin, Vater Deutscher, als
fünftes Mädchen einer siebenköpfigen Familie. Sie studierte Schauspiel
in Paris an den "Cours Perimony" und an der Hochschule für Musik und
Theater in Leipzig. Ihr erstes Engagement führte sie ans Staatsschauspiel Dresden. Seit 2014 lebt sie in Strasbourg und ist Sprecherin für
ARTE Dokumentarfilme.
FLORENTINE KRAFFT Die junge Frau
Aufgewachsen in Hamburg, studierte Florentine Krafft Schauspiel an der
Zürcher Hochschule der Künste und erhielt hier 2012 für besondere Leistungen den Oprecht-Preis. Seit 2013 ist sie in Karlsruhe engagiert und zu
sehen in Rio Reiser, Ein Sommernachtstraum, Richtfest, Schatten
(Eurydike sagt), Die Räuber und demnächst in Drei Schwestern.
KLAUS COFALKA-ADAMI Kaschinsky
Der Vater zweier erwachsener Kinder änderte sein Leben radikal, als er
nach mehreren Berufsjahren als Bankkaufmann begann, Theater zu spielen. Seit 1980 arbeitet Klaus Cofalka-Adami als Schauspieler und spielte
u. a. an den Bühnen in Mannheim, Tübingen, Dortmund und Heidelberg.
Seit 2011 ist er festes Ensemblemitglied in Karlsruhe. Aktuell spielt er in
Fremdraumpflege, Rio Reiser, Richtfest und Drei Schwestern.
MAXIMILIAN GRÜNEWALD Banker, Sprechchor
Geboren in Coburg, studierte Maximilian Grünewald bis 2013 Schauspiel
in Leipzig. Zuletzt war er Mitglied des Schauspielstudios am Maxim Gorki Theater in Berlin. Seit dieser Spielzeit ist er fest am STAATSTHEATER
KARLSRUHE, zu sehen u. a. in Das Glasperlenspiel, Kabale und Liebe,
Drei Schwestern und als Franz Moor in Die Räuber.
SEBASTIAN REISS Mann mit Turban
Sebastian Reiß wurde 1974 in Hannover geboren. Nach der Schauspielausbildung an der Hochschule für Musik und Theater in Rostock
ging er 2002 ans Schauspielhaus Graz. Nach zehn Jahren und fünfzig
Rollen gastierte er als freier Schauspieler in Graz, Rostock und in Karlsruhe. Ab der Spielzeit 2015/16 ist er fest im Karlsruher Ensemble, er spielt
bereits in Dantons Tod den Robespierre.
JOHANNES SCHUMACHER Kind, Banker, Sprechchor
Geboren 1991 in Peine, aufgewachsen in Bremen, studierte er Schauspiel in Bern und Hannover. In der Hauptrolle des Jakob stellte er sich
dem Karlsruher Publikum in Maienschlager vor. Seit 2014 ist er festes
Ensemblemitglied. Zu sehen ist er u. a. in Ein Sommernachtstraum,
Die Räuber, Die Banalität der Liebe und demnächst in Spamalot.
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ANDRÉ WAGNER Bodo Schäfer, Banker
André Wagner, geboren 1963, studierte an der Hochschule für
Schauspielkunst „Ernst Busch“ in Berlin. Es folgten Engagements in
Tübingen, Graz und Münster, bevor er 2002 in das Schauspielensemble
des STAATSTHEATERS engagiert wurde. Aktuell ist er u. a. in Maienschlager, Kabale und Liebe, Richtfest, Das Glasperlenspiel und als
Martin Heidegger in Die Banalität der Liebe zu sehen.
FRANK WIEGARD Mann
Nach seinem Studium an der Hochschule für Schauspielkunst „Ernst
Busch“ Berlin debutierte er am Staatstheater Kassel, war am Schauspiel
Frankfurt und dem Maxim Gorki Theater engagiert. Zur Zeit spielt er den
Danton in Dantons Tod und ist in Benefiz – Jeder rettet einen Afrikaner,
Kabale und Liebe, Das Glasperlenspiel, Drei Schwestern und Gift zu
sehen.
Im Sprechchor:
Benedikt Arnold, Johanna Bernutz, Jacqueline Griesser, Andreas
Hirsch, Samuel Kuhnle, Pia Lampert, Thomas Lämmle, Talia Masino,
Gabriel Meier, Evalotte Pietsch, Irena Pozar, Markus Schmidt, Stephanie
Schumann, Anna Yoffe
DEIN LEBEN,
DIE KRISE DEINES
LEBENS IST EIN
SCHEISS NEUNZIGERJAHREFILMPLOT.
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BILDNACHWEISE
IMPRESSUM
UMSCHLAG
Felix Grünschloß
SZENENFOTOS Felix Grünschloß
HERAUSGEBER
STAATSTHEATER KARLSRUHE
TEXTNACHWEISE
GENERALINTENDANT
Peter Spuhler
Gerstenberg, Judith: Expedition zu den
Grundfragen, in: Theaterheute, Jahrbuch
2012, Berlin 2012.
Behrendt, Barbara: Vorspiel: Der Autor
Nis-Momme Stockmann, theaterheute.
de, 12.05.2013
Nicht gekennzeichnete Texte sind
Originalbeiträge für dieses Heft von
Benedikt Arnold (Zum Inhalt) und Michael
Gmaj (Zur Inszenierung, Interview)
VERWALTUNGSDIREKTOR
Michael Obermeier
SCHAUSPIELDIREKTOR
Jan Linders
LEITENDE DRAMATURGIN SCHAUSPIEL
Brigitte Angela Ostermann
REDAKTION
Michael Gmaj
KONZEPT
DOUBLE STANDARDS BERLIN
www.doublestandards.net
BADISCHES STAATSTHEATER
KARLSRUHE 14/15
Programmheft Nr. 253
www.staatstheater.karlsruhe.de
GESTALTUNG
Kristina Schwarz
DRUCK
medialogik GmbH, Karlsruhe
GOTT, MACH,
DASS GLUCK
OHNE WACHSTUM
MOGLICH IST.
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Frank Wiegard
WIR MÖCHTEN LIEBER
BLEIBEN IM IRRTUM,
IHN VIELLEICHT ETWAS
ABANDERN ODER
UMETIKETTIEREN,
UND DANN WEITERZUMACHEN, SOLANGE
ES IRGENDWIE GEHT GUT.