Schweiz-Südamerika, die LATI-Luftpostlinie von 1939 bis 1941

Schweiz-Südamerika,
die LATI-Luftpostlinie von 1939 bis 1941
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Reinhard Stutz und Christian Geissmann (Bearbeitet 2006)
Vorgeschichte: Italien plant den Übersee-Luftpostverkehr
Der italienischen Nation war schon früh die Bedeutung der Luftpost nach Übersee
bewusst. In Anbetracht der vielfältigen privaten und geschäftlichen Beziehungen zwischen
Italien und Südamerika organisierte das Militär prestigeträchtige Langstreckenflüge.
Benito Mussolini, welcher 1922 an die Macht gelangte, benutzte diese Erfolge zur
Demonstration der nationalen Stärke. Gleichzeitig erfolgte die Planung eines regelmässigen Luftpostverkehrs zwischen Italien und Südamerika. Dieser sollte mit den bereits
bestehenden französischen und deutschen Luftpostlinien in Konkurrenz treten. Es kam
jedoch anders. Die politischen und kolonialistischen Ambitionen Italiens führten u.a. zu
einem Krieg mit Äthiopien (ab Oktober 1935). Weiter erfolgte eine tatkräftige
Unterstützung von General Franco im Spanischen Bürgerkrieg (Juli 1936 bis März 1939).
Zur Einrichtung eines regelmässigen Übersee-Luftverkehrs reichten die vorhandenen
Ressourcen (finanziell und wirtschaftlich) nicht. Es blieb bei der Absicht, wobei doch
einige Versuchsflüge durchgeführt wurden.
Die späte Verwirklichung eines regelmässigen Flugverkehrs
Die provisorischen Bewilligungen an Italien wurden am 23. Dezember 1938 durch
Brasilien und am 6. März 1939 durch Argentinien erteilt. Die definitive Bewilligung durch
die brasilianischen Behörden für eine Küstenflugroute ab Natal (Brasilien) in den Süden
erfolgte am 3. Juli 1939. Es gab beträchtliche Meinungsverschiedenheiten über die Wahl
der Flugzeuge, Wasser- oder Landflugzeuge? Eine provisorische Gesellschaft ( Tochter
der Al Littoria) entschied sich für Landflugzeuge vom Typ „Savoia Marchetti SM 83“,
eine zivile Variante des dreimotorigen Bombers „S 79“.
Einige der ersten Probeflüge benützten britische und französische Flugplätze als
Landeplätze für Zwischenlandungen. Diese Landungen erforderten Verträge mit den
lokalen Behörden, der Air France und der deutschen Lufthansa, als Benutzer dieser
Flugplätze. Im Februar 1939 erfolgte ein erster Versorgungsflug von Rom nach Rio de
Janeiro via Dakar (Senegal) und Natal (Brasilien). Kurze Zeit später verweigerten die
französischen Behörden den Überflug über französisches Gebiet in Afrika. Die Air France
beanspruchte diese Rechte für sich. Daraus entstand eine nochmalige Verzögerung von
etwa 6 Monaten bis zum Erstflug am 21. Dezember 1939.
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Die Fluglinie „LINEE AEREE TRANSCONTINENTALI ITALIANE“ (LATI)
entsteht
Am 11. September 1939 erfolgte
die Gründung der „LATI“. Allilio
Biesco und Bruno Mussolini (Sohn
des italienischen Diktators) wurden
Generaldirektoren. Die „LATI“
gehörte ganz dem italienischen
Staat. Die umstrittenen Landeplätze
wurden nun von Spanien zur
Verfügung gestellt. Als Flugstrecke
stand zur Verfügung; Rom/
Guidonia (Flughafen Montecelino)
- Sevilla (Spanien, vorgesehen war
Malaga aber das Flugfeld war noch
nicht fertiggestellt) - Villa Cisneros
(Rio de Oro/Spanisch Westsahara) Sal (Kapverdische Inseln) - Recife
(Brasilien) - Bahia - Rio de Janeiro.
Der Rückflug erfolgte über Natal
(Brasilien), da dort die Rollbahn
besser war.
____ LATI-Luftpostlinie
Regelmässiger Flugverkehr ohne Postkontrolle einer alliierten Zensurstelle
Am 21. Dezember 1939 erfolgte der Start zum Erstflug in Rom nach Rio de Janeiro. Für
die einzelnen Etappen wurden drei verschiedene Flugzeuge eingesetzt, welche zuvor
stationiert worden waren. Da die deutsche Lufthansa bereits am 26. August 1939 den
Überseeverkehr eingestellt hatte, konnte „LATI“ von Beginn an eine grosse Postmenge
befördern. Von und nach der Schweiz erfolgte der Briefaustausch ohne Kontrolle einer
Zensurstelle. Diese Kontrolle unterblieb auch nach dem Kriegseintritt von Italien. Ab
März 1940 wurde die LATI-Fluglinie nach Buenos Aires (Argentinien) verlängert. Der
Flug erfolgte über Porto Alegre. Ab April 1940 wurden zusätzlich die Länder Ekuador,
Surinam und Kolumbien bedient. Die Zwischenlandung in Bahia (Brasilien) wurde
aufgehoben. Ab Juli 1940 wurden die britischen und französischen Gebiete Guyana,
Falklandinseln und Süd Georgien nicht mehr bedient. Ab Januar 1941 viel die Destination
Surinam weg.
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Postaufgabe am 13.3.1940 in Santos (Brasilien), via  „Condor“ Sâo Paulo-Rio de Janeiro,
via  “LATI” Rio de Janeiro-Rom, (Ankunft in Rom am 19.3.1940) via  “SWISSAIR” Rom-Locarno.
Fankatur 5'400 Reis für Luftpostbrief bis 5 Gramm.
Postaufgabe am 2.11.1940 in Caracas (Venezuela), via  Caracas-Recife (Pernambuco),
via  “LATI” Recife-Rom, per Bahn Rom-Chiasso.
Frankatur für Brief bis 10 Gramm, 277 1/2 Centimos, Brief bis 20 g 37 1/2 C. und 2mal 120 C. Luftpostzuschlag pro 5
Gramm. Der Brief wurde in Venezuela zur Devisenkontrolle geöffnet.
Am 10. Juni 1940, Italiens Kriegserklärung an die Alliierten
Der Flugbetrieb ging jedoch weiter. Die italienischen Flugbesatzungen wurden nun
mobilisiert und unter der SAS (Servizi Aerei Speciali, General Liotta, Präsident der LATI)
zusammengefasst. Am 3. September 1940 erfolgte die Militarisierung der LATI und der
Betrieb sollte eingestellt werden. Bruno Mussolini (einer der Generaldirektoren) setzte
sich bei seinem Vater für das Weiterbestehen der Linie ein und der Betrieb konnte weiter
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geführt werden. Die noch bestehende Konkurrenz, die „Air France“, musste ihren Betrieb
bereits Anfangs Juli 1940 definitiv einstellen.
Luftpostzubringer machten die LATI noch interessanter
Post aus ganz Südamerika wurde nach Brasilien (später nach Argentinien) geflogen, zur
Weiterleitung nach Europa durch die LATI. Ab März 1940 wurden ebenfalls Zu- und
Ableitungen nach Zentral- und Nordamerika organisiert. Der Hauptzubringer der
internationalen Luftpost war die Linie des Syndicato Condor (ehemalige deutsche Linie).
Es wurde aber auch Post durch die bolivianische Linie Lloyd Aero Bolivian und der in Sâo
Paulo stationierten VASP (Viacao Aera Sao Paulo SA) zugeführt. Ebenfalls beteiligte sich
der Pan American Partner Panier do Brasil. Für die Zuleitung aus der Schweiz sorgte die
SWISSAIR (Lugano - Rom) vom 18. März bis 15. Juni 1940 und nochmals vom 2. bis 14.
Januar 1941.
Die Schweizer Postsammelstelle war immer Chiasso 2, anfänglich zudem Lausanne 2. Ab
Mai 1941 war die Leitung zusätzlich über Genève 1 - Lissabon möglich (Anschlussflug
Lissabon - Sevilla), jedoch nur für die Destinationen Brasilien, Uruguay, Argentinien,
Chile und Bolivien. Ab August 1941 wurden die zusätzlich über die Sammelstelle Genève
1 abgeleitete Post in Sevilla der LATI übergeben.
Verluste der LATI
Am 24. Dezember 1939 verunglückte das LATI-Kursflugzeug I-ARPA (Rückflugstrecke
Sal - Sevilla - Rom) bei schlechter Witterung in der Gegend von Mogador (Franz
Marokko). Die Besatzung (4) und Passagiere (3) kamen ums Leben, Teile der Postladung
konnte gerettet werden. Am 15. Januar 1941 ging das Flugzeug SM 75 I-BAYR mit einer
sehr erfahrenen Besatzung auf dem Flug von Rio de Janeiro nach Rom zwischen Natal und
den Kapverdischen Inseln im Südatlantik verloren.
Postaufgabe am 20.12.1939 in Bahia (Brasilien). Erstflug der „LATI“ nach Europa. Start am 21.12.1939  Rio de JaneiroBahia-Recife (SM 83 I-ARMA), 22.12.1939  Recife-Fernando de Noronha (SM 83 I-AZUR), 23.12.1939  Fernando de
Noronha (brasilianische Insel)-Sal (SM 83 I-AZUR), 23.12.1939  Sal-Villa Cisneros (SM 83 I-ARPA), 24.12.1939  Villa
Cisneros-(Sevilla-Rom) (SM 83 I-ARPA) in Franz. Marokko verunglückt siehe Text.
Von der Kreispostdirektion wurden am 17.1.1940 22 Sendungen (davon 12 R-Briefe) in offiziellen Umschlägen der PTT an die
Empfänger in der Schweiz weitergeleitet. Für diesen Rückflug wurden durch die „LATI“ drei verschiedene Flugzeuge eingesetzt;
I-ARMA, I-AZUR und I-ARPA (verunglückt).
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Das Ende der LATI-Linie nach Südamerika und die kleine Statistik
Am 7. Dez. 1941 erklärten Italien und Deutschland den USA den Krieg. Die letzte Überquerung des Atlantiks erfolgte am 18. Dezember 1941 (Südamerika - Europa) und am 19.
Dezember 1941 (Europa - Südamerika). Ein Rückflug nach Europa erfolgte nicht mehr.
Die Freude der Engländer war gross. Diese Linie - vorbei an den britischen Zensurstellen
auf den Bermudas und Trinidad - war den Engländern schon lange ein Dorn im Auge
gewesen.
Total erfolgten 211 transatlantische Überquerungen; befördert wurden 1'784 Passagiere,
120'808 Kg. Post und 143'414 Kg. Fracht. Am 15. November 1941 wurde der 200. Flug
gefeiert.
Postaufgabe am 1.8.1941 in Zug (Bahnpost), via Auslandssammelstelle Chiasso 2, per Bahn Chiasso-Rom, via  „LATI“ IAZUR Rom-Rio de Janeiro, via  „Condor“ Rio de Janeiro-Sâo Paulo.
Frankatur für Luftpostbrief bis 5 g; 30 Rp. Auslandsbrief + Luftpostzuschlag 240 Rp., total Porto 270 Rp.
Postaufgabe am 11.9.1941 in Bern, via Auslandssammelstelle Chiasso 2,
per Bahn Chiasso-Rom, via  „LATI“ I-BOLI Rom-Buenos Aires.
Einschreiben Luftpost bis 10 g (zweite Gewichtsstufe). Frankatur: 30 Rp. Auslandsbrief + Zuschläge für Einschreiben 30 Rp.
und Luftpostzuschlag 2mal 240 Rp., total Porto 540 Rp. Die argentinische Botschaft in Bern verwendete die spezielle
Luftpost-Leitetikette der „LATI“ mit dem entsprechenden Signet.
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Posttarife ab Schweiz und Liechtenstein
Luftpostzuschläge:
Leitung bis,
nach Rio de Oro
nach den Kapverdischen Inseln
nach Brasilien, Uruguay, Argentinien
und weiter
nach Zentral- und Nordamerika
Rappen.
Ab 21.12.1939
Ab 1.12.1940
Briefe und Postkarten je 5 Gramm
dito
gleiche Tarife für Drucksachen bis 25 Gramm * dito
20 Rp.
20 Rp.
40 Rp
40 Rp.
210 Rp.
240 Rp.
Ab März 1940 auf Verlangen möglich, alle Sendungsarten je 5 Gramm 420
* Achtung: Ab 16, September 1941 wurde der 25 Gramm Tarif für die Drucksachen aufgehoben, alles musste zum 5
Gramm Tarif frankiert werden.
Dazu kommen noch; Grundtaxe für Auslandsbriefe bis 20 Gramm, 30 Rp, Zuschlag für je weitere 20 Gramm 20 Rp.
Grundtaxe für Postkarten 20 Rp.
Grundtaxe für Drucksachen bis 50 g = 5 Rp., je weitere 50 g + 5 Rp.
Zuschlag für Einschreiben 30 Rp.
Quellen:
 The Italien South Atlantic Air Mail Service 1939-1941 von Richard Beith (1993)
 Postverbindungen mit dem Ausland, Land-, See- und Luftweg (PTT-Leithefte),
PTT-Archiv Bern
 PLOETZ; Die Zeit des Zweiten Weltkrieges (1989)
 Schweizerisches Lufpost-Handbuch
 PUTZGER; Historischer Atlas (1961)
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