Predigt von Pfr. Uwe Kreutz

Predigt zur Kreissynode in Baumholder am 13. November 2015
Predigttext: Psalm 34, 2-5, 13-15, 19-20, 23
Die Gnade Jesu Christi und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des
Heiligen Geistes sei mit uns allen.
Gemeinde: Amen.
Liebe Kreissynodalgemeinde,
für eine kleine Weile auf Geheiß eilen wir von hier und dort im
Kirchenkreis nach Baumholder um zu tagen, fragen und das Eigene zu
sagen.
Haben Tagesordnung, Argumente, Strategien, mögliche Geschenke im
Gepäck und in Gedanken, wollen möglichst ohne zanken Tragendes
erfahren und am Samstag wieder heimwärts fahren.
Nun, wie es kommt und uns ergeht, und welcher synodale Wind dann
weht, liegt, das wissen sicher alle, selbst im allergünstigsten Falle, nicht
nur an unsren Fähigkeiten, und so bitten wir uns zu begleiten Gott, den
Herrn, der Frieden schenkt, dass er seinen Geist in uns senkt.
Dass die Beschlüsse, die wir fassen, Frieden sein und werden lassen.
Im Entwurf zu Erprobung der Neuordnung der gottesdienstlichen
Lesungen und Predigttexte gibt es im 3. Teil das Themenfeld Frieden.
Mit Blick auf unsere Synode, auf die von vielen von uns an zahlreichen
Orten zu haltenden Ansprachen am Volkstrauertag, bzw.
Friedenssonntag kommenden Sonntag und nicht zuletzt auf die großen
Herausforderungen unserer Zeit, habe ich mich inspirieren lassen, einen
vorgeschlagenen Text zum Thema Frieden auszuwählen. Dass, im
Unterschied zur bisherigen Agende, viele Psalmen zu dem Thema
ebenfalls benannt werden, finde ich in diesem Entwurf gelungen.
So habe ich für uns einen Abschnitt aus Psalm 34 als Predigttext
gewählt.
Lasst mich, liebe Synodalgemeinde, bevor ich den Predigttext verlese,
von einer kleinen Begebenheit im Apfelbaum des Nachbarn vor wenigen
Tagen erzählen. Ich hatte solches noch nie erlebt und fand es
faszinierend:
Eine Elster und ein Eichhörnchen jagten sich abwechselnd durch den
Baum. Nun ist mir nicht bekannt, dass sie Feinde sind oder Raub- bzw.
Beutetier des anderen. Aber die beiden stoben, flitzten, flogen, sausten
durch den Baum hintereinander her und voreinander weg, jagten sich
und flohen voreinander.
Zuerst bemerkte ich die Elster. Sie war fokussiert, ihr ganzer Körper
ausgerichtet, der Schnabel bedrohlich vorneweg, hüpfte von Ast zu Ast,
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pirschte an etwas heran, wie Elstern eben pirschen können …, breitete
plötzlich die Flügel und stürzt auf etwas und, erst als ich das
davonhastende und springende Eichhörnchen sah, erkannte ich: Elster
verfolgt Eichhörnchen. Dieses verließ aber nicht den Baum; etwas
weiter, in sicherem Abstand, verharrte es. Dann drehte es sich zur
Elster, seinerseits nun langsam pirschend, kam dem Vogel immer näher,
spannte alle Muskeln, wurde etwas krumm dabei, um dann, wie ein Pfeil
von einem Bogen geschossen nach vorne zu schnellen um die Elster zu
fassen. O je, dachte ich, endet die Jagt nun im Kampf? Aber:
weißschwarze Federn wirbelten und katapultierten den nicht gerade
kleinen Vogelkörper in die Luft und in Sicherheit. Nun saß das
Eichhörnchen wieder fast am alten Platz, wo zuvor noch die Elster
triumphierte. Diese ihrerseits flog nicht davon, sondern landete wieder im
Baum. Und nach kleiner Weile, wieder in Richtung Eichhörnchen
schleichend, wie eine Elster es eben kann und macht …
Dieses wechselseitige Nachstellen und Davonstieben wiederholte sich
einige Male.
Das Tier, das gerade pirschte und jagte, hatte eine Körpersprache, eine
Spannung, eine auf den Punkt gerichtete Konzentration, dass die darin
liegende Energie zum Greifen war.
So weit, so unwichtig. Im Apfelbaum des Nachbarn.
Der Predigttext ist Psalm 34, 2-5.13-15.19, 20,23
2 Ich will den HERRN loben allezeit;
sein Lob soll immerdar in meinem Munde sein.
3 Meine Seele soll sich rühmen des HERRN,
dass es die Elenden hören und sich freuen.
4 Preiset mit mir den HERRN
und lasst uns miteinander seinen Namen erhöhen!
5 Als ich den HERRN suchte, antwortete er mir
und errettete mich aus aller meiner Furcht.
13 Wer möchte gern gut leben …?
14 Behüte deine Zunge vor Bösem
und deine Lippen, dass sie nicht Trug reden.
15 Lass ab vom Bösen und tu Gutes;
suche Frieden und jage ihm nach!
19 Der HERR ist nahe denen, die zerbrochenen Herzens sind,
und hilft denen, die ein zerschlagenes Gemüt haben.
20 Der Gerechte muss viel erleiden,
aber aus alledem hilft ihm der HERR.
23 Der HERR erlöst das Leben seiner Knechte,
und alle, die auf ihn trauen, werden frei von Schuld.
Zu dieser Synode kommen wir, wie zu allen Synoden, aus dem ganzen
Kirchenkreis zusammen. Alle von uns haben Lebenserfahrungen
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gemacht, wie sie der Psalmbeter so ausdrückt:
Als ich den HERRN suchte, antwortete er mir
und errettete mich aus aller meiner Furcht.
Und wer von uns wollte nicht gerne in das Gotteslob einstimmen:
2 Ich will den HERRN loben allezeit;
sein Lob soll immerdar in meinem Munde sein.
3 Meine Seele soll sich rühmen des HERRN,
dass es die Elenden hören und sich freuen.
Es kommen hier und heute die Besten der jeweiligen Gemeinden und
Werke und Ämter. Es kommen die, von denen viele andere Menschen
überzeugt sind, sie können mit den anderen Synodalen die sinnvollsten
Lösungen für uns und für den Kirchenkreis finden.
Es ist so offenkundig, wir können es durchkonjugieren:
Ich bin wichtig – du bist wichtig – er/sie ist wichtig – wir sind wichtig!
Und weil das so ist, deswegen möchte ich alle ermutigen, auf der
Synode ihre Position, ihre Meinung, ihre Gedanken und Argumente die
anderen wissen zu lassen. Wenn wir friedliche und gute Entwicklung in
unserem Kirchenkreis wollen, dann müssen wir uns hüten, auf den
Synoden das abzunicken, was uns eigentlich beunruhigt, falsch
vorkommt oder sogar ärgert.
Bis heute verstehe ich beispielsweise nicht, wie auf der Landessynode
2011 das NKF mit einer beeindruckenden Mehrheit verabschiedet
werden konnte. Der daraus resultierende Unfriede in der Landeskirche,
der Verlust an Vertrauen und Motivation für die Arbeit, die verlorene
Gesundheit vieler, die unglaublich hohen Geldsummen dafür in einer
Zeit, wo alle sparen müssen und die Enttäuschung von Ehrenamtlichen
konnte entstehen, weil zu wenige zu viele zu dem brachten, auf das wir
heute konsterniert zurückblicken. Es waren doch die Besten, die unsere
Landeskirche hatte, die so beschlossen. Wenn die Besten im
Synodenverlauf eher zermürbt als ermutigt werden und schließlich
abnicken, dann kann passieren, was wir seit Längerem erleiden.
Zum Frieden gehört, dass wir miteinander um das Beste kämpfen. Das
Bessere ist der Feind des Guten. Das Angemessenere können wir nur
finden, wenn wir uns eigene Betrachtungsweisen mitteilen, aufeinander
hören und zusammen abwägen und beschließen, was wir dann auch vor
denen gut vertreten können, die ihr Vertrauen in uns setzen.
So weit, so wichtig.
Übermorgen kommen wieder viele von uns zusammen an den
Denkmälern und Gedenktafeln der Gefallenen des 1. und 2. Weltkriegs.
Dieser Tag hat eine wechselvolle Geschichte. 1952 wurde er verlegt,
vom 5. Sonntag vor Ostern auf das Ende des Kirchenjahres, vorletzter
Sonntag im Kirchenjahr. Sinnfällig, dass er in die Nähe der Zeit verlegt
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wurde, die wir Kirchen mit Tod, Ewigkeit und theologischer Reflektion
darüber verbinden. Ich finde es weise vom Staat, dass er das Gedenken
der Toten den Kirchen anvertraute. Es sollte den Missbrauch dieses
Tages verhindern. So wie es im heidnischen Nazikult geschehen war, als
die Nationalsozialisten diesen Tag zum „Heldengedenktag“ politisch
absichtsvoll missbrauchten. Das heutige Vertrauen des Staates in die
Kirchen eröffnet eine christliche Dimension des Gedenkens aller
Kriegstoten und je mehr die Trauer um gestorbene und vermisste
Familienmitglieder in den Hintergrund rückt, desto wichtiger wird die
Bedeutungsverschiebung in Richtung Friedensarbeit – so dass wir heute
oft und meines Erachtens nach richtig vom Friedenssonntag reden. Wir
übergehen nicht die Trauer, die immer noch viele Menschen im Herzen
tragen, aber wir richten den Blick auch nach vorne und fragen uns, was
macht den Frieden stabil und sicher.
Bei Fragen dieser Tragweite versuchen wir aus der Vergangenheit zu
lernen. Allein die Jahreszahl 2015 lenkt die Gedanken zu
unterschiedlichen historischen Ereignissen.
Vielleicht gehen manche bis 1555 zurück und erinnern den Augsburger
Religionsfrieden, ein Verfassungsdenkmal erster Güte. Damals wurde
das evangelisch-lutherische Bekenntnis reichsrechtlich zugelassen und
so zum ersten Mal die Koexistenz zweier verschiedener
Glaubensrichtungen auf Dauer verfassungsrechtlich anerkannt.
Andere mögen vielleicht 1815, den Wiener Kongress, ins Gedächtnis
rufen. Vor 200 Jahren, nachdem Napoleon besiegt war, versuchte man
eine europäische Werte- und Staatenordnung zu etablieren, von der man
eine lange Friedenszeit erhoffte. Wie sehr der Wiener Kongress wirkte,
wissen wir vor Ort nur zu gut. Das Birkenfelder Land wurde maßgeblich
davon geprägt, manche pfarramtlichen Verbindungen reichen bis auf
diese Zeit zurück.
Naheliegend ist natürlich mit der Jahreszahl 1945 das Gedenken zu
verbinden. Mit den beiden Atombombenabwürfen über Hiroshima am 06.
und über Nagasaki am 09. August 1945. Man gab diesen Bomben
Namen: „Little Boy“ und „Fat Man“. Schrecklich. Vielleicht leitet die
Jahreszahl 1945 auf die Stuttgarter Schulderklärung des Rates der ev.
Kirche in Deutschland im Oktober 1945.
Heute, 70 Jahre später, ist der Krieg gebannt, der Frieden gesichert?
Immerhin wurde 2012 der Europäischen Union der Friedensnobelpreis
verliehen. Dieses Europa, auf dessen Boden von 1914 bis 1918 nur in
einem Jahr der Friedensnobelpreis vergeben wurde: 1917 an das
Internationale Komitee vom Roten Kreuz!
Lass ab vom Bösen und tu Gutes;
suche Frieden und jage ihm nach!
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So sagt es unser 34. Psalm, geschrieben in der nachexilischen Zeit
Israels. Dem Frieden nachjagen, alle Sinne auf den Frieden richten, sich
selber und alle Menschen darauf fokussieren, dass Friede werde und
gesichert bleibe.
Geschichte und Gegenwart zeigen, die wenigen Jahreszahlen erinnern
es auf ihre Weise, richtig große Anstrengungen, Frieden zu schließen
und zu sichern, wurden jeweils als Reflex auf die grausame Wucht von
erlebten Kriegen unternommen. Je weiter man sich zeitlich entfernte,
desto weniger überzeugend schienen die Argumente und
Anstrengungen für den Frieden zu sein.
Ich meine, es muss noch viel mehr Arbeit, Zeit und auch Geld in die
Friedensforschung investiert werden. Einerseits schätze ich sehr hoch
ein, dass seit 70 Jahren Frieden herrscht bei uns und fast allen
europäischen Ländern. Andererseits beunruhigt es mich, dass nach
schrecklichen Kriegen und wichtigen Neuordnungen immer nur eine
gewisse Zeit Frieden währte, manchmal der folgende Kriegswahn noch
heftiger ausfiel. Das hohe Gut Frieden ist so erstrebenswert wie
zerbrechlich.
Suche den Frieden und jage ihm nach … Viele Denkansätze für den
Volkstrauertag, den Friedenssonntag.
So weit, so wichtig.
Und nun komme ich noch zu dem 3. erwähnten Thema: die aktuellen
Herausforderungen.
Besonders sehe ich dieses - unzählige Menschen auf der Flucht: Bereits
2014 waren so viele Menschen auf der Flucht wie nach dem 2. Weltkrieg
nicht mehr. 2015 scheint noch härter zu werden. Der Zustrom nach
Europa und Deutschland ist riesengroß geworden. In dieser Phase habe
ich unsere Bundeskanzlerin bewundern gelernt. Dass sie ganz deutlich
Partei ergreift, bisher ganz selten, und dann für diese Menschen, die so
viel verloren haben, großartig. Gleichzeitig sehe und höre ich, wie sie
und andere versuchen, in der europäischen Union und weltweit Hilfe zu
mobilisieren. Es kommt mir vor, als seien ganz viele Menschen so, wie
es unser Psalmwort sagt: Sie jagen dem Frieden nach. Sie kämpfen für
die Flüchtlinge. Sie versuchen einer riesigen Herausforderung gerecht zu
werden. Viele, viele Privatpersonen und Einrichtungen unserer
Zivilgesellschaft zerreden nicht die guten Ansätze, sondern handeln. Und
erleben natürlich vielfältige Grenzen.
Es braucht weiterhin viel Energie und Einsatz, eine auf diesen Punkt
gerichtete Konzentration, um zu helfen und den Helfenden und
Flüchtenden passende Rahmenbedingungen zu schaffen.
Wir Christinnen und Christen wissen, was das Psalmwort so ausdrückt:
19 Der HERR ist nahe denen, die zerbrochenen Herzens sind,
und hilft denen, die ein zerschlagenes Gemüt haben.
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und wir sollen es in die Arbeit mit den Flüchtlingen einbeziehen.
Es gibt nicht die Lösung, aber eines muss unbedingt gewahrt werden der Friede.
Vor wenigen Tagen haben wir der brennenden Synagogen am 09.11.38
gedacht. Und heute brennen so viele Flüchtlingsunterkünfte wie selten
oder nie zuvor. Was sind das für Menschen, die Feuer legen? Kriminelle,
da darf es keinen Zweifel geben und kein Verständnis für deren Taten.
Keine Gewalt, keine Hetze, keine Diskriminierung gegen alle, die hier
Schutz suchen. Das muss gesetzt und gesichert sein. Dafür müssen wir
mit Wort und Bekenntnis zu kämpfen bereit sein, unsere Möglichkeiten
ausschöpfen, wie ein Eichhörnchen, das alle Energie bis in die letzte
Muskelfaser schickt, wie eine Elster, die ihr Federkleid rauschen lässt,
wie ein Mensch, der dem Frieden nachjagt und nicht müde wird, weil er
sich von Jesu Worten geschickt und getragen weiß:
Selig sind, die Frieden stiften. Mt5, 9
Suche Frieden und jage ihm nach
heißt es erfrischend, auffordernd und stark im 34. Psalm.
Friede - auf unserer Synode, im Gedenken und natürlich bei der
Bewältigung der großen Herausforderungen unserer Zeit.
So weit, so …
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere
Herzen und Sinne in Jesus Christus.
Gemeinde: Amen.
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