Verschiedenes KV-Blatt 06.2015 KBV fordert jetzt eine klare Abgrenzung zur Freiberuflichkeit Angestellte Ärzte und Gewerbesteuerpflicht – auch der Bundesfinanzhof hilft nicht weiter Eine als mobiler Anästhesiebetrieb geführte Gemeinschaftspraxis in Sachsen-Anhalt sollte Gewerbesteuer zahlen, weil eine dort angestellte Anästhesistin ihre Tätigkeit nicht leitend ausgeübt hatte und ihr Tun deshalb gewerblich gewesen sei. Dagegen wehrten sich die Inhaber der Gemeinschaftspraxis und bekamen schließlich vom Finanzgericht Sachsen-Anhalt Recht. Das Finanzamt hätte berücksichtigen müssen, dass die Praxisinhaber durch regelmäßige und eingehende patientenbezogene Kontrollen auf die Tätigkeit ihrer angestellten Kollegin Einfluss genommen hätten. Deren Handeln habe dadurch den „Stempel der Persönlichkeit“ getragen. Weil die unterlegene Steuerbehörde Revision gegen das Urteil einlegte, landete der Fall vor dem Bundesfinanzhof. Und auch dieses oberste deutsche Finanzgericht in München gab der Gemeinschaftspraxis Recht. Doch die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) vermisst laut „facharzt.de“ in dem Urteil die erhoffte Trennschärfe in der Frage, wann eine ärztliche Tätigkeit als freiberuflich und wann als gewerblich anzusehen ist. Die Entscheidung ist bereits im Sommer letzten Jahres gefallen und jüngst einer eingehenden juristischen Bewertung durch die KBV unterzogen worden. In einer Vertreterversammlung der KBV sah Berlins KV-Vorstandsvize Uwe Kraffel in dem Urteil jüngst „erhebliche Risiken für ärztliche Kollegen“. Er glaubt, dass dessen Wirkung besonders für Medizinische Versorgungszentren „relativ dramatisch“ sein kann. Wesentliche Fragen zur Freiberuflichkeit angestellter Ärzte seien durch das Urteil nicht geklärt worden, lautet die Einschätzung von Skeptikern: Einerseits gibt es im konkreten Fall eine wünschenswerte Klarstellung, andererseits stellt das vorliegende BFH-Urteil nur auf eine sehr spezielle Fallkonstruktion ab. Die Verunsicherung bei Gemeinschaftspraxen mit unterschiedlicher Fallgestaltung beim Einsatz fachgleicher und fachfremder angestellter Ärzte bleibe bestehen. Die KBV fordert, dass entweder die obersten Finanzbehörden oder gar das Bundesfinanzministerium selbst eine klarstellende Anweisung zum Umgang mit dem Problem der steuerlichen Abgrenzung durch die Finanzämter herausgeben. Fall) als entbehrlich an, weil anderweitig sichergestellt gewesen sei, dass die Behandlungsmethode und der Behandlungsablauf durch klare, umfassende Leitlinien erfolgten. Zum Hintergrund: Im vorliegenden Fall ging das Finanzamt, wie eingangs erwähnt, per se von einer gewerblichen Tätigkeit der angestellten Ärztin aus, da sie und nicht der bzw. die Inhaber der Gemeinschaftspraxis selbst die ärztlichen Leistungen erbringen würden. Hingegen würde die ärztliche Berufsordnung eine eigenverantwortliche und weisungsfreie Tätigkeit verlangen. Sei dies nicht der Fall, läge eine gewerbliche Tätigkeit vor – mit allen gewerbesteuerlichen Folgen für die Praxisinhaber. Aus Sicht der KBV sind andererseits Konstellationen, in denen der Praxisinhaber die Tätigkeit der angestellten Ärzte aufgrund ihrer Anzahl, ihrer beruflichen Qualifikation (andere Fachrichtung) oder der räumlichen Distanz ihres Einsatzortes (z. B. Zweigpraxen) nicht mehr leiten und beaufsichtigen kann, durch das Urteil nicht geklärt. Der zuständige KBVJurist hat in einer auch von „facharzt. de“ zitierten Stellungnahme ein anderes BFH-Urteil aus dem Jahr 1995 zur Tätigkeit eines Laborarztes herangezogen, in dem die Münchner Finanzrichter aufgrund der großen Anzahl von Aufträgen und der Mitarbeiter eine sorgfältige Mitarbeit des Berufsträgers (Praxisinhabers) nicht mehr sichergestellt sahen. Was der Bundesfinanzhof sagt Der Bundesfinanzhof teilte diese pauschale Sichtweise nicht: „Selbstständige Ärzte üben ihren Beruf grundsätzlich auch dann leitend und eigenverantwortlich aus, wenn sie ärztliche Leistungen von angestellten Ärzten erbringen lassen“, heißt es in einem der drei Leitsätze zu seiner Entscheidung. Die Voraussetzungen: Die Ärzte müssen aufgrund ihrer Fachkenntnisse durch regelmäßige und eingehende Kontrollen auf die Tätigkeit ihres angestellten Fachpersonals patientenbezogen Einfluss nehmen. Genau diese Voraussetzung sei im vorliegenden Streitfall gegeben. Die Praxisinhaber und ihre angestellte ärztliche Kollegin sind alle Anästhesisten und üben ihre Tätigkeit im Rahmen einer mobilen Praxis in solchen Arztpraxen aus, in denen Operationen unter Anästhesie erfolgen. Die Voruntersuchungen der Patienten werden grundsätzlich durch die Praxisinhaber vorgenommen, die Anästhesien selbst jedoch von ihren angestellten Kollegen durchgeführt. „Problematische Fälle“, so heißt es im Tatbestandstext, würden durch die Praxisinhaber selbst betreut. Die ständige Anwesenheit eines Praxisinhabers im Umfeld einer Operation sahen die BFH-Richter (im konkreten Im Blick haben die KBV-Juristen aber auch die Bewertung von Tätigkeiten angestellter Ärzte in Vertragsarztpraxen, wie sie seit 1993 möglich sind. Damals ging der Gesetzgeber von fachgleichen Ärzten einer anstellenden Praxis aus, während er die Regelung 2007 auch um fachfremde angestellte Ärzte erweiterte. Steuerrechtlich wirft diese Möglichkeit die Frage der Gewerblichkeit entsprechender Einkünfte auf, und in der Praxis hat sich in solchen Fällen auch die Erhebung der Gewerbesteuer durchgesetzt. Kopfzerbrechen bereiten den Experten aber immer noch Zweigpraxen. Ist ein angestellter Arzt dort ohne Aufsicht des Praxisinhabers allein tätig und für den Patienten nicht klar, dass ausschließlich der Praxisinhaber sein primärer Ansprechpartner ist, kann dies ein Hinweis auf eine gewerbliche Tätigkeit der gesamten Praxis sein. Hingegen wird in Fällen, in denen der in der Zweigpraxis tätige Arzt einer anderen Fachrichtung als der Praxisinhaber angehört, generell eine Gewerbesteuerpflicht unterstellt. Reinhold Schlitt Az beim BFH: VIII R 41/12 37
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