Vortrag - Fachkongress Naturheilkundliche Pflege Erkelenz

Vortrag zum Thema Humor hilft heilen am 24.10.15 in Erkelenz
Referentin: Isabelle Steidl
1.
Ich stelle mich vor
2.
Die Arbeit von Klinikclowns in verschiedenen Kontexten
1.
Was ist ein Klinikclown in Abgrenzung zu Bühnen-/ Zirkus-/
Karnevalsclowns
2.
Welche Eigenschaften braucht ein guter Klinikclown?
3.
Einsatzbereiche/ Anwendungsgebiete
4.
Wie läuft ein Einsatz ab?
5.
Was bewirkt die Arbeit der Klinikclowns? Methoden und Werkzeuge
6.
Kontraindikationen/ Schwierigkeiten und Grenzen
3.
Humor hilft heilen – Ausblick
1.
Was macht die Arbeit mit mir?
2.
Meine Vision
1.
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Vorstellung
Allgemeines - Die Arbeit von Klinikclowns
1.
Abgrenzung: kein fertiges Repertoire, viel Spontaneität und
Improvisationskunst, sich auf die jeweilige Situation einlassen, auf
individuelle Gegebenheiten, auf die Menschen; professionelle Ausbildung,
viele Fortbildungen, Parallelen zum Improtheater; künstlerische Mittel wie
Musik, Tanz, Jonglage, Zauberei
2.
Eigenschaften: gute Auffassungsgabe, Sensibilität für Menschen und
Situationen, Improvisationstalent, Liebe zu den Menschen und zum Leben,
Empathie, Flexibilität, Authentizität, Mut zum Gefühl
3.
Anwendungsgebiete: Kinderstationen, Senioreneinrichtungen,
Behinderteneinrichtungen, Hospize (Erwachsenen- und Kinderhospiz)
◦
Kinderstation: Kinder haben schnelle Auffassungsgabe, sind schnell
bereit, sich auf verrückte Phantasiewelten einzulassen, sind meist im Besitz
ihrer Sinne; Clownspiel unter Berücksichtigung der jeweiligen Erkrankung
meist lebhaft und spontan; große Fluktuation
◦
Senioreneinrichtung: eingeschränkte Sinne (Hören/ Sehen), Mobilität,
eingeschränktes geistiges Leistungsvermögen (Demenz): Clownsspiel ist
langsamer, individueller (Anknüpfen an die Biografie, Musik, längerfristige
Begleitung durch regelmäßige Besuche, Clowns als Vertrauenspersonen)
4. Wie läuft ein Einsatz ab?
◦
Übergabe, Umziehen, Aufwärmen, 2-3 Stunden Spielen, Rückmeldung,
ev. Dokumentation
5. Wirkungsweise von Clownarbeit
1.
Senioren:
•
In den meisten Heimen leben einige Bewohner, die ihre Zimmer nicht
verlassen, an keinen Angeboten teilnehmen, kaum Besuch
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bekommen.Clowns können durch regelmäßige eine Brücke aus der Isolation
bilden, da sie außerhalb der Strukturen agieren
•
Begegnungen mit dementen Menschen auf Augenhöhe. Wir haben
keine Erwartungen an die Bewohner und dürfen aus der Normalität
ausbrechen. Jenseits der sog. Normalität finden beglückende und für beide
Seiten nährende Begegnungen statt.
•
Beziehungen pflegen/ Vertrauen in die eigene Wahrnehmung/
nonverbale Begegnungen/ Wahrnehmen von atmosphärischen Schwingungen
auch bei geistig sehr abgebauten Menschen
•
Clowns sorgen für lebendige Momente und Überraschungen und bieten
so individuelle Abwechslung im Alltag
•
Entspannung durch humorvolle Momente
2. Kinder:
◦
Hauptaspekte: Die Clownsbesuche helfen Kindern und Eltern, mit
Lachen und Spaß für einen Augenblick dem Krankenhausalltag zu entfliehen.
Im Spiel mit den Clowns mobilisieren kranke Kinder neue Energien, Mut und
Zuversicht, die sich auf den Gesundheitszustand positiv auswirken und
Heilungsprozesse unterstützen.
•
Mein Anliegen ist, Kinder in ihrem So-Sein zu stärken
•
Auf Berufswünsche eingehen
•
Jugendliche als DSDS-Jury
•
Atmosphäre verändern durch Etablierung eines neuen Ortes, z.B.
Dschungel, Schatzsuche
•
Überhöhung der Kinder/ Jugendlichen
•
bei kleinen Kindern: Seifenblasen und ein leises Lied reichen oft völlig
aus, um eine ruhige, geborgene Atmosphäre zu schaffen
•
Entlastung der Angehörigen/ Eltern
3. Hospiz:
•
Einsatz von professionell vorgetragener Musik aus einem breiten
Repertoire (alte Volkslieder, Schlager, Pop-Klassiker, Rock´n Roll) erlaubt
Zugang zu Gefühlen; Liedauswahl ermöglicht Bezüge zur Biografie (schöne
Erinnerungen werden geweckt)
•
Verändern der Raumatmosphäre mit Hilfe von Requisiten: blaues Tuch
symbolisiert das Meer/ Windmaschine (Ballonpumpe)/ Muscheln auf der
Bettdecke; dazu ein Seemannslied
•
Tabubrüche – unfreiwillig oder freiwillig
Motto: Es gibt keinen Zufall: Es fällt zu, was fällig ist.
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6. Methoden und „Werkzeugkoffer“
1. Clowneske Techniken:
- Grenzen austesten/ überschreiten
- Übertreibungen/ Körperausdruck bietet Möglichkeiten zur Identifikation
Beispiel: Wie sieht es aus, wenn ich verliebt bin? Oder: Ich zeige
nach kleinen Impulsen der Bewohner große Reaktionen, bin
schreckhaft oder mache große Bewegungen (Händedruck, Hupe)
- Schwächen zeigen und Scheitern genießen (von
zentraler Bedeutung für Clowns; darüber freuen sich Kinder und
Alte besonders, weil es uns so menschlich macht und einen
Kontrast bildet zur leistungsorientierten Gesellschaft)
•
Beispiel: Vom Winde verwehte Jonglage, primitiver Zaubertrick,
„großartiger“ Operngesang
- Slapstick Bsp. Umständlichstes Klettern über Hindernisse im
Raum
- Phantasieräume schaffen durch Erfinden von
Geschichten/ Verwandeln von Gegenständen
◦
Bsp. Bahnhofshalle: Bitte auf den Koffer aufpassen, wohin geht
die Reise? Nach Venedig, o sole mio singen
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Wörter verwandeln/ falsch aussprechen/
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Wortneuschöpfungen
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- wechselnde Clownsintensität
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das innere „Ja“ zur Situation
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Möglichkeit des
bewussten Rollenwechsels
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c mit Statuswechsel
Spiel
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aufgreifen, genau wie es Demente
auch oft tun (Kombüse statt Bauch)
und Spielenergie zwischen sehr gering
und sehr ausgeprägt je nach Situation
, zum Spielpartner, zu den
Bewohnern (Technik aus dem Improvisationstheater)
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Bsp. Jemand hat seine Schuhe in den Backofen gestellt, ich
stelle meine dazu und wir warten gemeinsam, bis sie gar sind
basierend auf
Demenztheorie nach Tom Kitwood, der das Modell der Transaktionsanalyse
auf den Umgang mit Dementen überträgt: Eltern-Ich, Erwachsenen-Ich,
Kind-Ich auf allen Ebenen möglich
zwischen Hoch- und Tiefstatus bzw.
Weißclown und Dummer August
2.Themenauswahl (im Seniorenheim)
-Jahreszeiten mit Requisiten: Blüten, Blätter, Postkarten, Schwimmreifen Lebensthemen z.B. Erste Liebe, Erster Kuss, Essenszubereitung, Mode, Geld
-Länder z.B. Spanien, Italien mit entsprechender Liedauswahl
Bezüge zur Biografie herstellen z.B. eine bettlägerige Dame, die keine
sichtbare Reaktion auf uns zeigt, hat Fotos von den Bergen an der Wand
hängen. Wir singen das Heidi-Lied und jodeln dazu
Unsere Vorgehensweise bei sehr passiven Bewohnern: Wir Spielpartner sprechen und erzählen und lassen die Atmosphäre, die zwischen uns entsteht,
wirken. So geben wir Raum für Erinnerungen und Gefühle.
3. Andere künstlerische Darbietungen wie Jonglage, Zaubertricks, Tanzen
4. Sinneserfahrungen ermöglichen
Fühlen: Naturmaterialien, schwere Gegenstände wie Hufeisen
Sehen: bunte Requisiten wie Tücher, Gegenstände, die sich bewegen, Handpuppen (Willi, der alle Damen anbaggert)
Hören: neben Musik verwenden wir „Geräuschemacher“ wie Knackfrosch,
Hupe, Perkussionsinstrumente, die den Rhythmus der Musik unterstützen,
Trommel als elementare „Rhythmus des Lebens“ – Erfahrung
Riechen: Parfümierte, stark duftende Materialien (präparierte Requisiten
wie Fächer, Kunstblumen, Duftproben mit versch. 4711), Gerüche des Alltags wie Kaffee animieren zu Erinnerungen
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Musik mit dem Körper erfahrbar machen z.B. durch Rhythmus auf der Hand
klopfen oder die Arme mitschwingen lassen (Sitzwalzer)
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Stille: Atmen, präsent sein, entstehen lassen, sich einschwingen
5. Sonstige Requisiten: Luftballons, Fliegenklatschen (für ein „Tennisspiel“),
quietschende Gummitiere aus dem Haustierbedarf, Chiffontücher, bunte
Federn, Glitzersteine zum Aufkleben, Spieluhren, Klatschhände, Seifenblasen, Baustellenabsperrband, Springseil, Heulrohr (gut für Schwerhörige) und
alles, was Spaß macht...
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k Schwierigkeiten und Grenzen
6. Kontraindikationen/
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Wir stoßen auf große Akzeptanz, und das nicht nur auf der Kinderstation. Es
gibt Vorurteile, dass sich alte Menschen veralbert fühlen könnten, vor allem
von Angehörigen. Daraus spricht oft die Sorge, die alte Mutter könnte ihre
Würde verlieren.
Wie ich hier schon ausgeführt habe, stehen für uns Empathie und
Achtsamkeit an erster Stelle. Gefühle sind der entscheidende und oft
einzige Weg, Menschen mit Demenz zu erreichen. Wir Clowns sprechen vor
allem diese Ebene an.
Auch im Hospiz konnten wir Vorbehalten schnell entgegenwirken. Dass
unsere Arbeit dort von der Leitung sehr unterstützt wird und wir sehr
willkommen sind, wirkt sich positiv auch auf die Patienten und Angehörigen
aus. Durch die professionelle Gitarrenbegleitung meiner dortigen Kollegin
finden wir über die Musik sehr schnellen Zugang zu den Menschen. Auch die
gründliche Übergabe hilft uns, dass wir uns auf die jeweilige, häufig
dramatische Situation gut einstellen können. Wenn es uns gelingt, ein
Krankenzimmer mit Leichtigkeit zu befruchten, macht mich das glücklich.
Auch dann, wenn Tränen fließen dürfen.
Es ist wichtig, dass wir nicht nur für Patienten und Bewohner, sondern auch
für das Personal da sind. Das Pflegepersonal braucht viel Wertschätzung.
Das gehört für mich zu unserer Aufgabe dazu. Zumal ich es gut verstehen
kann, wenn man selber einen tagtäglich stressigen Job zu erledigen hat, für
den man kaum Wertschätzung erhält. Und dann kommen da Clowns daher,
die nichts als Blödsinn im Kopf haben, und die nach 2-3 Stunden wieder
verschwunden sind, ohne sich um die alltäglichen Probleme kümmern zu
müssen.
Wir müssen in der Lage sein, unser Ego zurückzunehmen, wenn es die
Situation erfordert. Dann unterbrechen wir unser Spiel, um dem
Pflegepersonal nicht im Weg zu sein.
Auch sind Gespräche hilfreich. Wir benötigen Rückmeldungen von Seiten des
Personals, die ihre Patienten und Bewohner oft viel besser kennen als wir,
und können Reaktionen besser einordnen, wenn wir manchmal unsicher sind,
was von unserer Arbeit ankommt.
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Humor und seine Bedeutung für mich
Ich hatte vor 20 Jahren ein Burnout und habe mich nachher intensiv mit
der Frage beschäftigt, wo man in der Pflegetätigkeit Kraftquellen findet,
um ein Ausbrennen zu verhindern. Irgendwann wurde mir klar, dass für
mich die kraftspendenden Momente waren, in denen es herzhaft etwas
zu lachen gab.
Humor schafft Distanz, wenn zuviel Nähe und Verstrickung droht.
Andererseits bewirkt Humor Nähe, wenn Kälte und Distanz Einzug halten.
Humor ermöglicht Perspektivwechsel, wenn wir in einseitiger
Wahrnehmung und dem negativen Erleben von Dingen, die sich nicht
vermeiden lassen, feststecken.
Humor hat für mich eine spirituelle Dimension. Humor ist für mich die
Verbindung von Himmel und Erde. Humor ermöglicht Leichtigkeit, wenn
das Leben schwer ist. Wenn es hingegen zu abgehoben und zu
„heilig“ wird, bringt einen der Humor zurück auf den Boden der
Tatsachen.
2. Humor befreit also. Es ist an der Zeit, den Humor in der
Berufswelt als burnoutpräventive Maßnahme zu kultivieren.
Deshalb ist es mein Anliegen, die heilende Wirkung des Humors nicht nur
als Klinikclown anzuwenden, (ich liebe diese Arbeit, möchte sie bis zu
meinem 80. Lebensjahr weiterführen).
Es gibt Grundlagen des clownesken Daseinszustandes:
◦
das bedingungslose JA! zu allem, was da ist
◦
das Staunen und das Neuentdecken, was Kinder ganz
selbstverständlich tun
◦
das Zulassen von Gefühlen
◦
Übertreibung
◦
der Mut, großartig zu scheitern
Das ist für mich eine sehr stimmige Lebensphilosophie, die man
üben kann. Das ist meine Vision, und ich suche noch Kooperationspartner, denn ich bin noch zu sehr als Einzelkämpferin unterwegs.
Außerdem biete ich im Auftrag von HHH Humor-Workshops für
Pflegekräfte an und führe im kommenden Jahr ein Seminar für
Krebspatienten im Auftrag der Mildred-Scheel-Akademie an.
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“Humor ist die beste Art, die scheinbaren Widersprüche des Lebens zu verstehen und
sogar zu geniessen.
Genau betrachtet, besteht Leben aus einer Aneinanderreihung von vielen Paradoxa, die
sich beim Lachen auflösen.
Wir sehen keinen Sinn in verbissener Ernsthaftigkeit. Stattdessen kultivieren wir lieber
Lebendigkeit und Freude.
Wir sind einfach, spontan und natürlich.
Wir haben kein Problem damit, uns lächerlich zu machen, denn wir spüren die
Bedeutungslosigkeit aller menschlichen Bestrebungen angesichts eines vier Milliarden
alten Universums und gleichzeitig die stille Unantastbarkeit unserer Würde.
Wir sind nichtiger Sternenstaub und großartiges Wunder zugleich. Wir sind absolut
unwichtig und essentiell wichtig für alle.
Neurosen müssen nicht immer wegtherapiert werden. Sie verlieren am schnellsten ihre
Macht, wenn sie anerkannt und liebevoll über sie gelacht wird.”
Veit Lindau
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Kontakt: [email protected]
Tel. 02204-586250 oder 0162-9832952
ab Dezember 2015: Auf der Höhe 15 a, 51429 Berg. Gladbach
Homepage: www.isi-hat-es.de
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