und produziert immer neue Blasen. Fredi und Sumsi ziehen weiter in das Zimmer der kleinen Malin. Das blonde Mädchen ist zunächst zurückhaltend, doch ihre Eltern lächeln und machen Fredi Komplimente für seine Blumenhose. Nicht nur den Kindern, auch den Eltern und manchmal sogar dem Klinikpersonal verschaffen die MediClowns eine Verschnaufpause. Sie zaubern ein Lächeln in die Gesichter - und damit ist schon eine Menge erreicht, denn Sorge und Bedrückung sind in den Krankenzimmern der kleinen Patienten fast greifbar. »Für manche Eltern sind wir ein Kummerkasten. Einige wollen auch gern einmal in den Arm genommen werden«, berichtet Ute Gilles. Nicht Mitleid, sondern Ablenkung Clowns in Krisengebieten Genau wie Ärzte gibt es auch Clowns ohne Grenzen. Sie reisen ehrenamtlich in Krisengebiete, zu Menschen, die nicht viel zu lachen haben, um dort zur Verbesserung der Situation beizutragen. Als Krisengebiete verstehen sie dabei solche, in denen Krieg, Naturkatastrophen oder Armut herrschen. www.clownsohnegrenzen.org Patch Adams: Arzt mit Humor Die Idee, Kinder in Krankenhäusern zu besuchen, stammt aus den USA. Hier gibt es diese ganz besonderen Clowns seit 1986. Ihr geistiger Vater ist der Arzt Patch Adams, dessen Geschichte in Hollywood mit Robin Williams in der Hauptrolle verfilmt wurde. Er entdeckte den Humor als wichtigen Bestandteil der Behandlung seiner Patienten. Der erste Klinikclown war Michael Christensen, der Mitbegründer des New Yorker Big Apple Circus. Anfang der 1990er jahre kamen die Klinikclowns nach Europa. 18 ~I ~~ Pampolina ist ein Magnet. Die von Kopf bis Fuß rotweiß geringelte Gestalt mit der dicken, roten Clownsnase zieht Kinder magisch an. Auch die . vierjährige Marie. Mama, Oma und die ganze Welt sind vergessen, als sich die rundliche Clownsfrau dem Kind zuwendet und schillernde Seifenblasen in die Luft pustet. Und dieses lustige Wesen kann noch mehr: rosafarbene, süßschmeckende Luftküsse verschicken, zum Beispiel. Und dann zaubert es sogar noch einen gelben Luftballon hervor. Darauf prangen ein Clownsgesicht und ein Schriftzug »MediClowns Dresden e. V.«. Wie jetzt? Clowns als Medizin? Und ob: Pampolina und ihre Mitstreiter vom Dresdner Verein MediClowns treten nicht im Zirkus auf, sondern . im Krankenhaus. Regelmäßig besuchen sie die : Kinderstationen in der Universitätsklinik und im . Krankenhaus Neustadt. Seit fast zwanzig Jahren existiert der Verein; derzeit hat er rund dreißig Mitglieder, darunter ein Dutzend aktive Clowns. Alle engagieren sich ehrenamtlich und etliche bringen schon seit vielen Jahren Lachen als Medizin gegen Angst und Schmerz ans Krankenbett. Pampolina, die Vorsitzende der MediClowns, ist seit 18 Jahren dabei, Clownskollege Fredi seit 15. Im bürgerlichen Leben heißen sie natürlich anders und beschäftigen sich mit ganz unverrückten Dingen. Ute Gilles ist Heilpädagogin, Ingolf Löhne, der als Fredi den »Dummen August« gibt, ist Bauingenieur. Aber wenn sie als MediClowns unterwegs sind, ist das bedeutungslos. Sobald sie ihre bunten Kostüme anlegen und sich Clownsgesichter schminken, verwandeln sie sich von normalen Erwachsenen in naive, lustige, tollpatschige, mal laute, mal leise Spaßmacher. . Wie zum Beispiel an einem Donnerstagnach. mittag Ende Mai in der Dresdner Uni-Kinderklinik. FORUM FÜR NEUE KULTURELLE DIMENSIONEN 3 2015 Fredi trägt schon seine rote Hose mit Blumenmuster - selbst genäht! - und malt sich konzentriert seine Nasenspitze rot an. »Eine rote Nase ist die kleinste Maske, die man kennt«, versichert er ernsthaft. Pampolina ist schon fast fertig mit ihrem Outfit, nur die kugelige Schaumgumminase fehlt noch. Ebenfalls mit von der Partie sind an diesem Nachmittag Blümi, alias Elektroingenieurin Kathrin Brückner, und Sumsi, die eigentlich Susi Weinhold heißt und als medizinische Dokumentationsassistentin auch im wirklichen Leben in der Uniklinik arbeitet. Jetzt hat die 34-Jährige ihre schwarzen Haare zu Zöpfen gebunden und sich lustige Punkte ins Gesicht gemalt. Blümi trägt ein prachtvolles blaues Kleid zu roten Leggings und Sonnenblume auf dem Kopf. Aus ihrer großen Handtasche lugen ein Teddy, mehrere bunte Fliegenklatschen und eine Spülbürste hervor. Was man eben so braucht, als Clown. Eine Verschnaufpause für Kinder und Eltern Schon beim Umziehen und Schminken finden die Vier in ihre Rollen, scherzen und foppen sich gegenseitig. Dann geht's los, zunächst auf Station S3, wo kleine Patienten mit Herz- und Lungenproblemen versorgt werden. Die bunte Truppe bringt gleich Leben auf den Stationsflur. Als erstes trifft sie auf die beiden Zweijährigen Max und Iayden Luca. Pampolina lässt Seifenblasen schweben. »Noch mal, noch mal«, Jayden Luca bekommt nicht genug und gluckst vor Freude. Obwohl die MediClowns an diesem Tag insgesamt fünf Kinderstationen besuchen werden, scheint die rotgeringelte Clownin alle Zeit der Welt für die beiden Kleinen zu haben Ihre eigenen Befindlichkeiten lassen die Clowns außen vor. Sie wollen nicht mitleiden, sondern wenigstens für einige Minuten Kummer vergessen machen. »Wir verschwinden in der Situation«, sagt Ute Gilles und Kathrin Brückner ergänzt: »Über die Krankheitsgeschichten der Kinder möchten wir eigentlich gar nichts wissen. Aber natürlich bekommen wir trotzdem viel davon mit, gerade auf der Onkologiestation.« Immer wieder gibt es Situationen, die auch die Ehrenamtler an ihre Grenzen bringen. Etwa, wenn sie Eltern treffen, die bereits ein Kind verloren haben und nun ihr zweites krankes Kind auf der Krebsstation besuchen. In Workshops lernen die Klinikclowns, auch mit solchen Situationen umzugehen. Denn um als MediClown aufzutreten, reicht es nicht, sich ein buntes Gesicht zu malen und ein paar Witze zu reißen. Nichts geht ohne Ausbildung und regelmäßiges Training. Medizinisches Fachwissen und der Umgang mit Schmerz und Tod gehören dazu. Mit der Psychologin der Kinderklinik arbeiten die Darsteller zu Themen, die gezielt die Situation von Kindern und Eltern im Krankenhaus aufgreifen. Auch künstlerisch bilden sich die Clowns ständig weiter: Theaterunterricht, Pantomime, Spielte ehniken, Improvisation, Zauberei und Jonglieren stehen auf dem Plan. Jeder Clown ist eine komplexe Figur, die Leichtigkeit und Tiefgang vereint. Seine Rolle erfindet jeder Darsteller selbst und entwickelt sie im Laufe der Zeit weiter. Pampolina zum Beispiel war zu Beginn ihrer Laufbahn bunter, knalliger als heute. Nicht verändert hat Ute Gilles allerdings den naiven Charakter ihrer Figur: »Parnpolina ist fassungslos darüber, was es auf der Welt so alles gibt«, beschreibt die 47-Jährige ihr Clowns-Ich. Die Vorsitzende der MediClowns ist überzeugt: »Das Talent zum Clown und die Verrücktheit müssen in einem drin stecken. Das sieht man der Zivilperson aber nicht unbedingt an.« Mal laut, mal leise Die wichtigste Gabe eines Krankenhausclowns besteht darin, Situationen und Stimmungen zu erfassen und dann aus dem Stehgreif heraus das Richtige zu spielen. Das erfordert Aufmerksamkeit und Konzentration. Was sie hinter den Türen der Krankenzimmer erwartet, wissen die Schauspieler vorher nicht. Vielleicht ein schwer behindertes Kind, dem sie nur eine leise Melodie mit der Spieluhr vorspielen. Oder aber ein recht munterer Patient, bei denen sie mit großem Tamtam auftreten können. Das richtige Gespür für Menschen und Situationen ist die Voraussetzung dafür, dass die Clownerie bei jedem ankommt, egal ob Kleinkind, Teenager oder Erwachsener. »Es ist wichtig, dass die Kinder in der Hierarchie über den Clowns stehen«, erklärt Kathrin Brückner. Respekt vor den Patienten ist oberstes Gebot. Nie betreten die MediClowns ein Krankenzimmer, ohne vorher anzuklopfen und hereingebeten zu werden. Immer tasten sie sich mit Fingerspitzengefühl voran und ziehen sich zurück, wenn Kinder oder Eltern ihre Ruhe haben wollen. Aber das passiert nicht sehr oft. Denn für die kleinen Patienten sind die ungewöhnlichen Besucher in jeder Hinsicht etwas Besonderes. Sie sehen nicht nur lustig aus und machen verrückte Sachen. Sie verlangen auch nichts - weder, dass das Kind »tapfer« ist, noch, dass es Medikamente einnimmt oder sich Blut abnehmen lässt. Sie wollen einfach nur spielen. FORUM FÜR NEUE KULTURELLE DIMENSIONEN 3 2015 Karin Vogelsberg (*1967) studierte Germanistik und Anglistik in Bonn und Stirling (Schottland). Sie lebt als freie journalistin in Dresden und ist unter anderem für die jüdische Allgemeine und den Öko-Test-Verlag tätig. 19
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