PRESSE ANSELM KIEFER Die Welt – ein Buch

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ANSELM KIEFER
Die Welt – ein Buch
27. Februar bis 16. Mai 2016
2008 erhält Anselm Kiefer den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. Die ihm
verliehene Urkunde endet mit dem Satz: „Er hat das Buch selbst, die Form des
Buches, zu einem entscheidenden Ausdrucksträger gemacht. Gegen den
Defätismus, der Buch und Lesen eine Zukunft abzusprechen wagt, erscheinen seine
monumentalen Folianten aus Blei als Schutzschilde.“ Und Kiefer beginnt seine Rede
in der Paulskirche: „Ich denke in Bildern. Dabei helfen mir Gedichte. Sie sind wie
Bojen im Meer. Ich schwimme zu ihnen, von einer zur anderen; dazwischen, ohne
sie, bin ich verloren.“
Anselm Kiefer wird 1945 in Donaueschingen geboren. Er beginnt sein Studium 1966
an der Kunstakademie in Freiburg und Karlsruhe. 1970 bis 1972 studiert er bei
Joseph Beuys an der Kunstakademie in Düsseldorf. Bis 1991 lebt und arbeitet er in
Buchen im Odenwald. 1991 verlässt er Deutschland und lebt seitdem in Frankreich.
1990 zeigen die Kunsthalle Tübingen, der Kunstverein München und das Kunsthaus
Zürich Kiefers Bücher aus den Jahren 1969 bis 1990. Für Kiefer hat das Buch den
Charakter des Experimentellen, der Notiz, des Vorläufigen und Intimen. Es steht so
in enger Beziehung zum malerischen und skulpturalen Werk. Es sind stets Unikate.
In der Großskulptur „Zweistromland“ (1985/89) errichtet er eine Bibliothek aus
Bleibüchern. Sie sind unzugänglich. Sie opponieren gegen die Medienflüchtigkeit in
ihrem puren materiellen Dasein. Es sind aber auch die in der Urkunde benannten
Schutzschilder, denen keine Bücherverbrennung etwas anhaben kann.
Kiefer bevorzugt einfaches, holzhaltiges Papier, Tapetenreste wie auch verkohlte
Leinwände als Gestaltungsgrundlagen. Er arbeitet im Holzschnitt wie im
Kartoffeldruck. Fotografie erscheint in einem Zustand, als sei im Entwicklungsbad ein
Malheur passiert. Spuren von Befall, Zersetzung und Brand dokumentieren die
Vergänglichkeit des Bildes – aber auch der darin aufgehobenen Erinnerungen. 1969
entstehen die „Historischen Sinnbilder“. Kiefer hat sich Schaftstiefel verpasst und
lässt sich, den Hitlergruß praktizierend, in der Landschaft aber auch vor
südeuropäischen Kulturstätten fotografieren. Statt eines Verstehens erfährt er
reflexartige Ablehnung. Die Auftritte zeichnen sich in dilettantischer Pose als
chaplinesk aus. Dabei geht es um Selbsterkundung. Kiefer will den „Wahnsinn ein
Stück weit mitgehen“. Welche Gefühle hätten ihn als Wehrmachtssoldaten getragen?
Anselm Kiefer ist in Ruinen und auf Trümmerfeldern groß geworden, für die Ursache
fand der Heranwachsende in der Gesellschaft keine überzeugenden Antworten.
Entlastung wird anscheinend durch die Überwindung von Geschichte praktiziert.
Nach 1945 ist die Mythologie unter Generalverdacht, da sie von den
Nationalsozialisten funktionalisiert wurde. Kiefer agiert gegen die Verdrängung auf
der Suche nach der Wahrheit in den Mythen. Dem Diktat der Gegenstandslosigkeit in
der West-Kunst begegnet er mit Werken wie „Donald Judd vergißt Brünhilde“. Seinen
Biennale-Beitrag in Venedig 1980 betitelt er mit „Verbrennen, Verholzen, Versenken,
Versanden“. Seine Bilder wie auch die Bücher thematisieren über die Titel offensiv
historische Ereignisse, die am Anfang von Katastrophen stehen: „Teutoburger Wald“,
„Die Hermannsschlacht“, „Unternehmen Seelöwe“, „Der Nibelungen Leid“. In
„Märkischer Sand“ ist Preußens Gloria versandet. Orte und Ereignisse des
vaterländischen Patriotismus erscheinen bei Kiefer wie Leerstellen. Kiefer schlägt
nach der Wiedervereinigung vor, den Potsdamer Platz als Brache zu belassen:
„Wäre dieser Platz so geblieben, wie er war, so wäre das ein wunderbar leerer Raum
geworden, bis zum Bersten gefüllt mit Geschichte.“
In seinen historisch-mythologischen Darstellungen bezieht Kiefer Zitate ein von
Autorinnen und Autoren, die ihn ein Leben lang begleiten: Ingeborg Bachmann, Paul
Celan, Ernst Bloch aber auch Martin Heidegger, die Bibel und die Kabbala. In betont
ungelenker Schrift ergänzt er mit Textzeilen die Bilder, wobei die Unsicherheit im
Duktus ein Fragepotential enthält. Kiefer dringt als Mythenerkunder vor in die
jüdische Mystik, in die Kulte des Zweistromlandes.
Im Dialog mit den Naturwissenschaften beschäftigen Kiefer drei Einsichten. Dabei
erfährt die Astrophysik bei ihm den Transfer in die Astralmystik: jeder Pflanze auf der
Erde entspricht ein Stern im Kosmos. Der Mensch ist älter als die Erde, denn wir
tragen in uns Teilchen, die schon vor der Entstehung unseres Planeten vorhanden
waren. Die Entfernung zwischen dem Atom und dem Elektron ist immens. Wenn man
sich den Atomkern in der Größe eines Fußballs vorstellt, dann wäre sein Elektron
etwa einen Kilometer entfernt – und dazwischen: nichts. Es ist der leere Raum, aus
dem alles besteht. Auch davon künden die Bücher von Anselm Kiefer.
„Anselm Kiefer. Die Welt – ein Buch“ im Museum der bildenden Künste Leipzig ist die
erste Museumsausstellung in Deutschland seit mehr als 25 Jahren, in der Anselm
Kiefer seine Bücher zeigt. Sie wurde von Dr. Aeneas Bastian, Berlin kuratiert.
Ergänzt wird die Ausstellung durch zwei Skulpturen und zwei großformatige
Holzschnitte Anselm Kiefers.
KATALOG
Anlässlich der Ausstellung erscheint „Anselm Kiefer. Die Welt – ein Buch“ in der
Edition Heiner Bastian im Schirmer/Mosel Verlag mit Beiträgen von Aeneas Bastian,
Heiner Bastian und Hans-Werner Schmidt sowie einem Gespräch zwischen Anselm
Kiefer und Christoph Ransmayr. Der Band mit 100 Seiten und zahlreichen Abbildungen ist im Museumsshop Wasmuth und im Buchhandel für 45 Euro erhältlich.
BEGLEITPROGRAMM
Mittwoch, 23. März, 18 Uhr: Ausstellungsgespräch mit Prof. Dr. Ulrich Johannes
Schneider/Universitätsbibliothek Leipzig und Dr. Hans-Werner Schmidt
öffentliche Führungen: Sonntag, 27. März, 3. und 24. April, jeweils 11 Uhr
Mittwoch, 6. April, 18 Uhr | Donnerstag, 3. März, 5. Mai, jeweils 15 Uhr (für Senioren)
EINTRITT/ÖFFNUNGSZEITEN
5 Euro, ermäßigt 3,50 Euro
Kombiticket 10 Euro, ermäßigt 7 Euro
Kinder und Jugendliche bis einschließlich 18 Jahre Eintritt frei
Di und Do bis So 10–18 Uhr, Mi 12–20 Uhr
Feiertage 10–18 Uhr (auch 1.Mai, Oster- und Pfingstmontag)
KONTAKT & INFORMATIONEN
Museum der bildenden Künste Leipzig | Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Tel.: 0341.21 69 99 42 | [email protected] www.mdbk.de
Pressebilder und Katalogtexte unter https://goo.gl/ss5mek
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ANSELM KIEFER
Anselm Kiefer wurde kurz vor Kriegsende 1945 in Donaueschingen geboren. Von
1971 bis 1992 lebte und arbeitete er in Buchen im Odenwald. Seit 1993 lebt er in
Frankreich und arbeitet in seinen Ateliers in Barjac (Gard) und in Paris.
Nach seinem Studium der Rechtswissenschaften und Romanistik widmete Anselm
Kiefer sich ausschließlich der Malerei. Er studierte zunächst an der Staatlichen
Hochschule für Bildende Künste in Freiburg im Breisgau bei Peter Dreher,
anschließend an der Kunstakademie in Karlsruhe bei Horst Antes und stand in
künstlerischem Austausch mit Joseph Beuys.
Sein Werk wurzelt in einer Frage von großer Bedeutung: Wie kann man nach dem
Holocaust als Künstler arbeiten und dennoch in der deutschen Tradition stehen?
Diese existentielle Erinnerungsarbeit erweiterte Kiefer zu einer spirituellen Suche, die
sich auf die großen Mythen und die kabbalistische Mystik erstreckt. Dabei kombiniert
er in seiner Arbeit Malerei, Fotografie, Buch und Skulptur.
Kiefers Werke sind weltweit in den bedeutendsten Museen und Privatsammlungen
vertreten. Im Oktober 2007 wurden drei seiner Arbeiten (das Gemälde Athanor,
sowie die Skulpturen Danaë und Hortus conclusus) in die Sammlung des Louvre
übernommen. Im selben Jahr präsentierte das Pariser Grand Palais eine
Einzelausstellung mit Werken von Kiefer, eine Hommage an die Dichter Paul Celan,
Ingeborg Bachmann und Ferdinand Céline. Anlässlich Ihres 20-jährigen Bestehens
beauftragte die Pariser Opéra Bastille Kiefer 2009 mit der künstlerischen Leitung
einer Inszenierung unter dem Titel Am Anfang.
1999 wurde Anselm Kiefer in Tokyo der renommierte Praemium Imperiale verliehen.
2008 erhielt er den Friedenspreis des deutschen Buchhandels und 2010 wurde er
zum Professor an das Collège de France in Paris berufen.
2011 erhielt er die Leo Baeck Medaille für besondere Verdienste um die deutschjüdische Aussöhnung. Die Royal Academy of Arts in London widmete Anselm Kiefer
2014 eine umfassende Retrospektive und 2015/16 präsentierten das Pariser Centre
Pompidou und die Bibliothèque nationale de France Übersichtsausstellungen seines
Werkes von 1969 bis heute.
Einzelausstellungen
1970 Anselm Kiefer: Bilder und Bücher, Galerie am Kaiserplatz, Karlsruhe
1973 Anselm Kiefer: Notung, Galerie Michael Werner, Köln
Anselm Kiefer: Der Nibelungen Leid, Galerie im Goethe-Institut, Amsterdam
1974 Anselm Kiefer, Galerie Felix Handschin, Basel
Anselm Kiefer: Malerei der verbrannten Erde, Galerie Michael Werner, Köln
Anselm Kiefer: Heliogabal, Galerie t’Venster/Rotterdam Arts Foundation,
Rotterdam
1975 Anselm Kiefer: Bücher, Galerie Michael Werner, Köln
1976 Anselm Kiefer: Siegfried vergisst Brünhilde, Galerie Michael Werner, Köln
1977 Anselm Kiefer, Kunstverein, Bonn
Anselm Kiefer: Ritt an die Weichsel, Galerie Michael Werner, Köln
Anselm Kiefer, Galerie Helen van der Meij, Amsterdam
1978 Anselm Kiefer: Wege der Weltweisheit – Hermannsschlacht, Galerie Maier-Hahn,
Düsseldorf
Anselm Kiefer: Bilder und Bücher, Kunsthalle Bern, Bern
1979 Anselm Kiefer: Bücher, Galerie Helen van der Meij, Amsterdam
Anselm Kiefer: Schilderijen en aquarellen, Van Abbemuseum, Eindhoven
1980 Anselm Kiefer: Bilder und Bücher, Mannheimer Kunstverein, Mannheim
Anselm Kiefer: Verbrennen, verholzen, versenken, versanden, Westdeutscher
Pavillon, 39. Biennale Venedig
Anselm Kiefer : Bilder und Zeichnungen, Galerie Six Friedrich/Sabine Knust,
München
Anselm Kiefer, Württembergischer Kunstverein, Stuttgart
Anselm Kiefer: Holzschnitte und Bücher, Groninger Museum, Groningen
Anselm Kiefer, Galerie Helen van der Meij, Amsterdam
1981 Anselm Kiefer, Galerie Paul Maenz, Köln
Anselm Kiefer, Marian Goodman Gallery, New York
Anselm Kiefer: Bücher, Galerie Six Friedrich/Sabine Kunst, München
Anselm Kiefer, Galleria Salvatore Ala, Milan
Anselm Kiefer: Aquarelle 1970–1980, Kunstverein, Freiburg
Anselm Kiefer: Bilder und Bücher, Museum Folkwang, Essen und Whitechapel
Gallery, London
1982 Anselm Kiefer, Marian Goodman Gallery, New York
Anselm Kiefer, Galerie Paul Maenz, Köln
Anselm Kiefer, Galerie Helen van der Meij, Amsterdam
Anselm Kiefer, Mary Boone Gallery, New York
1983 Anselm Kiefer, Henie Onstad Kunstsenter, Oslo
Anselm Kiefer: Paintings and Watercolours, Anthony d’Offay Gallery, London
Anselm Kiefer: Bücher und Gouachen, Hans-Thoma-Museum, Bernau
1984 Anselm Kiefer, Galerie Paul Maenz, Köln
Anselm Kiefer, Städtische Kunsthalle, Düsseldorf; ARC/Musée d’Art Moderne
de la Ville de Paris und The Israel Museum, Jerusalem
Anselm Kiefer: Peintures 1983–1984, Musée d’Art Contemporain, Bordeaux
1985 Anselm Kiefer: Departure from Egypt, Marian Goodman Gallery, New York
1986 Anselm Kiefer, Galerie Paul Maenz, Köln
Anselm Kiefer: Bilder 1986–1980, Stedelijk Museum, Amsterdam
1987 Anselm Kiefer, Marian Goodman Gallery, New York
Anselm Kiefer, Galeria Foksal, Warschau
Anselm Kiefer, The Art Institute, Chicago; Museum of Art, Philadelphia;
Museum of Contemporary Art, Los Angeles und Museum of Modern Art, New
York
1989 Anselm Kiefer: The High Priestess – Zweistromland, Anthony d’Offay Gallery,
London
Anselm Kiefer: Der Engel der Geschichte, Galerie Paul Maenz, Köln
Anselm Kiefer: Mohn und Gedächtnis, Galeria Foksal, Warschau
1990 Anselm Kiefer. Lilith, Marian Goodman Gallery, New York
Anselm Kiefer. Jason, The Douglas Hyde Gallery, Dublin
Anselm Kiefer: Bücher 1969–1989, Kunsthalle Tübingen
Kaiserring Goslar 1990: Anselm Kiefer, Mönchehaus Museum, Goslar
1991 Anselm Kiefer: Bücher 1969–1990, Kunstverein München
Anselm Kiefer: Bücher 1969–1990, Kunsthaus Zürich
Anselm Kiefer, Neue Nationalgalerie, Berlin
Anselm Kiefer. Nachtschattengewächse, Galerie Yvon Lambert, Paris
1992 Anselm Kiefer, Fuji Television Gallery, Tokio
Anselm Kiefer. The Women of the Revolution, Anthony d’Offay Gallery,
London
Anselm Kiefer, Lia Rumma Gallery, Neapel
1993 Anselm Kiefer: Melancholia, Sezon Museum of Art, Tokio
Anselm Kiefer: Melancholia, Kyoto National Museum of Art
Anselm Kiefer: Melancholia, Hiroshima Museum of Contemporary Art
Anselm Kiefer. 20 Jahre Einsamkeit, Marian Goodman Gallery, New York
1995 Anselm Kiefer, Kukje Gallery, Seoul
1996 Anselm Kiefer, Centro Cultural de Arte Contemporaneo, Mexiko City
Anselm Kiefer. Cette obscure clarté qui tombe des étoiles, Galerie Yvon
Lambert, Paris
Anselm Kiefer. I Hold All Indias in my Hand, Anthony d’Offay Gallery, London
1997 Anselm Kiefer. Himmel-Erde, Museo Correr, Venedig
Anselm Kiefer, Museo Capodimonte, Neapel
1998 Anselm Kiefer, Dein und mein Alter und das Alter der Welt, Gagosian Gallery,
New York
Anselm Kiefer, The Museum of Modern Art, São Paulo
Anselm Kiefer, Galeria Camargo Vilaça, São Paulo
Anselm Kiefer, Fundación Proa, Buenos Aires
Anselm Kiefer. Woodcuts, Shoshana Wayne Gallery, Los Angeles
Anselm Kiefer. Works on Paper, The Metropolitan Museum of Art, New York
Anselm Kiefer. El viento, el tiempo, el silencio, Palacio Velázquez, Madrid
1999 Anselm Kiefer. Stelle cadenti, Galleria d’Arte Moderna, Bologna
Anselm Kiefer. Die Frauen der Antike, Galerie Yvon Lambert, Paris
Anselm Kiefer. Die Frauen der Antike, Galleria Lia Rumma, Mailand
2000 Anselm Kiefer, Stedelijk Museum voor Actuele Kunst, Gent
Anselm Kiefer, Gagosian Gallery, New York
Anselm Kiefer. Die Frauen der Antike, Galleria Lia Rumma, Neapel
Anselm Kiefer. Chevirat Ha-Kelim, Chapelle Saint-Louis de la Salpêtrière Paris
Anselm Kiefer. Lasst tausend Blumen blühen, Anthony d’Offay Gallery,
London
2001 Anselm Kiefer. Les Reines de France, Le Rectangle, Lyon
Anselm Kiefer. Lasst tausend Blumen blühen, Louisiana Museum of Modern
Art, Humlebæk, Dänemark
Anselm Kiefer.The Seven Palaces of Heaven, Fondation Beyeler, Basel
Anselm Kiefer, Royal Academy of Arts, London
Anselm Kiefer, Kukje Gallery, Seoul
2002 Anselm Kiefer. La Vie secrète des plantes, Galerie Yvon Lambert, Paris
Anselm Kiefer. Merkaba, Gagosian Gallery, New York
2003 Anselm Kiefer. Am Anfang, Galerie Thaddaeus Ropac, Salzburg
2004 Anselm Kiefer, Museo Archeologico Nazionale di Napoli, Neapel
Anselm Kiefer. I sette palazzi Celesti, Hangar Bicocca, Fondazione Pirelli,
Mailand
Anselm Kiefer, Kunsthalle Würth, Schwäbisch Hall
2005 Anselm Kiefer. Die Frauen, Académie de France à Rome, Villa Medici, Rom
Anselm Kiefer. Für Chlebnikov, White Cube, London
Anselm Kiefer. Für Paul Celan, Galerie Thaddaeus Ropac, Salzburg
Anselm Kiefer. Heaven and Earth, Modern Art Museum of Fort Worth, Texas;
Musée d’art contemporain de Montréal, Montreal; The Hirshhorn Museum
and Sculpture Garden, Washington DC und San Francisco Museum of
Modern Art
2006 Anselm Kiefer. Odi Navali, Galleria Lia Rumma, Neapel
Anselm Kiefer. Dein und mein Alter und das Alter der Welt, Galleria Lorcan
O’Neill, Rom
Anselm Kiefer: Velimir Chlebnikov and the Sea, The Aldrich Contemporary Art
Museum, Ridgefield, Connecticut
Anselm Kiefer. Für Paul Celan, Galerie Thaddaeus Ropac und Galerie Yvon
Lambert, Paris
2007 Anselm Kiefer. Aperiatur Terra, White Cube, London
Anselm Kiefer, Guggenheim, Bilbao
Anselm Kiefer. Sternenfall, Grand Palais, Paris
Anselm Kiefer. Jericho, Royal Academy of Arts, London
Anselm Kiefer. Wege der Weltweisheit/Die Frauen der Revolution, Arp Museum,
Bahnhof Rolandseck, Remagen
Anselm Kiefer. Die große Fracht, Biblioteca San Giorgio di Pistoia, Italien
Anselm Kiefer. Sculpture and Paintings from the Hall Collection, MASS MoCA,
North Adams, Massachusetts
2008 Anselm Kiefer. Palmsonntag, Gagosian Gallery und First Baptist Church Gym,
Los Angeles
Anselm Kiefer: Heroische Sinnbilder, Heiner Bastian Fine Art, Berlin
Anselm Kiefer. Maria durch den Dornwald ging, Galerie Thaddaeus Ropac,
Salzburg
Anselm Kiefer. Bücher, Céline und Heiner Bastian, Berlin
Anselm Kiefer. Das Geheimnis der Farne, Kukje Gallery, Seoul
Anselm Kiefer aus der Sammlung Großhaus, Stiftung Schleswig-Holsteinisches
Landesmuseen, Schloß Gottorf, Schleswig
Kiefer e Mao, Triennale Bovisa di Milano, Mailand
2009 Anselm Kiefer. Hortus philosophorum, Gagosian Gallery, Rom
Anselm Kiefer and Wagner’s Ring, GalleryMet Metropolitan Opera Lincoln
Center, New York
Anselm Kiefer. Karfunkelfee / The Fertile Crescent, White Cube, London
Artist Rooms: Anselm Kiefer, Palmsonntag, Tate Modern, London
2010 Anselm Kiefer. Palmsonntag, Art Gallery of Ontario, Toronto
Anselm Kiefer. Works on paper, Galleria Lorcan O’Neill, Rom
Anselm Kiefer. Unfruchtbare Landschaften, Galerie Yvon Lambert, Paris
Anselm Kiefer, Louisiana Museum of Modern Art, Humlebaek, Denmark
Artist Rooms on Tour: Anselm Kiefer, Baltic Centre for Contemporary Art,
Gateshead, UK
Anselm Kiefer – Europa, Villa Schöningen Berlin
Anselm Kiefer, Museum voor Schone Kunsten Antwerpen
Anselm Kiefer. Next Year in Jerusalem, Gagosian Gallery, New York
2011 Anselm Kiefer dans la collection Würth, Musée Würth France Erstein, Erstein
Anselm Kiefer: Des Meeres und der Liebe Wellen, White Cube, London
Kiefer & Rembrandt, Rijksmuseum Amsterdam, Amsterdam
Anselm Kiefer: Salt of the Earth, Fondazione Vedova, Venedig
Anselm Kiefer: Alkahest, Galerie Thaddaeus Ropac, Salzburg
Anselm Kiefer: Ausgewählte Arbeiten aus der Sammlung Grothe, Museum
Frieder Burda, Baden-Baden
Anselm Kiefer : Shevirat Hakelim, Tel Aviv Museum of Art, Tel Aviv
Anselm Kiefer : Il Mistero delle Cattedrali, White Cube, London
Artist Rooms: Anselm Kiefer, Palmsonntag, Mostyn Art Gallery, Llandudno,
Wales
2012 Anselm Kiefer – Werke aus der Sammlung Essl, Essl Museum, Klosterneuburg/Wien
Let a Thousand Flowers Bloom, White Cube, Hong-Kong
Anselm Kiefer, Art Gallery of Hamilton, Hamilton, Ontario, Kanada
Am Anfang. Anselm Kiefer – Werke aus dem Privatbesitz Hans Grothe, Kunstund Ausstellunghalle der Bundesrepublik Deutschland, Bonn
Anselm Kiefer – Werke aus den Jahren 1988 bis 1993, Lippische Gesellschaft
für Kunst e. V., Schloss Detmold
Anselm Kiefer: Memorabilia, Ludwig Museum, Koblenz
Anselm Kiefer – La mezzaluna fertile, Galleria Lia Rumma, Mailand
Anselm Kiefer. Die Ungeborenen, Galerie Thaddaeus Ropac, Pantin
Anselm Kiefer – Morgenthau Plan, Gagosian Gallery, Le Bourget
2013 Anselm Kiefer – Der Rhein, Galerie Bastian, Berlin
Anselm Kiefer – Morgenthau Plan, Gagosian Gallery, New York
Anselm Kiefer. Un maestro della pintura, Museo de Arte Contemporáneo Gas
Natural, A Coruña, Spanien
Anselm Kiefer, Hall Art Foundation at MASS MoCA, North Adams, MA
Early Anselm Kiefer – Selections from the Hall Collection and Kiefer studio,
The Williams College Museum of Art, Williamstown, MA
Anselm Kiefer: Beyond Landscape, Albright-Knox Art Gallery, Buffalo, NY
Anselm Kiefer – Walther von der Vogelweide, für Lia, Galleria Lia Rumma, Neapel
2014 Anselm Kiefer – Johannis-Nacht, Mönchehaus Museum Goslar
Anselm Kiefer – Der Rhein, Coro Chiesa della Maddalena, Alba, Italien
Anselm Kiefer, Royal Academy of Arts, London
2015 Artist Rooms: Anselm Kiefer, Tullie House Museum and Art Gallery, Carlisle,
England
Anselm Kiefer: Im Gewitter der Rosen, Galerie Thaddaeus Ropac, Salzburg
Anselm Kiefer: Werke aus der Sammlung Grothe, Serlachius Museum Gösta,
Mänttä, Finnland
Anselm Kiefer, l'alchimie du livre, Bibliothèque nationale de France François
Mitterand, Paris
Anselm Kiefer, Centre Georges Pompidou, Paris
2016 Anselm Kiefer. Die Welt - ein Buch, Museum der bildenden Künste Leipzig
Anselm Kiefer. Die Holzschnitte, Albertina, Wien
PRESSE
ANSELM KIEFER. DIE WELT – EIN BUCH
AUSGESTELLTE WERKE
VITRINE 1
Ohne Titel, 1954–ca. 1960, 21,5 x 16 x 4 cm, 336 Seiten, Papier, Tinte, Gouache, Pastell,
Textil, Klebemittel
Poesie, 1969, 25 x 19 x 3,5 cm, 640 Seiten, Papier, Photographie, Collage, Tinte
Die Überschwemmung Heidelbergs I, 1969, 30 x 22 x 2 cm, 140 Seiten, Papier,
Photographie, Ölfarbe, Kobaltsikkativ, Graphit
Die Überschwemmung Heidelbergs II, 1969, 30 x 22 x 2 cm, 194 Seiten, Papier, Ölfarbe,
Kobaltsikkativ, Tinte, Graphit
Du bist Maler, 1969, 25 x 19 x 1 cm, 220 Seiten, Papier, Photographie, Tinte
Unfruchtbare Landschaften, 1969, 25 x 19 x 0,8 cm, 128 Seiten, Papier, Photographie, Tinte,
Eisen, Kupfer, Klebemittel
Marmorlandschaften, 1969, 29,5 x 21,5 x 0,5 cm, 22 Seiten, Papier, Photographie, Tinte,
Gouache
Erinnerungen IV, 1969, 25 x 24,5 x 1 cm, 32 Seiten, Papier, Photographie, Collage,
Gouache, Tinte
Scherben, 1969 , 25,3 x 19 x 1,5 cm, 184 Seiten, Papier, Photographie, Tinte
Die Himmel, 1969, 25 x 19 x 1 cm, 220 Seiten, Papier, Photographie, Collage, Tinte, Ölfarbe,
Graphit
Räume und Völker in unserer Zeit (Ein geographisch–politisches Handbuch), 1976,
31 x 21,5 x 1 cm, 152 Seiten, Graphit, Tinte, Filzstift auf einer Ausgabe der Publikation
Räume und Völker in unserer Zeit (1963)
Das Haus, 1974, 28,5 x 22 x 2 cm, 132 Seiten, Acryl, Emulsion auf einer Ausgabe der
Zeitschrift Das Haus
Sol Invictus Hela Gabal, 1974, 25 x 24,5 x 1 cm, 132 Seiten, Papier, Emulsion, Aquarell,
Kugelschreiber
Kohle für 2 weitere Jahrtausende, 1974, 20 x 24 x 3 cm, 348 Seiten, Papier, Emulsion,
Aquarell
Koll bei Kiefer, 1969, 42 x 30 x 2,5 cm, 112 Seiten, Gebundene Photographie
Tagebuch von Anselm Kiefer, 1964–1965, Papier, Tinte, Graphit, Kugelschreiber
VITRINE 2
Die Donauquelle, 1969, 25 x 19 x 1 cm, 192 Seiten, Papier, Photographie, Collage, Tinte
Die Donauquelle, 1977–1978, 30 x 22 x 1,5 cm, 86 Seiten, Karton, Papier, Photographie,
Tinte, Graphit
Die Donauquelle, 1977–1978, 30 x 22 x 1 cm, 46 Seiten, Karton, Photographie, Graphit
Neue Illustrierte (Gruppe von 8 Büchern, nummeriert 1–8), 1970, 34 x 25 x 0,3 cm,
63 Seiten, Papier, Photographie, Collage, Tinte
Die Frauen, 1969, 25 x 19 x 1,5 cm, 244 Seiten, Papier, Collage, Tinte
Erotik im fernen Osten oder: Transition from cool to warm, 1976, 28,5 x 42 x 1 cm, 134 Seiten,
Papier, Tinte, Aquarell
Donald Judd hides Brünhilde, 1976, 27 x 21 x 0,5 cm, 36 Seiten, Acryl, Emulsion und Photographie auf einer Ausgabe des Kataloges Donald Judd. Skulpturen (Kunsthalle Bern 1976)
Donald Judd hides Brünhilde, 1976, 27 x 21 x 0,5 cm, 36 Seiten, Acryl, Emulsion und Photographie auf einer Ausgabe des Kataloges Donald Judd. Skulpturen (Kunsthalle Bern 1976)
Donald Judd hides Brünhilde, 1976, 27 x 21 x 0,5 cm, 36 Seiten, Acryl, Emulsion und Photographie auf einer Ausgabe des Kataloges Donald Judd. Skulpturen (Kunsthalle Bern 1976)
Brünhilde and her fate, 1977, 30,5 x 23,5 x 2 cm, 134 Seiten, Acryl, Emulsion auf einer
Ausgabe des Buches Mirror of Venus (1970)
Amerika’s horniest people, 1992, 31,5 x 23 x 4,5 cm, 214 Seiten, Papier, Kreide, Öl,
Gouache, Kugelschreiber
Irrtümer Trümmer, 1992, 31,5 x 23 x 6 cm, 283 Seiten, Papier, Photographie, Wachs, Öl,
Gouache, Tabletten, Kugelschreiber
20 Jahre Einsamkeit, 1992, 30,5 x 22 x 5,5 cm, 356 Seiten, Photographie, Wachs, Öl,
Gouache, Sperma, Kugelschreiber
VITRINE 4
Für Jean Genet, 1969–2010, 60 x 45 x 5 cm, 18 Seiten, Karton, Photographie, Gouache,
Aquarell, Graphit
Für Jean Genet, 1969, 49,5 x 35 x 5,5 cm, 10 Seiten, Karton, Photographie, Gouache,
Rosen, Aquarell, Graphit
VITRINE 5
Märkischer Sand III, 1977, 62 x 42 x 6,5 cm, 36 Seiten, Raufasertapete, Photographie, Sand,
Leinöl
Märkischer Sand I, 1977, 60 x 44 x 8 cm, 80 Seiten, Raufasertapete, Karton, Photographie,
Sand, Graphit, Leinöl
VITRINE 6
Heroische Sinnbilder, 1969–2010, 60 x 45 x 4 cm, 10 Seiten, Karton, Papier, Photographie,
Gouache, Aquarell, Graphit
Heroische Sinnbilder, 1969–2010, 59,8 x 45 x 8,2 cm, 20 Seiten, Karton, Papier,
Photographie, Gouache, Aquarell, Graphit
VITRINE 8
Die Frauen der Revolution, 1986, 71 x 50,5 x 7,5 cm, 22 Seiten, Karton, Blei, Kohle, Blumen
Die Frauen der Revolution von Jules Michelet, 1996, 58,5 x 60 x 10 cm, 34 Seiten, Karton,
Photographie, Emulsion, Acryl, Kreide
Die Frauen der Revolution von Jules Michelet, 1996, 59 x 60 x 9,5 cm, Karton, Photographie,
Emulsion, Acryl, Kreide
VITRINE 11
Jesaia (über euren Städten wird Gras wachsen), 1999, 125,5 x 80 x 7 cm, 36 Seiten,
Photographie, Blätter, Acryl, Sand
Die Trümmerfrauen, 1999, 103 x 80 x 6,5 cm, 24 Seiten, Karton, Photographie, Sand,
Gouache, Graphit
VITRINE 12
Diamat, 1999, 104 x 81 x 12 cm, 38 Seiten, Karton, Photographie, Kohle, Sand, Asche,
Lehm
Yü Gung , 1999, 103,5 x 81 x 8 cm, 22 Seiten, Karton, Photographie, Kohle, Sand, Asche,
Lehm
VITRINE 13
Velimir Chlebnikov. Zeit, Maß der Welt – neue Lehre vom Krieg. Band I §1 – §3, 1996,
59 x 64 x 10 cm, 44 Seiten, Karton, Photographie, Emulsion, Acryl, Kohle, Tinte
Velimir Chlebnikov. Zeit, Maß der Welt – neue Lehre vom Krieg. Band II §4 – §9, 1997,
59 x 63 x 9 cm, 40 Seiten, Karton, Photographie, Emulsion, Acryl, Kohle, Tinte
VITRINE 15
Halme der Nacht – Paul Celan, 2005, 63 x 42 x 15 cm, 28 Seiten, Karton, Photographie,
Kohle, Zweige
Es ist einer, der trägt mein Haar, 2005, 63 x 42 x 8 cm, 28 Seiten, Karton, Photographie,
Acryl, Zweige, Haare, Klebemittel
O Halme der Halme ihr Halme der Nacht, 2005, 63 x 43 x 9,5 cm, 36 Seiten, Karton,
Photographie, Kreide, Tinte, Zweige
VITRINE 16
Lichtung für M. H., 2010–2014, 64 x 53 x 4 cm, 30 Seiten, Karton, Photographie, Kreide,
Kohle, Silber
Für Martin Heidegger – Todtnauberg, 2010–2014, 103 x 66 x 4 cm, 20 Seiten, Karton,
Photographie, Kreide, Kohle, Silber
VITRINE 17
The secret life of plants, 1997, 104 x 80 x 12,5 cm, 28 Seiten, Karton, Photographie,
Sonnenblumenkerne
The secret life of plants, 1997, 103,5 x 80,5 x 12 cm, 26 Seiten, Karton, Photographie,
Sonnenblumenkerne
VITRINE 19
Grab des Malers, 1999, 104 x 81 x 11 cm, 16 Seiten, Photographie, Öl, Acryl, Schellack, Sand
L’Écorce du monde – für Edmond Jabès, 1999, 104,5 x 81 x 10,5 cm, 32 Seiten, Aluminium,
Acryl, Emulsion, Kohle, Schellack, Sand
VITRINE 20
Aperiatur terra, 2006, 63,5 x 44 x 5 cm, 40 Seiten, Photographie, Aluminium, Lehm, Acryl,
Emulsion, Schellack
Aperiatur terra, 2006 , Photographie, Aluminium, Lehm, Acryl, Emulsion, Schellack
Aperiatur terra, 2006, 60 x 63 x 5,5 cm, 20 Seiten, Photographie, Aluminium, Lehm, Acryl,
Emulsion, Schellack, Haare
VITRINE 21
Blutblume, 2001, 61 x 48 x 8 cm, 28 Seiten, Photographie, Blei, Gouache
Tanderadei, 2013, 95 x 70 x 10 cm, 18 Seiten, Leinen, Photographie, Acryl, Emulsion, Öl,
Schellack, galvanisiertes Blei
VITRINE 22
Die Wolkensäule, 2015, 65,5 x 57 x 8,5 cm, 20 Seiten, Karton, Aquarell, Gips, Graphit
Die Wolkensäule. Exodus, 2015, 81 x 60 x 13 cm, 10 Seiten, Karton, Aquarell, Gips, Kohle,
Graphit
Ich bin der ich bin, 2015, 48 x 50 x 6 cm, 10 Seiten, Karton, Aquarell, Gips
SKULPTUR
Sappho, 2008, 210 x 130 x 130 cm, Metall, Gips, Kunstharz, Karton
Der Rhein, 1982/2013, 190 x 165 cm, Holzschnitt auf Karton auf Leinwand auf Holzpanel,
Buch, 18 Seiten, Leihgabe des Künstlers. Courtesy Galerie Bastian, Berlin
HOLZSCHNITTE
Dem unbekannten Maler, 1982/2013, 330 x 380 cm, Holzschnitt auf Karton auf Leinwand,
Leihgabe des Künstlers, Courtesy Galerie Bastian, Berlin
Der Rhein, 1982/2013, 330 x 330 cm, Holzschnitt auf Karton auf Leinwand, Leihgabe des
Künstlers, Courtesy Galerie Bastian, Berlin
PRESSE
ANSELM KIEFER. DIE WELT – EIN BUCH
Blutblume 2001
61 x 48 x 8 cm
Photographie, Blei, Gouache
Es ist einer, der trägt mein Haar 2005
63 x 42 x 8 cm | Karton, Photographie, Acryl,
Zweige, Haare, Klebemittel
Poesie 1969
25 x 19 x 3,5 cm | Papier, Photographie, Collage,
Tinte
alle: Privatbesitz, © Anselm Kiefer
Aperiatur terra 2006
60 x 63 x 5,5 cm
Photographie, Aluminium, Lehm, Acryl, Emulsion,
Schellack, Haare
Für Jean Genet 1969–2010
60 x 45 x 5 cm | Karton, Photographie, Gouache,
Aquarell, Graphit
Du bist Maler 1969
25x19x1 cm | Papier, Photographie, Tinte
PRESSE
ANSELM KIEFER. DIE WELT – EIN BUCH
Die Wolkensäule 2015
Velimir Chlebnikov. Zeit, Maß der Welt –
neue Lehre vom Krieg. Band I §1 – §3
65,5 x 57 x 8,5 cm
Karton, Aquarell, Gips, Graphit
1996 | 59 x 64 x 10 cm | Karton, Photographie,
Emulsion, Acryl, Kohle, Tinte Die Trümmerfrauen 1999
103 x 80 x 6,5 cm
Karton, Photographie, Sand, Gouache
alle: Privatbesitz, © Anselm Kiefer
Die Überschwemmung Heidelbergs I
1969 | 30 x 22 x 2 cm | Papier, Photographie,
Ölfarbe, Kobaltsikkativ, Graphit
PRESSE
Anselm Kiefer
Die Welt – ein Buch
Schirmer/Mosel 2016, Edition Heiner
Bastian. 100 Seiten, ca. 100 Farbtafeln.
Format: 23 x 30 cm, gebunden. Euro 45
Beiträge
Hans-Werner Schmidt
»Mythologische Bildlandschaften«
Aeneas Bastian
»Erinnern in Bildern«. Anselm Kiefers prämoderne Künstlerbücher
Anselm Kiefer und Christoph Ransmayr
»In den Ruinen von Saïs«
Heiner Bastian
»Fremdheit«
Hans Werner Schmidt »Mythologische Bildlandschaften«
2008 erhält Anselm Kiefer den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels.
Die ihm verliehene Auszeichnung endet mit dem Satz: »Er hat das Buch selbst,
die Form des Buches, zu einem entscheidenden Ausdrucksträger gemacht.
­G egen den Defätismus, der Buch und Lesen eine Zukunft abzusprechen wagt,
erscheinen seine Folianten aus Blei als Schutzschilde.« 2 Dieses Bekenntnis
steht den Prophezeiungen gegenüber, die seit 30 Jahren das Ende des Buches
verkünden. Der Skepsis, bezogen auf die elektronischen M
­ edien, mit der Frage
zu begegnen, wer stellt sich schon eine Diskette ins B
­ ücherregal, wird allerdings nicht von der Einsicht in die Dimension des ­U mbruchs getragen. Doch
diesem prognostizierten Auslaufmodell »Buch« steht die Realität zweier
deutscher Buchmessen entgegen, deren jährliches Angebot selbst den Lesefreudigsten das Gefühl des Kapitulierens beschert und umso mehr nach Orientierung verlangt.
Die Erstellung von Künstlerbüchern scheint angesichts dieser Entwicklung
in den Grundfesten nicht erschütterbar zu sein. Das Künstlerbuch ist seit der
Dada-Bewegung, seit den surrealistischen Zirkeln eine Bildgattung, die vor
­allem in der Fluxus-Bewegung der 1960er-Jahre, in ihrer Verbindung von
­L iteratur und Bildender Kunst, in einem Entwicklungskontinuum Höhe­
punkte erreichte. Verstanden als nicht primär Text vermittelndes Medium
stellt das Künstlerbuch eine eigene Artikulationsform dar: die Kunst in Buchform. Zweifellos hat Anselm Kiefer dieses Medium neu gedacht und wei­ter­
geführt: Zwei über die hier beschriebenen Jahrzehnte hinaus entwickelte
­K riterien treffen zu – das ›Malerbuch‹, das eine Serie von Bildern zwischen
zwei Buchdeckeln vereint und das Buchobjekt, also das plastische Gebilde.
Nicht zutreffend für das Kiefer’sche Œuvre ist das ›schöne Buch‹, das über Illustrationen einen Text begleitet und diesen typographisch in Szene setzt.
Dabei ist Kiefer textorientiert. Er beginnt seine Rede in der Paulskirche
2008: »Ich denke in Bildern. Dabei helfen mir Gedichte. Sie sind wie Bojen im
Meer. Ich schwimme zu ihnen, von einer zur anderen; dazwischen, ohne sie,
bin ich verloren.« 3 In seinen historisch-mythologischen Bildlandschaften ­b e­zieht sich Kiefer auf Zitate von Autorinnen und Autoren, die ihn ein Leben
lang begleiten: Er zitiert aus den Strophen der antiken Dichterin Sappho und
den Versen Ovids, aus den Gedichten Rimbauds und Baudelaires und vor allem
aus den Texten von Ingeborg Bachmann, Paul Celan, R. M. Rilke oder Velimir
Chlebnikov. Er ­f indet Referenzen bei Martin Heidegger und Ernst Bloch und
vielen anderen Autoren, er bezieht sich auf die Bibel und die Kabbala.
Wenn Wahrnehmung auf Wirklichkeit trifft, dann kommt im alltäglichen
Verkehr in der Mitteilung darüber das Wort zum Einsatz. Auch wenn man es
»Ein echtes Kunstwerk bleibt,
wie ein Naturwerk,
für unseren Verstand immer unendlich:
es wird angeschaut, empfunden; es wirkt,
es kann aber nicht eigentlich erkannt,
viel weniger sein Wesen,
sein Verdienst mit Worten
ausgesprochen werden.»
Johann Wolfgang von Goethe
»Über Laokoon« 1
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reflexiv im Verhältnis zum Wahrgenommenen einsetzt, das heißt, die Wort­
genese im Sinne des Grimm’schen Wörterbuches erkundet, es in einer Fami­lie der Sprachen verankert, es in seiner lautmalerischen Dimension auslotet,
um somit mehr noch über die Emotionalität der Botschaft zu erfahren –
das Wort bleibt ein Instrument, das Wirklichkeit ausstanzt. Der Maler Cy
Twombly hatte dem ›Bild‹ ursprünglich Eigenschaften zugesprochen, die
Worte nicht haben könnten. Deshalb hier eine Passage aus der Rede des
­Vorstehers des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels: »Durch die neue
Bildwissenschaft wissen wir mehr als je zuvor, daß es neben der Logik der
Worte eine solche der Bilder gibt, und daß die Sprache des Bildes uns und
­u nsere Welt zutiefst bestimmt und mehr prägt, als wir je ahnten.« 4
Roland Barthes, der über die hohe Kunst des Essays die Gesellschafts- und
Ich-Analyse in eine roman- und montagehafte Form überträgt, reflektiert die
eigene lehrende Rolle: »Der Professor steht auf der Seite der Lüge und der
­Irreführung, der Schriftsteller auf der Seite der Wahrheit«, 5 die Parolen
­fürchtet, sprachliche Rituale abwendet und das protokollhafte Schreiben
­m eidet. Die all das meidende Sprache wird in ihrer elaborierten Form ortlos
und damit überall gegenwärtig. Ihre vermeintlichen Unschärfen stellen erst
die Denkräume dar – ihre Worte gleichen dem offenen Kommunikations­a n­
gebot der Bilder. Anselm Kiefers Bilderbücher verweisen in ihren tagebuch­
ähnlichen Bestandsaufnahmen – den Reliktsicherungen, Notaten und allein
dem Autor vertrauten Ordnungssystemen, in den niedergeschriebenen text­
lichen Pathospartikeln, die eher eine unsichere Hand verraten und allem
­a nderen als einer präzisen Gravur entsprechen – auf Orte und Zeiträume, die
eher in einem Roman oder in der Poesie ihre Referenzen finden und ­weniger in
einer historischen Abhandlung. So bewegt sich der Autor, Selbst­b efragungs­
situationen gleichkommend, an Orten, die Erstansichten aus Landschaften
gleichen, angereichert mit Spuren fiktiver Archäologie.
Anselm Kiefer, geboren 1945 in Donaueschingen, ist in Ruinen und den
deutschen Trümmerfeldern groß geworden. Für diese, dem Kind noch als
Abenteuerlandschaft gleichkommende Umgebung, fand der Heranwachsende
in der Gesellschaft keine überzeugenden Antworten. Zeitgeschichte operierte
mit der Zäsur und der Stunde Null, von der Anselm Kiefer sagt, daß es sie nie
gegeben hat. Vernunft erschien allein in der operablen Größe der Techno­
kratie. Die Welt der Mythen geriet demgegenüber nach 1945 unter Generalverdacht, bedingt durch ihre nationalsozialistische Inanspruchnahme. Doch
dieses mit einem Bann belegte mythische Denken ist allseits präsent – in den
Mythen des Alltags, als Konstitutionen der Populärkultur mit all ihren tri­
vialen Erscheinungsformen.
Der Mythos ist historisch in seiner Genese und ahistorisch zugleich in
6
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s­einer Langzeitwirkung. Er bleibt wirkmächtig über einen geschichtlichen
Verlauf hinweg und schafft so eine mythische Bewußtseinsstruktur. Der
­M ythos ist eine Ordnungsinstanz, über die die Welt auch zu einer Erklärung
findet. Der Mythos geht mit seinem Erklärungspotenzial immer mit dem
­E lement der Verklärung einher. Auch darin besitzt er eine Doppelstruktur: der
Schleier birgt subversive Wunschwelten nach einer möglichen Wirklichkeit.
Somit stabilisiert und beunruhigt der Mythos zugleich. »Eine wissenschaft­
liche Aussage kann widerlegt werden, und widerlegt, ist sie nichts mehr als ein
Irrtum. Ein Mythos ist nicht widerlegbar: er wird an­g enommen oder abgelehnt, aber selbst abgelehnt, bleibt er: eine E­ rzählung mit ihren Themen, die
darin verwoben sind und die die Erzählung zugleich weben, um sie zu rechtfertigen, indem sie sich dabei rechtfertigen.« 6
Der Mythos bewegt sich auf dem Grat zwischen Verbergen und Darstellen.
Die Ansprache erfolgt über die Kommunikationsform des Raunens. Anselm
Kiefer findet hierzu das visuelle Pendant – in Büchern von der »Donau­q uel­l e«
oder dem »Rhein«, der »Hermanns-Schlacht«, »Der Nibelungen Leid«, »Siegfried’s Difficult Way to Brünhilde«, »Alarichs Grab«, »Kyffhäuser«, ­» Märkischer
Sand« und »Unternehmen Seelöwe«: Titel, die Vorstellungsbilder evozieren,
denen ritualisierte Erinnerungen und wirksame Emotionen eher entsprechen
als ein historischer Diskurs in seiner interpretatorischen Vielfalt. Und gegen
den vermeintlichen Verstehensreflex inszeniert Kiefer in seinen Bildern und
Büchern Leerstellen als Bühnen, auf denen emotionale Besetzung und gedankliche Erschließung wie ein Dioskurenpaar agieren. Nach Roland Barthes
verwandelt der Mythos Geschichte in Natur. 7 Auch bei Kiefer erscheint das
Bild der Geschichte in natürlichen Schichtungen aus farbigen Erden und
­b o­tanischen Resten, erstarrt, ausgetrocknet und zerrissen wie eine gealterte
Haut, die gleichsam verdeckt und Einblicke gibt.
Anselm Kiefers Materialien sind einfache holzartige Werkdruckpapiere,
Bleifolien, Pflanzen, Tonerde, Aquarelle, wissenschaftliche Reproduktionen,
Holzschnitte und Stempeldrucke. Photographie erscheint in einem Zustand,
die das ­Z u­fäl­l ige der Entwicklung akzeptiert. Doppelbelichtungen lassen chimärenhaft antike Größe aus Ruinen entstehen. Spuren von Befall, Zersetzung
und Brand dokumentieren die Vergänglichkeit des Bildes – aber auch der da­
rin aufgehobenen Erinnerungen.
Manche Bücher erscheinen wie gerettete Fundstücke einer untergegangenen Bibliothek, wobei das Wasser das Papier in Wellen gelegt hat, der Brand
ihnen Schwarzzonen zugefügt hat, das Licht sie geblichen hat und der Sand
ihnen eine natürliche Kaschierung verliehen hat. So entsteht über den Bedeutungskodex der Werkstoffe und ikonisch aufgeladenen Motiven, den Zitaten
wie auch eingeschriebenen Titeln, die im unsicheren Duktus ihre jeweiligen
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Befragungen in sich tragen, ein Geflecht von Verweisen ohne Stringenz des
Beweises. Diese Offenheit ist auch den Kompositionen eingeschrieben, in
denen Ansätze einer über Perspektive zu etablierenden Hierarchie untergehen
in den Furchen eines verschneiten Kartoffelackers, den Wellen eines Wasserlaufes – die wiederum ihre Entsprechung finden in den Maserungen eines
Holzes – den Ährenfeldern und dem Flug der Blütenblätter wie auch den Ziegelsteinformationen, die fest gefügt doch mit dem Bild einer nicht zur Ruhe
kommenden Versammlung einher­g ehen. Roland Barthes soll im hundertsten
Jahr seiner Geburt noch einmal zu Wort kommen: »Stilistisch gesehen, ist der
Mythos rechts«. 8 Anselm Kiefer arbeitet seit bald 50 Jahren daran, diese Statistik zu korrigieren. Die Dialektik der Aufklärung belegt nur allzu deutlich, daß
eben diese als Beschworene M
­ ythos ist, während die Mythen und vor allem
ihre Bilder die multikulturelle Substanz unserer Welt darstellen.
So finden wir Anselm Kiefer als suchenden Mythenerkunder auch in der
jüdischen Mystik und in den Kulturen des Zwei­s tromlandes. Wie der Erzähler
eines Menschheitsplans, wie ein Baumeister philosophischer Lehrgebäude
und genealogischer Verästelungen ist er unterwegs vom Orient in den Okzident, von der Antike bis in die Zeitgeschichte. Im Dialog mit den Naturwissenschaften beschäftigen Kiefer drei Einsichten. Dabei erfährt die Astrophysik
bei ihm den Transfer in die A
­ stralmystik: jeder Pflanze auf der Erde entspricht
ein Stern im Kosmos. Der Mensch ist älter als die Erde, denn wir tragen in uns
Teilchen, die schon vor der Entstehung unseres Planeten vorhanden waren.
Die Entfernung zwischen dem Atom und dem Elektron ist immens. Wenn
man sich den Atomkern in der Größe eines Fußballs vorstellt, dann wäre das
Elektron etwa einen Kilometer entfernt – und dazwischen: nichts. Es ist der
leere Raum, aus dem alles besteht. Auch davon kündet die Ausstellung »Anselm Kiefer. Die Welt – ein Buch« im Museum der bildenden Künste Leipzig.
Es ist die erste Ausstellung der Bücher Anselm Kiefers seit 25 Jahren in einem
deutschen Museum. Gedankt sei Anselm Kiefer und seinen Mitarbeitern.
Gedankt sei Aeneas, Céline und Heiner Bastian.
1
Johann Wolfgang von Goethe, Band 12 (Hamburger Ausgabe 1981), S. 56.
Urkunde, in: Friedenspreis des Deutschen Buchhandels 2008. Anselm Kiefer, Frankfurt am Main 2008, S. 7.
3
Anselm Kiefer, ebenda, S. 61.
4
Gottfried Honnefelder, ebenda, S. 13.
5
Tiphaine Samoyault, Roland Barthes. Die Biographie, Berlin 2015, S. 642.
6
Jean Poullion, Die mythische Funktion, in: Claude Lévi-Strauss, Jean-Pierre Vernant u. a., Mythos ohne
Illusion, Frankfurt am Main 1984, S. 72.
7
Roland Barthes, Mythen des Alltags, Frankfurt am Main 1970, S. 113.
8
Roland Barthes, ebenda, S. 138.
2
8
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Aeneas Bastian »Erinnern in Bildern«
Anselm Kiefers prämoderne Künstlerbücher
»In books lies the soul
of the whole Past Time:
the articulate audible
voice of the Past,
when the body and material
substance of it has altogether
vanished like a dream«
Thomas Carlyle
Als Anselm Kiefer, Absolvent der Karlsruher Kunstakademie, im Jahre
1969 eine Reihe von Künstlerbüchern anfertigt, beginnt er mit der Erprobung
einer Gattung, der für die Entwicklung seines Werkes eine wesentliche Bedeutung zukommen wird. In den folgenden Jahren führt er das Genre des Künstler­
buches zu jener Form von Autonomie, die es erst in der Nachkriegsmoderne
erreichen kann, als es die kühnen literarischen Affirmationen von Verlaine,
Mallarmé und Marinetti in Bildern einzulösen gilt. Kiefer ›befreit‹ seine
Künstlerbücher vom Primat der Illustration und typographischen Neugestaltung eines Textes, der sich bereits in Buchform etabliert hat.
Auf der aufgeschlagenen Doppelseite eines Buches von Anselm Kiefer
sehen wir eine weite, menschenleere Landschaft, deren melancholische Ausstrahlung zu verraten scheint, daß sie Schauplatz von Krieg und Katastrophen
war. Aus diesem in Kiefers Büchern rekurrierenden Landschaftsmotiv spricht
eine Grundannahme des Künstlers: Die Natur vermag sich in zyklischem
Werden und Vergehen, dem Kreislauf von Zerstörung durch Feuer und Wasser und Neubeginn aus der Fruchtbarkeit der Erde unablässig zu wandeln. Der
Mensch hingegen wirkt wie ein der Gegenwart Verhafteter, eine flüchtige Erscheinung, deren Suche nach Permanenz und Verewigung des Heutigen immer
nur scheitern kann. Anselm Kiefer betrachtet kosmische Zeiträume, die die
Lebenszeit des Menschen übersteigen und das Maß seiner Existenz diminuiert
erscheinen lassen.
Die Ikonographie der Vergänglichkeit ruinöser Fragmente der Tempel und
menschlichen Behausungen Mesopotamiens, Griechenlands oder Indiens, die
in Titeln wie »Ninife« und »Jesaia (über euren Städten wird Gras wachsen)«
zum Ausdruck kommt, wird zu einem Leitmotiv. Ansichten des Braunen Hauses und der Reichskanzlei zeigen dem Betrachter Relikte einer ungezügelten
Hybris, die sich in leeren Formeln des Pathos einen architektonischen Ausdruck suchte, mit dessen Bruchstücken die Trümmerfrauen schließlich den
Wiederaufbau eines selbstzerstörerischen Landes initiieren.
Anselm Kiefers vollständig von Hand hergestellte, kleinformatige Hefte
wie auch große und schwere Folianten entziehen sich ausnahmslos der modernen Logik von Reproduzierbarkeit und effizienter Vervielfältigung für Leser
und Betrachter. Für Kiefer konstituiert sich das Künstlerbuch als singuläres,
nicht replizierbares Objekt, dessen Herstellung ausschließlich auf ihn selbst
zurückgeht. Diese bereits in den siebziger Jahren gefestigte konzeptuelle Position manifestiert sich in der physischen Präsenz und Fragilität seiner Bücher,
der geradezu antivirtuellen, haptischen Substanz seiner Buchkörper. In diesem
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Sinne reflektieren die Holzschnitte, die gezeichneten und aquarellierten Seiten
seiner Künstlerbücher die manuelle Entstehung von Büchern, insbesondere
die Arbeit von Schreibern und Holzschnitzern aus der Frühzeit der Buch­
geschichte vor Bi Shengs und Johannes Gutenbergs Erfindungen. Anselm
Kiefers Bücher aus Blei erinnern an die Alonso de Castillo und Miguel de
Luna zugeschriebenen Bleibücher vom Sacromonte, die im 16. Jahrhundert in
Granada gefunden werden.
Kiefer überarbeitet die Seiten seiner Bücher, die aus Papier, Karton oder
Blei bestehen, mit organischen Materialien wie getrockneten Blättern, Haaren
und Sand. Sie tragen handgeschriebene Titelzeilen: Zueignungen, Widmungen und Notationen, die die Darstellungen begleiten, ihre Themen und Variationen ankündigen. Aus dem unerschöpflichen Reservoir der Weltgeschichte
extrahiert Anselm Kiefer Evokationen von Gestalten wie Arminius und
Heliogabal. Das Atelier – ein in mehreren Büchern wiederkehrendes Bild – ist
szenischer Entstehungsort sowohl von Kiefers Dokumenten zu Aktionen
(Fiktionalisierung der Geschichte) wie in der »Überschwemmung Heidelbergs« als auch von Dokumenten der Kontemplation faktisch belegter historischer Ereignisse (Betrachtung der Geschichte) wie in den »Besetzungen«.
Vielgestaltigen Mythenfiguren der europäischen Geistesgeschichte wie
Tannhäuser, Siegfried, Brünhilde, Lilith und Sulamith widmet Anselm Kiefer
umfangreiche Bücher. Schlüsselmotive seiner Bücher schöpft er aus dichte­
rischen Analogien zum Wirken natürlicher und göttlicher Kräfte. Kiefer verweist auf die Poesie von Paul Celan, Ingeborg Bachmann, Louis-Ferdinand
Céline und Jean Genet. Das wiederholte Zitieren ihrer Gedichte wirkt wie
eine beschwörende Vergegenwärtigung der Poesie, die in seinen Arbeiten fortlebt, festgehalten und tradiert wird.
Eine Vielzahl seiner Bücher beruht auf Schwarzweiß-Photographien, die
Kiefer in seinen Ateliers und auf Reisen aufgenommen, entwickelt und auf
Buchseiten aufgeklebt hat. Die Photographie geht dabei prinzipiell der Entstehung der Künstlerbücher voraus. Aus den ausgewählten photographischen
Blättern entsteht beim Übermalen eine Überlagerung verfremdeter Schichten,
die schließlich vor den Augen des Betrachters sukzessive unter schwarzer Farbe verschwinden. Die Darstellung erlischt, was den Endpunkt einer narrativ
angelegten Bildsequenz akzentuiert.
Anselm Kiefer hat das Verhältnis von Bild und Sprache in einer in der europäischen Geschichte der Buchherstellung zuvor ungeahnten Art und Weise
skaliert. Seine Künstlerbücher wirken als Speicher eines Bildgedächtnisses,
das Dichtungen und Erzählungen umschließt, die unserer kollektiven Erinnerung zu entrinnen drohen. Sie sind der Spiegel, in dem sich die Ströme der
Unruhe des Vergangenen offenbaren.
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Anselm Kiefer und Christoph Ransmayr >In den Ruinen von Saïs<
Christoph Ransmayr: Ich habe in der vergangenen Nacht noch lange in
­e inem deiner Bücher gelesen. Es war drei, als ich zuletzt auf die Uhr gesehen
habe und ›Maruf‹...
Anselm Kiefer: Ach so, ›Maruf der Schuhflicker‹ (lacht).
CR: ...›Maruf der Schuhflicker‹ zugeklappt habe, ein orientalisches M
­ ärchen,
das du als Sechs- oder Siebenjähriger in einer eigenen Fassung nacherzählt,
­illustriert und gebunden hast. Ich kannte diese Geschichte nicht und habe
mich gefühlt wie in den Tagen meiner ersten Erfahrungen mit Büchern, die
mich plötzlich an andere Orte, vor allem aber in andere Zeiten versetzten...
Bücher waren für mich immer auch Zeitmaschinen, in denen ich Menschen
reden höre, die vielleicht schon tausend Jahre oder länger tot sind.
AK: Ein Buch ist immer auch Erinnerung. Ich hab mal gehört, daß ein
Dichter, ein Künstler auch, eigentlich alles aus der Erinnerung schöpft. Und
alles, was wir sehen, ist nur Wiedersehen. Deswegen war ja, als ich nach
­Frankreich gezogen bin..., das war an sich der größte Fehler... Ich war in Südfrankreich, einer sehr schönen Gegend, aber...
CR: ...du hast nichts wiedererkannt?
AK: Ja, ich habe nie ein Bild gemacht, das der Landschaft dort entspricht.
Obwohl Cézanne da war, van Gogh war da, aber es war nicht meine Landschaft. Heute bezeichne ich das natürlich nicht mehr als Fehler, seit ich dort
Tunnel hergestellt habe, in den Untergrund gegangen bin... Wir machen ja andauernd Fehler, die nach einer gewissen Zeit keine mehr sind...
CR: ...oder sich in etwas verwandeln, das sich dann als das Richtige, ja einzig
Mögliche herausstellt.
AK: Ich weiß nicht, wie das ist, wenn man zum ersten Mal ein Buch sieht.
Ich habe daran keine Erinnerung. Als ich lesen gelernt habe, das weiß ich noch,
war ich ganz stolz: Ich konnte Zeitung lesen! Etwas anderes gab es bei uns
nicht, nur diese komische Tageszeitung. Hast du eine genaue Erinnerung, wie
es war, als du zum ersten Mal ein Buch gesehen hast?
CR: Eigentlich erinnere ich mich nur an die ›Erzählung‹ von einem Buch.
Meine Mutter hat mir gesagt, daß ich, als ich sprechen lernte, begann, zu allem
›Buch‹ zu sagen, was Buchstaben trug. Und daß ich das zum ersten Mal tat, als
ich ein Flugzeug sah, das eines dieser flatternden Werbebänder hinter sich herzog. Das war so eine kleine, einmotorige Maschine, gesteuert von einem Mann,
der bei gutem Wetter jeden Sonntag über einen See in der Nähe meines Dorfes
flog und eine Werbeaufschrift, seinen eigenen Namen, durch den Himmel
schleifte. Auf diese Schleife soll ich gezeigt und gesagt haben ›Buch‹.
AK: Das ist ziemlich analytisch. Du hast den Schriftzug, der Buchstaben
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enthält; du hast die Buchstaben herausgenommen in ein Buch getan, sozusagen. Das ist interessant. Ich hab das Buch mehr als Ding aufgefaßt, glaube ich.
CR: Das war es dann ja auch. Ich empfand erst viel später eine Art Sehnsucht nach dem Lesen – ähnlich wie wir etwa gelegentlich die von der Schwerkraft wie losgelösten Fähigkeiten eines Artisten bewundern und ihn darum
beneiden. Wenn ich als kindlicher Analphabet einen Menschen mit einem
Buch ohne Bilder sah, einen Leser, der allein im Muster der Buchstaben zu
­versinken schien, dann habe ich danach ein solches Buch genommen und mich
genauso hingesetzt und jemanden nachgeahmt, der liest.
AK: Eine Art von Animismus. Wie Einwohner im Kongo, das ist schon
lange, 60 Jahre her, da haben die ein Flugzeug gebaut aus Lappen und Lumpen,
und ­h aben gebetet, daß es fliegt.
CR: Und ich habe damals gedacht, ein solches Wunder würde geschehen
und ich könnte alle Zeichen verstehen, wenn ich die Buchstaben nur lange
­g enug anstarren würde... Als ich dann wirklich lesen lernte, mein Vater hatte ja
eine für unsere Verhältnisse recht stattliche Bibliothek – die Ilias und Odyssee
im Original, die russischen Romanciers im Original – dachte ich, nun sei mir
­d iese Welt endlich zugänglich. Ich konnte dann tatsächlich einige Titel entziffern, die meisten blieben allerdings unleserlich, weil sie eben kyrillisch oder
griechisch waren.
AK: Da warst du in einem kultivierten Umfeld. Das war ich nicht (lacht).
Bei uns gab‘s keine Bibliothek.
CR: Aber wenn ich sehe, was du aus diesem Umfeld gemacht hast..., zum
­B eispiel dieses Buch gestern Nacht, die Geschichte von einem Schuhflicker,
die mir noch jetzt ein archaisches Leseerlebnis ermöglicht...
AK: ...ich überlege die ganze Zeit, warum ich das gemacht habe.
CR: Das Buch ›Maruf‹?
AK: Ja. Ich glaube, das war wie bei dir mit dem Animismus. Ich glaube, ich
habe dem Buch die Zahl 42 auf den Rücken geschrieben. Als ob das eine
­Kontinuität wäre, das 42. Buch. Ich wollte dadurch etwas beschwören. Daß ich
eine Geschichte habe, eine Biographie und bereits an einem gewissen Punkt
angekommen bin. Ich glaube, da ist ja viel Animistisches, auch in der Literatur.
CR: Absolut. Ich habe mich über der Lektüre Marufs gefragt, was mich
vor vielen Jahren an einem Foto deiner bleiernen Bibliothek so begeistert, ja
überwältigt hat... Ich kannte davon zunächst ja nur Abbildungen. Man denkt ja
oft, in seinem Verständnis von etwas, eine Früh- und Vorgeschichte zu haben
und dann, endlich, würde man das definitive Verhältnis dazu finden und damit
für den Rest des Lebens durch die Welt gehen. Dabei setzt sich auch hier
alle Entwicklung ununterbrochen fort: Ausgehend vom Buch als einer Art
Zauberschachtel, in der die Welt verwandelt wird, zum Begriff, zum Wort ge-
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bracht: das Weltmeer zu bloßen Silbenfolgen wie Ozean, Atlantik, Pazifik.
Dabei jedes Wort ohne einen Tropfen Wasser...
AK: ... alles rückgeführt. Am Anfang war das Wort.
Aber bei mir waren ja zuerst die Bleibücher. Und die Bleibücher waren in­
sofern interessant, als man sie ja nicht lesen kann, sie sind zu schwer, Blei läßt
nichts durch, sie sind die absolute Vergeheimnissung. Das spielt ja an auf die
Dialektik von Sein und Nichts. Wenn wir etwas tun, dann ist die Negation
schon immer enthalten. Insofern sind Bleibücher völlig paradox. Du kannst
sie nicht durchblättern, du kannst sie nicht lesen und was sie enthalten, weißt
du nicht.
CR: Aber wenn ich auf der einen Seite meine Vorstellung, meine Erfahrung
des Buches als einen Speicher habe, in dem sich die zur Sprache gebrachte
Welt findet, ist der Ozean plötzlich nicht mehr diese brausende, vom Mond
geschaukelte Unendlichkeit, sondern nur noch ein Wort, bis dieser Speicher
wieder decodiert, entpackt wird, und das Bild der Wirklichkeit von neuem in
dir entsteht.
AK: Du meinst, wenn du den Ozean aufschlüsselst? Was übrigens der Held
in dem wunderbaren Film ›Solaris‹ von Tarkowski versucht.
CR: Genau. Wenn ich das Wort wieder mit meinen Erfahrungen oder­
Vorstellungen fülle. Nur, bei deinen Büchern stand allein das Buch als Ding:
Es stand als bleiernes Objekt vor mir und enthielt nur Objekte – Zweige,
Mohn, Blätter, alles, was du in diese Bücher verfrachtet oder eingeklebt h­ attest,
fiel, bröselte, rieselte mir daraus wieder entgegen; nicht das ›Wort‹ Rose,
­s ondern die wirkliche Rose, nicht der Mohn...
AK: ...also du hast mit anderen Worten den Schleier von Saïs gelüftet...
CR: »Meinen Schleier hat noch kein Sterblicher gelüftet«, hat Plutarch jene
Inschrift überliefert, die über der verhüllten Statue der Isis oder Athene im
­a ltägyptischen Saïs zu lesen war: »Ich bin die Vergangenheit, der Augenblick
und die Zukunft. Meinen Schleier hat noch kein Sterblicher gelüftet...« Danke,
lieber Anselm, daß du mir so viel zutraust. Aber für mich bedurfte es nur der
Erfahrung eines Kunstwerks, um das Verhältnis zu dem, was für mich Buch
war, ist oder noch werden kann, zu verwandeln. Was wir übrigens ja ständig
erleben – im Augenblick etwa die Frage, ob ein Buch etwas Materielles sein
muß oder auch bloß eine Datei sein darf, die wir als eBook auf unsere Bildschirme zaubern.
AK: Also ich würde sagen, ein eBook oder dieses iPad, das ist etwas ganz
­a nderes, weil für mich Verortung dazugehört. Wenn ich ein Buch lese, dann
weiß ich und erinnere mich: Das war links, das war rechts, das war ungefähr
ein Drittel... Man geht in einem Buch wie ein Taucher in einem See spazieren,
und man weiß, ah ja, das war da, das war da und das war da – vielleicht bin ich
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zu alt dafür – aber ich könnte nie ein eBook lesen. Unmöglich. Ich brauche
das physische Buch. Ich brauche die Buchstaben. Und früher war das ja noch
– das klingt jetzt nostalgisch – aber für mich ist es etwas Wichtiges. Früher
konnte man noch, wenn man die Buchseite berührt hat...
CR: ...mit den Fingerkuppen das Relief des Bleisatzes fühlen.
AK: Ja, und das sind die Buchstaben. Und die Buchstaben haben eine
My­thologie. >Der verlorene Buchstabe< oder der >Golem...< Ich denke an
­d iesen Rabbi Löw, der mit einer bestimmten Konstellation von Worten den
Golem erschaffen hat. Natürlich war der Golem nicht perfekt, er war bösartig.
Deshalb mußte eine andere Kombination gefunden werden, die ihn wieder
zum Verschwinden brachte. Also, das alles gibt es in dem digitalen Buch ja
nicht mehr.
CR: Das Erste, was ich mache, wenn ich ein Buch vor mir habe, ist, es aufzuschlagen und daran zu riechen. Jedes Buch hat einen anderen Geruch; ein
bleigesetztes riecht anders als ein im Fotosatz gedrucktes. Aber wenn du
­i rgendwann deine Erfahrungen gemacht hast mit dem Ding Buch, wenn du es
aufgeschlagen und etwa die Fadenheftung oder Klebebindung geprüft hast,
alles aus dieser Dingwelt, dann kannst du unter Umständen auch in die digitale Welt eintreten, kannst Dateien lesen und dabei ein Buch sozusagen imaginieren... Ich verwende eBooks auf Reisen, weil ich Bibliotheken liebe, die ja
alle endlose Fensterreihen sind, Türfluchten, Portale in scheinbar vertraute
oder unbekannte Welten. Wunderbar, vor einer Bücherwand zu stehen. Aber
das ist auf Reisen mit einem Realbuch natürlich nicht möglich. In meinem
Notebook, das kaum ein Kilogramm wiegt, sind mehr als tausend Bücher
­g espeichert.
AK: Enorm.
CR: Und ich kann sie aufschlagen und durchblättern wie vor einer richtigen
Bücherwand. Der Akku, der diese virtuelle Bibliothek betreibt, reicht für etwa
60 Stunden und kann mit Sonnenenergie aufgeladen werden. Du kannst also
ziemlich lange lesen, bis du wieder an die Sonne mußt...
AK: ...das ist der Unterschied zwischen dir und mir, zwischen dem Künstler
und dem Schriftsteller. Ich habe die Materie, du brauchst die nicht. Ich brauche aber die Materie. Das ist ein Unterschied. Weißt du, in Barjac, da war die
Bibliothek unten, und ich war oben und dann bin ich runtergestiegen am
­M orgen und habe dann diese ganzen Bücher vor mir gehabt und habe dann
ein Buch gewählt, halb blind und noch verschlafen. Meistens habe ich das für
den Tag richtige Buch erwischt. Das ist aber physisch, und ich verstehe, daß du
das nicht brauchst, bei dir spielt sich alles im Kopf ab.
CR: Aber ich habe auch meine reale Bücherwand. Wenn ich zu Hause bin,
­r ühre ich kein eBook an. Ich spreche hier vom Reisen. Die virtuelle Bibliothek
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ist nur ein zusätzliches Instrument.
AK: Das ist aber auch genau das, was z.B. das Fernsehen ist. Ich glaube, das
Fernsehen ist dann sinnvoll, wenn einer Zeitung liest, aber ein Bild sehen will.
Und du hast ge­n ügend sinnliches Material von deiner Bibliothek, folglich
kannst du auch fernsehen und auf deinem iPad lesen.
CR: Richtig, aber ich glaube nicht, daß das Buch als Ding verschwinden
wird. Es wird möglicherweise, auch das sind natürlich keine schönen Aus­
sichten, ­i rgendwann wieder zu einem ähnlichen Luxusgegenstand werden wie
in Zeiten, in denen Mönche in ihren Skriptorien Kopien angefertigt haben.
AK: Und es gibt noch einen anderen Aspekt: das Körperliche. Nietzsche
hat einmal gesagt, ich tanze. Dabei konnte er nicht tanzen, aber er hat damit
das ­P hysische, das Körperliche betont. Eine Bibliothek hat etwas Körperliches. Also mußt du die Treppe hochsteigen, um dort oben hinzukommen usw.
und wenn das verloren geht, fehlt ein Teil der Sinne. Wenn du Zeichnungen
von Rodin anschaust in einem Katalog, ist das etwas ganz anderes, als wenn du
sie wirklich siehst. Für mich gehört das Körperliche dazu.
CR: Ich rede ja auch immer noch von gedruckten Werken, wenn ich von
­B üchern rede – oder von Objekten der Kunst, rede von bleiernen Büchern
oder auch von jenen wunderbaren Büchern, die du mir geschenkt hast und die
nun vor meinem Wiener Schreibtisch stehen. Aber ich weiß natürlich nicht,
wohin die Reise geht. Wenn sich ein geistiger Inhalt ein neues Medium sucht,
in diesem Fall die digitale Welt, in der es plötzlich eBooks und ePapers und
was es noch alles gibt, dann hat das Folgen, die wir in ihrer ganzen Breite und
Vielfalt nicht absehen können.
AK: Und es besteht auch die Gefahr der Verwechslung. Zum Beispiel heute
– ich sehe das ja bei meinen Kindern – die können mir eine Nachricht schikken, die nur so und so viele Anschläge haben darf – oder du kannst eine
vorfor­m ulierte Antwort schicken. Und das wird dann möglicherweise mit
­e twas Konzentrierterem, mit richtigem Schreiben, verwechselt. Es entsteht
ein wüster Teig – und das ist das Problem.
CR: Aber ich hoffe ja immer noch, daß etwas technisch Neues den Ist-­
Zustand nicht einfach abschafft, sondern aufhebt, bereichert. Natürlich laufen
mittlerweile jede Menge sekundärer Analphabeten herum, von denen man
nicht weiß, ob sie überhaupt schon jemals ein Buch, das Gewicht eines ­B uches,
in der Hand gehabt haben. Aber ich wüßte nicht, wie ich das, was mir am
­L esen, Schreiben und an Büchern wichtig ist, anders verteidigen soll, als
­e infach ­weiterzumachen. Also Bücher schreiben.
AK: Ein Buch repräsentiert ja auch Zeit. Erstens in der Idee und dann ganz
praktisch: Das Buch hat eine Stärke, du fängst da an und gehst dann da durch.
Selbst wenn du das Buch in der Mitte aufschlägst, weißt du, du bist in der
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­ itte. Aber mit diesen digitalen Dingern weißt du ja nie, wo du bist. Das ist
M
wichtig im Unterschied zum Bild. Für ein Bild gehst du in einen Raum, siehst
das Bild und hast es. Dann bleiben manche eine Stunde, manche nur eine Sekunde und versetzen sich da rein. Aber ein Buch, das gibt ja was vor. Du mußt
dich hinsetzen und fängst am Anfang oder auch am Ende an. Das kann man
alles machen, aber du hast immer einen Ort in der Zeit, einen Zeitort. Und
wenn man das nicht mehr hat, geht auch die Aktualität verloren. Wenn du
jetzt das Buch aufschlägst, sagen wir z.B. Seite 300, dann ist das ein aktu­e ller
Punkt in dem Roman... und wenn zitiert wird, heißt es: Seite 300 ff.
CR: Ich denke, dort, wo uns diese seltsame und für mich nach wie vor
­rätselhafte Technik ermöglicht, auch unterwegs, im Südpazifik oder im Transhimalaya, hunderte oder tausende Bücher im Handgepäck zu haben...
AK: ...es gibt keine Grenzen mehr, du hast alles...
CR: ...doch doch, Grenzen bleiben, aber für mich ist die digitale Form
manchmal eben praktisch, weil ich gerne mit leichtem Gepäck reise. Das
Schwerste an meinem Gepäck waren ja immer Bücher.
AK: Na ja, aber das ist nicht unser Problem. Denn das ist ein Hilfsmittel, es
ist etwas anderes.
CR: ...da ergänzt sich im besten Fall etwas. Wenn du allerdings kein Mensch
aus der Buchwelt bist und in diese digitale Bibliothek hineingeschleudert wirst
– erst dann lebst du wirklich in einem anderen Kosmos.
AK: Ich denke jetzt an die Entwicklung von der Keilschrift zu Gutenberg,
dazwischen klafften ja auch Abgründe...
CR: ...die Keilschrift war im Wesentlichen negativ: Da wurde geritzt,
­g eschlagen, in den Ton gedrückt.
AK: Da war jedenfalls noch mehr Physis. Das hatte Gewicht. Da durfte
man nur drauf tun, was nötig war.
CR: (Lacht) Das ist nun bei den SMS auch wieder so. Da darf man auch nur
drauf tun, was nötig ist, sonst wird es nicht gesendet.
AK: Nein, nein, Moment, da geht es um die Menge, um die Quantität und
dort ging es um die Qualität. Nur das, was sie wichtig gefunden haben, haben
sie reingeritzt. Und man kann überlegen, ob es eine Parallelität ergibt zwischen
dem Weg von der Keilschrift zu Gutenberg und dem Übergang von den
­B üchern zum Digitalen... Ich war früher einmal eingeladen beim alten Fürsten
von Donaueschingen. Und dann hat der Joachim, so hieß der alte Fürst, aus
dem Safe das Nibelungenlied bringen lassen. Und dann saßen wir da mit dem
Nibelungenlied, und ich konnte es sogar lesen: ›Uns ist in alten mæren wunders vil geseit von heleden lobebæren, von grozer arebeit‹.
CR: Was für eine phantastische Erinnerung, in einem solchen Buch gelesen
zu haben. Ich betrachte dagegen das Buch, das du mir und Judith zur Hochzeit
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geschenkt hast und sehe zu, wie die Wirklichkeit sich mehr und mehr von den
Seiten löst und herausfällt – auf einige sind ja Rebenzweige aufgebracht...
AK: Ah ja, ›Des Herbstes Runengespinst‹...
CR: ...und manches Mal, tatsächlich wie im Herbst, höre ich ein Rascheln
und denke: Jetzt ist wieder ein Blatt aus dem Buch gefallen.
AK: Oder es ist vielleicht ein Wurm drin... (lacht).
CR: ...nein, da läßt bloß der Kleber nach. Dann fällt dieses Zweiglein oder
ein Blatt. Ich habe mittlerweile eine Schale vor dieses Buch gestellt, in der sich
die Dinge sammeln, die aus dem Buch fallen.
AK: Ein richtiger Prozeß.
Als ich meine erste große Ausstellung hatte in Amerika, so eine Tournee, da
war ein netter Konservator – die Konservatoren machen mir ansonsten ja das
Leben schwer – aber da war einer, der war wunderbar, der hat mir zum Schluß
eine Zigarrenkiste überreicht: Alles, was runtergefallen war, ist da drin.
CR: Wenn ich eines deiner Bücher betrachte, habe ich manchmal das
­G efühl, mich einem Magneten zu nähern, um den sich Eisenfeilspäne entlang
von Kraftfeldern formieren – ähnlich diesen Feilspanlinien entsteht dann um
dieses Objekt herum ein Muster aus Erinnerungen an das, was ich je mit
­B üchern verbunden habe, Erinnerungen an Schriften, Papiergerüchen, selbst
an Ge­räusche, wie etwa, als ich in einem Märchenbuch zu neugierig geblättert
hatte und plötzlich ein fauchender Riß durch die Seite ging... Alles ist plötzlich
­w ieder verfügbar.
AK: Es gibt ja einen Weg von den Büchern zu den Bildern und von den
­B ildern zu den Büchern bei mir. Also wenn du das da schilderst mit diesen
Zweiglein, die herunterfallen, das ändert sich ja. Und normal ist es so: Ich
­m ache ein Buch, und dann kristallisiert sich eine Idee heraus. Ich glaube, wenn
du schreibst, entsteht die Idee doch auch mit dem Schreiben, oder?
CR: Natürlich, im Prozeß.
AK: Gestalten verändern sich...
CR: ...und die Zusammenhänge zwischen den Figuren.
AK: Und so ist es bei einem Buch, wenn ich es mache, dann geht es so
­weiter, die Seiten gehen weiter und immer weiter, manchmal schreibe ich in
Bücher rein, die schon gebunden sind und manchmal binde ich sie erst später.
Aber es gibt auch den umgekehrten Weg, wenn ich ein Bild zum Buch zerschneide, das ­m ache ich öfters. Die Bücher ›Ausbrennen des Landkreises Buchen‹ zum ­B eispiel, das sind acht Bücher und die sind alle von Leinwänden,
von Bildern, die ich verkohlt habe. Und das wurden dann Bücher. Also ich
habe dann ­w irklich die Leinwand, die Darstellung von einer Landschaft zerschnitten und verkohlt.
CR: Es finden ja im Erzählerischen gelegentlich vergleichbare Prozesse statt,
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wenn man erkennt, daß, was eben noch ein großer Bogen war, sich plötzlich
nur in einzelnen Geschichten, aber nicht als Roman zeigt...
AK: ...du zerlegst das wieder, wie dein letztes Buch.
CR: Genau, wie beim ›Atlas eines ängstlichen Mannes‹. Dort ist alles in
Episoden gefaßt. Und nur so war es auch richtig. Aber das erkennst du erst
nach dem Zerlegungsprozeß.
AK: Na ja, Musil hat ja sein Buch, ›Der Mann ohne Eigenschaften‹ am
Schluß auch wieder zerlegt. Am Schluß sind es sozusagen Mosaiksteinchen.
CR: Und im Prinzip kann man daraus Rückschlüsse ziehen, wie sein Buch
zu lesen ist: wie eine Enzyklopädie oder ein Erzählband...
AK: Aber es ist auch eine Art der Vernichtung. Also du hast einen Roman,
ein Konzept, teils fertig oder nicht fertig und zum Schluß merkst du, daß
­d ieser Roman schon in sich die Negation des Romans enthält.
CR: Daß heute der Roman, ausgerechnet eine der jüngsten und mißbrauch­
testen Formen des Erzählens, aus marktstrategischen Gründen stets an die
Spitze der Gattungspyramide gesetzt wird, als wäre er die Königsdisziplin der
Literatur, ist Schwachsinn. Manches Mal werden unzählige Puzzlestücke zu
­e inem Roman zusammengeklebt, obwohl jedes einzelne Stück etwas Schö­
neres oder Packenderes wäre als das ganze Unding. Diese Kleberei führt aber
immer auch zur Frage, was an Erzählformen denn sonst noch möglich wäre.
Schließlich liegen riesige Felder brach.
AK: Ich hatte vor zwei Jahren eine Zeit, in der ich sehr gerne Blumen malte.
Ich habe ja in Barjac viele Blumen gepflanzt, und hier vorm Haus gibt es auch
Rosen. Ich habe Blumen unheimlich gerne, aber jedes Mal, wenn ich sie male,
habe ich ein schlechtes Gewissen. Das erscheint so affirmativ. Ich habe in
­B arjac einige Hektar von Mohn gepflanzt. Das war schwierig, weil Mohn nur
in einer dürftigen Erde wächst. Ich mußte also etwas machen, daß die Erde
dürftig wurde. Und dann hatte ich große Felder, das ist etwas Phantastisches.
Aber als ich dann die Bilder gemalt hatte, habe ich gedacht, das geht ja nicht...
CR: Ich war hingerissen von diesen Bildern. Mohn! – wie in meiner Kindheit und wie noch jetzt in den Donauauen, die ich gelegentlich durchwandere:
Kilometer und Kilometer nur Mohn, Mohn.
AK: In Südfrankreich gab es solche Felder noch, weil die landwirtschaftlich
nicht so effizient sind, in Deutschland sind sie quasi ausgerottet. Weil das ja
Unkraut ist. Und dann hatte ich die Bilder und dachte, was mache ich jetzt?
Ich muß den Bildern irgendeinen Haken geben. Ich muß sie auf irgendeine
Weise wieder zerstören – und da fiel mir der Morgenthau ein...
CR: ...Henry Morgenthau, der darüber nachdachte, das zerbombte Dritte
Reich in ein entindustrialisiertes, friedliches, überwuchertes Land der Bauern
und Schäfer zu verwandeln. Du hast ja schon in deinem ›Maruf‹ eine ent­
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sprechende Abteilung etabliert, sie heißt: Pflanzen. Unterabteilung: Wiesenpflanzen, ­B lumen. ›Wenn du deinen Garten gießt‹, schreibt Brecht, ›vergiß mir
nicht das Unkraut, es hat auch Durst‹.
AK: (lacht) Der Brecht hat ja erkannt, daß im Bösen das Gute ist und im­
Guten das Böse.
CR: ...und noch eine Brecht-Zeile, an die ich denken mußte, als ich zum
erstenmal deine aus der Wildnis aufragenden Betontürme sah:
›Von diesen Städten wird bleiben, der durch sie hindurchging, der Wind‹.
AK: Ja, natürlich, das hat er von Lilith. Die Lilith haust ja angeblich in
­verlassenen Ruinen. Ruinen sind für mich ja das Schönste, was es gibt. Du hast
sicher auch Fotos und Filme gesehen über die deutschen Städte nach dem
Krieg.
CR: Immer wieder, bis zum Überdruß.
AK: Aber das ist für mich das Erhebendste überhaupt. Ich kann nicht auf­
hören, das zu sehen. Das ist so wunderbar, weil das der Anfang ist. Da ist alles
möglich. Ich habe ja in den Ruinen gespielt, ich habe ja nichts anderes gehabt.
Nur diese Backsteine...Wenn ich etwas anfange, du vielleicht auch, wenn ich
was anfange, weiß ich schon: Das wird zu nichts.
CR: ...es kann ja durchaus besänftigend aussehen, wenn alles ausgestanden
und jede Pracht und Uneinnehmbarkeit zur Ruine geworden ist: Diese ins
Leere ragenden Gewölbe, zusammengesunkenen Wehrmauern und Torbögen,
durch die hindurch nur noch die Zeit verfliegt...
AK: Alles hat seinen Anfang in sich, seine Negation und damit den Anfang.
CR: Ich denke an Pinara, eine antike, lykische Ruinenstadt im westlichen
Taurusgebirge. Hinter der Stadt ragt eine Felswand auf, eine riesige Bienen­
wabe: alles von Graböffnungen durchlöchert, eine einzige Nekropole.
Diese Gräber waren einmal von Marmorplatten verschlossen, mit steinernen
­B üchern, auf denen die Namen der Toten und ihr Schicksal zu lesen stand, wie
in einer ­B ibliothek. Nach Jahrhunderten der Plünderung, ragt nun nur noch
eine Wand voll gähnender Löcher auf, eine Wabe...
AK: ...die haben einen Friedhof in die Vertikale gestülpt...
CR: ...und in meiner Erinnerung... Gleichgültig, welche Geschichte du erzählst, deine eigene, die der ganzen Menschheit oder die eines Spiralnebels –
sie führt immer ins Nichts, wenn du nicht irgendwann einfach aufhörst zu erzählen, wie etwa im Film, der mit einem ›Happy End‹ einen willkürlichen
Punkt setzt im Sinn der unerfüllbaren Sehnsucht: ›Augenblick verweile, du
bist so schön‹.
AK: Ja, aber der Spruch, der ist genau das, was wir meinen: Verweile doch,
du bist so schön. Natürlich kann er nicht verweilen, weil es den Augenblick
nicht gibt.
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CR: Wer sich seiner Arbeit mit allem, was ihm zur Verfügung steht, w
­ idmet,
wird vermutlich irgendwann erkennen, daß er nichts anderes tun kann, als sich
in jenen Strom zu integrieren, der alles wieder zermahlt und als subatomares
Treibgut in ein Irgendwo verfrachtet, über das wir nichts mehr sagen können.
AK: Ich habe jahrzehntelang immer Skizzen gemacht, von dem Hotelraum,
in dem ich war. Ich bin ja viel gereist früher. Ohne Meterstab, nur mit meinem
Schritt, habe ich gemessen und von jedem Hotelraum eine Skizze g­ emacht.
Das Material habe ich dann gesammelt und jetzt für die Nationalbibliothek
ausdrucken lassen...
CR: ...als eine Serie von Räumen...
AK: ...und die habe ich auf einen Strand projiziert. Meine Idee war natürlich, daß jede Welle Raum für Raum wieder wegspülen soll...
Schneit es jetzt?
CR: Ja, es schneit ganz dicht.
AK: Nun erlebst du auch noch den Schnee in Paris (lacht).
CR: Du hast in diesen Hallen das Wetter ja bloß als eine Art Illustration,
gehst durch turmhohe Räume, draußen regnet oder schneit es, du siehst, wie
der Wind die Bäume zerzaust und hast dabei immer das Gefühl, im Freien zu
sein, weil alles um dich herum so weiträumig ist, brauchst dich aber weder um
den Schnee, um Regen oder Stürme zu kümmern...
AK: ...aber das ist das Problem... Meine Kinder haben Hunde und die scheißen überall hin, weil sie glauben, irgendwo draußen zu sein...
CR: ...so könntest du die Dimension deiner Ateliers gut beschreiben: Sie
sind nicht riesig und nicht ungeheuer groß, sondern einfach exakt so groß,
daß Hunde sich unter freiem Himmel glauben und in die Ecke oder...
AK: ...in die Raummitte scheißen, das ist ihnen völlig wurscht, wo. Aber
wie es jetzt schneit, schau! Wenn es hier schneit, bricht alles zusammen.
CR: Das ist oft so in den Städten. Schnee... Man kann sich gut vorstellen,
­Wochen und Wochen durch diese Hallen zu wandern, ohne den Fuß ein ein­
ziges Mal ins sogenannte Freie zu setzen. Es ist wie im Inneren eines Buches,
aus dem du dich in jede Zeit und unter jeden Himmel versetzen kannst...
AK: ...und deswegen bleibe ich einfach hier (lacht).
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Heiner Bastian »Fremdheit«
Die Anmerkungen zu Mallarmé wurden schon einmal, vor mehr als einem
Jahrzehnt gedacht, als ich an einem Nachmittag im Studio von Anselm Kiefer
in Barjac zum ersten Mal ein Buch aus Blei betrachtete, in das der Künstler
Blütenblätter gemalt hatte. Ich konnte mir damals und heute keine größere
Dissonanz vorstellen, keine ähnliche Gewalt unauflösbarer Dichotomie. Die
Unvertrautheit dieses schweigend ›sprechenden‹ Buches suchte bewußt das
Unmögliche eines Zustands, der die Möglichkeit jeder Axiomatik tilgte. Das
hermetische, ewig saturnische Blei und seine Vermählung mit ätherischen Blüten schien wie ein Sinnbild einer vergeblichen Aneignung. Von hier führten
alle Wege nicht zu Baudelaire, sie führten zu Mallarmé und einer Dichtung,
die das Einverständnis mit dem Geheimnis einer fernen, reinen Idee, der Fremd­
­h eit und des Nichts akzeptierte.
Anselm Kiefers Buch aus Blei und Blüten blieb das realitätsferne Unge­sagte in einem Niemandsland, jedoch im Sinne Mallarmés das poetische Bild
größtmöglicher Arabeske und des wahrscheinlichen Ankommens im Scheitern, das von einer höheren, schmerzlich schönen Erscheinung spricht.
Die folgenden Anmerkungen gelten Mallarmé, doch betreffen sie letztlich
den Sinn der Gewalt des unabschließbaren Fremden.
Das Magische der Poesie war für Mallarmé der Versuch, die Welt über das
absolute Sein seiner Dichtung neu zu erfinden: eine andere Welt, die nur als
Poesie existierte. Seine bewußt gewählte fremde Symbolik, die Isolierung der
Dichtung jenseits der Wirklichkeit unseres Sprachgebrauchs ist ein einziges
Bestreben nach einer Idealität, in der das Bekenntnis zu einer Poesie aufleuchtet, die nur in sich selbst existiert. Wie auffällig streben Mallarmés Gedichte
ins Nichts, das Nichts, das er Schönheit nannte. Hegels unerreichbares Nichts.
Zu dieser Erhabenheit gehört der Schmerz eines Aufstands gegen alles, was
zum Leben strebt, was die banale Realität als Weltgeheimnis erstickt. So gewinnt die Dichtung Mallarmés den Traum einer vollkommenen »Entding­
lichung« (H. Friedrich), die Vernichtung des Vertrauten der Sprache und die
Auflösung von Bezeichnung und Identität. In der Hinwendung zu einer absoluten reinen Sprache, die Mallarmé als Schöpfungsakt versteht, beginnt auch
das späte Gedicht: »... UN COUP DE DÉS « mit dem Bruch einer eindeutigen
Empfindungsfähigkeit. Das Bewußtsein dieses Handelns sucht die Verfremdung, das nie ganz aufzuschlüsselnde rätselhafte Idiom, in dem sich jedes
›Bild‹ zur Unvertrautheit bekennt, letztlich zum Scheitern, um im grenzenden
Schweigen anzukommen (Mallarmé: »das schweigende Gedicht aus lauter Weiß«).
Die Welt der Gedichte Mallarmés stürzt ins Dinglose, und diese Erscheinung ist das Licht, das Mallarmé zuläßt für einen Sprachraum und die Gegen-
Für Céline
»Die Welt ist nach Mallarmé für ein
Buch da; nach Bloy sind wir
Verszeilen oder Wörter oder Zeichen
in einem magischen Buch, und dieses
nie auflösende Buch ist das Einzige,
was es in der Welt gibt: besser gesagt,
es ist die Welt.«
Jorge Luis Borges
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wart eines sich selbst befragenden Sprachspiels. Nie gab es ein Zurück aus
diesem Raum, da das ›Anwesende‹ vor jeder Ausdehnung eines Sinnversuchs
dem Erlöschen im Abwesenden preisgegeben wird. Mallarmé: »[...] ich hole
das Wort hervor, um es wieder einzutauschen in seine Vergeblichkeit«.
In » UN COUP DE DÉS « lautet die Eröffnung
JAMAIS
QUAND BIEN MÊME LANCÉ DANS DES
CIRCONSTANCES ÉTERNELLES
DU FOND D’UN NAUFRAGE
SOIT
que
l’A bîme
blanchi
étale
furieux
sous une inclinaison
plane désespérément
d’aile
NIEMALS / WÄRE ER AUCH GEWORFEN IN / EWIGE BEREICHE /
AUS DER TIEFE EINES SCHEITERNS / MAG / auch / der Abgrund /
bleich / flach / wütend / in der Schräge / verzweifelten Tobens / der Schwinge
In den ersten Zeilen des Gedichts setzt der Klang eines Raumes ein
» AUS DER TIEFE EINES SCHEITERNS «, und nur wenige Worte später das
illusionslose Benennen des »Scheiterns des Menschen«. Die dem » UN COUP
DE DÉS « inhärente Struktur folgt der Grundsymbolik, daß sich nur in der
Flucht aus der Wirklichkeit normalen Sprachempfindens ein rätselvolles
Glasperlenspiel des Absoluten entfalten kann. Wobei die Anlehnung an das
Absolute in Vokalen, Worten, in fremden Assoziationen, in Metaphern und
Allegorien, in Fragmentation den Zauber eines beschwörenden Traums
gewinnt. Mallarmés Vorhaben ist die Dekonstruktion der Syntax und der
Semantik, eine Freiheit der Tilgung, die sich ihre Peripherie als Auflösung von
Sprachgrenzen vorstellt im Hinblick auf das Absolute. Sie ist, was Novalis
die strenge Komposition des Gedichts, seine »Algebra« nannte. Die gewöhn­
lichen sprachlichen Regeln, die der Dichter aussetzt, ersetzt er durch Akte
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der Zersplitterung eines eigentlich schriftfeindlichen Mythos platonischer
Herkunft: die Paradoxien der ›figura etymologica‹, – dasselbe neu gesprochen –
in einer fast körperlosen Schrift. Am Anfang des Gedichts heißt es: »der Abgrund / bleich / flach / wütend / in der Schräge / verzweifelten Tobens / der
Schwinge«. Der ›Flügel‹, im Aufflug bereits das kaum zu Bestimmende:
›Flügel‹, eines der Schlüsselworte Mallarmés, keiner wirklichen Physis zugehörend, taumelnd, stürzend, verzweifelt über dem Abgrund. Die fast körperlose Vokalität der Schwinge verwandelt sich in die Anatomie des symbolischen
Scheiterns. Mallarmé: »Das ist er, der weiße geschlossene Flug, den du ans
Feuer eines Armbands lehnst.« Mallarmés »Würfelwurf« ist der Text, der alle
Assoziationen in Chimären auflöst. Die Freiheit, die wir also mit ›Schwinge‹
(Flügel) verbinden, endet in ambivalenter, ja irrealer Valenz. Mallarmés
Ne­g ation grammatischer Strukturen ist nur eines der Mittel, die Reproduktions-Suggestion ›normaler‹ Worte und Vokale auszuschließen. Das Prélude
des »Würfelwurfs« ist von Anfang an das Aufhebende, das bodenlos Schwebende eines Anrufs. Wenn es in den Zeilen der Gedichte Mallarmés eine
namenlose invasive Macht gibt, dann ist es die jedem Innewerden einer Behauptung zugrunde liegende Verlorenheit.
Mallarmé weiß, wie haltlos sein Gedicht sein muß, um das Gleichgewicht
einer Magie zu gewinnen, die jede Assoziation nur als reine Potentialität z­ uläßt:
ein Spiel am Rande des absoluten und möglichen Scheiterns. Bei Friedrich
­l esen wir: »Nur das Mißlingen der absoluten Sprachwerdung wird zum Wort
– eben zu diesem Gedicht. Was vor dem ontologischen Anspruch mißlingt,
gelingt als Gedicht.«
In » UN COUP DE DÉS « sind die Worte magische Erscheinungen, losgelöst
aus einer zeitlichen Bestimmung, einzig einem synkretistischen Bildraum angehörend, der sich als Rätsel ausdehnt von jedem Wort zu einem anderen
Wort, von jedem Grund eines Schweigens einen anderen Grund aufsuchend.
Die Wirklichkeit Mallarmés ist ohne Einsicht, aber es ist der Aufruhr eines
imagistischen Entwurfs, der seine eigene »geistige Existenz« (H. Friedrich)
hat, im Versuch der Idealität, die mit dem Nichts zu sprechen sucht, und doch
für eine dichterische Sprache einen poetischen Weltsinn findet.
Die Verfremdung, die Mallarmé gewinnt, ist die Unbestimmtheit eines
Echoraumes, in den das Schweigen der Leere einer weißen Buchseite bricht,
noch bevor die Partituren der Worte in ihrer eigenen Fremdheit auftreten: Die
fast leere weiße Seite wird Teil des Zustands eines Unbestimmtheitspotentials:
In den syntaktischen Fluchten rätselvoller Verbindungen und gewollt nega­
tiver Brechungen wird das ›Weiß‹ der Druckseite zur Metapher des Unberührten. Dieses Weiß ist es, das der Dichter als den Zauber einer ursprünglichen
Quelle versteht, aus der reine Worte aufleuchten, um das schweigende Weiß
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des Anfangs mitzusprechen. Aber das Weiß hat in den Versen auch die Eigenschaft einer imaginären topographischen Nacht. Die Welt ist vernichtet.
Das ist sie, die Unbestimmtheit eines Dialogs reiner Poesie: Mallarmés
­G edicht inszeniert die schwebende Form einer Schönheit als Disjunktion,
die im Zauber des Klangs aus Fragmenten einen Sinn webt, um ihn zugleich
wieder aufzulösen. Der Text ist eine freie Bühne der metapoe­t ischen Bilder.
Ein Luftmeer aus Weiß und Azur, das die Sprache der Sprachlosigkeit probt.
Wie grandios ist diese Dichtung in ihrer Zeitlosigkeit, der Mallarmé die
Einsamkeit einschreibt und die Unerreichbarkeit des Ideals, das den übersteigerten magischen Anspruch als das antizipierte Scheitern akzeptiert.
In den Bahnen des Gedichts kreist der Sinn des Absoluten in poetischer
Immanenz einer höheren Sprachebene, um das Negative der gemeinen All­
wissenheit zu zerstören. Mallarmés Gedicht kann nur in der Wesenheit dieser
Ambivalenz existieren und wird von einer irrationalen Kraft getragen. Der
Autor selbst wird zum »schmerzenden Zentrum unbestimmten Erwartens«
(Mallarmé) in dem das Undeutbare semantische Präzision gewinnt.
In ihrer beabsichtigten Selbstisolation und Zeitlosigkeit, in ihrer antizi­
pierten Vergeblichkeit streben Mallarmés Gedichte in die Unermeßlichkeit
und Unerreichbarkeit eines Sternenfirmaments. Für diese Verse gibt es keinen
wirklichen Raum, weil die Idealität jedem Raum widersprechen würde. Und
nur vor diesem gedachten Bild ist die E­ xistenz dieser Dichtung gewollt. Sie hat
einen Topos begründet, der die I­ nkongruenz der künstlerischen Erscheinung
über die Empfindung stellt, die Deformation als lyrischen Triumph des Zerbrechens feiert und darum auch die Messung des Nachvollziehbaren löscht.
Die kühle Feststellung Valérys, daß das künstlerische Arbeiten »...etwas Unmenschliches« habe, ist die Grunderfahrung der romantischen Dichtung, die
Mallarmé revolutioniert hat wie kein anderer Dichter. Der Traum seiner Verse
ist der vielleicht schönste Traum, den Dichtung je träumte. Zeit und Raum
werden das Unbewohnte und Unbestimmte seiner Verse.
Die vollkommene Negation berührt den Anfang jeden Schreibens, mit dem
das Nichts beginnt und wieder in das Nichts führt. Die weiße Seite Papier,
­S ynonym, das alles Geschriebene aufhebt, kehrt zurück in unbeschriebenes
Weiß. » UN COUP DE DÉS « berührt alle Fragen nach der E­ ntstehung eines
Sinns, den das Gedicht als das unwiderlegbar Unmögliche beantwortet.
Die Frage lautet nicht: ›für nichts‹. In das Dunkel der ausgeschlossenen
schrecklichen Nacht der Realität schreibt Mallarmé den chimärenhaften
­W iderschein eines melancholischen Symbols: die Sprache des aufblühenden
Sterbens der Rose. Anfang und Ende sind eins. Das Echo dieses Moments ist
ein einziges Psychogramm transitiver Erscheinungen in einer verschwenderischen Leere.
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