„Die Materialia fürs Schulhaus sind beynach beysamen…“ Die Belper Schule, auch ein Stück Kirchengeschichte Die Deutsche Schule verdrängt die Lateinschule um 1530 Im Mittelalter gibt es in unserem Gebiet die Klosterschulen von Amsoldingen und Interlaken und die Lateinschulen von Aarberg, Bern, Biel, Burgdorf und Thun. Die letzteren werden von der Bürgerschaft unterhalten und dienen vor allem den Sprösslingen der Oberschicht zur Vorbereitung auf ihr Hochschulstudium. Ihre Lehrer dürfen den Titel „Schulmeister" tragen. Daneben entstehen Privatschulen, sogenannte „Lehren", für die unteren Volksschichten. Weil die Obrigkeit diese „Lehren" vielerorts unterstützt, können sich später öffentliche Schulen entwickeln. Hier erteilen Wanderlehrer, „Lehrmeister" geheissen, Lese- und Schreibunterricht in deutscher Sprache. Durch die Reformation in Bern wird die „Deutsche Schule“ aufgewertet. Die Landschulordnung von 1628 Es ist eine Zusammenfassung verschiedener, die Schule betreffender Verordnungen. Sie regelt den Aufgabenkreis der „Lehrmeister", der Eltern und der Behörden, im Besonderen der Aufsichtspersonen, also der Amtleute, Pfarrer und Chorrichter. Da steht zum Beispiel, dass der Pfarrer die Schule wöchentlich einmal besuchen müsse, um festzustellen „wie und woran die Jugend underwisen werde". Es steht weiter, dass der Schulmeister "gwalt" hat, die Kinder seiner Gemeinde zum Schulbesuch anzuhalten, und dass er in der Schulstube alleiniger Herr und Meister sei, der auch züchtigen darf mit "Rutten und Strafen". Der letzte Artikel dieser Verordnung verlangt beispielsweise, dass es nicht den Gemeinden zustehe, die „Schul- oder Lehrmeister eygen gwalts und willens anzustellen noch anzunemmen", sondern dass dieses Recht der Obrigkeit vorbehalten sei. Viele Gemeinden, so auch Niedermuhlern (wie aus einem Schriftstück von 1655 hervorgeht), haben gegen diese Vorschrift verstossen, indem sie die Meinung vertraten, "die Landlüt vermeinind, weil sie die Schulmeister versoldint, so haben sie gwalt, einen Schulmeister zu setzen". Zur Kilchhöri Belp gehören bis 1699 auch die heutige Kirchgemeinde Zimmerwald mit den Dörfern Zimmerwald, Englisberg, Kühlewil sowie Ober- und Niedermuhlern. Chorgerichtsmanuale helfen mit, das Dunkel über die Schulen zu lichten. Aus einem solchen Protokoll erfahren wir, dass der Schulmeister Hans Enzi 1610 wegen eines Zwiebeldiebstahls und 1615 „wägen er ein Abendsitz über Zyth gehalten" vor dem Chorgericht erscheinen musste. Mit Sicherheit ist somit belegt, dass die Schule von Niedermuhlern, wo Enzi lehrte, die erste in unserer Kilchhöri war. Sie muss auch nach Erscheinen der obgenannten Schulordnung von 1628 noch weiter bestanden haben. Um 1650 wird auch eine dauernde Schule im Dorf Belp eingerichtet. Sie wird auch von den Kindern von Zimmerwald und Belpberg besucht. Es ist somit die zweite Schule in unserer Kilchhöri. 1654 stehen drei Belpberger vor Gericht, weil sie die Kinder nicht nach Belp zur Schule schicken. Sie rechtfertigen sich: Ihre Kinder seien zu jung oder zu schwach oder der Weg sei zu bös. 1656 heisst der Belper Schulmeister Wegli. 1657 erklärt ein Niklaus Henni von Hostetten, „von des weiten Wegs könne er die Kinder nit schicken, wenn aber ein Schulmeister uff 1 dem Belpberg were, welte er sie fleissig schicken." Daraus ersieht man, dass sowohl Schulmeister als auch Schulstube fehlen. Heimelig vertrautes „alts Schulhüsi“ Pfarrer Müslin kämpft um 1660 für Schulhäuser Der Belper Pfarrer Johann Heinrich Müslin (1626–1699) ist der grosse kämpferische Förderer des Belper Schulwesens. Er bemüht sich, allen Schulen seiner Kilchhöri Belp, Belpberg, Toffen, Englisberg, Niedermuhlern und Kehrsatz zu einem Schulhaus zu verhelfen. Das bringt ihm manch harte Auseinandersetzung mit dem Rat in Bern. Da der Bau eines Schulhauses schon damals zu den Aufgaben der Gemeinde gehörte, die Geldmittel dazu auch damals schon fehlten und viele Gemeindebürger Schulhausplänen ablehnend gegenüberstanden, ging die Bauerei nur schleppend und mühselig voran. In einem Schreiben Pfarrer Müslins liest man: „Die von Belp haben zu einem Schulhaus die Materialia beynach auch beysamen, und dies Jahrs auch eins aufzubawen vorhabens sind; wan sölches nicht die Aaren, so ihnen voriges Jahrs unsäglichen schaden gethan, verhindern möchte, und soviel Geldmittel, als dazu erforderet werden, mögen auffgebracht werden." Der streitbare Pfarrherr erreicht sein Ziel. 1674 wird das erste Schulhaus in unserer Gemeinde erbaut (Standort unbekannt). Am 10. Januar 1675 wird in demselben die erste Chorgerichtssitzung abgehalten, wobei pikanterweise zwölf Väter „wegen saumseliger Schickung ihrer Kinder in die Schul" vermahnt werden müssen. 1759 wird das Schulhaus bei der Kirche erstellt. Jahrzehnte später, 1806, berichtet Pfarrer Sprüngli der Regierung: „Das Schulhaus wird von der Gemeinde gut unterhalten, aber es ist ums Halbe zu klein, denn die Schuljugend zählt 149 Knaben und 99 Mädchen, im ganzen also 248 Schüler, von denen im Winter 150 bis 2 170, im Sommer aber nur 50 bis 60 zur Schule gehen." 1811 muss deshalb das Schulhaus auf dem Kirchhof um einen Stock erhöht werden. Damit jetzt die zwei Klassen unabhängig voneinander unterrichtet werden können, führt eine Aussentreppe ins obere Schulzimmer. Am 5. März 1812 ist das Schulhaus zum Aufrichten fertig und man bittet die Regierung um die „gütige Beysteuer" von 300 Franken. Im Laufe des Jahres 1812 wird das Werk vollendet. Jahrzehntelang sind am „Alten Schulhaus" nur geringe Erneuerungen vorgenommen worden, und es bleibt uns allen als heimeliges Kirchgemeindelokal mit stinkendem Ölofen und undichten Fenstern in bester Erinnerung. Das alte Schulhaus bleibt erhalten Mit dem Bau des Dorfzentrums (1984–86) wird der Erhalt des alten Riegbaus in Frage gestellt. Zu lange hat das undichte Dach dem Regen freien Lauf gelassen, sind Balken verfault, Zwischenböden vermodert und das Ganze erbärmlich verkommen. Doch kluge - zukunftsgerichtete - Entscheide retten die „Ruine“. Jetzt passt das alte „Schulhüsli“ neu herausgeputzt bestens zu unserem Dorfzentrum. Vielen älteren Belpern rufts immer noch liebe Erinnerungen wach, und der Nachwelt wirds bezeugen, dass Kirche und Schule stets eng zusammengehörten. Den Pionieren gedenkend heisst das untere Zimmer „Müslin-Stube“ und das obere „Wägli-Stube“ (von 1656–1775 heissen die Belper Schulmeister Wägli). 3
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