Pressekonferenz Weißbuch Multiple Sklerose – Versorgungssituation in Deutschland 06. April 2016 10:00 Uhr Tagungszentrum der Bundespressekonferenz, Berlin [email protected] Pressekonferenz Vorstellung des „Weißbuch Multiple Sklerose – Versorgungssituation in Deutschland“ 06. April 2016 10.00 Uhr, Tagungszentrum der Bundespressekonferenz 10.00 – 10.05 Begrüßung Sandra Jessel, Pressereferentin, IGES Institut, Berlin 10.05 – 10.20 Multiple Sklerose: Vorkommen, Therapie und Versorgungssituation – Erkenntnisse aus dem „Weißbuch Multiple Sklerose“ Hans-Holger Bleß, Leiter des Bereichs Versorgungsforschung, IGES Institut, Berlin 10.20 – 10.30 MS besser behandeln: Fortschritte in Wissenschaft und Therapie aus Sicht der Patienten Prof. Judith Haas, Vorsitzende der Deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft (DMSG) Bundesverband e.V., Ärztliche Leiterin des Zentrums für Multiple Sklerose am Jüdischen Krankenhaus in Berlin 10.30 – 10.40 Leben mit MS: Erreichtes und Unerreichtes im Versorgungsalltag Dr. Uwe Meier, Vorsitzender des Berufsverbandes Deutscher Neurologen (BDN) 10.40 – ca. 11.00 Fragen und Diskussion [email protected] Fortschritte in der Therapie der Multiplen Sklerose besser nutzen + Weißbuch beschreibt Versorgungssituation bei Multipler Sklerose + Eine an der Krankheitsaktivität angepasste Behandlungsplanung ist noch unzureichend umgesetzt + Therapie der Symptome der Multiplen Sklerose weist große Defizite auf + Experten fordern strukturierte, besser vernetzte Versorgungskonzepte Berlin, 6. April 2016 (IGES Institut) – Dank der Fortschritte in der Behandlung der Multiplen Sklerose (MS) können immer mehr Betroffene ein weitgehend normales Leben führen. Dennoch lässt sich die Krankheit langfristig nicht stoppen. Zudem fehlen Therapien zur Versorgung der belastenden Symptome der MS. Nötig sind ferner mehr strukturierte Versorgungskonzepte. Das ist ein Fazit des Weißbuchs Multiple Sklerose, das IGES-Wissenschaftler zusammen mit medizinischen Experten veröffentlicht haben. „Das Verständnis des Krankheitsbildes und die therapeutischen Möglichkeiten der Multiplen Sklerose haben sich deutlich gewandelt. Die wissenschaftliche Erfolge haben die MS zu einer beherrschbaren Krankheit gemacht, auch wenn sie weiterhin unheilbar ist. Strukturelle Defizite in der Versorgung dürfen diese Erfolge nicht ausbremsen“, sagt Prof. Judith Haas, Ärztliche Leiterin des Zentrums für Multiple Sklerose am Jüdischen Krankenhaus in Berlin und Vorsitzende der Deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft (DMSG) Bundesverband e.V. Früher Therapiebeginn und Behandlung nach Krankheitsaktivität wichtig Bei MS kann eine frühe Therapie ausschlaggebend für den weiteren Verlauf sein. Patienten sollten nach einem ersten Schub zeitnah mit so genannten verlaufsmodifizierenden Medikamenten behandelt werden. Ziel ist es, Krankheitsaktivität zu verhindern (1). Experten sprechen von „no evidence of disease activity“, kurz NEDA. Anzeichen sind die Schubhäufigkeit, voranschreitende Behinderung, neuropsychologische Symptome wie die Fatigue sowie weitere Nervenschädigungen (2). Wohnort entscheidet über Versorgung Aber nur gut jeder zweite Patient mit Erstdiagnose erhält im gleichen Jahr auch eine verlaufsmodfizierende Therapie, wie Studien mit Daten aus 2009 zeigen (3). Dabei ist die Versorgung regional unterschiedlich: So suchten in Brandenburg, wo 4,4 Fachärzte auf 100.000 Einwohner kommen, nur 37 Prozent der Betroffenen innerhalb von sechs Wochen nach Erstdiagnose einen Facharzt für die Weiterbehandlung auf. In Hamburg waren dies mit 11 Fachärzten pro 100.000 Einwohner hingegen 64 Prozent. Zudem müssen in Regionen mit vielen ambulant tätigen Fachärzten weniger Patienten [email protected] mit MS stationär behandelt werden, im Vergleich zu Regionen mit niedriger ambulanter Facharztdichte, wie Studien mit Krankenkassendaten zeigen (4). Seit 2011 hat sich das therapeutische Spektrum durch fünf neue Präparate erweitert. „Der Verbrauch neuer MS-Medikamente hat in den vergangenen Jahren kontinuierlich zugenommen, was auf eine gute Verfügbarkeit der therapeutischen Optionen hindeutet“, sagt Hans-Holger Bleß, Leiter des Bereichs Versorgungsforschung am IGES Institut. „Studien weisen aber darauf hin, dass noch mehr Patienten von einer an die Krankheitsaktivität angepassten Therapie entsprechend den aktuellen Leitlinien profitieren können“, so Bleß. Therapieabbrüche gefährden Behandlungserfolg Barrieren stellen Therapieabbrüche dar. MS-Medikamente greifen in das Immunsystem ein und müssen oft lebenslang eingenommen werden. Studien zufolge nimmt nur gut jeder Dritte mit MS über einen Zeitraum von zwei Jahren verlaufsmodifizierende Medikamente kontinuierlich ein (5). Als Abbruchgründe nennen Patienten Nebenwirkungen und vermutete oder tatsächliche Unwirksamkeit der Therapie. Zudem führen sie die MS-typischen neuropsychologischen Symptome wie Depressionen oder die Fatigue an (6). Fatigue ist ein Gefühl starker geistiger und körperlicher Erschöpfung, das die Betroffenen sehr belastet. Sie stellt eines der häufigsten MS-Symptome dar. „Neuropsychologische Symptome und Fatigue gelten immer mehr als Schlüssel im Umgang mit der Multiplen Sklerose, für die wir dringend Standards in Diagnostik und Therapie im Versorgungsalltag und mehr Behandlungsangebote benötigen“, sagt der Vorsitzende des Berufsverbandes Deutscher Neurologen (BDN), Dr. Uwe Meier. Defizite in der Behandlung der Symptome Aber gerade in diesem Bereich konstatiert das Weißbuch Defizite. Es zeigt Auswertungen der Deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft (DMSG), nach denen zwischen 2005 und 2006 bei jeweils rund 80 Prozent der MS-Patienten mit kognitiven Störungen wie Gedächtnis- oder Konzentrationsstörungen oder Fatigue keine Therapie erfolgte (7). Aktuellen Statistiken zufolge sind bundesweit knapp 300 Neuropsychologen ambulant tätig sind (8). Rein rechnerisch kämen somit rund 650 MS-Patienten auf einen ambulant tätigen Neuropsychologen. Defizite bei der Spastik-Behandlung und Aufklärung über veränderte Sexualität Verbesserungsbedarf besteht aus Sicht der Patienten zudem bei der Behandlung der für MS typischen Muskelversteifungen, medizinisch Spastiken. Therapie der Wahl ist die Physiotherapie, wenn nötig ergänzende Medikamente. Allerdings fehlen derzeit wirksame und langfristig einzunehmende Arzneimittel. DMSG-Daten zufolge erhält jeder dritte MS-Patient keine Therapie der Spastik. Ärzte fordern daher mehr physiotherapeutische Angebote, wie das Weißbuch darlegt. 2 86 Prozent der MS-Patienten fühlen sich zudem laut Umfragen unzureichend über die ebenfalls bei MS auftretenden Einschränkungen der Sexualität informiert. Jede zweite der betroffenen Frau wünscht sich dazu auch Paargespräche bei ihrem Arzt (9). Die MS geht mit hohen Krankheitskosten einher Die MS trifft vor allem Frauen in jungen Jahren, wenn persönliche Themen wie Familienplanung oder Karriere dominieren. Darüberhinaus ist die MS mit hohen Krankheitskosten verbunden. Insgesamt belaufen sich die direkten Behandlungskosten der MS durchschnittlich auf jährlich rund 22.000 Euro pro Patient. Die direkten und indirekten Kosten der mit der MS assoziierten Schübe betragen rund 3.000 Euro pro Schub. Mit fortschreitendem Krankheitsverlauf und zunehmender Behinderung spielen immer mehr Folgekosten etwa durch Arbeitsunfähigkeit eine Rolle (10, 11). Jeder zweite MS-Betroffene bezog 2010 eine Erwerbsminderungsrente (10, 4). Im Vergleich: In der Gesamtbevölkerung sind es durchschnittlich nur drei Prozent. „Die Behandlung der MS erfordert aufgrund ihrer vielen Gesichter Ärzte und Heilberufler verschiedenster Disziplinen. Hier benötigen wir dringend besser vernetzte sowie patienten- und teilhabeorientiertere Versorgungsangebote“, sagt Meier. Hintergrund Multiple Sklerose (MS): MS ist mit bis zu 200.000 Betroffenen in Deutschland die häufigste chronisch entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems junger Menschen. Die Entzündungen schädigen die Nervenfasern, was zu schwerwiegenden neurologischen Ausfallerscheinungen und Behinderungen führen kann. MS manifestiert sich vor allem bei Frauen zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr. Bei mehr als 85 Prozent der Patienten verläuft die MS in Schüben. MS ist unheilbar. Die genauen Ursachen sind noch immer nicht vollständig geklärt. Das Weißbuch „Multiple Sklerose – Versorgungssituation in Deutschland“ wird von IGES-Experten herausgegeben und enthält Autorenbeiträge renommierter MSExperten. Es ist im Springer-Verlag Berlin Heidelberg erschienen und ab Anfang Mai 2016 erhältlich. Das Buch entstand mit finanzieller Unterstützung des Unternehmens Novartis Pharma GmbH. Über das IGES Institut: Forschen – Entwickeln – Beraten für Infrastruktur und Gesundheit Das IGES Institut wurde 1980 als unabhängiges Institut gegründet. Seither wurde in über 1.600 Projekten zu Fragen des Zugangs zur Versorgung, ihrer Qualität, der Finanzierung sowie der Gestaltung des Wettbewerbs im Bereich der Gesundheit gearbeitet. In jüngerer Zeit wurde das Spektrum auf weitere Gebiete der öffentlichen Daseinsvorsorge ausgeweitet: Mobilität und Bildung. Das IGES Institut gründet seine Arbeit auf hohe Sach- und Methodenkompetenz und bietet in allen Arbeitsgebieten einen breiten Zugang zu eigenen und zu Datenquellen anderer Institutionen. Gemeinsam mit den Unternehmen CSG und IMC (beide Berlin), AiM (Lörrach) sowie HealthEcon (Basel) beschäftigt die IGES Gruppe mehr als 130 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. 3 Literatur (1) DGN (Hrsg.) (2014): Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie. Diagnose und Therapie der Multiplen Sklerose. Entwicklungsstufe: S2e. Stand: Januar 2012, Ergänzung August 2014. (2) Stangel M, Penner IK, Kallmann BA, Lukas C & Kieseier BC (2015): Towards the implementation of 'no evi- dence of disease activity' in multiple sclerosis treatment: the multiple sclerosis decision model. Ther Adv Neurol Disord 8(1), 3-13. (3) Höer A, Schiffhorst G, Zimmermann A, Fischaleck J, Gehrmann L, Ahrens H, Carl G, Sigel KO, Osowski U, Klein M & Bless HH (2014): Multiple sclerosis in Germany: data analysis of administrative prevalence and healthcare delivery in the statutory health system. BMC health services research 14, 381. (4) IGES Institut (2014): Neurologische und psychiatrische Versorgung aus sektorenübergreifender Perspektive. Studie im Auftrag von Berufsverband Deutscher Nervenärzte e.V. (BVDN), Berufsverband Deutscher Neurologen e.V. (BDN), Berufsverband Deutscher Psychiater e.V (BVDP), Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) / Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung in Deutschland (ZI), Deutsche Gesellschaft für Neurologie e.V (DGN). Ergebnisbericht. (5) Hansen K, Schussel K, Kieble M, Werning J, Schulz M, Friis R, Pohlau D, Schmitz N & Kugler J (2015): Adher- ence to Disease Modifying Drugs among Patients with Multiple Sclerosis in Germany: A Retrospective Cohort Study. PLoS One 10(7). (6) Bischoff C, Schreiber H & Bergmann A (2012): Background information on multiple sclerosis patients stopping ongoing immunomodulatory therapy: a multicenter study in a community-based environment. Journal of Neurology & Neurophysiology 259(11). (7) Flachenecker P, Stuke K, Elias W, Freidel M, Haas J, Pitschnau-Michel D, Schimrigk S, Zettl UK & Rieckmann P (2008): Multiple sclerosis registry in Germany: results of the extension phase 2005/2006. Deutsches Ärzteblatt 105(7), 113-119. (8) Gesellschaft für Neuropsychologie (GNP) e.V. (2015): Zertifizierte Neuropsychologen der GNP - Behandlerliste. 22.09.2015: 287 Einträge. 36001 Fulda: Gesellschaft für Neuropsychologie (GNP) e.V. http://www.gnp.de/_de/fsBehandlerliste.php [Abruf am: 22.09.2015]. (9) Goecker D, Rösing D & Beier KM (2006): Der Einfluss neurologischer Erkrankungen auf Partnerschaft und Sexualität: Unter besonderer Berücksichtigung der Multiplen Sklerose und des Morbus Parkinson. Der Urologe 45(8), 992998. (10) Kobelt G, Berg J, Lindgren P, Elias WG, Flachenecker P, Freidel M, Konig N, Limmroth V & Straube E (2006): Costs and quality of life of multiple sclerosis in Germany. The European journal of health economics 7 Suppl 2, S34-44. (11) Karampampa K, Gustavsson A, Miltenburger C & Eckert B (2012): Treatment experience, burden and unmet needs (TRIBUNE) in MS study: results from five European countries. Multiple sclerosis 18(2 Suppl), 7-15. 4 | Gesundheit | Mobilität | Bildung | Weißbuch „Multiple Sklerose – Versorgungssituation in Deutschland“ Hans-Holger Bleß, IGES Institut Pressekonferenz 06. April 2016 Haus der Bundespressekonferenz Pressekonferenz Weißbuch "Multiple Sklerose – Versorgungssituation in Deutschland" 06. April 2016 Seite 1 IGES Institut. Ein Unternehmen der IGES Gruppe. Was ist ein Weißbuch? Weißbücher („White Papers“) Strukturierte Sichtung der vorhandenen Literatur und Datenmaterial Umfassende Aufarbeitung relevanter Versorgungsaspekte und -bereiche Neutrale, aktuelle Information und verlässliche Daten für die Versorgungsgestaltung Identifizierung von Stärken und Versorgungsmängeln, Versorgungszielen bzw. Handlungsbedarf Referenzwerk über die Versorgungssituation der Multiplen Sklerose in Deutschland Beitrag für die zukünftige Versorgungsgestaltung Pressekonferenz Weißbuch "Multiple Sklerose – Versorgungssituation in Deutschland" 06. April 2016 Seite 2 Welche Inhalte werden im Buch dargestellt? 1. 2. 3. 4. Krankheitsbild der MS Epidemiologie der MS Früherkennung und Diagnostik der MS Therapie der MS • • Stufentherapie Symptomatische Therapie und Rehabilitation körperlicher und kognitiver Symptome 5. Gesundheitsökonomische Aspekte in der Versorgung der MS 6. Akteure und Strukturen der Versorgung Pressekonferenz Weißbuch "Multiple Sklerose – Versorgungssituation in Deutschland" 06. April 2016 Seite 3 Welche Experten wurden einbezogen? Mitwirkung Prof. J. Haas Vorsitzende DMSG Dr. U. Meier Vorsitzender BDN D. PitschnauMichel Ehemalige Vorsitzende MSFP Ko-Autoren PD Dr. I.-K. Penner Geschäftsführerin Cogito GmbH Dr. D. Pöhlau Chefarzt Abt. Neurologie, DRK Kamillus Klinik Asbach C. Rupprecht Stabsbereich Gesundheitspolitik, AOK Rheinland/Hamburg - Die Gesundheitskasse Prof. H. Wiendl Direktor, Klinik für Allgemeine Neurologie, Universitätsklinikum Münster Patientenvertretung DMSG AOK Rheinland/ Hamburg Berufsverband Deutscher Neurologen (BDN) Pressekonferenz Weißbuch "Multiple Sklerose – Versorgungssituation in Deutschland" Wissenschaft und Forschung Ambulante und stationäre Versorgung 06. April 2016 Seite 4 | Gesundheit | Mobilität | Bildung | Einführung in das Indikationsgebiet der Multiplen Sklerose Pressekonferenz Weißbuch "Multiple Sklerose – Versorgungssituation in Deutschland" 06. April 2016 Seite 5 Die MS ist eine chronisch entzündliche degenerative Erkrankung des ZNS Typisch sind Läsionen an den Nervenhüllen (Demyelinisierung) und Schädigungen der Nervenfasern sowie der Verlust von Nervenbahnen(1) Charakteristisch ist die örtliche und zeitliche Streuung der Läsionen im ZNS(1) Die MS ist eine multifaktorielle Erkrankung, die genauen Ursachen sind nicht vollständig geklärt(2) Ein Zusammenhang besteht bei genetischer Veranlagung u.a. mit (Epigenetik)(2) : • Epstein-Barr-Virus-Infektion • Vitamin-D-Mangel • Rauchen • Ernährungsfaktoren Quellen: (1) Wiendl und Kieseier 2010; (2) Dendrou et al. 2015 Pressekonferenz Weißbuch "Multiple Sklerose – Versorgungssituation in Deutschland" 06. April 2016 Seite 6 Das Beschwerdebild bei einer MS ist sehr heterogen Zu den häufigsten und belastenden Symptomen zählen(1): • neuropsychologische Symptome wie die Fatigue, Störungen der Kognition oder Depressionen • Schmerzen, Spastik und weitere Einschränkungen der Mobilität (z.B. durch Muskelschwäche, Gangstörungen) • Störungen der Blasen- und Darmfunktion sowie Störungen der Sexualität Die Wahrscheinlichkeit bleibender Funktionseinschränkungen nimmt mit der Krankheitsdauer zu(3) MS-Register (Patienten <65 Jahre)(4): • 37 % der Patienten waren in Voll-/Teilzeit berufstätig • 39 % waren vorzeitig berentet (z.B. bei Erwerbsminderung) • 6 % waren arbeitslos • 15 % anderes (Hausfrau, -mann/in Ausbildung etc.), 3 % k.A. Quellen: (1) Wiendl und Kieseier 2010; (3) Kister et al. 2013; (4) Flachenecker et al. 2008 Pressekonferenz Weißbuch "Multiple Sklerose – Versorgungssituation in Deutschland" 06. April 2016 Seite 7 Es werden verschiedene Verlaufsformen der MS unterschieden(5) KIS (klinisch-isoliertes Syndrom) bezeichnet das erstmalige Auftreten von Symptomen RRMS (remitting relapsing MS); häufigste Verlaufsform bei Krankheitsbeginn (≈85%) Schub: plötzlich auftretende Symptome, die sich (fast) vollständig wieder zurückbilden Zwischen den Schüben liegen symptomfreie Intervalle von unterschiedlicher Dauer (Wochen bis Jahre) PPMS (primär progrediente MS) ist vergleichsweise selten (<10%) SPMS (sekundär progrediente MS) Ihr geht immer eine RRMS voraus; die Erkrankung schreitet nun kontinuierlich fort Schubaktivität nimmt ab, Degeneration nimmt zu Der individuelle Verlauf der MS lässt sich nicht sicher voraussagen Quellen: (5) Lublin et al. 2014 Pressekonferenz Weißbuch "Multiple Sklerose – Versorgungssituation in Deutschland" 06. April 2016 Seite 8 Bei bis zu 200.000 Menschen (GKV) ist in D eine MS dokumentiert Anteil am Kollektiv der Patienten mit MS Die meisten Menschen erkranken zwischen 20. und 40. Lebensjahr(6) 20,0% 18,0% 18,9% 17,3% 16,0% 14,0% 12,0% 17,0% 14,1% 11,9% 10,0% 8,0% 7,3% 7,3% 6,0% 3,5% 4,0% Prävalenz: zwischen 175 und 300 pro 100.000 (≈143.000 und 199.505 gesetzlich Versicherter)(7,8,9) • Frauen : Männer ꞊ 2,3:1 Inzidenz: 8 Fälle pro 100.000 Einwohner pro Jahr(10) • Frauen : Männer ꞊ 3:1 1,6% 1,1% 2,0% 0,0% Alter in Jahren Quellen: (6) DMSG 2013; (7) Petersen et al. 2014; (8) Dippel et al. 2015; (9) Höer et al. 2014; (10) Fasbender und Kolmel 2008 Pressekonferenz Weißbuch "Multiple Sklerose – Versorgungssituation in Deutschland" 06. April 2016 Seite 9 | Gesundheit | Mobilität | Bildung | Gesundheitsökonomische Aspekte Pressekonferenz Weißbuch "Multiple Sklerose – Versorgungssituation in Deutschland" 06. April 2016 Seite 10 Versorgung von Patienten mit MS ist mit hohen Gesundheitsausgaben verbunden Indirekte Kosten durch Produktivitätsausfälle nehmen mit zunehmendem Behinderungsgrad zu • Jährliche Kosten liegen zwischen ca. 4.500 und 19.000 € pro Patient(11,12,13) • Ca. 50 % der Patienten mit MS (GKV) erhalten eine Erwerbsminderungsrente (Vergleich: Allgemeinbevölkerung 2,9 %)(14) Direkte nicht-medizinische Kosten durch z.B. informelle Pflege sind ein relevanter Faktor(11) • Die Kosten für informelle Pflege beinhalten sowohl Zeit als auch entgangenes Einkommen pflegender Angehöriger oder Freunde • In Deutschland nehmen 48 % der Patienten durchschnittlich 87 Stunden pflegerische Leistungen durch Angehörige in Anspruch • Jährliche Kosten für informelle Pflege von 4.400 € pro Patient Quellen: (11 Kobelt et al. 2006; (12) Karampara et al. 2012; (13) Reese et al. 2011; (14) IGES 2014; Pressekonferenz Weißbuch "Multiple Sklerose – Versorgungssituation in Deutschland" 06. April 2016 Seite 11 Direkte med. Kosten steigen mit höherer Schubaktivität und Behinderungsgrad Direkte und indirekte Schubkosten betragen pro Schub ca. 3.000 €(11,12) Jährliche direkte Kosten liegen insgesamt zwischen 22.000 bis 23.000 € pro Patient(11,13) • Arzneimittelausgaben größter Kostenblock (≈60 %)(11,12,13) • Mit ↑ Behinderungsgrad und Schubaktivität steigen die direkten Kosten für stationäre und pflegerische Leistungen(11,12,13) 35.000 € 30346 30.000 € Kosten in € pro Patient 25.000 € 20.000 € 16954 17840 15.000 € 10.000 € 5.000 € 0€ EDSS 0-3 (n=164) EDSS 4-6,5 (n=69) EDSS 7-9 (n = 11) Medikamente Stationäre Behandlung , inkl. Rehabilitation und Pflege Ambulante Behandlung, inkl. Heilmittelbehandlungen Ambulante Pflege Diagnostik Quellen: (11) Kobelt et al. 2006; (12) Karampana et al.2012; (13) Reese et al. 2011 Pressekonferenz Weißbuch "Multiple Sklerose – Versorgungssituation in Deutschland" 06. April 2016 Seite 12 | Gesundheit | Mobilität | Bildung | Versorgungssituation Früherkennung und Diagnostik der Multiplen Sklerose Pressekonferenz Weißbuch "Multiple Sklerose – Versorgungssituation in Deutschland" 06. April 2016 Seite 13 Die frühe, sichere Diagnosestellung hat einen hohen Stellenwert Ein möglichst früher Therapiebeginn kann das Fortschreiten einer RRMS und ggf. die Konversion eines KIS in eine MS verzögern Frühe Dx trägt zur Verbesserung der Prognose bei Die Diagnosestellung erfolgt nach definierten klinischen und paraklinischen Kriterien (McDonald-Kriterien)(15) • Nachweis einer räumlichen und zeitlichen Streuung der Läsionen(1) • MRT hat einen sehr hohen Stellenwert, da MS-charakteristische Befunde bereits im Frühstadium der Erkrankung möglich sind Gemäß aktuellen Leitlinien der DGN sollen dabei standardisierte MRTProtokolle verwendet werden • bessere Vergleichbarkeit der (subklinischen) Befunde im Verlauf(16) Quellen: (1) Wiendl und Kieseler 2010; (15) Polman et al. 2011; (16) DGN 2014 Pressekonferenz Weißbuch "Multiple Sklerose – Versorgungssituation in Deutschland" 06. April 2016 Seite 14 Diagnosedauer der Multiplen Sklerose beträgt fast 3 Jahre Diagnosezeiträume haben sich seit 1996 verkürzt(17,18,19) • Verbesserte Diagnostik (MRT)(20) • Weiterentwicklung von DiagnoseKriterien (McDonald)(20) Variabilität der MSSymptomatik und individuell unterschiedliche Verläufe erschweren eine zeitnahe Diagnosestellung Zeitnahe und sichere Dx ist anzustreben 5 Diagnosezeitraum (Jahre) 4,5 4 3,5 3 2,7 2 1 0 1996 2006 2014 Quellen: (17) msfp 2014; (18) Flachenecker und Stuke 2008; (19) Haas et al. 2003; (20) Marrie et al. 2005 Pressekonferenz Weißbuch "Multiple Sklerose – Versorgungssituation in Deutschland" 06. April 2016 Seite 15 | Gesundheit | Mobilität | Bildung | Versorgungssituation Therapie der Multiplen Sklerose Pressekonferenz Weißbuch "Multiple Sklerose – Versorgungssituation in Deutschland" 06. April 2016 Seite 16 Die Therapie der MS umfasst drei Säulen(16) Verlaufsmodifizierende Therapie (Immuntherapie) • Orientiert sich an Verlaufsform und Krankheitsaktivität • Reduziert Anzahl der Schübe und verzögert damit die Progression • Ziel: Abwesenheit von klinischen und paraklinischen Anzeichen für Krankheitsaktivität (NEDA | no evidence of disease activity) Akuttherapie des Schubs (i.v. Cortisontherapie) Symptomatische Therapie • Nichtmedikamentöse und medikamentöse Verfahren ◦ Strukturierte multimodale Rehabilitation (ambulant, stationär) • Orientiert sich an individuellem Beschwerdebild (körperlich und kognitiv) • Ziel: Vermeidung von Folgekomplikationen und Verbesserung der Lebensqualität Quellen: (16) DGN 2014 Pressekonferenz Weißbuch "Multiple Sklerose – Versorgungssituation in Deutschland" 06. April 2016 Seite 17 Die Versorgungssituation bei Erstdiagnose einer MS ist unzureichend Rascher Beginn der verlaufsmodifizierenden Therapie verzögert das Fortschreiten der Erkrankung Nur jeder zweite GKV-Patient mit dokumentierter Erstmanifestation einer MS in 2009 nahm im selben Jahr eine verlaufsmodifizierende Therapie in Anspruch(9) Die Versorgung ist regional unterschiedlich(14) • In Abhängigkeit von der regionalen Facharztdichte suchten lediglich zwischen 37 % (Brandenburg) und 64 % (Hamburg) der Patienten innerhalb der ersten sechs Wochen nach Erstdiagnose überhaupt einen Neurologen für die Weiterbehandlung auf Quellen: (9) Höer et al. 2014; (14) IGES 2014 Pressekonferenz Weißbuch "Multiple Sklerose – Versorgungssituation in Deutschland" 06. April 2016 Seite 18 Bei der RRMS gibt es Hinweise auf eine Unterversorgung Die verlaufsmodifizierende Therapie senkt die Schublast und verzögert damit die Progredienz(16) Gut 40 % der Patienten der GKV mit dokumentierter RRMS nahmen 2009 überhaupt keine verlaufsmodifizierende Therapie in Anspruch(9) Rund 15 % der GKV-Patienten mit MS werden jährlich wegen der MS akut-stationär behandelt(21) • Gut zwei Drittel dieser Patienten nahmen vor dem stationären Aufenthalt keine verlaufsmodifizierende Therapie in Anspruch • Bei 27 % dieser Patienten wurde nach dem Krankenhausaufenthalt aber eine verlaufsmodifizierende Therapie initiiert Quellen: (9) Höer et al. 2014; (16) DGN 2014; (21) Glaeske und Schicktanz in BARMER GEK Report 2014; Pressekonferenz Weißbuch "Multiple Sklerose – Versorgungssituation in Deutschland" 06. April 2016 Seite 19 Die Therapie der RRMS soll sich an die Krankheitsaktivität anpassen(16) Verbrauch (GKV) empfohlener AM bei milden/moderaten Verläufen der RRMS(16,22) Glatirameracetat Interferon beta-1b Teriflunomid 25 20 15 5,4 9,0 5,2 9,4 4,6 8,5 10 5 5,5 5,6 5,8 3,4 0 2012 2013 Jahr 2014 Fingolimod Jährlicher Gesamtverbrauch in Mio. DDD Jährlicher Gesamtverbrauch in Mio. DDD Dimethylfumarat Interferon beta-1a Peginterferon beta-1a Verbrauch (GKV) empfohlener AM bei hoch(aktiven) Verläufen der RRMS(16,22) Natalizumab Alemtuzumab 25 20 15 10 5 0 1,6 1,3 1,7 2,2 2012 2013 Jahr 1,8 3,2 2014 Quellen: (16) DGN 2014; (22) Häussler et al. 2014 Pressekonferenz Weißbuch "Multiple Sklerose – Versorgungssituation in Deutschland" 06. April 2016 Seite 20 Das Verständnis von Krankheitsaktivität wurde erweitert Krankheitsaktivität 4 Domänen(5,23): • Schübe • Behinderungsprogression • MRT-Aktivität • neuropsychologische Aspekte (u.a. Fatigue, Depression) Beurteilung mit Punktwerten, Überführung in Ampelschema(23) ◦ Grün: keine Veränderung kein Handlungsbedarf ◦ Gelb: leichte Veränderung baldige Überprüfung ◦ Rot: deutliche Veränderung Therapieanpassung erwägen Quellen: (5) Lublin 2014; (23) Stangel et al.2015 Pressekonferenz Weißbuch "Multiple Sklerose – Versorgungssituation in Deutschland" 06. April 2016 Seite 21 Die an die Krankheitsaktivität angepasste Therapie der RRMS ist nicht ausgeschöpft Gemäß Leitlinien der DGN wird bei gestiegener Krankheitsaktivität ein Switch auf AM für hoch(aktive) Verlaufsformen empfohlen 34 % der Patienten haben innerhalb eines Jahres unter Therapie (mild/moderat) einen Schub(24) Bei rund 25 % aller Patienten (90 % der Patienten mit Schub) waren Zeichen erhöhter Krankheitsaktivität im MRT messbar(24) Diese Patienten können von einer Therapie mit Medikamenten für eine (hoch)aktive Verlaufsform profitieren Quellen: (16) DGN 2014; (24) Mäurer et al. 2011 Pressekonferenz Weißbuch "Multiple Sklerose – Versorgungssituation in Deutschland" 06. April 2016 Seite 22 Patienten mit akutem Schub werden zu häufig stationär behandelt Die Therapie des Schubs ohne Komorbidität kann ambulant erfolgen Bei 36 % der Patienten des MSRegisters wird der akute Schub ambulant behandelt(25) • Die Wahrscheinlichkeit nahm u.a. mit der Krankheitsdauer zu In 2013(26): 21.100 stationäre Behandlungsfälle eines Schubs, aber nur 15.400 Therapien Differenz, u.a. auf Grund • Ambulanter Weiterbehandlung • Fehlender Notwendigkeit Bundesweite Krankenhausfälle einer MS mit akutem Schub (2013)(26) Fälle mit Schub oder Exazerbation (gesamt) Fälle mit Therapie (gesamt) 21134 15461 iv. Cortisontherapie Immuntherapie mit Immunmodulatoren Immunsuppression, sonstige Applikationsform Immuntherapie mit nicht modifizierten Antikörpern Sonstige Immuntherapie Immuntherapie mit modifizierten Antikörpern Pressekonferenz Weißbuch "Multiple Sklerose – Versorgungssituation in Deutschland" 10087 1995 272 114 107 59 Plasmapherese Immunadsorption Chemotherapie Natalizumab Rituximab 319 167 1892 229 220 0 5000 10000 15000 Fälle (n) 20000 25000 Quellen: (25) Rommer et al. 2015; (26) InEK 2015 06. April 2016 Seite 23 Die Adhärenz der verlaufsmodifizierenden Therapie ist niedrig Lediglich 30-40 % aller Patienten nahmen die empfohlenen Medikamente kontinuierlich ein(27) 25 % aller Patienten unterbrachen die Therapie innerhalb der ersten drei Monate nach Beobachtungsbeginn(27) Gründe für eine niedrige Adhärenz(28): • Nebenwirkungen wie Fieber oder Schmerzen • Begleitsymptome wie eine Fatigue oder Depressionen • Parenterale Darreichungsform • nachgewiesene oder angenommene fehlende Wirksamkeit Frühe Therapieabbrüche sind eher mit Nebenwirkungen, späte Therapieabbrüche eher mit fehlender Wirksamkeit assoziiert Quellen: (27) Hansen et al. 2015; (28) Bischoff et al. 2012; Pressekonferenz Weißbuch "Multiple Sklerose – Versorgungssituation in Deutschland" 06. April 2016 Seite 24 In der Therapie der Symptome existiert eine deutliche Unterversorgung In rund 80 % der Fälle bleiben kognitive Störungen und eine Fatigue bei Patienten des MS-Registers unbehandelt(4) Der Zugang zu ambulant tätigen Kognitions- und Neuropsychologen ist erschwert(29) • 2015 waren bundesweit nur rund 300 Neuropsychologen ambulant tätig • Es fehlen wohnortnahe Angebote(30) ◦ Bei >2/3 der neuropsychologischen Einrichtungen ist das Einzugsgebiet >10 km (bei 18 % >50 km) In rund 30 % der Fälle bleibt eine Spastik unbehandelt(4) • Medikamentöse Therapiemöglichkeiten unzureichend(31) • Physio,- und Bewegungstherapie nicht optimal ausgeschöpft 86 % der betroffenen Patienten geben einen Aufklärungs- und Informationsbedarf zu Störungen der Sexualität an(32) Quellen: (4) Flachenecker et al. 2008; (16) DGN 2014; (29) GNP 2015; (30) Mühlig et al. 2009; (31) Henze et al. 2013; (32) Goecker et al. 2006 Pressekonferenz Weißbuch "Multiple Sklerose – Versorgungssituation in Deutschland" 06. April 2016 Seite 25 | Gesundheit | Mobilität | Bildung | Versorgungstrukturen Pressekonferenz Weißbuch "Multiple Sklerose – Versorgungssituation in Deutschland" 06. April 2016 Seite 26 Komplexe Inanspruchnahmesituation 36 % der Patienten nehmen Leistungen aus mindestens vier Leistungsbereichen gleichzeitig in Anspruch (Hausarzt und Facharzt, stationäre Versorgung, Pflege, Arzneimittel)(14) Ca. 20 % der Patienten werden mindestens einmal pro Jahr im Krankenhaus behandelt(14) Neben Ärzten ist eine Vielzahl weiterer Heilberufe involviert Wirksame Therapien fehlen teilweise bzw. sind nebenwirkungsreich(16) Einbeziehung von in der MS-Therapie erfahrenen Therapeuten Bereichsübergreifende Versorgungskonzepte und effektive Schnittstellenkommunikation notwendig Quellen: (14) IGES 2014; (16) DGN 2014 Pressekonferenz Weißbuch "Multiple Sklerose – Versorgungssituation in Deutschland" 06. April 2016 Seite 27 Strukturierte Versorgungsmodelle verbessern die Versorgungssituation Beispiel IV-Modell Nordrhein Weniger akutstationäre MS-bezogene Krankenhausbehandlungen • IV: 0,3 pro Patient vs. Regelversorgung: 0,6 pro Patient pro Jahr(36) Keine Verschlechterung des Behinderungsgrads (EDSS) Gleichbleibende gesundheitliche Lebensqualität Quellen:(32) Nelles et al. 2013 Pressekonferenz Weißbuch "Multiple Sklerose – Versorgungssituation in Deutschland" 06. April 2016 Seite 28 Fazit Verkürzung der Zeit bis zur sicheren Diagnosestelllung und Einleitung der Therapie ◦ Verkürzte Wartezeiten auf MRT (Priorisierung) ◦ Standardisierte MRT-Protokolle (Verlaufsbeurteilung) Erreichen eines Zustands ohne Krankheitsaktivität (NEDA) ◦ Differenzierte Bewertung der Krankheitsaktivität ◦ An die Krankheitsaktivität angepasste Therapie Ausweitung nichtmedikamentöser Maßnahmen wie z.B. neuropsychologische Verfahren, Physio- und Bewegungstherapie und Beratungsangebote (auch von Angehörigen) Strukturierte, koordinierte Versorgungskonzepte Pressekonferenz Weißbuch "Multiple Sklerose – Versorgungssituation in Deutschland" 06. April 2016 Seite 29 Literatur (1) Wiendl H, Kieseler BC, Brandt T, (Hrsg), Hohlfeld R, (Hrsg.), Noth J, (Hrsg.) & Reichmann H, (Hrsg) (2010): Multiple Sklerose. Klinik, Diagnose und Therapie. München: Kohlhammer. ISBN: 978-3170184633. (2) Dendrou CA, Fugger L & Friese MA (2015): Immunopathology of multiple sclerosis. 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April 2016 Seite 33 | Gesundheit | Mobilität | Bildung | IGES Institut Hans-Holger Bleß www.iges.com Pressekonferenz Weißbuch "Multiple Sklerose – Versorgungssituation in Deutschland" 06. April 2016 34 IGES Institut. Ein Unternehmen der IGES Seite Gruppe. Therapie der Multiplen Sklerose Prof. Dr. Judith Haas Leiterin MS Zentrum am Jüdischen Krankenhaus Berlin Vorsitzende Bundesverband der Deutschen Multiplen Sklerose Gesellschaft Pressekonferenz Weißbuch MS 6.4.2016 Berlin Paradigmenwechsel in der Immuntherapie Therapie der MS • bis 1995 – die MS ist nicht behandelbar • 1995 Zulassung Interferon Beta 1b : die MS wird eine behandelbare Erkrankung • bis 2001 Immuntherapie so spät wie möglich • 2002 Zulassung Interferon beta 1a für CIS : ( klinisch isoliertes Syndrom ) – vom ersten Schub an wird behandelt • 2014 es gibt keine Therapie der progredienten MS • 2015 Ocrelizumab verzögert die Progression bei der primär progedienten MS Zulassungen für schubförmige MS in Europa 1995 bis 2016 Aktive RR MS Hochaktive RR MS • Interferon beta 1 Betaferon ,Extavia • Interferon beta 1a im Avonex • Interferon beta 1a sc Rebif • Glatirameracetat Copaxone • Interferon beta 1a sc Plegridy • Azathioprin Imurek • Teriflunomide Aubagio • Dimethylfumarat Tecfidera • • • • Mitoxantron Natalizumab Fingolimod Lemtrada - Ralenova Tysabri Gilenya Alemtuzumab Immuntherapie MS - Therapieentscheidung Neurologe informiert und berät – Patient entscheidet • • • • • • Nebenwirkungen ? Applikation ? Kontrollen? Beruf ? Kinderwunsch? Reisen? Erster Schub ( CIS) • 80 % entscheiden sich für eine Therapie, wenn der Arzt dazu rät • 60 % wenn man es dem Pat. überlässt • Bei CIS aufgrund des Zulassungsstatus Vorrang der Injektionstherapien Geb 1988 w DH Hoffnungen in der MS Therapie Progrediente MS • Ocrelizumab - B Zell Hemmer • Ibudilast – Phospodiesterasehemmer RR MS • Daclizumab Hyp - Anti CD 25 • Siponimod – selektiver S1PR Antagonist • Laquinimod - Makrophagen aktivitätshemmer Neuroprotektion und Regeneration Cholin,´Biotin,Granzym Phenytoin Remyelinisierung - Anti Lingo 1 Embryonale Stammzellen Wird und kann die Immuntherapie die fortschreitende Behinderung der MS Kranken langfristig verzögern ? Vergleich MS Register (Pilotphase 2001-2003 ) und Natural course(Weinshenker et al) n Deutschl and Weinshe nker 32 23 10 99 Femal Ag es e Durati EDS EDS on S S mea <4,5 n 72 % 42, 12,6 9 66 % 42, 11,9 4 3,0 5,0 70 % 49 % EDS S >5 EDS S >5,5 EDS S >7,5 6 % 21% 3 % 49% 12% 12 years follow up DMD in RR MS Progression MDOC JKB n 285 EDSS <= 2,5 bei Therapiestart mittlere Krankheitsdauer bei Therapiestart 8 Jahre Aktuelle Krankheitsdauer 20 Jahre Anteil deutlich behinderter MS Kranker JKB MDOC Data base nges 5606 1996-2000 2001-2005 2006-2010 2011-2012 nges 2499 2943 2751 1972 EDSS >6.0 794 31 % 752 25,0 % 634 23,7 % 314 15,7% EDSS >8 173 7,3 % 162 5,4 % 120 4,4 % 40 EDSS 10* 16 19 * Mittleres Alter bei EDSS10 20 59,7 Jahre 2 2 %, 12 years follow up DMD in RR MS MDOC JKB n 285 EDSS <= 2,5 bei Therapiestart Krankheitsdauer 20 Jahre • • • • • Unter initialer Therapie nur 12,3 % Copaxone 16,5 % Avonex 8,8 % Betaferon 11,7 % Rebif 12,2 % benigne MS Verläufe unter Therapie ( EDSS =<2 nach mindestens 10 Jahren Krankheitsdauer ) Berliner Datenbank M DOC JKB • Aktuell n 2174 ( 35% ) dokumentierte Pat mit EDSS <= 2,0 • mittleres Alter 44,9 Jahre • mittlere Krankheitsdauer 15 Jahre • Natürlicher Verlauf 10 % ( historische Daten vor Immuntherapie ) Ilicic,Haas ECTRIMS 2015 Das Risiko der Progression von EDSS 3 nach 6 n 1789 (f 1288, m 501 ) Jahre First line Ohne mit Immuntherapie second line Was erwarten unsere MS Erkrankten von kommenden Studien? Prüfung und Entwicklung neuer Substanzen unabhängig vom Markt Keine Prüfung gegen Placebo mehr bei schubförmiger MS Progression als Parameter wichtiger als Schubfrequenz Unsichtbare Symptome bewerten wie Fatigue, Lebensqualität und Kognition Definierte Abbruchkriterien für Unwirksamkeit Verständliche Aufklärung 15 Charite 9.3.2016 Welche Studien wünschen sich MS Erkrankte auch ? Studien mit Nahrungsergänzung, Naturheilmitteln und zum Einfluss des Lebensstil Studien zur symptomatischen Therapie zur Zulassungserweiterung zb Botulinumtoxin bei Spastik , Amidopyridin bei Sehstörungen und cerebellären Symptome 16 Charite 9.3.2016 Welche Studien vermissen MS Erkrankte nach Zulassung neuer Immuntherapien ? Langfristige Nachbeobachtungen zur Wirksamkeit und Sicherheit der Immuntherapien in Firmen unabhängigen Register Deutschlandweite Sammlung der Daten zu Zweiterkrankungen bzw der Lebenserwartung von MS Erkrankten , bei denen hochwirksame Immuntherapien zum Einsatz kamen. MS Register der DMSG 48000 MS Kranke in Deutschland aus 180 Zentren sind erfasst Langzeiterfassung von Sicherheitsdaten über Jahrzehnte ist möglich enge Zusammenarbeit mit dem Kompetenznetz MS Ziel ist die Zusammenführung der Daten aus unterschiedlichen Register in Deutschland über Schnittstellen 18 Real life Daten können uns im Langzeitverlauf Fragen beantworten zur Wirksamkeit, Adhärenz und Sicherheit und sind in der Diskussion mit den Kostenträgern unverzichtbar. Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft Bundesverband gegr.1954 Wir vertreten die Interessen der MS Erkrankten in Deutschland Prof. Dr. Judith Haas Bundesvorsitzende Weißbuch Multiple Sklerose – Versorgungssituation in Deutschland Miriam Kip | Tonio Schönfelder | Hans-Holger Bleß Hrsg. 2016 143 S., 20 Abb., Broschiert ISBN: 978-3-662-49203-1 Euro [D]: 29,99 Erhältlich ab Mai 2016 im Buchhandel mit begleitendem Patientenvideo auf Youtube [email protected] | Gesundheit | Mobilität | Bildung | Curriculum vitae – Hans-Holger Bleß Hans-Holger Bleß leitet seit 2011 den Bereich Versorgungsforschung des IGES Instituts und ist u. a. verantwortlich für Projekte, die sich mit der Beschreibung und Analyse des Versorgungsbedarfs und der Versorgungssituation beschäftigen. Weiterhin führt Hans-Holger Bleß beim IGES Institut Projekte durch, die sich schwerpunktmäßig Themen wie dem Arzneimittelbedarf, Nutzenbewertung und Erstattung von Arzneimitteln sowie der vertraglichen und inhaltlichen Konzeption von Versorgungsmanagement widmen. Nach Tätigkeiten in öffentlichen Apotheken arbeitete Hans-Holger Bleß für die AOK Brandenburg. Dort war er für die Gestaltung, Verhandlung und Evaluation der ArzneimittelVerträge (u. a. Arzneimittelvereinbarung, Richtgrößenvereinbarung, Prüfvereinbarung, Arzneimittel-Lieferungsvertrag, Rabattverträge, IV-Verträge) sowie die Gestaltung und Umsetzung der Wirtschaftlichkeitsprüfung nach §106 SGB V verantwortlich. Als Leiter des Fachbereichs „Grundlagen und Verträge Arzneimittel“ war er als Kontenverantwortlicher für die Erstellung und Überwachung des Haushaltsplanes sowie für die Konzeptionierung, Durchführung und das Controlling ausgabensteuernder Maßnahmen im Arzneimittelbereich zuständig. IGES Institut. Ein Unternehmen der IGES Gruppe 1 | Gesundheit | Mobilität | Bildung | Curriculum vitae – Prof. Dr. Judith Haas Professor Haas studierte in Tübingen und Kiel und begann nach der Medizinalassistenzzeit und Promotion 1974 die Facharztausbildung an der Medizinischen Hochschule Hannover. Das Thema ihrer Habilitationsschrift waren neuropsychologische Störungen bei der Multiplen Sklerose. 1988 erfolgte die Ernennung zum ApL-Professor, und von 1989 bis 1992 leitete sie die Neurologische Klinik der Medizinischen Hochschule. Nach der Wiedervereinigung wechselte sie an die Otto von Guericke Universität in Magdeburg. Dort leitete sie zunächst die neurologisch-psychiatrische Klinik und baute ein MS-Zentrum auf. 1995 wurde sie zur Chefärztin des Jüdischen Krankenhauses Berlin gewählt und wechselte an den Lehrkörper der Charité. In Berlin gelang es ihr, innerhalb kurzer Zeit ein über die Grenzen der Stadt hinaus bekanntes Zentrum für Multiple Sklerose aufzubauen, das mittlerweile über eine der größten lokalen Datenbanken mit mehr als 6000 dokumentierten und betreuten MS-Kranken verfügt. Schwerpunkt ihres Interesses ist die Therapie der Multiplen Sklerose und anderer Autoimmunerkrankungen des Nervensystems. Das MS Zentrums am Jüdischen Krankenhaus ist an der Durchführung zahlreicher Therapiestudien beteiligt und bietet insbesondere die Betreuung von MS-Kranken während Schwangerschaft und Stillzeit sowie mit besonderen Begleiterkrankungen an. Sie leitet das MS Zentrum am Jüdischen Krankenhaus mit mehr als 10000 Patientenkontakten pro Jahr. Professor Haas publiziert in internationalen Journals und ist Vortragende auf internationalen Kongressen. Sie ist Mitglied des Vorstandes des ärztlichen Beirates der Deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft Bundesverband und dessen Bundesvorsitzende. Sie ist maßgeblich am Aufbau des MS Registers der DMSG BV beteiligt. IGES Institut. Ein Unternehmen der IGES Gruppe 1 | Gesundheit | Mobilität | Bildung | Curriculum vitae – Dr. Uwe Meier Geboren 1963 in Langenhagen (bei Hannover), Medizinstudium und Promotion in der Medizinischen Hochschule Hannover, Facharztausbildung Klinikum Nordstadt Hannover, Leitender Oberarzt der Aatalklinik in Wünnenberg. Seit 1997 Partner einer neurologischpsychiatrischen Gemeinschaftspraxis in Grevenbroich (Neuro-Centrum am Kreiskrankenhaus) Qualifikationen: Facharzt für Neurologie, Rehabilitationswesen, Spezielle Schmerztherapie, Ärztliches Qualitätsmanagement, Medizinischer Sachverständiger cpu Positionen/Aktivitäten (Auswahl): Vorsitzender Berufsverband Deutscher Neurologen BDN seit 1999, Beiratsmitglied Deutsche Gesellschaft für Neurologie DGN, Mitglied der Leitlinienkommission der Deutschen Gesellschaft für Neurologie DGN, Mitglied der Perspektivenkommission der DGN, Mitglied im Beirat der Zeitschrift Aktuelle Neurologie, Sprecher der Task force Versorgung KKNMS, Beirat Integrierte Versorgung MS Nordrhein. IGES Institut. Ein Unternehmen der IGES Gruppe 1
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