„Wir wollen aber richtig spielen!“ Basketball in heterogenen Lerngruppen Petra Peperkorn Verlauf der Unterrichtseinheit Zu Beginn der Einheit wird gemeinsam mit den Schülern ein Frage-bzw. Beobachtungsbogen entwickelt, anhand dessen sie in kurzen Mannschaftsbesprechungen nach jedem Spiel ihre Beobachtungen festhalten können (siehe Anhang). Die Vorgehensweise läuft immer nach dem gleichen Muster ab: Erproben eines Spiels Kurze Nachbesprechung in den Mannschaften Reflexionsrunde mit der ganzen Klasse Einigung auf eine neue Spielvariante Erproben der neuen Variante Nachbesprechung Reflexion … Ausgangssituation: Basketball nach den offiziellen Regeln 5 gegen 5 auf normalem Feld. Die Mannschaftsbildung erfolgt durch den Lehrer in heterogene, möglichst gleichstarke Mannschaften. Beobachtung/Problem: Die starken Spieler dominieren das Spiel, die schwächeren sind frustriert, weil sie keinen Ball zugespielt bekommen und halten sich zunehmend zurück, bzw. äußern lauthals ihren Unmut. Variation 1: 5. homogen-kompetitiv Die Schüler machen in der Reflexionsphase den Vorschlag in 4. differenziert- kooperativ leistungshomogenen Gruppen gegeneinander zu spielen: die „Guten gegen die Guten“, die „Schwachen gegen die Schwachen“ .Die 3. kooperativ-kompensatorisch Mannschaften werden von den Schülern gemeinsam gebildet, es 2. kooperativ-additiv mit und ohne Wettbewerb gibt einige Diskussionen und die eindeutige Klassifizierung 1. koexistent: keine direkte Interaktion in „gut“ und „schlecht“ kommt bei einigen Schülern nicht gut an, trotzdem einigt man sich darauf, es auszuprobieren. Idee/Intention: Alle spielen auf ihrem Niveau und sind spielentscheidend einbezogen. Beobachtung/Verbesserung und Problem: Das Spiel der beiden starken Mannschaften verläuft für alle Teilnehmer relativ gleichberechtigt. Im Spiel der beiden schwächeren Mannschaften lässt sich eine größere Spielbeteiligung der vorher eher passiven Spieler beobachten, jedoch halten sich die beiden geistig behinderten Schüler weiterhin am Rand des Geschehens auf und sind nicht ins Spielgeschehen involviert. Die Klassifizierung in gut und schlecht soll wieder aufgehoben werden. Variation 2: Turmbasketball (siehe Abb.) Die beiden Schüler mit Förderschwerpunkt geistige Entwicklung bekommen 5. homogen-kompetitiv eine Sonderrolle: nur sie dürfen Körbe machen, indem sie auf kleinen 4. differenziert- kooperativ Kästen in der Zone stehen, ansonsten spielen wieder alle 3. kooperativ-kompensatorisch gleichberechtigt in leistungsgemischten Gruppen. Die 2. kooperativ-additiv mit und ohne Wettbewerb Freiwurfzone, in der der Kasten steht, darf von den übrigen 1. koexistent: keine direkte Interaktion Spielern nicht betreten werden. Je nach Alter und Geschick der Schüler können auch große Kästen genommen werden und der Abstand zum Korb variiert werden. Damit auch alle anderen Schüler einbezogen werden, wird die Regel vereinbart, dass alle Schüler einmal den Ball bekommen müssen, bevor die „Turmspieler“ einen Korb werfen dürfen. Kasten Spieler Mannschaft A Spieler Mannschaft B Ball Idee/Intention: Die Förderkinder haben eine spielentscheidende Rolle, alle sind am Spiel beteiligt. Beobachtung/Verbesserung und Problem: Die Schüler mit geistiger Behinderung sind in das Spiel einbezogen und zufrieden, aber die „guten“ werden gebremst, weil sie nicht mehr auf den Korb werfen dürfen. Außerdem kommt kein richtiger Spielfluss zustande, da der Focus auf das Anspiel aller Spieler liegt und daher kein zielstrebiges Spiel „nach vorne“ mehr möglich ist. Die Kritik geht in die Richtung, dass viele Schüler die Variante nicht als „richtiges“ Basketballspiel empfinden. Anpassungen und Varianten: Rollstuhlfahrer können als Turmspieler auf alternative Ziele, z.B. Korbballständer oder im Tor aufgehängte Reifen zielen. Rolle des Turmspielers austauschen. Förderschüler könnten zum Anspieler des Turmspielers werden, dürfen sich als einzige Spieler in der Zone aufhalten. Wenn ein Turmspieler ein „schlechter“ Fänger ist, darf ein ballbesitzender Spieler, der mit einem Schritt die Zone erreichen kann, dem Turmspieler den Ball übergeben. Variation 3: 3-Zonen-Basketball 5. homogen-kompetitiv Das Spielfeld wird in drei Spielzonen eingeteilt, in denen jeweils ein 4. differenziert- kooperativ Spieler in der Angriffs-und Verteidigungszone und drei Spieler einer Mannschaft im Mittelfeld spielen (je nach Anzahl der 3. kooperativ-kompensatorisch Schüler sind auch andere Aufteilungen möglich). 2. kooperativ-additiv mit und ohne Wettbewerb 1. koexistent: keine direkte Interaktion Idee/Intention: Durch homogene Paar/Gegnerbildung in den Spielzonen wird das Spiel für die Förderkinder übersichtlicher und es spielen immer zwei gleichstarke Spieler gegeneinander. Die Zonen werden im Laufe des Spiels, z.B. nach jedem Punkt, gewechselt, so dass jeder Spieler in jeder Zone, also alle Funktionen (Angreifer, Mittelfeld, Verteidiger) gespielt hat. Dabei bleiben die „Paare“, die von den Schülern selbst gebildet werden, jedoch immer gleich. Der Ball muss in Verteidiger A Mittelfeldspieler A Angreifer A Verteidiger B Mittelfeldspieler B Angreifer B jeder Zone gespielt werden. Beobachtung/Verbesserung und Problem: Durch die annähernd gleichstarken Gegner und die Aufteilung des Spielfeldes sind alle Spieler am Spiel beteiligt. Die komplexe Spielsituation wird übersichtlicher, der festgelegte Gegner und die Spielzonen bieten den Förderschülern einen klaren Orientierungsrahmen. Zeitweise kommt es zu Stockungen im Spielfluss: ein gutes Mittelfeld spielt den Ball in die Angriffszone und ein schwaches Angriffsteam kann den Korb nicht durchführen. Als unangenehm wird auch empfunden, dass man, wenn man im Vorteil ist, nicht einfach zum Korb „durchziehen“ kann. Anpassungen und Varianten: Wenn ein Angreifer gegen einen Verteidiger nicht zum Korberfolg kommt, kann ein Mittelfeldspieler zweiter Angreifer werden, aber nur für die Dauer des Angriffs. Wenn schwache Werfer oder Rollstuhlfahrer in der Rolle der Angreifer spielen, kann ein Korbballständer (oder ein anderes leichter erreichbares Ziel, z.B. im Tor aufgehängter Reifen) unter den Basketballkorb gestellt werden und so die Trefferquote erhöht werden. Diese Zoneneinteilung ist auch auf Hockey, Fußball und Handball übertragbar. Variation 4: Spielen mit dem Unterschied I: Die starken Spieler spielen in Unterzahl gegen eine Überzahl 5. homogen-kompetitiv schwächerer Schüler. In diesem Fall drei gegen sieben. 4. differenziert- kooperativ Idee/Intention: Alle spielen nach normalen 3. kooperativ-kompensatorisch Wettkampfregeln; durch die deutliche Überzahl haben 2. kooperativ-additiv mit und ohne Wettbewerb die Schwächeren mehr Chancen, die guten auszuspielen, kommen häufiger an den Ball und 1. koexistent: keine direkte Interaktion machen „ihr“ Spiel. Die Unterzahlmannschaft ist dadurch gefordert, dass sie gegen die vielen Gegner spielen muss. Alle werden auf ihrem „Niveau“ heraus gefordert . Beobachtung/Verbesserung und Problem: Ähnlich wie in dem Ausgangsspiel dominiert in diesem Fall die zwar personell schwächere, aber technisch und taktisch stärkere Mannschaft das Spiel. Wenn es der Überzahlmannschaft gelingt vor den Korb zu kommen, erzielt sie selten einen Korberfolg. Die Förderschüler sind wieder an den Rand gedrängt. Variation 5: Spielen mit dem Unterschied II: Die „schwache“ Mannschaft in Überzahl bekommt ein Extraziel/Extrakorb, 5. homogen-kompetitiv auf den sie werfen können, der nicht so schwer zu erreichen ist. Das 4. differenziert- kooperativ Ziel ist ein im Tor auf der Seitenlinie aufgehängter Reifen (siehe 3. kooperativ-kompensatorisch Abb.) In diesem Fall dürfen nur die Förderkinder auf dieses 2. kooperativ-additiv mit und ohne Wettbewerb zusätzliche Ziel werfen, müssen 1. koexistent: keine direkte Interaktion jedoch einen gewissen Abstand zum Ziel einhalten, der durch vorhandene Linien oder mithilfe von eigenen Markierungen aus Kreppband gekennzeichnet ist („Tabuzone“). Idee/Intention: Alle können Körbe erzielen. Die schwache Mannschaft bekommt durch die zusätzliche Zielwurfmöglichkeit der Förderkinder eine weitere Chance, Punkte zu erzielen. Die Förderkinder sind in erheblichem Maße am Spielerfolg ihrer Mannschaft beteiligt. Tor mit Reifen Torwurflinie mit „Tabuzone“ Spieler Unterzahlman nschaft Spieler Überzahlmann schaft Beobachtung/Verbesserung und Problem: Die Schüler der Überzahlmannschaft haben zunächst Schwierigkeiten sich darauf umzustellen, die Förderkinder in der „Extrawurfzone“ anzuspielen. Nach einigen gelungenen Korbwürfen durch die Förderkinder, gelingt es zunehmend, sich der neuen Situation anzupassen und den Vorteil auszunutzen. Die Förderschüler haben einen „geschützten“ übersichtlichen Raum, in dem sie sich bewegen können und der ihnen eine Orientierung bietet. Die guten müssen sich mehr anstrengen um mit den Schwachen mitzuhalten, sie müssen zusätzlich aufpassen, dass die Förderschüler keinen Ball bekommen. Die Förderschüler nehmen eine wichtige Rolle ein, sie können das Spielergebnis entscheidend beeinflussen. Das Spiel zwischen den beiden Mannschaften verläuft relativ ausgeglichen, alle müssen sich Anpassungen und Varianten: Übertragbar auf Fußball, Hockey, Handball Mannschaften zahlenmäßig angleichen und ein zweites Tor auf die andere Spielfeldseite stellen, auf dass die schwächeren Schüler spielen dürfen. Anstatt Ringe im Tor Korbballständer benutzen Auch für Rollstuhlfahrer geeignet Für Schüler mit Sehbehinderung den Ring im Tor auffällig kennzeichnen, Ball wird übergeben, nicht geworfen gleichermaßen anstrengen um erfolgreich zu sein. Variation 6: Quidditch: Basketballspiel plus Extrarollen mit anderen 5. homogen-kompetitiv Aufgaben, die jedoch spielentscheidend sind. 4. differenziert- kooperativ „Quidditch“, bekannt geworden durch die Geschichten um Harry Potter, zeichnet sich durch parallele, relativ 3. kooperativ-kompensatorisch unabhängige Aufgaben innerhalb eines Spiels aus: Die 2. kooperativ-additiv mit und ohne Wettbewerb Spieler einer Mannschaft übernehmen 1. koexistent: keine direkte Interaktion verschiedene Rollen, die sie relativ unabhängig voneinander ausführen und tragen trotzdem alle gemeinsam zum Erfolg oder Misserfolg ihrer Mannschaft bei. Rollen: 5 Spieler pro Mannschaft, 2 Treiber pro Mannschaft, 1 Sucher pro Mannschaft Material: 1 Basketball (Quaffel), 2-4 Softbälle (Klatscher), 1 Tischtennisball oder Flummi (Schnatz) Treiber A Feldspieler A Sucher A Treiber B Feldspieler B Sucher B Klatscher Quaffel Idee/Intention/Spielverlauf: Die Spieler spielen auf dem Basketballfeld regulär Basketball gegeneinander. Zwei Punkte pro Korbtreffer. Die Treiber versuchen von der „Auslinie“ aus, die Spieler der gegnerischen Mannschaft mit dem Klatscher abzuwerfen. Gelingt dies, muss der getroffene Spieler eine Runde um das Spielfeld laufen. Wenn ein ballbesitzender Spieler getroffen wird, geht der Ball an die andere Mannschaft. Die Sucher stehen zu Spielbeginn mit dem Gesicht zur Wand in einer vorher festgelegten Hallenecke. Der Spielleiter versteckt den Schnatz irgendwo in der Sporthalle oder anderen für die Schüler zugänglichen Räume (z.B. Geräteraum) und gibt den Suchern anschließend das Signal, sich auf die Suche zu begeben. Wird der Schnatz gefunden, muss er sofort zum Spielleiter gebracht werden, der dann die erste Spielrunde abpfeift. Die Mannschaft, dessen Sucher den Schnatz gefunden hat, bekommt 20 Punkte zusätzlich zu den Punkten, die durch Korberfolg erzielt wurden. Spielende ist entweder nach einer festgelegten Zeit oder nach einer bestimmten Anzahl von Spielrunden. Beobachtung/Verbesserung und Problem: Der Vorteil der verschiedenen Rollen ermöglicht den Schülern, sich selbst eine Rolle zu suchen, in der sie sich wohlfühlen, mitten im Gewühl oder etwas abseits in einem Schonraum. Die beiden Förderschüler nehmen dabei gerne die Rolle der Sucher ein, die ansonsten etwas schwächeren Schüler möchten häufig die Treiber sein, alle tragen gleichermaßen zum Spielerfolg bei. Das relativ schnelle Ende einer Spielrunde ermöglicht zudem einen häufigen Rollenwechsel. Anpassungen und Varianten: Punkte für Sucher können dem Spiel angepasst werden: wenn nur wenige Körbe erzielt werden, kann die Punktzahl für das Finden des Schnatzes herabgesetzt werden, oder im gegenteiligen Fall hochgesetzt werde. Rollstuhlfahrer können die Rolle der Treiber oder Sucher einnehmen, evtl. mit einem Fußgänger als Tandempartner, der die Bälle (Klatscher) wiederholt.
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