31.Mai 2015, NZZ am Sonntag , "Stützpunkt für Schweizer Weine"

Stützpunkt für Schweizer Weine
Wein-Keller Von Peter Keller
er in ausländischen
Restaurants die Weinkarten studiert, stellt
schnell fest, dass den
regionalen Produkten der gebührende Platz eingeräumt wird: In
Südtirol werden Südtiroler Weine
serviert, in der Provence sind es
provenzalische Spezialitäten. In der
Schweiz dagegen haben die einheimischen Tropfen einen schweren
Stand und sind unter- oder gar nicht
vertreten. Vielfach sind die Karten
mit mittleren oder schlechten Qualitäten bestückt.
Doch keine Regel ohne Ausnahme: Die Wirtschaft Neumarkt in
Zürich macht sich für Schweizer
Gewächse besonders stark und ist
neuerdings ein Stützpunkt des
Mémoire des Vins suisses (MDVS).
In dieser Vereinigung sind über
50 Spitzenproduzenten aus allen
sechs Anbauregionen des Landes
vertreten. Das Restaurant baut das
Schweizer Angebot weiter aus und
bezieht jedes Jahr Weine von min-
W
destens 30 MDVS-Winzern. «Ich
glaube an die Schweizer Gewächse
und will qualitätsbewussten Produzenten eine Plattform bieten», sagt
Pächter René Zimmermann zu seiner Motivation. Das Mémoire will
mittelfristig in anderen Schweizer
Städten ebenfalls eine Zusammenarbeit mit Restaurants eingehen.
In Zürich machen die einheimischen, teilweise älteren Gewächse
gut die Hälfte des Sortiments aus.
Bei den Weissen lohnt es sich, den
Räuschling Seehalde 2012 von Hermann Schwarzenbach aus Meilen
Schweizer Restaurants
sollten sich vermehrt für
lokale Gewächse stark
machen – so wie das
‹Neumarkt› in Zürich.
zu versuchen (56 Franken) oder den
genialen Chardonnay Dosso 2009
des Tessiners Christian Zündel
(72 Franken). In Sachen Rot ist der
La Colombe Noire Réserve 2010
von Raymond Paccot aus Féchy
(62 Franken) eine sichere Wahl: ein
eleganter, gut strukturierter Pinot
noir aus der Waadt. Einen der besten Cabernet Sauvignon/Cabernet
Franc produziert die Genfer Domaine des Balisiers. Der 2006er ist
jetzt trinkbereit (69 Franken).
Es kommen im «Neumarkt» aber
auch Winzer zum Zuge, die nicht
dem Mémoire angehören, etwa das
Weingut Zahner aus dem Zürcher
Weinland oder das allseits bekannte
Winzer-Ehepaar Daniel und Martha
Gantenbein aus der Bündner Herrschaft. Für alle Weine gilt: Die Preise sind fair kalkuliert – ein Anreiz,
um einheimisches Schaffen zu
geniessen.
O Mehr Wein-Infos von unserem
Experten Peter Keller finden Sie
online auf www.nzz.ch/wein-keller
Frage der Woche
Wie lange lässt sich ein Rotwein
aus dem Bandol lagern?
M. W., per E-Mail
Die Appellation in der Provence liefert die eindrücklichsten Rotweine
aus dieser Gegend. Hauptsorte ist
Mourvèdre, die mit Grenache und
Cinsaut ergänzt wird. Ein Bandol
präsentiert sich kräftig und mit einer
beachtlichen Geschmackstiefe. Der
Grossteil der Weine wird eher in
jüngeren Jahren getrunken. Dem
Bandol wird jedoch ein gewisses
Lagerpotenzial zugeschrieben. Ich
würde Beispiele aus einem guten bis
sehr guten Jahr nicht viel länger als
zehn Jahre lagern. Die Top-Gewächse
der besten Produzenten des Gebiets
wie Tempier oder Pibarnon halten
darüber hinaus. Vom letztgenannten
Gut degustierte ich kürzlich einen
gelungenen, noch frischen Wein aus
den frühen 2000er Jahren.
Fragen an: [email protected]
Essenzielles für den Esstisch
Supplément Salz und Pfeffer
it der Tischdekoration
verhält es sich nicht
anders als mit dem Gewürz. Natürlich kann
man sowohl beim Herrichten der
Tafel wie beim Marinieren der
Speisen mit der grossen Kelle anrichten, doch besser wird das Mahl
dadurch nicht immer. Im Gegenteil: Während einem allzu viele
Blumen, Kerzen oder textile Staffage schnell einmal den Blick aufs
Wesentliche verstellen, bedarf es
auch bei einem guten Stück Fleisch
oder einer reifen Aubergine meist
nicht mehr als einer Prise Salz und
Pfeffer. Von Weitsicht zeugt
demnach, das eine mit dem
anderen zu verbinden – also
nicht nur das Salz mit dem
Pfeffer, sondern auch das
Unentbehrliche mit dem
Schönen. Beispielsweise in
Form einer skulpturalen
Salz- oder Pfeffermühle
aus heimischer Eiche,
Kirsch- und Nussbaumholz, wie sie Stefan
Merz in seinem Zürcher
Atelier gestaltet, mit
der Kettensäge bearbei-
M
tet und über sein Label Tisch17
vertreibt. Die schönen, handgefertigten Einzelstücke brauchen
ebenso wenig dekorative Gesellschaft auf dem Esstisch wie die
Salz-, Pfeffer- und Gewürzstreuer,
die Peter Zumthor für Alessi entworfen hat. Der Bündner Architekt
hat sich dazu an die natürlichen
Formen von Kristallen, Stalaktiten
sowie Stalagmiten gehalten und
ungewöhnlich unregelmässige
Körper geschaffen. Seine Glasbehälter eignen sich nicht nur gut für
körnige Substanzen, sondern verschaffen dem Gewürz auch einen
angemessen schnörkellosen Auftritt. Bei so viel Purismus
sollte allerdings auf eine
Zierde nicht verzichtet werden – ein paar interessante
Gäste. David Streiff Corti
● www.tisch17.com;
www.alessi.com
Links: Salzstreuer «PZ09»
von Peter Zumthor.
Rechts: Salzmühlen «006»
und «009» von Tisch17
(rechts) sowie Gewürzstreuer «PZ07» von Alessi.
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