Akademie Menschenmedizin www.menschenmedizin.ch Symposium 2015 «Technik – Mensch – Heilkunst», 12. Juni 2015 Beherrscht in Zukunft die Technik den Menschen? Zukunftsberater Gerd Leonhard (www.gerdleonhard.de) Mitte der 90er-Jahre lebte ich in den USA und war einer der ersten Internet-Entrepreneurs in San Francisco, wo ich die erste Welle der Technologie-Begeisterung miterlebt habe. Wie viele anderen bin auch ich dann 2001 Konkurs gegangen, nachdem die Dotcom-Blase geplatz ist. Danach habe ich mein erstes Buch geschrieben »Die Zukunft der Musik« (Kusek, Leonhard 2006) und festgestellt, dass ich besser bin, vorauszusehen, wo es hin geht, als zu tun, was heute ist. William Gibson hat gesagt, dass die Zukunft bereits hier ist, nur ungleich verteilt. Ich glaube, das werden wir heute auch hier sehen, wahrscheinlich werden einige der Dinge, die ich Ihnen zeige, relativ schockierend sein, Sie werden den sogenannten Future Shock erleben, das ist normal. Wenn Sie ein Filmfan sind, sollten Sie gleich alles vergessen, was aus Hollywood kommt. Da sehen wir nur die unterste Stufe der Themen der Zukunft, zum Beispiel Roboter, die die Menschheit übernehmen. Das sollten wir hinter uns lassen. Wir sehen eine Zukunft, die uns dramatisch herausfordert. Wenn Sie sich umschauen und wenn Sie Kinder haben, wissen Sie es: Die Dinge, die heute möglich sind, erinnerten vor ein paar Jahren noch an einen Science-Fiction-Roman. Ich habe eine App auf meinem Smartphone, die heisst »Say hi«, mit dieser App kann ich mich live in 34 Sprachen unterhalten. Die kostet zwei Dollar, und vor zwei Wochen in Japan habe ich eine halbe Stunde mit dem Sushi-Chef geredet. Ich auf Deutsch und er auf Japanisch. Ich reingesprochen, übersetzt, er reingesprochen, übersetzt. Science-Fiction. Diese Dinge werden jetzt wahr. Medizinisch gesehen wissen Sie, dass Dinge wahr werden, die wir lieber nicht wahr werden lassen würden. Da sprechen wir noch drüber. Dort passieren viele Dinge, die ethische Fragen aufwerfen. Zum Beispiel: Wer was und wie machen sollte und darf. Diese Frage stellt sich bei künstlicher Intelligenz; Maschinen, die denken können. Sie denken, dass ist noch weit weg? Ist es nicht. Wenn Sie ein Handy haben, ein Smartphone, halten sie eine denkende Maschine in der Hand. Darin ist künstliche Intelligenz enthalten, ich zeige Ihnen gleich einige Beispiele. Die sogenannte digitale Transformation ist eines meiner Hauptthemen. Alles was wir früher live, offline und real gemacht haben, wird auf einmal digital. Denken Sie daran, was mit der Musik passiert ist. Ich habe früher selber als Musiker CDs verkauft. Wenn Sie heute Ihren Kindern eine CD schenken zu Weihnachten, dann rufen diese einen Therapeuten. CDs, DVDs, Bücher? Ich habe zuhause eine richtige Bibliothek, mit vielen Büchern, das finde ich toll. Doch Leute um die 25 fragen mich, was das soll. Das kann man doch alles digital haben. Diese Transformation findet überall statt, vor allem bei den Millennials, der Generation Y. Diese Menschen um die 30, das sind Leute, für die Technologie normal ist, die aber vorsichtig sind. „Schlimmer“ sind die Digital Natives, die mit Technologie aufgewachsen sind, die heute 12, 13, 14 Jahre alt sind. In der Zukunft werden die Millennials fast 50% der Arbeitsplätze weltweit haben und in 10 Jahren 75%. Sie werden bestimmen, wie wir vorgehen, was möglich ist, was nicht möglich ist. Ein wichtiger Begriff, wenn man von der digitalen Transformation und Technologie spricht ist das exponentielle Wachstum. Sie kennen vielleicht Moore’s Law, das den Technologiefortschritt beschreibt, der eine Grundlage der digitalen Gesellschaft darstellt. Demnach verdoppelt sich die Power der Technologie alle 18 bis 22 Monate. Lange Zeit ist nicht viel passiert. Wenn sie 0.01 verdoppeln, haben Sie noch nicht viel. Doch jetzt sind wir an einem Punkt, an dem wir sagen können, wir befinden uns am Take-off - Punkt, am Scheitelpunkt von Technologie. Zum Beispiel das papierlose Büro, Sie kennen das ja alle. Bislang war es eine Idee, seit 15 Jahren diskutiert, heute passiert es. Die Idee von selbstfahrenden Autos: Die tauchen jetzt in den Medien auf, und es wird plötzlich möglich. Darüber sagten wir früher, das wird nicht passieren, das geht ja gar nicht. Doch jetzt kommt jede Woche eine neue Nachricht, die uns bewusst macht, dass die Einsatzmöglichkeiten von Technologie exponentiell wachsen und unser Leben verändern. Damit müssen Sie rechnen, wenn Sie mit Mensch, Medizin und Technik zu tun haben: Das, was wir in fünf Jahren haben, ist nicht fünf mal so schnell, sondern fünf mal exponentiell so schnell. Die Frage ist nicht, ob wir das wollen oder nicht: Technologie hat ihren eigenen Antrieb. Wir können uns weigern, das ist manchmal nicht schlecht, offline ist der neue Luxus. Das ist sicherlich gut, wenn wir in die Berge gehen und ausschalten. Doch unser Leben kann nicht grundsätzlich ohne Technologie stattfinden. Höchstens wenn Sie sehr reich sind oder einer religiösen Sekte angehören. Aber es wird schwierig, ausserhalb dieses technologischen Rahmens zu existieren, der heute unsere Gesellschaft durchdringt. Ich sage, die Menschheit wird sich in den nächsten 20 Jahren mehr verändern als in den 300 Jahren seit der industriellen Revolution. Es werden jetzt Dinge möglich, die uns vom Verhalten her radikal ändern, von der Politik her, von der Kultur, das wird auch die Schweiz verändern. Unser System von Unabhängigkeit wird in Frage gestellt. Das ist ein grosses Thema, auf das ich heute nicht weiter eingehen werde. Ich erzähle Ihnen eine Geschichte, um den Begriff »exponentiell« zu erläutern: 500 v. Chr. wurde in Indien das Schachspiel erfunden. Ein weiser Mensch kam zum Herrscher an den Hof mit dem Schachspiel und der Herrscher spielte jeden Tag. Dann liess er sich auf eine Wette ein. Er sagte, wenn du mich schlagen kannst, kannst du aussuchen, was du von mir haben willst. Und der weise Mann sagte, ich will eigentlich nur Reis für meine Familie. Du musst mir, wenn ich gewinne, ein Reiskorn für das erste Feld geben, dann doppelt so viel für das zweite Feld, viermal so viel für das dritte Feld usw. Exponentiell viele Reiskörner. Der Herrscher sagte, du bist bescheiden, das ist kein Problem. Doch schon in der Mitte des Schachbretts sind wir bei mehreren Milliarden Reiskörnern. Der weise Mann gewinnt das Schachspiel und am Ende des Felds hat er so viel gewonnen, dass man die gesamte Erde mit einem Meter Reis bedecken könnte. Daraufhin hat der Herrscher ihn enthaupten lassen, wegen seiner Unverschämtheit. Wir denken nicht darüber nach, was passiert, aber exponentiell heisst doppelt so viel in jeder neuen Periode. Wir sind jetzt bereits im zweiten Feld des Schachbretts. Was wir bisher gesehen haben, waren nur kleine Dinge. Was wir in der Medizin sehen, was möglich sein wird mit NanoTechnologie usw. wird uns in den nächsten zehn Jahren herausfordern, wird neue Gelegenheiten verschaffen, zum Beispiel ortsunabhängige Operationen. Wir werden Dinge sehen, die wir nicht erwarten und wir uns zum Teil noch nicht vorstellen können. Ein Beispiel: Die DNA-Analyse hat Sie vor 15 Jahren noch 100'000 Franken gekostet. Heute ist der billigste Preis für eine Analyse Ihrer gesamten DNA ungefähr 850 Dollar. Man schätzt, dass es in fünf Jahren günstiger sein wird, seine Gene zu analysieren als das Klo zu spülen. Diese Entwicklung sehen wir auch bei unseren Geräten: Mein Mobiltelefon hat mehr Computing Power als der Präsident der Vereinigten Staaten dies vor 15 Jahren hatte. Heute gibt es 86 Firmen, die wir als unicorns bezeichnen. Firmen, die mehr als eine Milliarde Dollar wert sind, private Firmen, die Geld von Investoren gesammelt haben. Die Hälfte davon ist im Bereich Medizin, Wissenschaft und Ingenieurwesen tätig. Was noch auf uns zukommen wird: Das Internet der Dinge. Es steht für die Vernetzung von Dingen, nicht von Menschen. Zum Beispiel Autos, Sensoren, Logistik, meine Uhr, mein Anzug, meine Schuhe. Noch kennen Sie heute diese Einsatzmöglichkeiten nicht, doch es werden in einer atemberaubenden Geschwindigkeit neue Anwendungen entwickelt. Man schätzt, dass man durch die Vernetzung der Verkehrssysteme weltweit 40% Energie sparen könnte. 2013 titelte das Times Magazine »Can Google Solve Death?«, das ist kein Witz. Google will tatsächlich das Altern und den Tod besiegen. Man kann sich fragen: Warum? Ist das eine gute Idee? Wir wollen zwar älter werden, doch unendlich alt? Doch es ist schon jetzt so, dass wir acht Stunden pro Tag älter werden in westlichen Ländern – dank dem medizinischen Fortschritt. Diese Entwicklung hat grosse Auswirkungen auf die Altersvorsorge, die Renten, die Pensionskassen usw. Wir leben in einer Welt des Überflusses. Wenn Sie sich heute fragen, was Sie tun können, dann können Sie 500 Franken in Zürich ausgeben oder für das gleiche Geld nach Thailand fliegen. Was Ihnen beliebt. Oder mit Easyjet für 22 Franken nach Malaga. Sie können auf Spotify heute sechzehn Millionen Songs hören für zehn Franken im Monat. Was hat früher eine CD gekostet? 25 Franken für zwölf Songs. Diese Entwicklung beeinflusst auch andere Dinge: Wir leben in einer Welt, in der es aussen zu viel gibt, aber innen zu wenig. Wir wissen gar nicht, was das alles soll. Das wird noch schlimmer, wenn wir mit 3D-Druckern unsere Handys und Schuhe drucken können. Materieller Besitz wird überflüssig, denn er ist überall. Woran glauben Sie? Woran glauben Sie, wenn Sie an Technik denken? Mainstream bei den Leuten zwischen 20 und 40 Jahren ist es, an Technologie zu glauben. 40% der 12- bis 14-jährigen Kids, die auf Facebook sind, sagen, ihr mobiles Gerät sei ihr bester Freund. Das ist traurig. Aber auch verständlich, das Gerät ist immer da. IBM zeigt in einem kurzen Video, was ich meine: Jedes Problem kann gelöst werden, alle Herausforderungen gemeistert, wenn man die richtige Technologie nutzt. Terrorismus, soziale Probleme, egal was, wir nutzen Technologie als Lösung. Damit lässt sich erst noch gutes Geld verdienen. Es gibt Studien, die zu beweisen versuchen, dass seit dem Beginn des Internets weniger Kriege stattgefunden haben. Es werden verschiedene Fakten zusammengebracht und dieser Zusammenhang lässt sich natürlich in einer Grafik darlegen. Glauben Sie das? Was wir wirklich sehen: Wenn Sie die Daten lange genug foltern, können Sie alles beweisen. Das bezeichnet man als Californian Ideology: Wir werden mit Technik glücklich. Das ist digitaler Reduktionismus. Schon Descartes hat sich überlegt, dass Tiere und Menschen wie Automaten funktionieren könnten. Diese Idee ist in der Technik weit verbreitet. Grundsätzlich ist es so, dass ein Mensch eine unperfekte Software ist. Wir brauchen also ein Software-Update, damit wir noch hineinpassen. Man könnte sagen, dass viele Technologie-Firmen es bevorzugen würden, wenn wir Maschinen wären. Dann wäre es insgesamt einfacher. Doch wir haben hier ein Problem mit Ethik, Werten, ganz zu schweigen von Religion. Was ist mit Ethik und Sozialkontrakten? Technologie hat keine Ethik. Vielleicht verfügen einige TechnologieFirmen darüber, doch die Technik selber nicht. Wenn wir uns der Technologie so öffnen, dass sie uns übernimmt, haben wir eine Gesellschaft ohne Ethik. Technik kann nie Inhalt haben, sondern immer nur offensichtliche Regeln. Doch auch wenn es über eine Ethik verfügte, wäre der Entscheid des selbstfahrenden Autos, wen es bei einem Ausweichmanöver überfährt, schlecht. Das Auto würde dann auch irgendwann einmal entscheiden, gar nicht mehr zu fahren. Da kommen wir an die Grenze. Die Konvergenz von Mensch und Maschine findet statt, sie ist unaufhaltsam. Wir können uns fernhalten, uns diesen Luxus erlauben. Aber wir können uns der Entwicklung nicht entziehen. Künstliche Intelligenz wird in China und Amerika für Hunderte von Millionen von Dollar erforscht. Was dort geschieht, wird uns alle angehen. Wir müssen uns klar darüber werden, was das in Zukunft bedeutet. Der Unterschied zwischen Mensch und Maschine... Wo ist er, wenn ein Chip existiert, der dem Hirn nachempfunden ist? Habe ich jetzt bei Ihnen genug Angstzustände verursacht? Technologie ist nicht mehr diese grosse Kiste, die im Büro steht. Technologie ist in unserer Tasche, auf unserer Armbanduhr - früher oder später in uns. 400'000 Leute haben heute Implantate für das Ohr - und es funktioniert. Die gleiche Idee wird auch für visuelle Inputs und anderes ausprobiert. Technologie zieht von aussen nach innen. Wir können uns vorstellen, dass ich auf meiner Kontaktlinse das Internet sehen kann. Technik wird vom Vorteil zur Notwendigkeit. Viele Jobs können Sie in Zukunft ohne Technologie nicht mehr ausführen. Das ist ja schon heute so. Technik beobachtet uns heute, unsere Mobiltelefone beobachten uns. Wir haben heute Technologien, die uns unserem Gegenüber darstellen, Facebook, LinkedIn... der nächste Schritte ist die Technik, die uns kennt. Es wird behauptet, dass Google uns besser kennt als unsere Partner. Die letzten acht Jahre, die Sie bei Google verbracht haben, würden Sie niemals jemandem in dieser Komplexität erzählen können. Doch Google hat sich mehr als nur jeden Ihrer Schritte gemerkt. Google weiss fast alles über Sie. Auf einmal kann jetzt dieses System uns auch simulieren, uns nachmachen. Sie kennen vielleicht Ray Kurzweil, der sagt, dass im Jahr 2027 die Kapazität des menschlichen Gehirns von Computern abgedeckt wird. Ein Computer und ein Gehirn sind also auf der gleichen Stufe von Computing Power. Nicht von anderen Dingen. 2050 wird die gesamte Menge aller Gehirne weltweit von einem Computer erreicht werden. Das betrifft aber nicht emotionale Intelligenz, aufgepasst. Wir können sicherlich sagen, dass das Internet die neue Religion ist, und Smartphones sind die neuen Zigaretten sind. Danach sind wir süchtig. Alle grossen Technologiefirmen befassen sich mit künstlicher Intelligenz, ich empfehle Ihnen das Buch »The Second Machine Age« (Brynjolfsson, McAfee 2014). Es ist klar, in welche Richtung wir uns bewegen: Die Software von Mark Zuckerberg, Vicarious, sagt: »We are building software that thinks and learns like a human«. Da erschrecken Sie doch, wenn Sie im Bereich von Mensch und Medizin arbeiten! Das Versprechen von digitaler Technik ist ja, dass wir uns nicht mehr treffen müssen; bereits wenn ich Ihre DNA sehe, weiss ich, dass wir geeignete Heiratspartner wären. Wir können den ganzen Kram in der Mitte weglassen und sofort zum Ziel gehen. IBM Watson, zieht heute in die Kliniken ein. Ein System, das einem Arzt erlaubt, einen Roboter neben sich zu haben, der die gesamte Datenbank von über 800 Millionen Fällen kennt, die er vor Ort abgleichen kann. Das wird unser Leben radikal verändern. IBM hat eine riesige Initiative im Bereich Mensch und Medizin. Der Gedanke ist schon auch, den Menschen zu ersetzen, dass wir externe Gehirne haben, um effizient sein zu können, Gehirne vernetzen zu können. Doch unsere Realität ist doch eine andere. Eine ganz andere Stufe von Leben, denn der Algorithmus deckt ja nur einen kleinen Teil von uns ab. Wenn wir jemanden kennenlernen, brauchen wir vier bis fünf Sekunden, um einen kompletten Eindruck von unserem Gegenüber zu kriegen, alles, was zwischen uns passiert, wenn wir uns in der Realität treffen. Auf Ihrem LinkedIn- oder FacebookProfil sehe ich hingegen nur eine ganz kleine Schicht von Ihnen. Da gibt es schon noch grosse Unterschiede und wir müssen aufpassen, der Technik und dem Maschinendenken nicht zu sehr zu verfallen. Wir erfahren so viel Ablenkung: Wir sehen die schönsten Dinge, sind aber gerade irgendwo anders beschäftigt. Ich war neulich an einem Abendessen und am Tisch von 40 Leuten waren nur zwei, die nicht gerade mit ihrem Handy beschäftigt waren. Wir müssen die unbeabsichtigten Konsequenzen von Technik schon auch sehen. Können wir was dagegen tun? Es wird neue Arten geben, die Welt zu sehen. Digitale Brillen. Facebook veröffentlicht gerade Oculus mit dem Slogan »Oculus is delivering the magic of presence«. Ohne diese Geräte haben wir also gar keine Gegenwart mehr. Die Präsenz wird also durch die Geräte definiert. Die Frage ist dann auch, wer uns sieht? Alles was wir sehen können, kann auch uns sehen, Wenn Sie einen Smart-TV haben, dann sind Sie dort sichtbar. Es geht in beide Richtungen. Die Frage nach der Privatsphäre: Inwieweit ist das alles ein gigantischer Apparat, der uns virtuell nackt macht? Ist das normal? Können wir etwas dagegen tun? Wir leben in einer Welt, die von mobilen Geräten beherrscht wird. Unsere Smartphones diktieren unseren Alltag. Technologie ist eine Art „HimmelHölle“. Es ist nicht nur Himmel, nicht nur Hölle, es gibt ganz klare Vor- und Nachteile. Doch wir müssen entscheiden, wie wir damit umgehen, wie wir Grenzen setzen. Studien besagen, dass 40 – 60% der Arbeitsplätze in den nächsten 15 Jahren durch Roboter und Software ersetzt werden. Buchhalter, Supermarkt-Kassierer, Finanzberater, Lastwagenfahrer, Piloten. Was bedeutet das für uns? Wenn wir 20 Jahre nach vorne blicken, werden wir weniger arbeiten, durch Technologie Zeit sparen und damit auch weniger Geld verdienen. Wir brauchen dann eventuell ein Grundeinkommen, das wir unabhängig von der Arbeit erhalten. Was sollen wir tun? Uns vor lauter Angst verkriechen? Nein, wir sollten den Unterschied feiern. Die digitale Realität ist nicht unsere Realität, sie entspricht vielleicht 3 – 10% der wirklichen Realität. Das sehen Sie, wenn Sie online eine Restaurantbewertung lesen: Manchmal stimmt das, manchmal aber auch nicht. Es sind nur Daten, Ihre individuellen Eindrücke in der Realität sind ganz andere. In der Realität können Sie in zwei Stunden mehr erfahren als in 50 Jahren auf dem Internet. Wir müssen den Unterschied feiern. Aber wir können und sollen die Technik nicht verdammen. Es geht darum, eine bewusste Wahl zu treffen. Wir sollten uns dagegen wehren, den Menschen zu einer Maschine werden zu lassen. Technologie ist gut, aber wenn der Mensch gezwungen wird, Technologie zu werden, dann ist das meines Erachtens eine Perversion. Doch wir können nicht ohne Technologie auszukommen und die Herausforderung besteht darin, diese beiden Dinge, die Menschlichkeit und die Technologie, zusammenzubringen in einer sinnvollen Art und Weise. Distanzieren Sie sich manchmal bewusst von der Technik und dem Zwang, immer online zu sein und immer Ihr Smartphone zu nutzen. »Don’t take a picture, just enjoy the fucking moment« befiehlt mir der Bildschirmschoner meines iPhones. Geniessen Sie Ihre Ferien offline. Wir können hier in der Schweiz in die Berge fahren und uns ausloggen. Die Technologische Singulariät ist ein wichtiges Thema, der Punkt, an dem Mensch und Maschine in Bezug auf Computing Power auf selber Höhe sind, künstliche Intelligenz. Da brauchen wir Regulierungen. Wir müssen uns überlegen, wie gefährlich das sein könnte. Was ist, wenn Ihre Kinder nicht mehr arbeiten können, weil sie nicht die Computer-Intelligenz nutzen, wie es alle tun? Kein PlugIn benutzen. Wir entwickeln uns in eine Richtung, wo die Gehirne vernetzt sind, nicht nur unsere Geräte. Wir müssen da vorsichtig sein, wir müssen Gesetze, Regeln, Sozialkontrakte neu definieren. Uns fragen, was gut ist und was nicht, wer die Daten besitzt, wie wir sein sollen in Zukunft und wie wir unsere Arbeitswelt in Zukunft gestalten wollen. Was ist mit Sicherheit, wenn unsere Gesundheitsdaten sichtbar sein? Wir brauchen jemanden, der diese Daten beaufsichtigt. Das ist so wichtig, wie Regeln für die nukleare Abrüstung, weil die Folgen genauso schlimm sein könnten. Das sind politische Themen, die uns beschäftigen müssen. Es kann in unserer Zukunft nur um eine Sache gehen: Das Glück von allen, nationale, kollektive Happiness. Der menschliche Imperativ ist es, glücklich zu sein, nicht Technologie zu nutzen. Paulo Coelho sagte: »Glücklich zu sein ist manchmal ein Geschenk, aber meistens eine Eroberung.« Wenn wir in Zukunft glücklich sein wollen, müssen wir uns das erobern. Literatur und Quellen Brynjolfsson, Erik and Andrew McAfee (2014): Second Machine Age. Work, Progress, and Prosperity in a Time of Brilliant Technologies. Norton. Kusek, David and Gerd Leonhard (2006): Die Zukunft der Musik. Warum die digitale Revolution die Musikindustrie retten wird. Musikmarkt.
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