Was ist Barmherzigkeit?

Voten und Predigt zum Fernseh-Gottesdienst
am 3. Advent
Übertragung durch Bayerisches Fernsehen
13.12.2015, 10 – 11 Uhr
- Es gilt das gesprochene Wort Voten zum Altarbild
Breitenbach:
1927 ist sie erbaut worden,
die Philippuskirche in Rummelsberg,
mitten in der Weltwirtschaftskrise.
Steine aus dem eigenen Steinbruch,
Holz aus dem Rummelsberger Wald,
das waren die vorherrschenden Baustoffe.
Diakonenschüler und Jugendliche aus der
damals so genannten Erziehungsanstalt
waren die wichtigsten Bauarbeiter.
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Schon in seiner Bauform sollte dieses
Kirchengebäude den diakonischen Geist zum
Ausdruck bringen: Zeitlos, wie eine Basilika
der frühen Christenheit.
Modern, einfach, ehrlich, klar.
Und ein wenig auch
wie eine fränkische Dorfkirche:
Bodenständig, Kirche der kleinen Leute.
Nur einen Luxus leistete man sich:
Das Wandbild mit den Werken der
Barmherzigkeit. Alle sollten vor Augen haben,
worum es im diakonischen Handeln geht.
Die Buchillustratorin Annemarie Nägelsbach
aus München hat es im klassischen Malstil
gestaltet.
Die sieben Armenpfleger der ersten
Christenheit sind da zu sehen,
jeder von ihnen steht für ein Werk der
Barmherzigkeit.
So zeitlos, so modern und so bodenständig,
wie Jesus selbst den diakonischen Auftrag
formuliert hat:
"Ich bin hungrig gewesen,
und ihr habt mir zu essen gegeben.
Ich bin durstig gewesen,
und ihr habt mir zu trinken gegeben.
Ich bin ein Fremder gewesen,
und ihr habt mich aufgenommen.
Ich bin nackt gewesen,
und ihr habt mich bekleidet.
Ich bin krank gewesen,
und ihr habt mich besucht.
Ich bin im Gefängnis gewesen,
und ihr seid zu mir gekommen.
Wahrlich, ich sage euch:
Was ihr getan habt
einem von diesen meinen geringsten Brüdern,
das habt ihr mir getan." (Mt 25, 35-36.40b).
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SPRECHER/IN 1: Mein Name ist Katja Gundel.
Ich bin Rummelsberger Diakonin. Mir gefällt
an diesem Bild, dass es die ersten christlichen
Armenpfleger zeigt. Im altkirchlichen
Diakonengewand stehen sie da, mit den
Füßen fest auf dem Boden. Der Glanz, der sie
umstrahlt, geht nicht von ihnen aus, sondern
von den Werken der Barmherzigkeit. Nur die
anderen können ihn bemerken. Vor wenigen
Wochen bin vor diesem Altarbild als
Rummelsberger Diakonin eingesegnet
worden. Zehn Frauen und sechs Männer
waren wir. Wir arbeiten jetzt in ganz Bayern,
viele in der kirchlichen Jugendarbeit und in
der Jugendhilfe der Diakonie. Ein Jahrgang in
einer langen Reihe. So unterschiedlich die
Zeiten und Aufgaben sind, der Auftrag Jesu
bleibt derselbe: Was ihr getan habt einem
unter diesen meinen geringsten Schwestern
und Brüdern, das habt ihr mir getan.
SPRECHERIN 2: Mein Name ist Lisa Schröder.
Ich bin Mitarbeiterin in der Flüchtlingshilfe
der Rummelsberger Diakonie. Wir arbeiten
seit Jahren in der Erstaufnahme in Zirndorf
und in der Migrationsberatung in Nürnberg.
Bayernweit betreuen wir derzeit über hundert
Antragsteller auf Asyl, die auf ihren Bescheid
warten, vor allem aber ca. 600 unbegleitete
minderjährige Flüchtlinge. Die kennen das,
was hier angesprochen wird, aus bitterer
eigener Erfahrung: Sie sind hungrig und
durstig, krank und frierend, gefangen und
fremd gewesen, sie haben Menschen sterben
sehen. Für uns in der Rummelsberger
Flüchtlingsarbeit ist wichtig, dass seit jeher
hier an der Kirchenwand steht: Fremde
beherbergen. Der Mann auf dem Bild tut, was
derzeit unzählige Menschen in unserem Land
tun: Er zündet ein Licht an. Und er hält eine
Tür offen. Integration ist mehr als ein Dach
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über dem Kopf. Es geht um Offenheit, um
Menschenwürde und um ein gutes
Miteinander in unserem Land. Auch bei
Gegenwind.
SPRECHER/IN 3: Mein Name ist Markus Ertle.
Ich stehe hier für die vielen tausend
hauptberuflichen Mitarbeitenden und für die
ungezählten Ehrenamtlichen in der Diakonie.
Der Bedarf in den sozialen Berufen ist groß.
Wir brauchen Kolleginnen und Kollegen, die
fachlich gut sind und die ein Gespür für die
Menschen haben. Wir von der Mitarbeitervertretung setzen uns dafür ein, dass sie gute
Arbeitsbedingungen finden. Da ist in unserer
Gesellschaft noch einiges zu tun. In der
Diakonie auch. Die Werke der Barmherzigkeit
sind für uns als Mitarbeitende in der
Rummelsberger Diakonie so etwas wie ein
Leitbild. Für die meisten unserer Kollegen und
Kolleginnen bedeutet es: Mensch an der Seite
von Menschen sein. Sein Handwerk
verstehen. Und in Gottes Namen etwas
Sinnvolles tun.
Predigt
Dr. Günter Breitenbach
Vorstandsvorsitzender der Rummelsberger Diakonie und Rektor der
Rummelsberger Diakone und Diakoninnen
"Durch die herzliche Barmherzigkeit
unseres Gottes
wird uns besuchen
das aufgehende Licht aus der Höhe,
damit es erscheine denen,
die da sitzen in Finsternis
und Schatten des Todes
und richte unsere Füße
auf den Weg des Friedens."
LK 1, 78
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Barmherzigkeit im Advent,
liebe Mitchristen,
im Adventskapitel des Lukasevangeliums, das
der Weihnachtsgeschichte vorgeschaltet ist,
singen Menschen aus vollem Herzen
von der Barmherzigkeit. Sie tun das,
weil sie voll freudiger Erwartung sind.
Die schwangere Maria freut sich,
dass Gott an seine Barmherzigkeit denkt.
Sie kann es im eigenen Leibe spüren.
Und sie singt davon in ihrem Magnifikat.
Der werdende Vater Johannes des Täufers,
der alte Priester Zacharias,
tut es ihr in seinem Benedictus gleich.
Er hofft sehr, dass sein Sohn Johannes
später ein Bote der Barmherzigkeit sein wird.
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Er soll den Leuten sagen,
dass die Barmherzigkeit Gottes
uns bald besuchen wird.
Wie ein aufgehendes Licht aus der Höhe.
Zacharias sagt klar, worum wir
das Licht der Barmherzigkeit
so dringend brauchen: "damit es erscheine
denen, die da sitzen in Finsternis
und Schatten des Todes und richte unsere
Füße
auf den Weg des Friedens."
Liebe Gemeinde,
wer wollte es in diesem Advent bezweifeln?
Es ist Zeit für Barmherzigkeit.
Höchste Zeit,
denn da sind viel zu viele,
die im Schatten des Todes sitzen.
Höchste Zeit,
denn da gibt es viel zu viele,
die laufen und irren umher,
aber ihre Füße finden den Weg des Friedens
nicht.
Das meint übrigens auch Papst Franziskus in
Rom, der das Jahr 2016
zu einem außerordentlichen heiligen Jahr
ausgerufen hat, zu einem Jahr der
Barmherzigkeit.
In dieser Woche hat es begonnen.
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Uns hier in der evangelischen Philippuskirche
in Rummelsberg steht die Barmherzigkeit
ständig vor Augen. Sehr konkret an unserer
Kirchenwand:
Essen, Trinken, warme Kleidung,
ein Dach über dem Kopf,
Freiheit, Gesundheitsfürsorge
und am Ende ein würdiger Tod.
Das sind unsere Grundbedürfnisse,
unsere grundlegenden Überlebensrechte
als Menschen.
Sie kommen im Katalog der Menschenrechte
noch vor der Religionsfreiheit,
dem Recht auf Bildung
und freie Meinungsäußerung.
Weil es ums Überleben geht.
Nun kann man sagen:
Wenn es um Rechte geht,
wozu braucht es Barmherzigkeit?
Man kann das in unserem Land an der
Flüchtlingsfrage studieren.
Wenn das Herz nicht bereit ist,
nutzen selbst Grundrechte wenig.
Die entsprechenden Verfahren,
um sich die Bedürftigen vom Leibe zu halten,
finden sich immer.
Was ist Barmherzigkeit?
Barmherzigkeit, ursprünglich "Armherzigkeit",
bedeutet, ein Herz für die Armen zu haben,
Verständnis für ihre Verhaltensweisen,
ihr Schicksal, ihre Hoffnungen und ihre Not.
Barmherzigkeit ist ein altes Wort.
Auf Griechisch, der Sprache des Neuen
Testaments, heißt Barmherzigkeit „éléos“.
Dieses Wort ist uns
vom Gebetsruf Kyrie eleison vertraut,
der nach der Barmherzigkeit des Herrn ruft.
Barmherzigkeit ist in der Bibel das eigentliche
Wesen Gottes. Und es ist die Erfüllung für den
Menschen.
Hebräisch bedeutet das entsprechende Wort
"Mutterschoß".
Barmherzigkeit ist
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die Zärtlichkeit einer Mutter zu ihrem Kind,
die Zuneigung eines Vaters für seinen Sohn,
die Geschwisterliebe.
Unser Herz, ja gar, im Hebräischen,
der Bauch, die Gedärme, der Mutterleib
lässt uns keine Ruhe mehr.
Etwas rührt uns so an,
dass wir es körperlich spüren.
Der Barmherzige weiß, dass er
dieselben Grundbedürfnisse hat
wie die anderen auch.
Er fühlt sich nicht über sie erhaben,
sondern achtet sie
und versteht auch ihre Abgründe.
Die Barmherzigkeit richtet nicht
und verurteilt nicht.
Denn sie kennt die Tiefenschichten
unserer Seele.
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Sie sieht den anderen, so wie er ist,
als Mensch.
Nicht erbärmlich, sondern des Erbarmens
wert.
Mitleiden wäre weniger.
Das wäre Zuschauermentalität, momentanes
Gefühl, folgenlose Betroffenheit.
Wo wir Erbarmen haben, dauert uns etwas.
Da ist unser Innerstes dauerhaft berührt. Und
deshalb kommt unser Äußeres in Bewegung.
Wer wirklich berührt ist, der bewegt sich, der
will etwas tun.
Und die Vernunft? Haben wir nicht in den
letzten Wochen oft gehört,
ein Herz für die Flüchtlinge allein
genüge nicht,
es brauche eben auch die Vernunft?
Natürlich ist das richtig.
Ohne Vernunft schaffen wir das nicht.
Wir brauchen sehr viel mehr davon,
als wir bei manchen erleben,
die ständig Rationalität fordern
und Eigeninteresse meinen.
Kühle Vernunft allein
produziert nur zu gern Kälte.
Bei den Entscheidern und für die Betroffenen.
Ja, Barmherzigkeit kommt aus dem
Bauchgefühl. Aber sie erwärmt den Verstand.
Sie versteht und spürt intuitiv, was jetzt dran
ist.
Barmherzigkeit, das ist die Haltung,
die vor allen Regeln und Rechten,
vor allen Werken und Willensbekundungen
kommt. Sie lässt uns nicht ruhen, bis die
Dinge angepackt und geordnet sind.
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Barmherzigkeit ist aber nicht das spontane
Helfen allein. Es ist auch Organisation, Kräfteund Mitteleinsatz, Koordination, Planung,
gerechte Verteilung. Auch das Achten auf
unsere Grenzen.
Barmherzigkeit ist so der Motivationsgrund
der sozialen Gerechtigkeit. Und die Grundlage
jeder verantwortungsvollen Politik.
Ohne dass unser Herz berührt ist,
wird die Notwendigkeit humanen Handelns
nicht erkannt, die nötige Phantasie nicht
entwickelt und die Akzeptanz fürs Soziale
nicht erreicht.
Wir erleben es in unserem Land,
welchen Unterschied das macht.
Nur aus einem lauteren Herzen heraus
schaffen wir das.
Schauen wir noch einmal in Ruhe auf
das Rummelsberger Wandbild mit den
Werken der Barmherzigkeit.
Da stehen sie, die sieben ersten Armenpfleger
der Urchristenheit aus der Apostelgeschichte,
im altkirchlichen Diakonengewand,
die Füße fest am Boden.
Jeder hat ein Werkzeug oder einen
Gegenstand in der Hand
und tut ein Werk der Barmherzigkeit.
Mit ihren unterschiedlichen Gaben und
Fertigkeiten wirken sie zusammen.
Keiner muss alles machen.
In der Mitte der Diakon Philippus
mit der aufgeschlagenen Bibel
und der Heilpflanze Arnika.
Heil und Heilung, Wort und Tat
gehören zusammen.
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Die Philippuskirche hier in Rummelsberg
ist wohl eine der wenigen lutherischen
Kirchen, die die guten Werke in den
Mittelpunkt stellt und der Gemeinde als
Leitbild präsentiert.
Das hat natürlich seinen Grund.
In der Diakonie geht es
um den handelnden Christus.
Und darum, dass wir uns ausrichten
nach seinem Vorbild.
Das Bild von den sieben Werken sagt:
Da schaut hin. Schaut den sieben da vorne ab,
was sie sich bei Jesus abgeschaut haben.
Das ist unser diakonischer Auftrag als
Christen:
Mit dem, was wir können und haben,
sollen wir zu den Menschen gehen.
Jesus wird uns dort wieder begegnen.
Er wird da sein beim Essen und Trinken,
am Krankenbett und an den offenen Gräbern,
er wird als Fremder kommen
und als Gefangener auf uns warten.
Und er wird nackt und bloß sein
und es genießen, wenn wir ihn mit Wärme
und Würde umkleiden.
Und am Ende wird er uns das Geheimnis
seiner verborgenen Gegenwart verraten:
"Wahrlich, ich sage euch, was ihr getan habt
einem von diesen Geringsten unter meinen
Brüdern, das habt ihr mir getan."
Liebe Gemeinde,
in den letzten Monaten
sind wir immer wieder erschrocken,
wie konkret und real und aktuell
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die Rede Jesu von den Werken der
Barmherzigkeit ist.
Seit wir all die Bilder gesehen haben
aus dem Nordirak,
aus Syrien und vom Mittelmeer,
und spätestens als die Leute dann kamen,
und als die Diskussionen in unserem Land
begannen,
da hat all das, was Jesus hier sagt,
eine bedrängende Konkretheit bekommen.
All das, was die sieben Armenpfleger da vorne
taten, erwies sich auf einmal als eine Charta
der Überlebensrechte des Menschen.
Wo diese Grundrechte nicht gewährleistet
sind, können Menschen nicht bleiben.
Da kann es keinen Frieden geben.
Da werden Kinder sterben, Häuser brennen
und Staaten aus dem Gleichgewicht geraten.
Am Ende aller Tage,
am Ende aller Kämpfe,
am Ende aller Leiden
wird der wahre Mensch
auf dem Richterstuhl sitzen,
der Menschensohn.
Und wir werden zu ihm kommen
und er wird uns wiedererkennen.
An dem, was wir
den Geringen unter seinen Geschwistern
getan haben und damit ihm selbst.
Oder eben nicht.
Und wir werden dann ganz klar vor Augen
haben, dass es um nichts anderes geht
und gegangen ist seit dem Anbeginn der Welt:
Um die Menschwerdung Gottes im
Menschen. Und um unsere Menschwerdung
als Menschen.
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"Kommt her, ihr Gesegneten meines Vaters,
ererbt das Reich, das für euch bereitet ist
von Anbeginn der Welt."
Kommt her. Das ist eure Bestimmung,
euer Glück und eure Seligkeit.
Das ist der Glanz, der, ohne dass ihr das
merkt, aufstrahlt hinter euren Häuptern.
Der Glanz der Gegenwart Gottes,
der in dem Augenblick sichtbar wird ,
in dem ihr etwas für andere aus vollem
Herzen tut.
Das, was am Ende der Zeit
sichtbar werden wird,
zeigt sich bereits als Anfang
in den Liedern und Lichtern des Advents:
Das Licht der Barmherzigkeit,
die Hoffnung auf die Menschwerdung
in uns Menschen.
Hinter all unseren Aktivitäten und
Meinungsäußerungen spüren wir,
dass wir dieses Licht aus der Höhe brauchen,
wenn wir nicht im Finsternis und Schatten des
Todes sitzen bleiben wollen.
Dass eine barmherzige Berührung
unseres Herzens nötig ist,
wenn wir nicht verhärten und erkalten sollen.
Wir ahnen das, wenn wir an den denken,
der da im Leib der Maria heranwächst
und auf den sie sich unbändig freut.
Das Evangelium vom barmherzigen Gott,
das er bringt,
ist spürbar und mit Händen zu greifen:
Gute Nachricht für die Armen.
Hoffnung für die Gefangenen.
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Heilende Berührung, Tischgemeinschaft,
das Brot teilen und das letzte Hemd.
Handfeste Dinge. Und zugleich Gleichnisse
der himmlischen Herrlichkeit.
Christus, wahrer Mensch:
Er kam in die Welt als Fremder
und die Seinen nahmen ihn nicht auf.
Er hungerte und dürstete in der Wüste.
Er wurde gefangen genommen,
seiner Kleider beraubt, todkrank geschlagen.
Er hing dürstend am Kreuz.
Er ist gestorben und begraben worden.
So ist er als Mensch an die Seite derer
gekommen,
die dies alles bis heute erleiden müssen
und hat ihr Schicksal geteilt.
Letztlich sehen wir - in der Gestalt dieser
unterschiedlichen Menschen hier vorne an
der Kirchenwand - Christus selbst:
Der Dürstende füllt uns den Kelch des Heils.
Der Gefesselte spricht uns frei, ledig und los.
Der, dessen Gewand verlost wurde,
hüllt uns in weiße Kleider.
Er, dem man Gift und Galle reicht,
wird uns zum Brot des Lebens.
Der Verletzte und Gequälte
lässt unsere Wunden heilen.
Der ist Grab gelegt wird,
will heute noch mit uns im Paradiese sein.
Wie anders sollten wir es wagen können,
auf sein zurechtbringendes Kommen
zum Gericht für unsere Welt zu hoffen,
wenn wir nicht wüssten:
das letze Urteil spricht er allein,
im Licht der Barmherzigkeit?
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Der Alte auf unserem Wandbild hält ein Licht.
Eine einfache Haushaltskerze.
Er hatte sie vielleicht vorsorglich ins Fenster
gestellt,
falls noch jemand im Dunkeln unterwegs ist.
Jetzt hat er die Kerze genommen,
ist zur Tür gegangen und hat aufgemacht.
Da draußen zieht es. Er muss das Licht
schützen, damit es nicht ausgeht.
Der Wind pfeift. Sein Bart flattert.
Auf einmal steht er im Gegenwind.
Das gehört dazu, wenn man Fremde
beherbergt.
Darüber darf man sich nicht wundern.
(Wie hat der alte Zacharias gesungen?
"Durch die herzliche Barmherzigkeit
unseres Gottes wird uns besuchen
das aufgehende Licht aus der Höhe,
damit es erscheine denen,
die da sitzen in Finsternis
und Schatten des Todes
und richte unsere Füße
auf den Weg des Friedens.")
Das Licht aus der Höhe ist nötig,
weil es wieder Leute gibt,
die beim Thema offenes Feuer
ans Zündeln denken. Oder an Waffen.
Damit die nicht weiter im Finstern
herumschleichen, um ihre Mitmenschen in
Angst und Schrecken zu versetzen, sondern
den Weg des Friedens finden.
Ganz im Sinne des alten Diakons
an der Rummelsberger Kirchenwand.
Und ganz so, wie es der alte Zacharias
ausdrückt, den sein eigenes spätes Vaterglück
dazu bringt,
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dass er an all die Kinder denkt, über denen die
Barmherzigkeit Gottes aufstrahlen soll wie ein
Friedenslicht.
Manchmal sind die wirklich wichtigen Dinge
so einfach.
Der Friede Gottes, der höher ist als alle
Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne
in Christus Jesus.
Amen.
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