Die Baugeschichte der Kapelle St. Maria in Triesen

Die Baugeschichte
der Kapelle St. Maria
in Triesen
Gerhard Wanner
MARIEN-KAPELLE
GRUNDRISS
gez.
66.00 Boden vor der Grabung
Boden IE
Unter den heutigen Mauern
sichtbares älteres Mauerwerk.
C. Wild 116+
TRIESEN
MOO
Kurze Baubeschreibung
der heutigen
Anlage
Das auf einer Uferterrasse des Rheines errichtete gemauerte Bauwerk besteht aus einem einschiffigen Langhaus, an das sich ein eingezogener polygonaler Chor mit Kreuzgewölbe anschliesst. A n die i m
Halbkreis schliessende Scheidmauer eröffnet in der Südseite des Chores
eine Türe den Zugang in die Sakristei. Diese liegt i m Erdgeschoss des
nach aussen ungegliederten Turmes, der i m schiefen Winkel an Chorund Schiffsgemäuer angebaut worden ist.
Eine bauliche Differenzierung des Schiffes ergibt sich durch die
über dem Westeingang eingebaute Empore. Je zwei breite barocke Fenster besorgen die Belichtung des Schiffes. Durch die Restaurierungsarbeiten im Jahre 1964 wurden i n der Südwand eine Eingangstüre, die
Hälfte eines Rundbogenfensters und zwischen diesem und der Scheidmauer eine gestufte Nische mit eingelassener, rechteckiger Lichtöffnung
freigelegt und konserviert (Abb. 6 u. 7). Schiff und Chor werden von
einem einheitlichen Statteldach überzogen, welches jedoch einen gewalmten Ostabschluss zeigt.
Die Restaurierungsarbeiten
im Jahre 1964
Bereits Erwin Poeschel hatte in seinen «Kunstdenkmälern des Fürstentums Liechtenstein» (Basel 1950) darauf hingewiesen, in der Kirche
liessen sich zwei baugeschichtliche Etappen nachweisen. Zu dieser von
ihm, wenn auch mit gewissen Bedenken vorgebrachten Ansicht führten
ihn die halbkreisförmigen Fundamente im Chor, die er als Reste einer
halbkreisförmigen Apsis ansah, worauf dann in den Jahren 1653/54 der
heutige polygonale Chor gesetzt worden sei (Abb. 1). Mit den «offenbaren» Resten dieser Apsis brachte er diejenigen Mauerpartien in der
Südwand des Schiffes in Beziehung, die durch eine deutlich sichtbare
Baunaht nach Westen abgegrenzt waren.
1
Poeschel konnte damals noch nicht ahnen, dass die Grabungen des
Jahres 1964 die Grundrisse einer Kirche freilegen sollten, die eigentlich
1
Poeschel, E., Die Kunstdenkmäler des Fürstentums Liechtenstein, Basel
1950, S. 131 - 134.
65
Abb. 1. Ausgegrabene Grundrisse des spätromanischen Ersthauses (1. Hälfte
13. Jahrhundert). Rechts Scheidmauer aus romanischem und barockem Mauerwerk. Im Hintergrund des Altares der halbkreisförmige Mauersockel.
nur, was ihre durch den Mauerriss angedeutete S-W Ecke betraf, mit
seinen Vermutungen übereinstimmten. Innerhalb des heutigen Chorbereiches kamen nämlich die Grundmauern einer eingezogenen, unterhalbkreisförmigen Apsis zu Tage. Das dazugehörige Schiff war ebenfalls kleiner als die heutige Anlage gleicher Funktion. Von seinem ehemaligen Mauerwerk stehen heute lediglich noch Teile der Südwand,
während die übrigen Wände spätestens bei der Kirchenvergrösserung
von 1653/54 mit ihren über den neuen Kirchenboden ragenden Teilen
abgebrochen werden mussten.
Die weiteren Grabungen brachten auch
weis der quellenmässig bereits bekannten
wähnt). Es zeigte sich, dass der eine (Keller
atisgegrabenen Erstkirche übereinstimmte;
66
den archäologischen NachKeller (1429 erstmals erI) mit den Grundrissen der
der zweite und gegen den
ersteren etwas erhöhte, in einem langgestreckten Rechteck an die Westfront der Erstkirche anschloss und somit Teile der heutigen N - und
S-Mauer und der gesamten Westfront eines viel grösseren Kirchenschiffes trug. Beide Keller besassen einen gemeinsamen Nordeingang
und Vorraum, von dem aus je eine Schwelle gegen Süden in den Keller I (unter der Erstkirche) und gegen Westen in den Keller II unter
der heutigen Empore führte (Abb. 2 u. 4). Nicht unbedeutend f ü r das
baugeschichtliche Verständnis der Kapellenanlage waren die in der
Westmauer des Kellers I vorgefundenen Münzen aus dem 14. Jhdt.,
darunter eine Goldmünze Kaiser Ludwig IV. von Bayern (1314— 1347).
In dem ursprünglich mit einem flachen Tonnengewölbe versehenen
Keller I besorgten zwei in der Südwand eingelassene und vor der Grabung nicht sichtbare Maueröffnungen die Lüftung und eine spärliche
Beleuchtung.
Abb. 2. Im Vordergrund Kelleranlage I aus der 1. Hälfte des 13. Jahrhunderts.
Im Anschluss nach Westen Keller II (erbaut zwischen 1415 und 1429).
67
Die Quellenlage
über die
Kirchengeschichte.-
Diese soll hier nur so weit in Betracht gezogen werden, als sie dazu
beiträgt, die Baugeschichte zu erhellen. Bereits i m Jahre 1208 findet
sich ein Hof, in dessen nächster Nähe später die Kapelle als Eigenkirche
aufscheint, im Besitz des Prämonstratenserklosters St. Luzi in Chur.
Hiebei ist aber von einer Kapelle noch nicht die Rede. Als sie 1414 zum
ersten Mal unter dem Patronat «Unserer Lieben Frau zu Triesen» genannt wird, muss sie aber bereits ein «beträchtliches» Alter aufgewiesen
haben, denn ein Jahr später (1415) wird in einer Ablassurkunde «ihre
mehrfache Reparaturbedürftigkeit» erwähnt, was sechs Bischöfe auf
dem Konzil zu Konstanz veranlasste, denjenigen einen Ablass von 240
Tagen zu gewähren, die die Restaurierung des Bauwerkes förderten.
(1. Nachweis für bauliche Veränderungen). Bei der 1424 erfolgten Vergabe an den Pächter Hans Vierabend, der sich verpflichten musste, neben der Bereitstellung der Lichter auch f ü r die Instandhaltung von «gemür und Tach» zu sorgen, erfahren wir zum ersten Mal von der Existenz
zweier Keller, «unter derselbigen Kapellen gelegen», so übrigens auch
1501. Ein zweiter Altar, ein Seitenaltar auf der Epistelseite, wird 1513 geweiht (damit im Zusammenhang Hessen sich weitere bauliche Veränderungen an der angrenzenden S-Wand des Schiffes erklären). Nach der
1553 erfolgten Vergabe der Kapelle samt Gutsbesitz an den österr. Vogt
auf Gutenberg, Balthasar von Ramschwag und Gemahlin, und der Weiterverleihung an zwei Triesner Bürger scheinen in der 2. Hälfte des 16.
Jhdts. wiederholt Angaben über den schlechten baulichen Zustand der
Kapelle auf, wie denn auch einer der Keller eingefallen sei.
Zwei Visitationsprotokolle berichten über die Innengestaltung: 1595
finden sich immer noch zwei Altäre; 1640, also 13 Jahre vor dem Neubau, erhalten wir Kenntnis von einer Holzdecke im Schiff, einem kleinen, bemalten «Gewölbe» über dem Hochaltar und über den Raumeindruck, der als «angusta» — eng bezeichnet wird. Seit 1595 haben wir
auch den Nachweis zweier kleiner Glöcklein (von einem Glockenturm
wird nicht gesprochen !).
2
68
Poeschel, E., Die Kunstdenkmäler des Fürstentums Liechtenstein, Basel
1950, S. 130. - Büchel, J. B„ Geschichte der Pfarrei Triesen. Jahrbuch des
Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein, Bd. 2, Vaduz 1902,
S. 16-29, 55.
In den Zwanzigerjahren des 17. Jahrh. kam es aus Gründen der
Baufälligkeit zum Abbruch der Kirche. 1623 werden zu diesem Zweck
die ersten Geldsammlungen durchgeführt. Nach der 1653 erteilten Baubewilligung zum Neubau erfolgt ein Jahr später die feierliche Einweihung der Kirche und Konsekration dreier Altäre, je zwei an der Scheidmauer zum Schiff, ferner die Erstellung eines Turmes. Unter den Bedingungen zum Neubau finden wir die Bestimmung: «Sollent aber den
alten Keller, welcher dem Gebäude mehr ein Zird alss Hindernuss
stehen lassen und das Gebeute darauff setzen». 1721 droht Fürstbischof
Ulrich VII mit der Schliessung der Kapelle, falls diese nicht im Inneren
in besseren Stand gesetzt werde. Vermutlich im Zusammenhang mit
Verbesserungsarbeiten wurde 1730 ein nicht fundierter Altar des h l . Johannes von Nepomuk entfernt. 1964 kam es zu den Ausgrabungs- und
Restaurierungsarbeiten unter Museumsdirektor David Beck.
Baubeschreibung
Der heute bestehende polygonale Chor stammt nachweislich aus
der letzten Bauperiode der Jahre 1653/54. Der dreiseitige Chorabschluss
ruht jedoch auf einem in den Chorraum vorspringenden Rundsockel,
den Poeschel als die Reste der Fundamente einer früheren halbkreisförmigen Apsis deutete (Abb. 1). Da die dazu gehörigen äusseren Scheidmaueransätze zumindest denjenigen des Barockneubaues entsprochen
haben müssten, wäre analog dazu auch ein Schiff in der Grundflächengrössenordnung des heutigen zu erwarten. Auf den ersten Blick scheint
sich diese Annahme dadurch zu bestätigen, dass unter dem barocken
Mauerwerk der gesamten, Nord- West- und Südfront des den Bau gegen
Westen abschliessenden Kellers II älteres Mauerwerk ersichtlich ist.
Was jedoch gegen diese Annahme spricht, ist einmal das starke unsymmetrische Vorspringen der nördlichen Grundmauern des Kellers II bis
zum nördlichen Kellereingang und das Fehlen eines analogen Mauerfortsatzes unter dem restlichen Teil der barocken Nordwand, also zwischen Kellertüre und Chor. Siehe Grundrissplan !
3
3
Eine Baufuge zwischen dem Mauerwerk des Sockels und dem Darüberliegenden ist zwar deutlich ersichtlich, jedoch kein Unterschied in den Strukturen der beiden Mauerpartien.
69
Was nun die Funktion jenes halbrunden Sockels anlangt, so könnte
dieser gut aus dem Bestreben nach grösserer statischer Sicherheit gegenüber einem erhöhten Bergdruck verstanden werden.
4
Aber auch noch andere Gründe sprechen gegen die Fundamente
einer «Rundapsis» und einen im Wesentlichen mit dem Barockbau übereinstimmenden früheren Bau. Es ist dies einmal die 1640 gemachte Bemerkung über ein «kleines Gewölbe» über dem Hochaltar und die
«engen» Raumverhältnisse in der Kirche: Diese Charakteristik musste
für den durch die Grabungen freigelegten romanischen Bau mit seiner
flachen Apsis (I) gelten, aber keineswegs für ein Bauwerk, das folgerichtig zeitlich zwischen dem spätromanischen Erstbau und dem Barockbau, also zur Zeit der Gotik hätte errichtet werden müssen. Einem
«kleinen Gewölbe» widerspricht auch das vertikale gotische Raumge-
Abb. 3.
4
70
Gewölbeansatz im Keller I mit Sondierungsgraben.
Sennhauser, H. R., Grabungsbericht vom 3. und 4. Oktober 1964, Manuskript. (Auch St. Otmar in St. Gallen zeigt als Fundament des 1635 neuerstellten polygonalen Chores einen halbkreisförmigen Mauersockel.
Abb. 4.
Vorraum und die Zugänge in die Keller I (links) und II.
Im Vordergrund Stützmauer.
fühl, in Verbindung gebracht mit der Grössenordnung der von Poeschel
angenommenen Rundapsis II. Fernerhin brachten die Untersuchungen
am bestehenden barocken Altar auch keinen Hinweis auf einen älteren
Stipesbestand.
Im Jahre 1964 wurden dann i m südöstlichen Bereich des Chores
die Grundmauern einer flachen, der romanischen Spätzeit entsprechenden eingezogenen Rundapsis freigelegt (Abb. 1). Da der innere Schenkelabstand vier Meter und die Maximaltiefe eineinhalb Meter betrugen,
war der Altarraum nur gering bemessen und der Altar stand vermutlich unter dem Chorbogen. Der Altar konnte nicht mehr vorgefunden
werden, muss also späteren baulichen Veränderungen zum Opfer gefallen sein. Die Apsismauern bestehen aus einer Mischung von Kalk- und
Buntsandstein und stehen mit den Kellermauern nicht im Verband, was
Sennhauser aus der besonderen Konstruktion zu erklären sucht: Da sich
die Mauern der Apsis nur auf das Obergeschoss bezogen, wurde zuerst
71
der Keller mit seinen tiefer reichenden Mauern errichtet und nach seiner Fertigstellung die Apsis angefügt.
5
Wie nach Untersuchungen am Scheidmauerwerk festgestellt werden
konnte, bestand dieses auf der Epistelseite aus zwei verschieden alten
Partien, wovon die ältere, mit dem Mauerwerk der Südwand des Schiffes in Verbund stehende, zum Erstbau gehört haben muss (Abb. 1 rechts).
Als ein schwieriges baugeschichtliches aber auch funktionelles Problem gestaltet sich das Vorhandensein zweier Keller. Der nach Osten
orientierte Kellerraum I mit den Innenmassen 5,5 x 7,5 m entspricht
der darüberliegenden Grundfläche des zum Erstbau gehörigen Schiffes
(Abb. 2). Jener, einst mit einem durchgehenden W- O gedeckten Tonnengewölbe versehene Keller wurde bei der Tieferlegung des Fussbodenniveaus bei Anlass des Neubaues 1653/54 zerstört. Die noch seitlich
sichtbaren Gewölbeansätze sind auf Schalung gemauert und lassen daher auch schwerlich etwa einen nachkirchlichen Gewölbeeinbau erklären. Das Nord-, Süd- und an den abgegrabenen Boden angesetzte Ostmauerwerk besteht überwiegend aus rotem Buntsandstein. Die Fugen
sind mit kieselig gerolltem Mörtel gut verstrichen. Der Boden ist mit
einer die ursprünglichen Verhältnisse verdeckenden, ungleich starken
Kalkschicht bedeckt, was auf die Lagerung von Kalk und seine Aufbereitung beim Neubau der Kirche 1653 hinweist. Ein O - W gerichteter
Sondierungsgraben entlang der Südwand brachte keine archäologischen
Ergebnisse (Abb. 3). Der Eingang erfolgte von Norden im Anschluss an
die N - W Ecke des Erstbaues und zwar über zwei Steinschwellen. Beiderseits vorspringende Tuffpfosten bildeten den Anschlag der sich nach
innen öffnenden Türe (Abb. 4). Im aufgehenden Gemäuer des Kellerraumes I lassen sich nirgends strukturelle Unterschiede erkennen und
vor allem nicht an der f ü r die Datierung wichtigen Südwand, die darauf schliessen Hessen, Keller und Kirche seien zu verschiedenen Zeiten
errichtet worden.
Besondere Beachtung muss der Westwand beigemessen werden. Obwohl sie mit der Südwand im Verbund gemauert ist, fällt in den mittleren Teilen die gegenüber dem früher beschriebenen Mauerwerk relativ starke Unregelmässigkeit in der Schichtung und die Verwendung
5
72
Sennhauser, H. R., Grabungsbefund vom 12. 8. 1964, Manuskript.
von kantigerem, nur schlecht vermörteltem Material auf. Ein Unterschied ergibt sich auch im durchschnittlich 2 dm stärkeren Mauerwerk
(Abb. 5).
Eines der Probleme, auf das später noch eingegangen werden soll,
ist die Auffindung von vier, dem Charakter nach dem 14. Jhdt. zugehörigen Münzen, darunter sicher datierbar eine Goldmünze Herzog
Ludwigs von Bayern, römisch-deutscher Kaiser (1314 — 1347). Sie lagen
innerhalb des Mauerwerkes in einer ungefähren Höhe von 1 m, bezogen auf das Kellerniveau I.
Der zweite Keller liegt als langgestreckter Querraum (8,5 x 3,3 m)
vor dem Westende des ersten und ist gegenüber diesem durch ein höheres Fussbodenniveau gekennzeichnet. Ansätze eines Gewölbes sind
nicht vorhanden, was zwar dieses nicht ausschliesst, jedoch eher auf
eine Flachdecke schliessen lässt. Wenn auch der Nordeingang gleiche
Konstruktion unter Verwendung einer Tuffeinfassung aufweist, wird
eine Gleichzeitigkeit der beiden Keller dadurch erschwert, dass sie mit-
Abb. 5. Trennmauerwerk zwischen Keller I und IL Im Bereich des Zeichners
Fund der Goldmünze Ludwig v. Bayern (1. Hälfte 14. Jahrhundert).
73
einander unverbunden sind und verschiedenes Fussbodenniveau aufweisen (Abb. 2).
Durch eine N - S verlaufende Stützmauer gegen den Berg entstand
vor den Eingängen in die beiden Keller ein Vorraum, in den man über
eine absteigende Treppe gelangte.
Eng mit der Architektur der Kirche ist die 1429 und 1501 gemachte
Erwähnung von der Lage der beiden Keller «unter der Kapelle» verbunden. Hätte diese mit ihrem Schiff bereits damals mit den Grundrissen beider Keller übereingestimmt, kämen wir nun folgerichtig wieder auf die Existenz eines in einer 2. Bauetappe vergrösserten Kirchenraumes, der mit Poeschels «Apsis» in Zusammenhang gebracht werden
müsste. Dass nun der Keller II vor dem Neubau von 1653/54 wirklich
vor der eigentlichen ersten Kirche lag, jedoch unter einem Vorplatz
oder Vorzeichen, beweist uns die aus der zweiten Hälfte des 16. Jhdts.
stammende Nachricht über den Einsturz eines Kellers. Damit kann
schwerlich der erste gemeint worden sein, weil sonst der gesamte Kirchenboden in Mitleidenschaft gezogen werden musste, dies wäre auch
der Fall gewesen, wenn der zweite Keller unter einem gegenüber dem
Erstbau später verlängerten Schiff eingefallen wäre. Von keinesfalls
gravierender Bedeutung war es jedoch, wenn sich die Bauschäden unter
einem Vorplatz vor der Kirche äusserten.
Eine f ü r die Datierung der Keller aber auch der gesamten Kirchenanlage nicht unwichtige Rolle spielt die aufgefundene Goldmünze i m
Westgemäuer des Kellers I, die von Ludwig IV, dem Bayer, seit 1302
Herzog (dux) von Oberbayern, stammt. Die Einlage einer Goldmünze
deutet nicht nur auf eine kleine Mauerreparatur sondern vielmehr auf
eine solche grösseren Massstabes hin, die zeitlich nicht früher als die
Goldmünze aber auch nicht später als die Erwähnung zweier Keller
«unter der Kapelle» — 1429 — erfolgt sein kann. Da 1415 bereits von
einer mehrfachen Reparaturbedürftigkeit — was auf ein höheres Alter
schliessen lässt — die Rede ist, ging man daran, die Bauschäden zu beheben. Zu diesem Zweck wurden bekanntlich Ablässe gestiftet. Es wäre
wohl verständlich, dass durch diese Vergünstigungen angespornt, baulich Erneuerungen stattfanden, und zwar im ungefähren Zeitraum zwischen 1415 und 1429 — als zum ersten Mal von 2 Kellern gesprochen
wird. In dieser Zeit könnte die baufällige Westwand der Erstkirche fast
bis auf die Grundmauern abgebrochen, in ihrer Basis wesentlich ver74
stärkt, die Münzen eingelegt und ein zweiter Keller unter einem Kirchenvorbau errichtet worden sein.
Nur schwer und vage zu deuten ist die Funktion der Kellerräume,
über die wir an keiner Stelle etwas erfahren. Die bisher erfolgte Erklärung als «Zehentkeller» befriedigt bei der als sehr wahrscheinlich anzunehmenden Gleichzeitigkeit von Keller I und Erstkirchenbau keinesfalls.
A n eine Krypta im eigentlichen Sinne zu denken, als Aufbewahrungsort
von Reliquien oder Grabstätte, ist ebenfalls unglaubwürdig: Wenn, wie
noch später dargelegt werden soll, die Erstkirche in der 1. Hälfte des
13. Jhdts. entstanden ist, also auf den Bauwillen der Prämonstratenser
von St. Luzi zurückgeht, so lässt sich die Anlage des Kellers I bei der
bekannten Kryptenfeindlichkeit des Ordens aus diesen Gründen nicht
erklären. Ferner konnten auch keine Andeutungen eines Grabes entdeckt werden. In Erwägung zu ziehen wäre der Gebrauch f ü r irgend
eine Form des Totenkultes (Beinhaus Ilanz) oder als selbständige Klerikerkirche der Konventualen aus Chur, denen missae publicae unerwünscht sein konnten. In Betracht zu ziehen wäre die i m 13. Jhdt. einsetzende A n h ä u f u n g von Privatmessen, die sich in einer Vermehrung
der Altäre zeigte — und eine solche konnte schwerlich in der engen
romanischen Kirche stattfinden. Somit Hesse sich hier bei Keller I an
eine Unterkirche denken; vollends i m Unklaren liegt dann die Bedeutung des erst in gotischer Zeit geschaffenen Kellerraumes II.
6
Dass die Kellerräume weniger eine praktisch-wirtschaftliche Bedeutung hatten und vielmehr eine liturgische, die man «später» nicht mehr
verstand oder kannte, könnte der Grund f ü r die bereits i m 16. Jhdt. aufscheinende Vernachlässigung der Räume sein. Inwieweit die 1653 gemachte Charakterisierung, der Keller sei «dem Gebäude mehr Zierd als
Hindernuss», in diese Richtung weist, ist schwer zu sagen.
Fest steht jedenfalls, dass man sich bei der Errichtung des Barockbaues um solche Dinge nicht mehr kümmerte und den noch bestehenden Keller I durch das Tieferlegen des neuen Fussbodenniveaus
zerstörte.
Der baugeschichtlich interessanteste Teil der Kirchenanlage ist die
Südwand des Schiffes (Abb. 6). Es lässt sich deutlich erkennen, dass sie
6
Knoepfli, A., Kunstgeschichte des Bodenseeraumes, Konstanz 1961, Bd. 1,
S. 260.
75
Abb. 6
Südwand des romanischen Erstbaues mit gotischen Fresken. Vermauerter Eingang und halbes Rundbogenfensterchen. Links romanische und spätgotische
Mauernischen, Ansatz eines Altares. Fensterausbrüche in den Jahren 1653/54.
drei verschiedenen Bauperioden angehört. Der älteste Teil erstreckt sich,
aufbauend auf der Kellerwand, bis in die Höhe des Abschlusses des
Freskenzyklus und gegen Süden bis zur Stelle, wo sich der schon von
Poeschel bemerkte Haarriss befand, der die beiden Keller voneinander
«trennte». (Diese Wandpartie gehört dem ältesten Bauabschnitt aus der
spätromanischen Zeit an).
76
Eine bereits nach dem Vorhandensein der Fresken vorgenommene
bauliche Veränderung deuten die untereinanderliegenden, die westlichsten Bildfelder zerstörenden Löcher an (Abb. 6), von denen Sennhauser
nicht zu Unrecht annimmt, sie könnten vom Einbau einer Empore herrühren. Der Einbau einer solchen könnte jedoch nur mit einer gleichzeitigen Erhöhung der Südwand verstanden werden. Dieser Maueraufsatz, auch in einer leichten Einbuchtung im Schiffinneren zu erkennen,
zieht jedoch nicht kontinuierlich über die gesamte Südwand von O nach
W. In dem Bereich des bereits genannten Haarrisses stossen nämlich
das Fugenstrichmauerwerk des Erstbaues und die Aufhöhung deutlich
an den verputzten westlichen Teil der Südmauer an (Abb. 7). Letzterer
muss als der jüngste Teil der Südwand nach deren Erhöhung nachträglich angefügt worden sein. Da der westliche Zubau mit den Jahren
1653/54 datiert ist und eine Erhöhung des alten Schiffes nach bereits
vorhandenen Fresken geschah, sind dies die äussersten zeitlichen Grenzen, zwischen denen eine Erhöhung des Schiffes zustande kam.
Die Restaurierungsarbeiten führten i m ältesten Teil der Südwand zur
Aufdeckung einer Türöffnung, eines Rundbogen-Fensterchens und einer
zwischen diesem und der Scheidmauer befindlichen Nische. Die Fresken geben nur unter anderem wieder Anhaltspunkte f ü r die zeitliche
Einordnung jener architektonischen Bestandteile. Da die Fresken in
ihrer räumlichen Komposition das Rundbogenfensterchen und die Türe
berücksichtigen, ja sogar in die Leibung des Einganges umbiegen, gehören sie dem Erstkirchenbau an. Für eine Gleichzeitigkeit von Fenster und.
Türöffnung spricht die an der Aussenwand sichtbare Tuffeinfassung beider Öffungen. Vom ursprünglichen romanischen Rundbogenfenster ist
durch den barocken Einbau eines grösseren Stichbogenfensters nur noch
die eine Osthälfte erhalten: Deutlich lässt sich aber noch das stark ausgeschrägte Gewände mit schräger Sohlbank erkennen und eine den
inneren Halbkreisbogen heraushebende Kannelierung des Gewändes.
Die Türöffnung, die mit ihrem unteren Abschluss das romanische
Fussbodenniveau des Schiffes angibt, ist eine rechteckige Nische mit
flachem Segmentbogenabschluss. In ihrer Laibung ist ein Mauerabsatz
eingezogen, der die Holztüre mit Rundbogenabschluss umfasste.
Zu dieser romanischen Wandstruktur gehörte ursprünglich auch
noch eine weitere kleine W a n d ö f f n u n g (I) (Maximalhöhe an der Schiffswand innen 107 cm, Spannweite 33 cm), die durch den Ausbruch der
77
noch zu besprechenden Altarnische zerstört und nur mehr in ihrem
östlichen Ansatz mit Rundbogen sichtbar ist. Das ausgeschrägte Gewände ist wohl, da es nach Einbau der Altarnische störend gewirkt
hätte, rechtwinkelig ausgelaibt worden." Da sich diese Ö f f n u n g in Kopfhöhe befand und sehr klein gewesen sein muss, kam ihr nicht die
primäre Funktion einer Lichtöffung zu. Ein ähnliches Problem wirft
das einst vergitterte, aufrechtstehende rechteckige Fenster (II) auf, das
nach Einbruch der Altarnische oder auch gleichzeitig entstanden ist
(wohl nach 1513. Auch Sennhauser nimmt an, dass es bereits vor dem
Anbau des Turmes vorhanden war).
Was die Funktion der erstgenannten Maueröffung (I) betrifft und
mit gewissen Einschränkungen auch der jüngeren und grösseren, so
sind mir solche aus dem südschwedischen Raum aber auch in den
Holzwänden mehrerer norwegischer Holzkirchen bekannt. Wohl das
schönste Beispiel vermittelt die romanische Taufkirche des ersten
um 1008 getauften schwedischen Königs — Olof Skötkonungs.
Die mit dem Mauerwerk um 1100 entstandene Ö f f n u n g ist an ihrer
Unterseite noch dazu mit 5 gegen das Kircheninnere absteigenden
Treppenabsätzen versehen. Ihre Klärung wird folgendermassen versucht: «Während des Mittelalters durften offenbar grobe Sünder nicht
in die Kirche eintreten, bevor sie von aussen durch diese Ö f f n u n g gebeichtet und kommuniziert hatten. Es lässt sich auch denken, dass
Pestkranke während des Mittelalters, die nicht in die Kirche kommen
durften, diese Maueröffnung anwandten. Die um die Fragen entstandenen Polemiken und Untersuchungen brachten zu Tage, dass solche
Öffnungen in den Südwänden mit Blickrichtung oder Nähe zum Altar
in schottischen, englischen (500 — 600 Beispiele) ' und auch jütländischen Landkirchen nicht selten anzutreffen waren.
8
1
10
7
Auch eine ursprüngliche Laibung wäre nicht auszuschliessen.
8
Ekhoff, E„ Svenska Stavkyrkor, Stockholm 1914 - 1916, S. 281 - 282.
Svahn.A., Husaby, Lidköping 1964, S. 23, 24. (Übersetzt aus dem Schwedischen).
9
Bedford, H., Some notes on the origin and uses of low-side Windows in
ancient churches, The archäological journal, march 1915.
10
Uldal, F., Om vinduerne i de jydske Granitkirker, Oldkynd och Hist.,
1894, H. 3.
78
Speziell im Falle Triesen lässt sich trotz der anzunehmenden Kleinheit der Maueröffnung aus ihrer Lage die Möglichkeit einer Einblicknahme auf den Altar erkennen. Dieser stand somit wohl unter dem
Chorbogen. Für den Einblick auch auf einen weiter östlich stehenden
Altar hätte die Scheidmauer des Erstbaues kein Hindernis bedeutet, da
sie nur etwa 40 cm vorstiess. Wie schon dargelegt wurde, entsprechen
Form und Lage der Ö f f n u n g I dem spätromanischen Erstbau, wohl aus
der 1. Hälfte des 13.- Jhdts. Verfolgen wir die Messgebräuche jener Zeit,
so lässt sich feststellen, dass seit dem 12. Jhdt. die Wandlung, das A n schauen der heiligen Hostie, zum neuen Mittelpunkt der Messe wurde.
Trotz gegenteiliger römischer Gesetzgebung kam es zur Aussetzung des
Allerheiligsten während ganzer Messen und besonderer Anlässe, und
dies vor allem im südwestlichen Raum Deutschlands bis zum Beginn
des 16 Jhdts. «Wenn man den Leib des Herrn gesehen hatte, war man
befriedigt». Da man diesen Akt natürlich am besten in der Kirche vornehmen konnte, stellt man sich die Frage, wer davon ausgeschlossen
war. Darunter befanden sich solche, die unter Exkommunikation standen, ferner die Katechumenen f ü r die Phase des Abendmales und —
Aussätzige. Da ersteren auch ausdrücklich der Anblick der Hostien
verboten war — und das sicherlich auch von aussen — kommen eigentlich nur Aussätzige oder solche in Frage, die in der Kirche keinen Platz
fanden oder ohne das Messopfer zu stören, den heil- und wunderwirkenden Anblick der Hostie über sich ergehen lassen wollten. Dass solche Öffnungen aber auch eigens f ü r Aussätzige bestanden, wissen wir
aus der Maria-Magdalena Kirche zu Levis mit anschliessendem Siechenhaus: A n der Nordseite des Schiffes findet sich ein vermauertes Segmentbogenfenster, dessen Leibungen parallel zueinander, schräg auf
den Hochaltar zu verlaufen. Ob es übrigens nur ein Zufall ist oder
das Festhalten an der Tradition, den Leprakranken den Einblick durch
besagte Öffnungen in Triesen zu gestatten, wenn sich auf dem ehemaligen Altar auf der Epistelseite die Darstellung des heiligen Antonius
11
12
11
Jungmann, J. A., Missarum solemnia. Eine genetische Erklärung der römischen Messe Bd. I Wien, 1948. S. 151 - 153. Um die Wandlung zu sehen,
lief man in den Städten von Kirche zu Kirche, führte Prozesse, um einen
günstigen Ausblick auf den Altar zu haben. Dieser Brauch der Hostienverehrung erfuhr kirchlicherseits bewusste Pflege.
12
Frey, D., Die Kunstdenkmäler des polit. Bezirkes Feldkirch, Wien 1958, S. 294.
79
von Padua, des Schutzheiligen gegen Seuchen befand? Der alten englischen und skandinavischen Überlieferung gemäss, hatten die besagten
Öffnungen jedenfalls diese Funktion und sind als sogenannte «Aussätzigenfenster» in die Fachsprache eingegangen. Ob man hier auch
Beichte gehört hat und das Abendmal hinausreichte, sei dahingestellt.
Dass man letzteres, wie dies in Triesen der Fall gewesen sein könnte,
auch einer stehenden Person verabreichte, widersprach nicht den kirchlichen Regeln. Die Praxis, das Brot kniend zu sich zu nehmen, ist n ä m lich ein Brauch, der sich erst zwischen dem 11. und 16. Jhdt. und nur
allmählich durchgesetzt hat.
13
14
15
Eine interessante architektonische Wandgliederung ist die zwischen
Scheidmauer und romanischem Fenster liegende nach unten gegenüber
dem einst dazugehörigen höheren Fussbodenniveau um 26 bis 27 cm
erhöht abschliessende Mauernische. Da durch ihren Einbruch ein Teil
der Fresken zerstört worden ist, ist sie jünger als diese und hängt wohl
ziemlich genau datierbar mit der Aufstellung eines Seitenaltares i m
Jahre 1513 zusammen. Weil ein an die Scheidmauer angelehnter Altar
jedoch nur ca 40 cm Länge betragen und ein Herausragen eines
noch so kleinen Altares über die Scheidmauer störend gewirkt hätte,
erweiterte man stattdessen die Mensafläche durch Ausbrechen des
Mauerwerkes um 24 cm. Der Seitenaltar hatte nun zwar die Gesamtlänge von 64 cm, war aber, wie auch das Visitationsprotokoll von 1640
bezeugt, immer noch «klein». Zur Unterbringung liturgischer Geräte
diente die quadratische Wandnische mit den Massen 2 3 x 2 1 cm. Die
Mensa von 1513 bestand, wie sich noch erkennen lässt, aus einer Schieferplatte, hatte die Tiefe von 80 cm und lag in einer Höhe von 100 cm.
10
Ähnliche Seitenaltarnischen, die also zu einer Vergrösserung der
Altarfläche ausgebrochen worden sind, kennen wir auch aus St. Peter
in Schaan, wo sie jedoch auf beiden Schiffseiten in Erscheinung treten.
Deutlich lässt auch hier der auf der Südseite des Schiffes schwach vor13
Seger, O., Die Altarbilder der Kapelle Unserer Lieben Frau zu Triesen,
Jahrb. d. Hist. Ver. f. d. Fürstent. Liechtenstein, Bd. 60, 1960, S. 164, 168.
14
Högberg, F., Medeltida absidkyrkor i norden, absidfönster, Västergötland
Fornminnesförenings Tidskrift, H. 5, 1965, S. 103 - 107.
15
Jungmann, J. A., Bd. 2, S. 456.
16
Poeschel, E., Die Kunstdenkmäler des Fürstentums Liechtenstein, S. 133.
80
springende Mauersockel ein einst höheres Fussbodenniveau erkennen,
das annähernd mit dem unteren Abschluss der Nischen übereinstimmte. Gleich wie in Triesen schliesst die Nische mit einem flachen
Segmentbogen. Die heutige Überhöhung der Reste der Stipes geht auf
eine spätere Zeit zurück, als die Seitenaltäre bereits abgebrochen waren
und die nun übrig gebliebenen Nischensimse anderen Zwecken dienten.
Die Anlage der Nischen fällt wohl auch ins 16. Jhdt., da die Schiffswände aus der Zeit zwischen 1499 und 1530/40 (Fresken) stammen und
1640 von drei Altären gesprochen wird (zwei davon Seitenaltäre), deren
Aufsätze damals schon als alt bezeichnet werden.
17
Eine Parallele zu den beiden Liechtensteiner Fällen bietet das Nenzinger Filialkirchlein in Beschling, geweiht St. Julius und Ottilia. Die
Kirche, bereits 1379 erstmals urkundlich erwähnt, erhielt nach 1470
einen neuen gotischen Choranbau. Entgegen der allgemeinen Ansicht
sind grosse Teile des Schiffmauerwerkes wesentlich älter und in diesen
finden sich auch zwei jedoch in Form völlig voneinander verschiedene
Nischen, so dass sich auch an ein unterschiedliches Alter denken Hesse.
Der heutige Chorbogen mit seinen weit vorspringenden Scheidmauern
aus der Zeit des Chorneubaues nach 1470 hätte nie Anlass zu einem
Nischeneinbruch gegeben, um damit f ü r den Altartisch Platz zu gewinnen. Die belassenen Nischen stammen also aus einer Zeit vor 1470, als
einer wohl ehemalig halbrunden romanischen Apsis eine viel kleinere
Scheidmauer entsprach.
Auffallend ist die Verschiedenheit der Form der beiden Nischen.
Auf der Evangelienseite liegt der Altar in einem einhüftigen Segmentbogen (Maximalhöhe 340 cm), das Gegenüber ist ein langgezogenes
Rechteck (200 x 410 cm) mit Segmentbogenabschluss.
Der heutige Kirchturm in Triesen am Zusammenstoss von Schiff
und Chor ist trotz seines «romanischen» Aussehens eine Schöpfung aus
dem Barock. Er ist daher auch an das Kirchenschiff angesetzt. Von dessen Südostecke ragt im ersten Obergeschoss der Ansatz eines «Bogens»
in den Turm hervor, den Poeschel als den untersten Rest eines Glockenjoches bezeichnet, das dem viel niedrigeren romanischen Erstbau angehörte.
17
Poeschel, E., Die Kunstdenkmäler des Fürstentums Liechtenstein, S. 93.
81
Interpretation
I.
zur Datierung
der
Baugeschichte
Der Erstbau des Schiffes auf einem gleichzeitig erbauten Kellergewölbe errichtet, besass die Aussenmasse 7 x 9,8 m. Der Ostabschluss war mit einer unterhalbkreisförmigen Apsis und Halbkuppel versehen. Zu der noch aus dieser Periode stammenden
Südwand gehören ein romanisches Rundbogenfenster und Portal,
beide nach aussen mit Tuffsteinen eingefasst. Eine in Kopfhöhe
angelegte, rundbogige Ö f f n u n g nahe der südlichen Scheidmauer
gab Einblick auf einen unter dem Triumpfbogen stehenden Altar.
Das Schiff selbst war, aus der oberen Begrenzung der Fresken abzulesen, mit einer flachen Decke versehen. Aus dieser Periode dürften auch die Ansätze eines kleinen Glockenträgers stammen. Das
genaue Alter dieses Erstbaues ist quellenmässig nicht belegt. 1415
wird jedoch bereits von seiner mehrfachen Reparaturbedürftigkeit
gesprochen. Das Rundbogenfensterchen und die besondere Form
der Apsis weisen in die spätromanische Zeit, wohl in die' 1. Hälfte
des 13. Jhdts. Als eine von St. Luzi aus gegründete Eigenkirche ist
das Marienpatronat gut verständlich, auch passt es zu der seit dem
12. Jhdt. ständig zunehmenden Marienverehrung gegenüber einer
ersten Verehrungswelle i m Frühmittelalter.
18
II.
Zwischen dem 1. Drittel des 14. Jhdts. (Goldmünze Ludwigs v.
Bayern in der Westwand der rom. Kirche lässt auf bedeutendere
bauliche Veränderungen schliessen) als untere Grenze und 1429,
dem Jahr der erstmaligen Erwähnung zweier Keller, wahrscheinlich jedoch zwischen 1415 und 1429, kam es zur Errichtung eines
Kellers II, der aber nicht unter der Kapelle im eigentlichen Sinne,
sondern unter einem Vorplatz oder einer Vorhalle lag.
III. 1513 erfolgt die Konsekration eines kleinen Altares auf der Epistelseite und zur Vergrösserung der Mensafläche der Ausbruch einer
Altarnische samt eines rechteckigen Fensters. Vielleicht zur gleichen Zeit, jedenfalls nach Vorhandensein der hochgotischen Wand18
82
Müller, J., Die Patrozinien des Fürstentums Liechtenstein, Jahrb. d. Hist.
Vereins f. d. F. L., 59, 1959, S. 320. - Büttner und Müller, Frühes Christentum im schweizerischen Alpenraum, Einsiedeln 1967, S. 60.
83
fresken kam es zum Einbau einer Empore, der auch eine Erhöhung
des Schiffes zur Folge gehabt hat. Die Kirche muss damals einen
sehr beengenden Eindruck gemacht haben.
IV. Die engen räumlichen Verhältnisse und die i m 16. Jhdt. auftretende
starke Baufälligkeit führten in den Jahren 1653/54 zu einem Neubau, der i m Wesentlichen mit dem heutigen übereinstimmt: A n lage eines polygonalen Chorabschlusses, Verbreiterung und Verlängerung des Schiffes auf die Grundmauern des Kellers II. Durch
die Tieferlegung des Schiffbodens wurden die beiden Kellerräume
zerstört. In diesem Zusammenhang erfolgte die Zumauerung der
romanischen und spätgotischen Maueröffnungen und Nischen, ferner die Ubertünchung der Fresken und der Durchbruch der barokken Fenster. Die frühere Flachdecke wich einer Walmdecke mit
polygonalem Querschnitt, deren Grenzen i m Dachraum an der
Westwand des Schiffes zu erkennen sind. A n Stelle eines bescheidenen Glockenträgers wurde ein stattlicher Turm errichtet. Aus
dieser Bauperiode stammt auch die 1964 abgerissene, gemauerte
Vorhalle mit Pultdach.
Abschliessend sei herzlich gedankt Herrn Felix Marxer f ü r die Bereitstellung der vorhandenen Unterlagen und Herrn Manfred Wanger
für die wertvollen Ratschläge und Hinweise, die er als Beteiligter der
Ausgrabungen von 1964 geben konnte.
84