3-D-CFD-Simulation der Schmierspaltströmung in einem

FORSCHUNG L AGERUNG
AUTOREN
Prof. Dr.-Ing.
Christoph Egbers
ist Leiter des Lehrstuhls
Aerodynamik und
Strömungslehre der
Brandenburgischen
Technischen Universität
Cottbus-Senftenberg.
3-D-CFD-Simulation der Schmierspaltströmung
in einem Radialgleitlager
Aktuelle Gleitlagerberechnungsprogramme basieren auf einem zweidimensionalen
Berechnungsansatz, was sie zu schnellen und effizienten Werkzeugen bei der Lagerauslegung macht. Allerdings gibt es große Ungewissheiten hinsichtlich der Berechnungsergebnisse in der Nähe von Schmiernuten, -taschen und Ölversorgungsbohrungen.
Moderne CFD-Methoden können helfen, diese Ungewissheiten zu minimieren oder gar
auszuräumen. An der BTU Cottbus wurde zusammen mit der HAWK Hochschule für
angewandte Wissenschaft und Kunst und der Universität Kassel in einem FVV-Projekt
untersucht, wie sich moderne CFD-Methoden einsetzen lassen, um die Aussagekraft
aktueller Gleitlagerberechnungsprogramme erheblich zu steigern.
Dipl.-Ing. Paul Gorenz
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ist Wissenschaftlicher
Mitarbeiter am Institut
für Antriebs- und
Fahrzeugtechnik (iaf)
der Universität Kassel.
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Dipl.-Ing. Carsten Wolf
EINGEGANGEN 05.12.2014
GEPRÜFT 12.01.2015
ANGENOMMEN 07.04.2015
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ist Wissenschaftlicher
Mitarbeiter der Fakultät
Naturwissenschaften
und Technik der HAWK
Hochschule für angewandte Wissenschaft und
Kunst Hildesheim/
Holzminden/Göttingen.
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Dipl.-Ing. (FH)
Marcus Schmidt, M. Sc.
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ist Doktorand am Lehrstuhl
Aerodynamik und
Strömungslehre der
Brandenburgischen
Technischen Universität
Cottbus-Senftenberg.
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1
MOTIVATION
2
ÜBERSICHT DER ENT WICKELTEN CFD - MODELLE
3
VALIDIERUNG DER CFD - MODELLE
4
SIMUL ATION DER K AVITATION IN GLEITL AGERN
5
ZUSAMMENFASSUNG
1 MOTIVATION
Bei der Auslegung von Gleitlagern spielen vor allem Berechnungsprogramme auf Basis der Reynolds’schen Differenzialgleichung
(RDGL) eine wichtige Rolle. Die von Osbourne Reynolds 1886 aufgestellte Gleichung [1] ist eine zweidimensionale Differenzialgleichung, die allgemein auf jedes strömungsmechanische Problem
sehr dünner Schmierfilme angewendet werden kann. Deren Lösung
erfolgt meist iterativ im Finite-Differenzen(FD)- oder FiniteElemente(FE)-Verfahren und liefert eine 2-D-Druckverteilung im
Schmierfilm. Dabei basiert die RDGL auf der Annahme, dass die
Schmierfilmhöhe vernachlässigbar klein gegenüber den anderen
Abmessungen des Lagers (Axial- und Umfangsrichtung) ist. Die
Schmierfilmhöhe ist also keine Lösungsvariable der Differenzialgleichung, das heißt, der berechnete Druck stellt immer einen Mittelwert über die Schmierfilmhöhe dar. Diese Annahme verliert ihre
Gültigkeit, wenn das Gleitlager keine durchgehend glatte Oberfläche
besitzt, sondern tiefe Schmiermittelversorgungsbohrungen und/oder
Schmiertaschen eingearbeitet sind. In diesen Fällen ändert sich die
Schmierfilmhöhe sprunghaft und kann durchaus nicht mehr gegenüber der Axial- und Umfangsrichtung vernachlässigt werden.
Infolge dieser geometrischen Unstetigkeiten entstehen dreidimensionale Strömungseffekte im Gleitlager, die von der ursprüng-
lichen RDGL nicht aufgelöst beziehungsweise abgebildet werden
können. Im Laufe der Zeit haben sich daher Berechnungsprogramme entwickelt, die durch geschickte Modellierung den Gültigkeitsbereich der ursprünglichen RDGL erweitern. Diese sind
weit verbreitet, arbeiten sehr effizient und stellen den aktuellen
Stand der Technik in der Industrie dar.
In einem Forschungsvorhaben wurde untersucht, welche Möglichkeiten die aktuellen Methoden der Computational Fluid Dynamics (CFD) bieten, um komplexe, instationär belastete, hydrodynamisch geschmierte Radialgleitlager zu berechnen. Ein besonderer Fokus lag dabei auf der Vorhersage von Kavitationseffekten
sowie darauf, Aussagen über die Grenzen der Gültigkeit der
2-D-Rechnungen zu finden und Empfehlungen für eine verlässliche Nutzung dieser schnellen und effizienten 2-D-Tools zu geben.
Hierzu wurden für unterschiedliche Lagerdetailgrade mehrere
CFD-Berechnungsmodelle entwickelt und ein Experiment zur Validierung aufgebaut.
2 ÜBERSICHT DER ENTWICKELTEN CFD -MODELLE
Die im Forschungsvorhaben erstellten CFD-Modelle sind von
einem realen Gleitlager nach [2] abgeleitet worden, welches sehr
gut dokumentiert ist und unter vorgegebenen Betriebsbedingun-
BILD 1 Überblick der 3-D-CFD-Modelle
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FORSCHUNG L AGERUNG
gen reproduzierbar zur Kavitation gebracht werden konnte. Ein
Überblick der 3-D-Modelle zeigt BILD 1. Basis für die dreidimensionalen CFD-Simulationen ist das Programmpaket OpenFoam.
Die dreidimensionalen Bewegungsgleichungen der Strömung werden mit dem Verfahren der Finiten Volumen (FVM) behandelt.
Dabei erfolgt die räumliche sowie zeitliche Diskretisierung mit
Methoden von einer Genauigkeit zweiter Ordnung. Die Simulation
mehrerer Phasen wird mit dem Ansatz der Kontinuumsmethode
modelliert, indem die Strömungen der unterschiedlichen Phasen
getrennt berechnet und über eine variable Phasengrenze verbunden werden. Für die Berechnung des Phasenübergangs zwischen
Flüssigkeits- und Dampfphase wird das Massentransfermodell
nach [3] verwendet. Dieses Modell basiert auf einem blasendynamischen Ansatz, um Blasenwachstum und -implosion über eine
separate Bewegungsgleichung zu berechnen. Alle 3-D-CFDModelle verwenden ein Rechengitter mit einer Mindestzellenzahl
von 14 Zellen in radialer Richtung. Nur dadurch wird die notwendige Auflösung erreicht, die für eine korrekte Simulation der realen, experimentell nachgewiesenen Strömungsstrukturen aufgewendet werden muss.
2.1 SUBSTRUKTURMODELL UND
QUASI-STATIONÄRES MODELL
Zur Untersuchung von lokalen, dreidimensionalen Strömungsstrukturen und deren Einfluss auf Kavitationseffekte wurden Methoden
entwickelt, die mit möglichst geringem Berechnungsaufwand
anwendbar sind. Dabei werden Berechnungsdaten der effizienten
2-D-EHD-Methoden verwendet und mit der 3-D-Simulation gekoppelt. Das Ziel ist die Untersuchung der Wellenwinkellagen mit einer
lokalen 3-D-Simulation, an denen die Kavitationskriterien der 2-DEHD ein Kavitationsrisiko indizieren.
Das quasi-stationäre 3-D-CFD-Modell umfasst die Strömungsberechnung des gesamten Schmierfilms zu einem festen Zeitpunkt beziehungsweise Kurbelwinkel. Diese erfolgt dreidimensional in der erforderlichen Auflösung, um lokale Strukturen exakt
abbilden zu können. Als Randbedingungen werden die Ölflüsse
und Druckdaten sowie die momentane Lagergeometrie (Exzent-
rizität, Orientierung der Abflussbohrung in der Welle) aus dem
2-D-EHD-Modell übergeben.
Entsprechend BILD 2 wird gegenüber dem quasi-stationären
Modell mit den Methoden der Substruktur (3-D-CFD-Substrukturmodell) nur noch der Teil des Schmierspalts dreidimensional
modelliert, in dem aufgrund der Lagerschalengeometrie dreidimensionale Strömungsstrukturen erwartet werden. In der Regel
ist die Strömung im Bereich des engsten Spalts rein zweidimensional und kann daher mit 2-D-Methoden berechnet werden. Im
3-D-CFD-Substrukturmodell wird der kavitationskritische Teilbereich des Schmierspalts in voller Auflösung dreidimensional
berechnet. Zusätzlich zu den bisherigen Übergabedaten werden
an den axialen Schnittstellen im Schmierspalt Druckprofile und
Spaltfüllungsgrade zwischen 2-D- und 3-D-Zonen übergeben.
2.2 INSTATIONÄRES MODELL
Um mögliche 3-D-Effekte, die aus der Dynamik des Gleitlagers
entstehen können, ebenfalls analysierbar zu machen, wurde ein
sehr komplexes CFD-Modell erstellt. Dieses beinhaltet die Simulation einer rotierenden Ölablaufbohrung, der Wellenverlagerungsbahn und der Kavitation nach [3]. Die instationäre Simulation der Strömungseffekte im Schmierfilm erfordert dynamische
Rechennetze. Für die Wellenrotation muss das 3-D-Rechennetz
des Schmierfilms in einen stehenden (äußeren) und einen rotierenden (inneren) Teil aufgeteilt werden. Beide sind über ein
gemeinsames Interface, dem sogenannten Arbitary Mesh Interface (AMI), zur interpolierten Datenübergabe miteinander verbunden. Die Abbildung der Wellenverlagerung erforderte ein weiteres dynamisches Rechengitter. Dieses ist im stehenden Teil
implementiert. Durch die Möglichkeit, die Zellengröße im Stator
während der Berechnung zu verändern, kann der rotierende
Innenteil, und somit auch die Welle selbst, fast jede beliebige
Translationsbewegung durchführen. Die Berechnung der Wellenverlagerungsbahn erfolgt dabei nicht durch das instationäre CFDModell selbst, sondern muss vorgegeben werden. Hierzu ist eine
Schnittstelle vorhanden, welche die Kopplung mit einem RDGLLöser ermöglicht.
BILD 2 Schematische Darstellung
3-D-Substrukturmodell
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BILD 3 Gleitlagermodellprüfstand
3 VALIDIERUNG DER CFD -MODELLE
Eine gründliche Validierung der numerisch berechneten Strömungsdaten kann nur mit experimentellen Daten erfolgen, die im
Inneren des Strömungsfelds gemessen worden sind. Eine bloße
Betrachtung der Druckverteilung an den Wänden reicht nicht aus,
um die Struktur der Strömung zu analysieren. Deshalb wurde ein
Strömungsmodell im Maßstab 3 : 1 entwickelt, welches die geometrische Ähnlichkeit des Referenzlagers abbildet und zugleich
optische Zugänglichkeit in die Strömung für Laser-Doppler-Anemometrie (LDA) und Strömungsvisualisierung erlaubt. Das Strömungsmodellexperiment wurde deshalb in Acrylglas ausgeführt, BILD 3.
Durch geeignete Wahl von Drehzahl und Zähigkeit werden die
Experimente bei lagertypischen Reynoldszahlen durchgeführt. Um
eine ausreichende räumliche Auflösung im Schmierfilm zu erreichen, wurde ein relatives Lagerspiel im Experiment von = 2,5 %
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eingestellt. Der Innenzylinder, welcher die Welle abbildet, ist
gegenüber dem Gehäuse exzentrisch verstellbar, um lagertypische
Relativpositionen realisieren zu können. Die Durchströmungsverhältnisse eines Motorhauptlagers werden dargestellt, indem die
Modellflüssigkeit am Außenzylinder eingeführt wird und dann
sowohl an den Enden des Innenzylinders axial abströmen als auch
über eine Bohrung im Innenzylinder radial abgeführt werden kann.
Der Vergleich der Geschwindigkeitsprofile aus dem Experiment
mit denen der numerischen Simulationen zeigt eine sehr gute Übereinstimmung. Die Diagramme in BILD 4 stellen die normierte
Umfangsgeschwindigkeit über der normierten Spalthöhe bei einer
Winkellage von = 8,9° stromabwärts der Bohrung dar. Bei einer
Winkellage der Abführbohrung von 40° stellt sich am Innenzylinder
(y/h = 0) die Rotationsgeschwindigkeit U1 ein. Das einströmende
Öl wird nahe dem Innenzylinder in Richtung des konvergenten
Spaltbereichs beschleunigt. Ab einer radialen Position von y/h = 0,5
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FORSCHUNG L AGERUNG
BILD 4 Vergleich
der radialen
Geschwindigkeitsprofile über den
Spalt zwischen
experimenteller
Messung und der
3-D-Simulation
stellt sich ein Rückströmgebiet entgegen der Innenzylinderdrehrichtung ein. Befindet sich die Abführbohrung in der Nähe der
Messposition bei 9°, ist der Einfluss der Saugwirkung durch das
abströmende Öl deutlich erkennbar. Das Öl wird beiderseits aus
dem Spaltbereich gezogen. Dadurch reduziert sich die Geschwindigkeit in Rotationsrichtung nahe der Wellenoberfläche, und es bildet sich im gesamten Spaltbereich ein Rückströmgebiet aus.
Die Validierung des verwendeten Berechnungsalgorithmus für
die Kavitation erfolgte mithilfe der Ergebnisse aus den Untersuchungen in [4]. Der experimentelle Aufbau besteht aus einer rotierenden Welle, die exzentrisch zur feststehenden Lagerschale positioniert ist. Der Spalt zwischen den Zylindern ist mit Schmierstoff
gefüllt. Die Druckverteilung wurde experimentell auf einer
Umfangslinie von 10 % der Lagerbreite außermittig gemessen.
Der Vergleich der dreidimensionalen Berechnung in BILD 5 zeigt
eine sehr gute Übereinstimmung mit den experimentellen Daten
bezüglich des hydrodynamischen Druckmaximums vor dem engsten Spalt. Weiterhin ist erkennbar, dass die Druckverteilung und
damit auch das Dampfblasengebiet im divergenten Spaltbereich
zwischen der Winkellage = 200 bis 300° mit dem Experiment
übereinstimmt. Darüber hinaus kann festgestellt werden, dass im
Vergleich zum kommerziellen Berechnungsprogramm [5] keine
nennenswerten Abweichungen bei der Berechnung des Phasenübergangs zu verzeichnen sind.
In BILD 6 sind die Schäden durch Kavitation aus den experimentellen Versuchen den Lagerbereichen gegenübergestellt, bei
denen in der 2-D-Simulation Anzeichen für Kavitationsschädigung zu erkennen sind. Die Schädigung durch Strömungskavitation im Versuch wurde dadurch ausgelöst, dass bei Überschreiten
des Nutendes durch die Zapfenbohrung eine Rückströmung in
der Zapfenbohrung entsteht. Dadurch bilden sich Blasen in der
4 SIMULATION DER K AVITATION IN GLEITLAGERN
Aktuelle RDGL-Löser erlauben auf Basis des Teilfüllungsalgorithmus
gemäß [6, 7] Aussagen über Teilfüllungszustände und kavitationsgefährdete Lagergebiete. Als Indikator für kavitationsgefährdete
Lagerbereiche dienen die Spaltfüllung und die Spaltfüllungsänderung d/dt. Aus der Literatur ist bekannt, dass Kavitationsschäden an Bauteiloberflächen entstehen, die nicht vollständig mit Öl
gefüllt sind, sich aber anschließend sehr schnell mit Öl füllen
(Implosion der Kavitationsblase), das heißt eine große positive Dichteänderung d/dt erfahren. Diese Bewertungskriterien wurden nun
mit dokumentierten Kavitationsschäden aus der Literatur verglichen. Dazu wurden hydrodynamische 2-D-Simulationsmodelle
erstellt und mit den Betriebspunkten des Lagers aus der Dissertation von Wollfarth [2] simuliert.
70
BILD 5 Validierung des Phasenübergangsmodells an experimentellen Daten
BILD 6 Vergleich Kavitationsschäden Versuche Wollfarthund Reynolds-DGL
Zapfenbohrung, die bei Zerfall eine Schädigung im konvergenten
Spalt erzeugen. Hierbei handelt es sich um ein dreidimensionales Strömungsproblem, das mit der Reynolds’schen Differenzialgleichung nicht abbildbar ist. Die Schädigungen durch Stoßkavitation im divergenten Spalt und Kavitationserosion im Bereich
der Ölzuführbohrung lassen sich mit den Indikatoren aus Spalt-
BILD 7 Vergleich der Dampfverteilung 2-D-EHD und 3-D-CFD
im divergenten Spaltbereich
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füllung und Spaltfüllungsänderung d /dt nachweisen. Zur Korrelationsuntersuchung zwischen 2-D- und 3-D-Simulation wurde
ein Schnittstellenmodell basierend auf dem Wollfarth Lager aufgebaut. Der Lagerbereich um die Ölzuführbohrung und die Ölversorgungsnut wird als Substrukturmodell mit 3-D-CFD simuliert
und an den Schnittstellen der Knotendruck sowie die Spaltfüllung aus der Reynoldsgleichung übergeben. In BILD 7 ist die Auswertung der Spaltfüllung aus der Reynoldsgleichung und des
Dampfblasenanteils aus der 3-D-CFD-Simulation dargestellt. Im
oberen Bildausschnitt wird der kavitationsgefährdete Bereich,
wie er in der Reynoldsgleichung berechnet wurde, dargestellt. Im
unteren Bildausschnitt ist der Dampfblasenanteil in der CFDSimulation zu sehen. Zwischen Lagerschale und Welle im radialen Spalt ergibt sich eine dreidimensionale Schichtung des
Dampfs. Der maßgebliche Dampfanteil liegt an der Welle an und
wird in Rotationsrichtung parallel zur Nut transportiert. An der
Lagerschale ist nur ein kleiner Dampfanteil zu erkennen. Die
dreidimensionale Dampfschichtung in Richtung der Welle deutet
darauf hin, dass es im Versuch zu keiner Schädigung gekommen
ist, da die Wellenoberfläche härter als die Lagerschale ist und
sich nicht ständig im Eingriff befindet. Die gewonnen Ergebnisse
lassen darauf schließen, dass Spaltfüllung und Spaltfüllungsänderung als Indikatoren für Kavitation geeignet sind, aber als Indikatoren für Oberflächenschädigung nicht ausreichen.
Die Vorhersage des kavitationskritischen Gebiets stromaufwärts der Ölzuführbohrung durch die 2-D-Simulation und
der dazugehörige experimentelle Schadensbefund kann durch
die 3-D-Simulation bestätigt werden. Im oberen Teil von BILD 8
ist die Dampfverteilung an der Lagerschale bei einer Winkellage
der Abführbohrung von -10° zu sehen. Bei diesen Betriebsbedingungen strömt das eintretende Öl um die Kanten der Zuführbohrung in Richtung der Abführbohrung. Durch die erhöhten
Strömungsgeschwindigkeiten um die Kanten sinkt dabei der statische Druck unter den Dampfdruck ab und es kommt zur
Dampfblasenbildung.
Der Vergleich der numerischen Ergebnisse mit den experimentellen Daten am Nutende zeigt eine Übereinstimmung der Ausdehnung von Dampfgebieten und Schadensbildern (unterer Teil
von BILD 8). Die Art des Schadens wird durch Strömungskavita-
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FORSCHUNG L AGERUNG
BILD 8 Effekte der Strömungskavitation an der Ölzuführbohrung und am Nutende
tion bei Überströmung des Nutendes im konvergenten Spaltbereich hervorgerufen. Die dabei auftretenden dreidimensionalen
Strömungsstrukturen können durch die 2-D-EHD-Simulation
nicht erfasst werden.
Weiterhin bilden sich durch die großen Strömungsgeschwindigkeiten in der Ablaufbohrung Gebiete, in denen der Dampfdruck unterschritten wird und damit die Dampfblasenbildung
einsetzt. In BILD 9 ist das berechnete 3-D-Dampfgebiet in der
Ablaufbohrung und das Schadensbild aus [2] zu sehen. Die entstehende Dampffraktion bleibt in der Bohrung bestehen und
kann in Gebieten nahe der Lagerschale stromab des minimalen
Schmierspalts zur Schädigung durch Stoßkavitation führen.
BILD 9 Dampfbildung in der Abführbohrung und Schadensbild Stoßkavitation
72
Dabei ergeben sich Schadensbilder an der Lagerschale in der
Dimension des Durchmessers der Abführbohrung. Um den Einfluss des Zuführdrucks auf die Dampfverteilung in der Ablaufbohrung zu untersuchen, wurde in den numerischen Berechnungen der Zuführdruck von 4 bar schrittweise auf einen Druck von
15 bar erhöht.
In BILD 10 ist der normierte Dampfgehalt in der Ablaufbohrung
über dem Öl-Zuführdruck zu sehen. Mit zunehmendem Druck
steigt der Dampfgehalt quadratisch bis zum vierfachen des Ausgangswerts an. Weiterhin ist zu erkennen, dass sich der Abstand
des Dampfgebiets zur Lagerschale deutlich verkürzt. Durch den
höheren Zuführdruck wird der Durchfluss und damit die Strö-
BILD 10 Vergleich des Dampfgehalts in der Abführbohrung bei Variation des Zuführdrucks
mungsgeschwindigkeit im Querschnitt der Ablaufbohrung angehoben. Die hohen Geschwindigkeiten ergeben eine Absenkung des
lokalen Drucks. Weiterhin bilden sich komplexe, dreidimensionale
Strömungsstrukturen in der Ablaufbohrung aus. Beide Mechanismen, der erhöhte Dampfgehalt und der geringere Abstand in Richtung Lagerschale, steigern das Gefährdungspotenzial von Kavitationsschädigung durch Stoßkavitation.
5 ZUSAMMENFASSUNG
In dem Projekt konnte mithilfe eines 3-D-CFD-Substrukturmodells
die Gültigkeit der Reynoldsgleichung im Bereich enger Spalte und
hinsichtlich einiger Kavitationskriterien bestätigt werden. An anderer Stelle konnte die Aussagegenauigkeit erweitert werden, indem
die rechnerisch aufwendigen CFD-Modelle detailliertere Aussagen
über das Strömungsverhalten und die Kavitationsgefährdung liefern, die mit der Reynoldsgleichung prinzipbedingt nicht abbildbar
sind. Alle 3-D-CFD-Modelle wurden mit dem Modellprüfstand sehr
gut validiert und die Leistungsfähigkeit der CFD-Berechnungsmethodik konnte demonstriert werden.
[6] Knoll, G.; Longo, C.; Schlerege, F.; Brandt, S.; Lang, J.: SoftwareEntwicklungswerkzeuge zur reibungsoptimierten Auslegung von Kurbeltriebskomponenten. ATZ/MTZ-Konferenz „Reibungsminimierung“, 2009
[7] Kumar, A.; Booker, J. F.: A Finite Element Cavitation Algorithm.
ASME J. Tribol., 113 (2), S. 276-286, 1991
DANKE
Das Forschungsvorhaben (Nr. 16805 BG/2) wurde aus Mitteln des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie (BMWi) auf Beschluss des Deutschen
Bundestages über die Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen
Otto von Guericke e. V. (AiF) und der Forschungsvereinigung Verbrennungskraftmaschinen e. V. (FVV) gefördert. Die Autoren bedanken sich für die finanzielle
Förderung und für die Betreuung durch den projektbegleitenden Arbeitskreis, der
vom Obmann Frank Schmidt (MTU Friedrichshafen) geleitet wurde. Darüber hinaus
bedanken sich die Autoren bei Prof. Dr.-Ing. Peter Reinke (Fakultät Naturwissenschaften und Technik, HAWK Hochschule Hildesheim/Holzminden/Göttingen) und
Prof. Dr.-Ing. Adrian Rienäcker (Institut für Antriebs- und Fahrzeugtechnik, Universität Kassel) für die Unterstützung als Forschungsstellenleiter sowie bei And-
LITERATURHINWEISE
[1] Reynolds, O.: On the Theory of Lubrication and Its Application to Mr.
Beauchamp Tower’s Experiments, Including an Experimental Determination of
the Viscosity of Olive Oil. Philosophical Trans. of the Royal Society of London,
Band 177, S. 157-234, 1886
[2] Wollfarth, M.: Experimentelle Untersuchungen der Kavitationserosion
im Gleitlager. Universität Karlsruhe, Dissertation, 1995
[3] Schnerr, G. H.; Sauer, J.: Physical and Numerical Modeling of Unsteady
Cavitation Dynamics. Proc. 4 th International Conference on Multiphase Flow,
New Orleans, U.S.A., 2001
[4] Jakobsson, B.; Floberg, L.: The finite journal bearing considering
vapori zation. Transactions of Chalmers University of Technology, 1957
[5] Cupillard, S.; Glavatskih, S., Cervantes, M. J.: Computational fluid
dynamics analysis of a journal bearing with surface texturing. Proceedings
of the Institution of Mechanical Engineers, Part J, Journal of Engineering
Tribology, 2008
07-08I2015
76. Jahrgang
reas Christl (Doktorand, BTU Cottbus), Matthias Neben (Doktorand, BTU Cottbus),
Dr. rer. nat. Nicoleta Herzog (ZHAW Zürich), Matthias Nobis (WHZ Zwickau), Marco
Riedel (WHZ Zwickau), Prof. Dr.-Ing. habil. Gunther Knoll (iST GmbH, Aachen)
und Dr.-Ing. Katja Backhaus (iST GmbH, Aachen), die als weitere Projektmitarbeiter zum Gelingen des Projekts beigetragen haben.
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