Die Vernunft der Versöhnung: Nachbericht der BNN zur Kinkel

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Samstag, 28. November 2015
BRUCHSAL
.
Ausgabe Nr. 276 – Seite 25
Endlich
Advent
Das Bruchsaler Weihnachtswunder,
so könnte man scherzhaft sagen, das
ist die wundersame Entwicklung, die
der Weihnachtsmarkt in den vergangen Jahren vollzogen hat. Von ein paar
Problem-Buden hin zum pyramidenüberstrahlten Wohlfühlort mit kreativen Angeboten. Ein Ort, wo man sich
gerne trifft. Noch wunderlicher ist,
dass inzwischen sogar die Rivalität
zwischen dem aristokratischen Emporkömmling
„Schlossweihnacht“
und dem bürgerlichen Klassiker auf
Holz- und Kübelmarkt kein großes
Thema mehr ist. Auch der Einzelhandel scheint vom dualen System zu
profitieren, auch wenn die städtebauliche Aufwertung der Schlossachse
hinsichtlich einer besseren Anbindung
an die Innenstadt politisch brachliegt.
Randnotizen
Und da bekanntlich jedem Anfang
ein besonderer Zauber innewohnt,
schmecken die jahreszeitlichen Spezereien und, ja, auch der Glühwein,
jetzt zu Beginn der Adventszeit doch
am besten. Nachdem Lebkuchen und
Spekulatius schon seit September in
den Regalen des Einzelhandels stehen und weihnachtliches Schmuckwerk – gefühlt zumindest – seit dem
Spätsommer über den Straßen, in den
Schaufenstern sowie manchen Vorgärten hängt, dürfen ab diesem Wochenende endlich auch Traditionalisten guten Gewissens in Adventsstimmung kommen. Wer über genügend
sittliche Reife und ein solides Zeitmanagement verfügt, wird es in den kommenden Wochen im Übrigen nicht bei
Weihnachtsmarktbesuchen belassen,
sondern auch tatsächliche Besinnlichkeit und Besinnung auf die wesentlichen Dinge des Lebens anstreben.
Mehr Zeit für Familie und Freunde
etwa. Diesen Advent müsste es doch
klappen.
Daniel Streib
WEIHNACHTSWUNDER IN BRUCHSAL? Die Kulissen für die Weihnachtsbühne auf dem Kübelmarkt hat in diesem Jahr erstmals die Kunstklasse von Tomislav Hrkac (Musik- und
Kunstschule Bruchsal) gestaltet. Vielleicht ist das Gemälde ja Inspiration für den ein oder anderen Leser-Poeten der Bruchsaler Rundschau?
Foto: Heintzen
Kreativität bei Kerzenschein
Die Bruchsaler Rundschau sucht wieder weihnachtliche Gedichte und Geschichten
Bruchsal. Advent, Advent, ein Lichtlein brennt… der Klassiker unter den
vorweihnachtlichen Gedichten. Oder
geht es vielleicht noch kreativer? Für
die Leser der Bruchsaler Rundschau
dürfte das kein Problem sein, das haben die Einsendungen zum Schreibwettbewerb „Leser-Poesie“ schon in
den vergangenen Jahren auf wunderbar poetische Weise gezeigt. Auf besinnliche oder belustigende Reime, berührende Geschichten und Gedichte
freut sich die Redaktion auch in diesem
Jahr wieder.
Tannenduft, Kerzenschein, Plätzchen
und Punsch können da sicher als sinnliche und besinnliche Inspirationsquelle dienen – oder ein Spaziergang mit
Familie und Freunden über den Bruchsaler Weihnachtsmarkt, wo die Musik-
Übergriff in der Dusche
Vorfall in Bruchsaler Asylunterkunft: Iraner in Haft
Duschvorhang zur Seite und forderte
Bruchsal (BNN). Ein 22 Jahre alter
die unbekleidete 36-Jährige durch GesMann aus dem Iran steht unter dem
ten auf, sich ruhig zu verhalten. Da die
dringenden Verdacht, in der Nacht zum
Frau aber sofort schrie und ihn mit Was31. Oktober in einer Bruchsaler Geser bespritzte, ließ der Mann von seinem
meinschaftsunterkunft für Flüchtlinge
Vorhaben ab und ergriff die Flucht.
versucht zu haben, eine 36 Jahre alte
Aufgrund des Ermittlungsstandes und
Frau aus Syrien sexuell zu nötigen. So
von Fluchtgefahr
lautet die Mitteientsprach der zulung von PolizeiFestnahme am
ständige
Richter
präsidium
und
des Amtsgerichts
Staatsanwaltgestrigen Freitag
Bruchsal dem Anschaft Karlsruhe
trag der Staatsanvom gestrigen Freiwaltschaft Karlsruhe und ordnete bei
tagnachmittag. Nach den Ermittlungen
dem 22-Jährigen die Untersuchungshaft
der erst mehrere Tage nach der Tat inan. Nach seiner Festnahme am gestrigen
formierten Kriminalpolizei hatte sich
Freitag durch Beamte des Fahndungsdeder Beschuldigte im Duschcontainer für
zernats der Kriminalpolizei eröffnete
Frauen in einer Kabine so lange verder Richter dem Mann den Haftbefehl.
steckt gehalten, bis außer ihm und der
Unmittelbar darauf wurde er in eine
Geschädigten niemand mehr anwesend
Justizvollzugsanstalt eingeliefert, so die
war, heißt es in der Mitteilung weiter.
Mitteilung abschließend.
Dann zog er plötzlich bei der Frau den
und Kunstschule Bruchsal in diesem
Jahr mit einem großen Wandgemälde
die Kulissen der Weihnachtsbühne gezaubert hat. Denn wie in jedem Jahr
lautet bei der Leser-Poesie das Stichwort: Weihnachten. Von der Geburt Jesu, vom Feiern unterm Tannenbaum oder von
adventlicher Vorfreude sollen die
Gedichte und Kurzgeschichten unserer
Leser-Poeten erzählen. Das können
schöne Erinnerungen aus Kindertagen,
humorige Betrachtungen oder auch
ganz ernste Gedanken sein. Vielleicht
hat der ein oder andere Leser ja auch
schon sein ganz persönliches Weihnachtswunder erlebt?
Brand vor
der Wohnungstür
Östringen (BNN). Beim Brand in
einem Haus in Östringen ist eine 48jährige Frau leicht verletzt worden.
Nach Mitteilung der Polizei meldete
die Frau am gestrigen Freitag kurz
nach Mitternacht der Feuerwehr,
dass sie in ihrem Haus Rauch festgestellt hätte. Die Wehr konnte einen Brand vor der Wohnungstür der
Frau im ersten Obergeschoss des
Anwesens löschen. Die Frau wurde
vorsorglich ärztlich versorgt.
Die polizeilichen Ermittlungen ergaben, dass es an zwei Stellen im
Haus in der Straße Am Kirchberg
gebrannt hatte. Im Erdgeschoss
hatte Zeitungspapier gebrannt. Das
Feuer erlosch hier aber von selbst.
An der Wohnungstüre hatte ebenfalls Zeitungspapier gebrannt. Die
Kriminalpolizei hat die Ermittlungen übernommen.
Kreative Schreiberlinge dürfen sich
nach Herzenslust austoben, alleine
oder gemeinsam in einer Gruppe ihre
Texte formulieren und an die Redaktion verschicken. Die Einsendungen, die
am besten gefallen, werden am
vierten Adventswochenende
auf
einer besonderen
Zeitungsseite
in
der
Bruchsaler
Rundschau veröffentlicht.
Damit möglichst viele Einsender die
die Möglichkeit erhalten, mit ihren Gedanken auf der Sonderseite „LeserPoesie“ abgedruckt zu werden, behält
sich die Redaktion vor, Texte sanft zu
kürzen – so, dass Inhalt und Charme
erhalten bleiben. Wem das Schreiben
gar zu schwerfällt, der darf gerne auch
zu Pinsel oder Buntstiften greifen und
seine Gedanken zur Weihnacht bildlich
auf Papier bannen.
kas
i
Teilnahme
Wer beim Kreativwettbewerb mitmachen möchte, schickt sein Gedicht, seine Geschichte oder sein Bild bis Dienstag, 15. Dezember, unter dem Stichwort „Leser-Poesie“ per E-Mail an: [email protected]
oder per Post an Bruchsaler Rundschau
– Redaktion, Friedrichstraße 6, 76646
Bruchsal. Bitte den vollständigen Namen und den Wohnort nicht vergessen,
damit der Autor des Beitrags bei Veröffentlichung genannt werden kann. Für
eventuelle Rückfragen ist die Angabe
einer Telefonnummer hilfreich.
Belegung geht weiter
Petzold-Schick besucht Heidelsheimer Asylunterkunft
Bruchsal (leja). Auch gestern ging der
Einzug in den ehemaligen Praktiker in
Heidelsheim weiter. Erwartet wurden
dort 130 Menschen, 30 davon alleinreisende Männer, außerdem Familien mit
insgesamt 35 Kindern. Seit dem Donnerstag läuft die Belegung der Behelfsunterkunft in dem alten Baumarkt an
der B 35. (Die Bruchsaler Rundschau
berichtete.)
Nach Angaben von Verantwortlichen
aus dem Landratsamt Karlsruhe soll die
Verweildauer der Bewohner in Heidelsheim insgesamt nicht so lange sein, sondern deren Verlegung aus der Behelfsunterkunft in richtige Asylbewerberheime vorangetrieben werden. Frei werdende Betten sollen dann wieder neu belegt werden. Insgesamt bietet die ehemalige Verkaufshalle Platz für 500 Bewohner. Rund 185 Heidelsheimer wollen
sich ehrenamtlich bei der Betreuung der
Flüchtlinge und Asylbewerber einbringen, so die Zahlen des Landkreises.
Bereits am Donnerstag machte sich
auch Bruchsals Oberbürgermeisterin
Cornelia Petzold-Schick vor Ort ein Bild
von der Lage in der neuen Gemeinschaftsunterkunft, die unter der Regie
des Kreises Karlsruhe betrieben wird.
Begleitet wurde die OB unter anderem
von den Ortsvorsteherinnen Inge
Schmidt aus Heidelsheim und Tatjana
Grath aus Helmsheim, außerdem von
der stellvertretenden Sozialamtsleiterin
Doris Pfeff, Verena Fuhrmann von der
Geschäftsstelle Flüchtlinge und der
Bruchsaler
Integrationsbeauftragten
Fürüzan Kübach. Alle neuen Bewohner
seien zum Zeitpunkt des Eintreffens in
Heidelsheim bereits als Flüchtling registriert gewesen und haben eine Gesundheitsuntersuchung erhalten, so die
Mitteilung der Stadtverwaltung.
Die Vernunft
der Versöhnung
Tanja Kinkel und Klaus Kinkel über Terrorismus
Tanja Kinkel ist eine der erfolgreichsten
deutschen
Schriftstellerinnen.
Doch an der Seite von Klaus Kinkel ist
nicht sie der Star. Als der Ex-Außenminister und Vizekanzler der Regierung
Kohl den Saal betritt, richten sich alle
Augen auf ihn. Der 78-Jährige mit seiner kerzengeraden Haltung sieht noch
fast genauso aus, wie man ihn aus dem
Fernsehen und aus seinem Karlsruher
Wahlkreis in Erinnerung hat. Und wie
früher knurrt Kinkel erst mal eine Salve von Fragen. Wie groß ist Bruchsal?
Infrastruktur? Aktuelle Flüchtlingszahlen? Wie viele Schüler hat das St.
Paulusheim, der Veranstaltungsort?
Und: Ist der energische Bernd Doll immer noch OB? Auch über seine langjährige Tageszeitung BNN erkundigt er
sich mit Interesse und erinnert: „Das
Verlegerehepaar Baur war immer sehr
freundlich zu mir.“
An diesem Abend ist Kinkel seiner
Namensvetterin Tanja Kinkel zuliebe
von Bonn angereist, die bislang vor allem für ihre historischen Romane („Die
Puppenspieler“) bekannt ist. Buchhändlerin Carolin Wolf ist es gelungen,
Kinkel und Kinkel – nach einem Kurzauftritt auf der Buchmesse –, zum ersten Mal für ein ausführliches öffentliches Gespräch zu bekommen – nach
Bruchsal. Der Anlass: Die Autorin Kinkel hat ein Buch geschrieben, für das
auch der Politiker Kinkel eine Inspirationsquelle war. Im Roman „Schlaf der
Vernunft“ geht es um den Terror der
linksextremistischen RAF („Rote Armee Fraktion“), die zwischen 1971 und
1993 34 Politiker, Wirtschaftsführer sowie Angehörige, Polizisten und Personenschützer ermordete. Ein bundesrepublikanischer Alptraum aus Hass, Gewalt und Leid, den die Autorin mit ihren fiktiven Protagonisten inmitten des
real existierenden RAF-Terrors nicht
nur intellektuell, sondern auch emotional begreifbar macht. Und somit der
Wahrheit über RAF-Galionsfiguren
bleierner Zeit vielleicht näherkommt
als mancher Fachaufsatz. Kern der
Handlung ist die verkorkste Beziehung
einer RAF-Terroristin zu ihrer Tochter
und die Frage, ob mit der Haftentlassung nach vielen Jahren eine Annäherung noch möglich ist. Zwischen Mut-
ZEITZEUGE TRIFFT SCHRIFTSTELLERIN: Der frühere Außenminister Klaus Kinkel und Bestsellerautorin Tanja Kinkel diskutierten mit
Moderator Daniel Streib, Leiter der Bruchsaler BNN-Redaktion, im Gymnasium St. Paulusheim.
Foto: Heintzen
ter und Tochter, und auch zwischen den
Tätern und den Angehörigen der Opfer.
Im Podiumsgespräch, moderiert von
Daniel Streib, erweist sich der nüchterne Zeitzeuge Klaus Kinkel als idealer
und symbiotischer Gegenpart zur
Schriftstellerin. Diese wiederum setzt
ihrem – übrigens nicht einmal entfernt
verwandten – Namensvetter ein kleines
Denkmal, indem sie im Buch die histo-
rische „Kinkel-Initiative“ würdigt. Der
damalige Justizminister leitete 1992
das Ende des RAF-Terrors ein, indem er
vorzeitige Haftentlassung gegen Gewaltverzicht in Aussicht stellte und damit einen neuen Prozess anstieß – auch
vor dem Hintergrund, dass gerade die
Haftumstände der RAF-Galionsfiguren
draußen für weitere Radikalisierung
sorgten. Dass der Minister das Wort
„Versöhnung“ benutzte, war für manche ein Skandal.
Die Kinkel-Initiative, ein historisch
erprobter Ansatz, der angesichts der
Maßlosigkeit des gegenwärtigen Terrors übertragen auf die heutige Welt
völlig undenkbar scheint. „Schlaf der
Vernunft“, ein Roman, der ahnen lässt,
warum Annäherung und Versöhnung
auch heute vernünftig wären.
bru