Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg Erfahrungsbericht Auslandspraktikum & Abschluss-/Studienarbeit Persönliche Angaben Studiengang an der FAU: Medizin Gasteinrichtung: Universitätsklinik Krakau Gastland: Polen Art des Aufenthaltes (z.B. Praktikum) Aufenthaltszeitraum (WS, SS oder Jahr): PJ WS 2015/16 1. Vorbereitung Nachdem ich mir als Reiseziel Krakau ausgesucht habe, fragte ich ungefähr 12 Monate vor Praktikumsbeginn per Email direkt an der Universitätsklinik in Krakau an, ob ich dort ein PJ-Tertial in der Chirurgie absolvieren kann. Insgesamt sind es im Vergleich zu anderen europäischen Ländern wenige deutsche Medizinstudenten, die sich an einer polnischen Klinik bewerben, sodass es keine Schwierigkeiten gibt, dort einen Platz zu bekommen. Aufgrund meiner polnischen Sprachkenntnisse, habe ich alle Emails in polnischer Sprache verfasst, um schon so früh wie möglich meinen Wortschatz erweitern zu können. Außerdem mussten natürlich alle notwendigen Unterlagen bei der ErasmusKoordinatorin in Krakau, Fr. Wilk, eingereicht werden, welche sowohl per Email aber auch vor Ort immer sehr hilfsbereit war. 2.Unterkunft Für den ersten Monat konnte ich im Voraus per Email ein Zimmer in einem Studentenwohnheim der Musikakademie in Krakau organisieren. Dieses befindet sich in dem Stadtteil Kazimierz und aufgrund der kurzen Distanz konnte ich den Weg zum Universitätsklinikum zu Fuß bewältigen. Außerdem war mein Zimmer mit einem Klavier ausgestattet, sodass ich mich in meiner Freizeit neben vielen kulturellen Attraktionen in Kazimierz auch meinem Hobby, dem Klavierspielen, widmen konnte. Leider änderte sich dann ab dem 2. Monat meine Wohnsituation, da mit dem Semesterbeginn primär die dortigen Studenten Anspruch auf einen der begehrten Wohnheimplätze haben. Zuerst versuchte ich ein Zimmer in einer Wohngemeinschaft oder eine kleine Wohnung zu bekommen. Nach mehreren Anrufen und Wohnungsbesichtigungen war aber ganz schnell klar, dass dies nicht so einfach ist, da die Vermieter vorwiegend Verträge für 1 Jahr vorbereiten. Ich wohnte dann in einer Art Studentenhotel im Westen von Krakau, mit guter Anbindung an die öffentlichen Verkehrsmittel, sodass die Anfahrt zur Klinik oder in die Innenstadt Krakaus weiterhin nicht viel Zeit in Anspruch nahm. Dort fanden am Wochenende organisierte Themenabende statt, wodurch es sehr leicht war, schnell Anschluss zu finden und andere Studenten kennenzulernen. 3. Praktikum Während meines PJ-Tertials war ich Teil des Ärzteteams der Klinik für allgemeine, gastroenterologische und onkologische Chirurgie. Der normale Arbeitstag begann um 7:30 Uhr mit der Frühbesprechung, in welcher der Dienstarzt über die Besonderheiten der verschiedenen Stationen inklusive Intensivstation berichtete und der Operationsplan des vorherigen Tages besprochen wurde. Außerdem wurde der aktuelle Operationsplan vorgestellt und dort auf eventuelle Besonderheiten der Patienten eingegangen (z.B. Bestellung von Blutkonserven vor großen Operationen). Zum Teil fanden in dieser Zeit auch Fortbildungen statt, die z.B. die Besonderheiten beim Schutz von Patientendaten thematisierten. Nach der Frühbesprechung verteilten sich alle Ärzte, Praktikanten, Studenten im Staz (äquivalent zu dem deutschen PJ) und PJler auf den jeweiligen Stationen oder in den Operationssälen. Auf den Stationen erfolgte primär eine Visite mit dem Oberarzt, um die einzelnen Patienten vor oder nach den Operationen zu betreuen. So wurden zum Beispiel die Drainageflüssigkeiten und die OP-Wunde beurteilt und anstehende Entlassungen besprochen. Einerseits bestand die folgende Stationsarbeit aus der weiteren Versorgung der Patienten, wie zum Beispiel Verbandswechsel, andererseits wurden aber auch neue Patienten aufgenommen, die am Folgetag für eine Operation vorgesehen waren. Hier war es wichtig eine ausführliche Anamnese zu erheben, inklusive bisheriger Erkrankungen und Medikamente sowie das Erfragen bereits stattgefundener Operationen. Dann erfolgten eine allgemeine körperliche Untersuchung des Patienten sowie das Abklären von eventuellen Fragen vor der geplanten Operation. Um 13:30 Uhr fand eine zweite Besprechung mit den Ärzten der verschiedenen Stationen statt, um eventuelle Besonderheiten an den Dienstarzt weiterzugeben. Bereits während der ersten Arztvisite auf der Station sind mir Unterschiede zwischen dem deutschen und polnischen Standard von Patientenzimmern aufgefallen. Mir wurde im Patientengespräch auch erklärt, dass man in Polen vor allem Wert auf eine gute medizinische Versorgung legt und die allgemeine Zimmerausstattung außer Acht gelassen wird. Was ich damit meine? Zumindest in meiner Abteilung befanden sich die sanitären Anlagen inklusive Toiletten auf dem Gang und die recht schlichten Metallbetten sahen tendenziell wenig gemütlich aus. Von einem Fernseher oder anderen elektronischen Grundausstattungen in deutschen Krankenhäusern fehlte dort jede Spur. Gleich zu Beginn meines Tertials wurde ich gefragt, ob ich Interesse habe, bei den Operationen zu assistieren. Da ich nicht nur als Zuschauer im Operationssaal teilnehmen wollte, habe ich den OP-Koordinator darum gebeten, als Assistent bei den Operationen eingeteilt zu werden. So bekam ich die Möglichkeit, das gesamte Spektrum der dort durchgeführten Operationen kennenzulernen und dabei direkt am Operationstisch mit dem Operateur über die Besonderheiten der Operation sprechen zu können. Bei dieser Gelegenheit wurden meine Anatomiekenntnisse abgefragt und Alternativen bzw. Vor- und Nachteile des jeweiligen Eingriffes besprochen. Aufgrund der vielen onkologischen Operationen habe ich in diesem Bereich viele Tumorarten gesehen und auch tasten dürfen und somit einen Eindruck zu bekommen, wie sich zum Bespiel ein Darm- oder ein Bauchspeicherdrüsentumor anfühlt. Da der Operationsplan von Tag zu Tag variierte, endete mein Tag dort sehr unterschiedlich zwischen 14 Uhr und 16:30 Uhr. Außerdem konnte ich 3 Wochen einen Einblick in das Ambulatorium der dazugehörigen Brustklinik gewinnen. Hier wurden einerseits Patientinnen betreut, die sich bereits einer Operation wegen eines Brusttumors unterzogen haben und zu entsprechenden körperlichen Untersuchungen, aber auch zu Ultraschall- oder Mammografie-Kontrollen kamen. Somit war es mir möglich viel über die BrustkrebsNachsorge zu erfahren und auch die Ergebnisse der verschiedenen Operationsarten mit eigenen Augen beurteilen zu können. Außerdem wurden entsprechende Möglichkeiten über die Rekonstruktion der operierten Brust besprochen, sodass die Patientinnen selbstständig entscheiden konnten, ob und welche Art von Brustrekonstruktion in Frage kommen würde. Andererseits wurden aber auch Patientinnen betreut, welche sich im Bereich der Vorsorge befanden. Das bedeutet, dass Patientinnen, die einen unklaren Knoten in der Brust oder ein auffälliges Mammografie-Bild im Rahmen des Mammografie-Screenings haben, dort weiter betreut wurden und eine eventuell benötigte Biopsie durchgeführt wurde. Während meines gesamten PJ-Tertials wurde mir ein Oberarzt als Betreuer zugeteilt. Dieser ermöglichte mir von Anfang an, meine Zeit im Klinikum so zu gestalten, wie ich es wollte. Es war ihm natürlich wichtig, dass ich alle Bereiche, von Stationsarbeit über Diagnostik zu Operationen, kennenlerne. Die Entscheidung darüber, wie und im welchem Umfang wurde mir persönlich überlassen. Dieses Konzept des direkten Ansprechpartners war sehr hilfreich, da es eine selbstständige und individuelle Gestaltung des PJ-Tertials ermöglichte. Spürbare Lernkurven ergaben sich für mich insbesondere in zwei Bereichen. Einerseits im Bereich der Chirurgie, da ich zu Beginn meines PJ-Tertials viele Operationstechniken nur in der Theorie gelernt, sie jedoch nie in der Praxis erfahren habe. Da das Spektrum der operativen Eingriffe sehr breit war, war es mir möglich meine Kenntnisse in vielen Bereichen zu erweitern bzw. zu ergänzen. Nach der Klinik habe ich mit meinem Fachbuch für Chirurgie die Operationen vor- bzw. nachbearbeitet und bei auftretenden Fragen diese direkt am Folgetag stellen und gemeinsam mit einem der Ärzte erarbeiten können. So waren vor allem zu Beginn enorme Fortschritte von Woche zu Woche bemerkbar. Andererseits konnte ich jedoch auch sehr rasch meine Sprachkenntnisse verbessern. Es hätte theoretisch auch die Möglichkeit bestanden, mit den Ärzten auf Englisch zu kommunizieren und mir alles auf Englisch erklären zu lassen. Dies habe ich jedoch von Anfang an nicht gewollt, da ich mit dem Ziel nach Polen gefahren bin, so viel wie möglich polnisch zu sprechen. Gleich an meinem ersten Tag habe ich gemerkt, dass im Vergleich zu Deutschland nicht die lateinischen sondern die polnischen Fachbegriffe benutzt werden. Somit musste ich mir viele Vokabeln aneignen, um den Besprechungen oder OP-Plänen folgen zu können. Natürlich habe ich immer nach dem lateinischen Äquivalent gefragt, ich hatte jedoch den Ehrgeiz, dass dies zum Ende hin nur bei Ausnahmen noch der Fall sein sollte. Insgesamt bemerkte ich von Woche zu Woche eine Zunahme meiner Sprachfähigkeiten. Neben dem Wortschatz sind auch meine Aussprache und der Wortfluss zum Ende hin deutlich besser geworden. 4. Alltag und Freizeit In Krakau gibt es so wahnsinnig viele Möglichkeiten, seine Freizeit zu gestalten, dass selbst ich am Ende meines PJ-Tertials noch von neuen Plätzen und Cafés überrascht werden konnte. Wer die Stadtmitte einmal gesehen hat, fragt nicht mehr warum Krakau zum UNESCO-Weltkulturerbe gehört. Rund um den Markplatz reiht sich ein sehenswertes Gebäude nach dem anderen, und zum Teil sind viele Sehenswürdigkeiten auf dem ersten Blick nicht zu sehen. Was ich damit meine? Zum Beispiel eröffnete vor knapp 5 Jahren ein unterirdisches Museum direkt unter dem heutigen Markplatz, da das mittelalterliche Krakau ca. 5m tiefer lag, und somit frühere Gassen und Erdgeschosse unter Tage liegen. Es ist schon eine faszinierende Vorstellung sich während dem Museumsbesuch auf dem 500 Jahre alten Marktplatz zu befinden. Deshalb kann man auch sagen, dass die Restaurants und Kneipen in den mittelalterlichen Kellergewölben einen Einblick in das verborgene Krakau gewähren. Neben dem wunderschönen Markplatz mit der Marienskirche und den Tuchhallen, gibt es aber auch viele weitere Plätze, die man gesehen haben muss. So gibt es zum Beispiel einen Königsweg, welcher früher bei prunkvollen Einzügen des Königs oder höherstehenden Gästen benutzt wurde. Er beginnt am nördlich gelegenen Florianstor, und führt über die Floriansstraße über den Markplatz in Richtung der Königsburg Wawel. Dort befindet sich neben dem Waweldom und dem königlichen Schloss auch eine Drachenhöhle. Einer Legende nach lebte dort ein Dache, der die Stadt bedrohte und tatsächlich befindet sich eine gewaltige Höhle mit langen Gängen im Wawelhügel. Was für den Einen etwas kindisch klingen mag, hat mich tendenziell fasziniert, da viele Legenden rund um Krakau entstanden sind. So gibt es eine Geschichte dazu, warum die beiden Türme der Marienskirche unterschiedlich gestaltet sind und warum auch heutzutage zu jeder vollen Stunde, egal ob Tag oder Nacht, ein Trompetenspieler vom Marienturm aus in alle vier Himmelsrichtungen eine Melodie spielt, die abrupt endet. Man wird also als Tourist in Krakau die ein oder andere Geschichte hören und egal, ob vielleicht kein Wort der Wahrheit entspricht, gibt es der Stadt etwas Magisches. Ein weiteres kulturelles Highlight ist definitiv Kazimierz, das ehemalige jüdische Viertel. Dieser Stadtteil hat eine ganz eigene Atmosphäre. Dieser Meinung war wohl auch der Regisseur Steven Spielberg, der seinen Film „Schindlers Liste“ unter anderem in den Straßen und Hinterhöfen von Kazimierz gedreht hat. Ich möchte nicht zu tief in die Geschichte des 2. Weltkrieges eingehen, dennoch ist es eine erschreckende Tatsache, dass vor Einzug der NS über 60.000 Juden dort wohnten, und den Krieg nur 4000 überlebten. Man sollte sie auf jeden Fall die Zeit nehmen, dem jüdischen Leben auf die Spur zu gehen, in dem man die dortigen Synagogen besichtigt, die Atmosphäre der verschiedenen zum Teil jüdischen Restaurants genießt, und auch einen Spaziergang im ehemaligen Ghetto Podgorze einplant, inklusive Besichtigung des sehr interessant gestalteten Museums „Schindler´s Fabrik“. Mit dem richtigen Reiseführer im Gepäck, kann man zwar viel besichtigen, jedoch fehlt nach den Besuchen von Museen und den verschiedenen Ausflügen nach Ausschwitz oder in das Salzbergwerk ein wichtiger Aspekt: die Menschen in Krakau. Für Lebendigkeit und jugendliches Flair sorgen die vielen Studenten in Krakau, da rund ein Fünftel der Bevölkerung studiert. Einerseits habe ich viele Medizinstudenten in der Klinik kennengelernt, die dort im Rahmen eines Praktikums tätig waren. Andererseits gibt es aber auch ein enormes Angebot an verschiedenen, wöchentlich stattfindenden Treffen zum Sprachaustausch oder Erasmus-Treffen. Dies ermöglichte es mir sehr schnell tolle Bekanntschaften zu machen, die sich im Verlauf zu richtigen Freundschaften entwickelt haben. Man lernt eigentlich Menschen aus der ganzen Welt kennen, so war ich zum Beispiel eines Abends mit einem Kanadier, zwei Bulgarinnen, einer Australierin und zwei Brasilianern am Tisch gesessen und man kann sich kaum vorstellen was dort für interessante Gespräche zustande kamen. 5. Fazit Mein Fazit? Die Entscheidung mein Chirurgietertial in Krakau zu verbringen war einer meiner besten Entscheidungen überhaupt. Neben der lehrreichen Zeit in der Klinik, hatte ich die Möglichkeit in so vielen verschiedenen Bereichen einen Fortschritt zu machen. Meine Sprachkenntnisse haben sich enorm verbessert, meine Selbstständigkeit hat sich definitiv verstärkt und die ersten Hemmungen den ersten Schritt auf fremde Leute zu machen um mit ihnen ins Gespräch zu kommen waren nach den ersten Wochen verschwunden. Was auch sehr wichtig ist, dass ich Freundschaften mit Menschen aus der ganzen Welt knüpfen konnte und dank dem Internet und den vielen Möglichkeiten wie Facebook, Skype oder ähnliche Plattformen ist relativ leicht, diesen Kontakt aufrechtzuhalten. Insgesamt war mein Aufenthalt in Krakau also eine super Erfahrung mit vielen tollen Erinnerungen, auf die ich gern zurückblicke und ich bin mir sicher, dass es nicht mein letzter Besuch in Krakau war.
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