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WIRTSCHAFT
Freideg,
4. Dezember 2015
Schönheit aus Echternach
In der Abteistadt wird Kosmetik für Europas Discounter produziert – mit so viel Erfolg,
dass Cosmolux expandiert
ECHTERNACH
CORDELIA CHATON
D
er unprätentiöse Herr im grauen Anzug, blauen Hemd und
Hermès-Krawatte lächelt, schüttelt die Hand und kommt
gleich aufs Geschäft zu sprechen. Dr. Rudolf Giesen ist 80
Jahre alt – und sieht 20 Jahre jünger aus. „Na, ich benutze ja auch meine eigene Antifaltencreme, die war schon Testsieger“,
lächelt der Deutsche. Giesen ist so etwas wie der Robin Hood der
Kosmetikindustrie. Seit Jahren produziert er für Aldi, Lidl, Rewe,
Douglas, Kaufland, Rossmann, den dm Drogeriemarkt, Edeka, Coop
und viele andere. „Wir beliefern alle Discounter“, sagt Giesen verschmitzt. Die Freude am Erfolg ist ihm anzusehen.
Sein Unternehmen Maxim mit einer großen Produktionsstätte
in Köln-Pulheim vereint unter seinem Dach noch weitere Töchter:
Den Aerosol-Hersteller Elysée im französischen Forbach, Pharma
Aldenhoven für Nahrungsergängzungsmittel und Medizin, Berlin
Cosmetics mit einigen Traditionsmarken und Cosmolux International. Letztere sitzt in Echternach und ist auf Cremes, Lotionen und
Tenside spezialisiert. Hier werden unter anderem Ombra-Sonnenmilch, Biocura-Gesichtswasser und Eurodont-Mundwasser hergestellt. Aber dabei soll es nicht bleiben. Giesen baut in Echternach aus.
Die wenigsten Menschen sehen in Luxemburg mit seinen hohen Löhnen einen idealen Industriestandort. Was also überzeugt den Unternehmer davon? „Die Bereitschaft und Offenheit dem Mittelstand gegenüber
habe ich noch nirgendwo erlebt“, sagt er. „Wir fühlen uns fair behandelt.“
Deshalb investiert er in Aerosole, gerade entsteht die Fabrik.
Aber es sind nicht nur Gefühle, die zählen. „Die Produktivität ist
zehn Prozent besser als im Werk in Pulheim. Mindestens. Und die
Lohnnebenkosten sind 20 Prozent günstiger“, rechnet Heiner Heils
vor. Er ist Mitglied des Verwaltungsrates und kümmert sich als gelernter Banker und Wirtschaftsprüfer um die Zahlen im Konzern.
Heils ist der kühle Rechner, während Giesen eher nach Gefühl handelt. Aber nicht nur.
Von Henry Ford lernen
„Als kleiner Junge habe ich in der Sexta ein Buch von Henry Ford
gelesen. Da habe ich mich gefragt: Wie kannst du auch so erfolgreich
werden? Dazu gehören folgende Regeln: Setze Dir Ziele, glaube an
Dich selbst, habe guten Umgang, sei demütig mit Geld. Und vor allem: Gebe nie auf“, erzählt Giesen; wohl nicht zum ersten Mal. Er
habe viel aus seinen Fehlern gelernt. Giesen hat eine Buchdruckerlehre gemacht, Wirtschaft studiert, war bei Axel Springer Assistent
und erlebte Medien live. Dann promovierte er und fing beim Düssel-
„Ich benutze meine
eigene Antifaltencreme,
die war schon Testsieger“
DR. RUDOLF GIESEN | Geschäftsführender Gesellschafter Maxim-Gruppe
„Wir beliefern alle Discounter“, sagt Dr. Rudolf Giesen,
Chef der Maxim-Gruppe, die in Echternach expandiert.
Der 80-Jährige hat noch viel vor“
Fotos: Didier Sylvestre
dorfer Chemieriesen Henkel an. Bis ihm klar wurde, dass Kosmetik
sich demokratisieren müsste. Er bot Aldi eine Hausmarke an und
gründete 1980 die Maxim-Gruppe. Der Mut zahlte sich aus. Heute
beschäftigt sein Unternehmen rund 700 Mitarbeiter, davon 150 in
Luxemburg. Der Umsatz liegt bei knapp unter 180 Millionen Euro.
„Ich habe keinen Cent rausgenommen. Alles geht wieder ins Unternehmen“, sagt Giesen stolz.
20 Millionen Euro investiert
Jetzt will er in Echternach investieren. Auf dem Gelände waren
schon mal der US-Chemieriese Monsanto und der französische
Kosmetikhersteller Yves Rocher. Weil Maxim expandieren musste,
kaufte Giesen das, was heute Cosmolux ist. Jetzt investiert er rund
Heiner Hells kümmert sich in der Gruppe um Finanzen. Er ist angetan von der
hohen Produktivität und den niedrigen
Lohnnebenkosten in Luxemburg
Freideg,
4. Dezember 2015
zehn Millionen in eine neue Anlage. Neben der Aerosol-Anlage, die
noch Testläufe hat, gibt es auch ein Hochregallager mit 10.300 Stellplätzen für Paletten. Giesen selbst führt den Besuch herum. Cosmolux wächst so schnell, dass kaum Zeit war, Schilder aufzustellen.
Draußen wuseln Bauarbeiter herum, heben Löcher aus, während
immer wieder Lkws ankommen und sich an buddelnden Baggern
vorbeiquetschen. Auf dem Gelände entstehen tausend Quadratmeter Halle für Cosmolux, eine neue 400 Quadratmeter große Verwaltung und 8.500 Quadratmeter für die Aerosole. Insgesamt 20 Millionen Euro Investition.
Synthetischer Caviar vom Aldi
Warum hat Giesen mehr Erfolg als seine Vorgänger? „Wir machen
Spitzenqualität zu demokratischen Preisen“, insistiert der MaximGründer und holt Artikel hervor, die das belegen. „Hier: 9.3.2007
Bild-Zeitung: Aldi hat die beste Antifaltencreme – für 2,50 Euro.“
2010 testete eine britische Zeitung die Aldi Faltencreme im Vergleich mit anderen Produkten – und schlug Boots. Solche Schlagzeilen zahlt Giesen nicht. Aber er genießt sie. Einer seiner größten
Erfolge war die Caviar-Creme. Weil es ein sehr teures Markenprodukt gibt, wollte Giesen dem etwas entgegen setzen. Aldi Australien
testete sie - mit Erfolg. Da probte auch Aldi UK den Verkauf. „Die
Daily Mail hat dann unsere 7-Pfund-Creme mit dem 292 Pfund teuren Skin Caviar von La Prairie verglichen – und wir waren besser“,
triumphiert der Robin Hood der Kosmetikindustrie. „Damit haben
WIRTSCHAFT
wir sogar das Image von Aldi in Großbritannien verändert. Das war
vor vier Wochen.“
Familienunternehmen mit Nachfolgern
Giesen hat drei Söhne, die 25, 27 und 29 Jahre alt sind. „Aber die haben
gebrauchte Autos, keine Porsches“, präzisiert er. Die beiden älteren
sind schon im Unternehmen. Es geht um Aufbau und Ausbau. Dabei
will er nicht zu viel mit Banken zu tun haben. „Wir haben eine Eigenkapitalquote von über 40 Prozent“, stellt Giesen stolz fest. Das Geld wird
in den Betrieb gesteckt. „Derzeit arbeiten wir an einem Parfum, Miro,
das geht so in Richtung Coco Chanel.“ Den Parfümeur zu gewinnen war
gar nicht so schwer. „Henkel macht Drei-Jahresverträge. Wir stellen
unbefristet ein. Das ist interessanter als ein goldener Käfig.“ Auch die
alte Handcrememarke Kaloderma, die er gerade von Henkel gekauft
hat, will er mit neuem Image wieder auf den Markt bringen und online
verkaufen. Damit das klappt, arbeitet er mit Bloggern wie Dagi Bee, die
er unter Vertrag genommen hat. In Forschung und Entwicklung investiert er auch, in Scouts, in Panels. „Was wir in Deutschland gemacht
haben, geht auch in den USA. Und Aldi ist dort groß“, erklärt der Unternehmer seine Pläne. Derzeit testet er den afrikanischen Markt.
Auch für Luxemburg hat er Pläne. „Wir werden eine Plattform
anbieten für Ideen rund ums Packaging und Kosmetik in Pitches
vorstellen, mit Luxinnovation. Auch mit IL Cosmetics arbeitet er
zusammen. „Sie sehen, wir sind sehr Luxemburg-affin“, sagt er nach
der Führung durch das Werk.
„Wir machen
Spitzenqualität zu
demokratischen
Preisen“
DR. RUDOLF GIESEN
Geschäftsführender Gesellschafter Maxim-Gruppe