DIE VERBREITUNG DES WEIHNACHTSBAUMES IN ALLER WELT

Ingrid Spitzbart
DIE VERBREITUNG DES WEIHNACHTSBAUMES IN ALLER WELT
Zuerst glänzten die Weihnachtsbäume an den Fürstenhöfen Europas, später ist der
Weihnachtsbaum in allen Schichten der Bevölkerung zu finden, ja der Tannenbaum
wandert in viele Länder, auch außerhalb Europas, und schenkt dort den Menschen
Freude.
FRANKREICH: Der Weihnachtsbaum wird hier "L'arbre de Noel"
genannt. Der Ursprung dieses Brauches ist zu Beginn des 17. Jahrhunderts im Elsass zu finden. 1840 führte die Herzogin von Orleans
(geborene Prinzessin Helene von Mecklenburg) die deutsche Tannenbaumsitte im fürstlichen Haus ein; 1870 ist der Weihnachtsbaumbrauch im französischen Volk verbreitet. Die „Vossische Zeitung“ des Jahres
1890 berichtet über die Ausübung dieses Brauches in Frankreich: „Im Jahre 1869
fanden sich Tannenbäumchen auf den meisten Märkten und je einige auch in den
Blumenhandlungen. 1890 wurden vom 10. bis 15. Dezember ab, täglich mehrere
hundert, zuletzt Tausende von Bäumchen auf die Zentralhallen gebracht. Die anderen Märkte und Händler erhielten ebenfalls noch eine geringere Anzahl. Außer den
Märkten hatten etwa dreihundert Händler und Läden der Stadt Weihnachtsbäume
angeboten". Von allen Bäumen, die verkauft wurden, fiel ein Drittel auf deutsche, elsässische und österreichische Familien, die übrigen auf Franzosen. Von den vielen
Christbäumen kam aber keiner aus dem Wald. Sie wurden in Gärten und eigenen
Pflanzungen gezogen, mit Wurzeln und Erde ausgehoben und in Körben verkauft.
Unverkaufte Bäume wurden wieder für das nächste Jahr in den Boden eingesenkt.
SCHWEIZ: Für das Jahr 177S wird der erste Weihnachtsbaum mit Lichtern in Zürich
bezeugt und 1819 beschreibt der Dichter Gottfried Keller einen Weihnachtsbaum.
Heute ist der geschmückte Tannenbaum in der Schweiz der Mittelpunkt, um den sich
alle zur weihnachtlichen Feier versammeln.
ÖSTERREICH: 1816 wird der Weihnachtsbaum durch Henriette von Nassau, die
Gattin von Erzherzog Karl, am österreichischen Hof eingeführt. Dessen Bruder Erzherzog Johann, schildert dieses Erlebnis mit folgenden Worten: "Abends ging ich mit
Bruder Ludwig zu Bruder Carl. Da es Heiliger Abend ist, so waren alle Kinder vereinigt und, was von uns da ist, versammelt. Obgleich ich einige Freude hatte, alle die
Kleinen, welche die Hoffnungen des Hauses ausmachen, zu sehen, so verstimmte
mich gleich die große Hitze durch die vielen Lichter. In früherer Zeit, als ich klein war,
gab es ein Kripperl, welches beleuchtet war, dabei Zuckerwerk, sonst aber nichts.
Nun ist kein Kripperl mehr! Wir sahen einen Grassbaum mit vielem Zuckerwerk und
Lichteln und ein ganzes Zimmer voll Spielereien aller Art.
Der erste Christbaum in Oberösterreich stand 1830 im Hause Rapolter in Ried, für
1840 ist der erste Christbaum in Innsbruck verbürgt, Salzburg folgte im Jahre 1853.
Der Dichter Peter Rosegger (1843-1918) beschreibt in seiner
Erzählung „Der erste Christbaum in der Waldheimat", wie er den
damals noch seltenen Brauch des Weihnachtsbaumes in seiner
Heimat einführte. Peter Rosegger kam als Student in den ersten
Weihnachtsferien von Graz nach Hause und wollte seinen achtjährigen Bruder und seine Eltern mit einem Tannenbaum überraschen. Das war Anfang der sechziger Jahre des vorigen Jahrhunderts. „Ich hatte viel sprechen gehört, wie man in den Städten Weihnachten feiert", erzählte er. „Da sollen sie ein Fichtenbäumchen, ein wirkliches Bäumlein aus dem Walde auf den
Tisch stellen, an seinen Zweigen Kerzlein befestigen, sie anzünden, darunter sogar
Geschenke für die Kinder hinlegen und sagen, das Christkind hätte es gebracht.
Auch abgebildet hatte ich solche Christbäume schon gesehen." Heimlich besorgte
Peter Rosegger im Wald ein Bäumchen. „Diesweilen also die Leute draußen zu tun
hatten, bereitete ich in der großen Stube den Christbaum. Das Bäumchen, das im
Scheite stak, stellte ich auf den Tisch. Dann schnitt ich vom Wachsstock zehn oder
zwölf Kerzchen und klebte sie an die Ästlein. Das plagte ein wenig, denn etliche wollten nicht kleben und fielen herunter. - Endlich aber wurden sie fromm, wie es sich für
Christbaumkerzen geziemt und hielten fest." Peter Rosegger zündete die Kerzen an
und versteckte sich hinterm Ofen. Dann betraten der Vater und das Brüderlein die
Stube, riefen die Mutter und das Gesinde herbei, und alle waren des Staunens voll.
Im Jahre 1859 wird erstmals ein Christbaum in Schwanenstadt / O.Ö. erwähnt und
1867 im Mühlviertel, und zwar in Schlägl.
Etwa seit 1880 verbreitet sich der Weihnachtsbaum in Österreich vornehmlich in katholischen Familien, das Entzünden der Lichter am Weihnachtsbaum ist dabei der
Höhepunkt. In Oberösterreich ist der Christbaum erst Anfang 1900 allgemein Brauch.
Vor der Jahrhundertwende scheint er fast nur in den Häusern Adeliger oder bei
wohlhabenden Bürgern auf.
DÄNEMARK: Hier wird der Weihnachtsbaum “Jul trae" genannt. Im Jahre 1811
brachte eine deutsche Familie den Weihnachtsbaum nach Kopenhagen. Der Dichter
Hans Christian Andersen schildert diesen Brauch 1848 in seiner Erzählung „Der
Tannenbaum". In Dänemark wird der Weihnachtsbaum unter anderem mit Papierfähnchen in den Landesfarben geschmückt. Die Geschenke werden bereits nachmittags unter den Weihnachtsbaum gelegt, dürfen aber erst am Abend ausgepackt werden. Anschließend stellen sich alle zum „Tanz um den Weihnachtsbaum" auf und
fassen sich dabei an den Händen. Zu Platten- oder Radiomusik tanzt dann die ganze
Familie oft eine Stunde lang um den Weihnachtsbaum. Der Tanzkreis stellt für die
Dänen einen geschlossenen Ring dar, der im kommenden
Jahr alle bösen Geister und alles Unheil fernhalten soll.
DEUTSCHLAND: Im Jahre 1682 wird ein mit Lichtern geschmückter Buchsbaum am Fürstenhof von Hannover bezeugt. Für das Jahr 1737 gibt es Belege über Tannenbäume zur Weihnachtszeit in Wittenberg. Ende des 18.
Jahrhunderts hat sich der Weihnachtsbaum bei reichen
Familien eingebürgert; seit Mitte des 19. Jahrhunderts ist
er in weiten Bevölkerungskreisen verbreitet.
SCHWEDEN: Der hier „Julgran" genannte Weihnachtsbaum ist seit
Mitte des 19. Jahrhunderts in Schweden gebräuchlich. Das Schmücken des Baumes mit Julböcken und Sternen aus Stroh ist Sache
der Kinder. Nach dem Essen am Weihnachtsabend geht es in
Schweden sehr fröhlich zu. Die ganze Familie tanzt singend um den
Weihnachtsbaum herum und anschließend erscheint der Weihnachtsmann, der mit dem Rentierschlitten von Lappland kommt und
den Kindern ihre Geschenke zu bringt.
NORWEGEN: Der Brauch des Weihnachtsbaumes ist hier
seit 1830, von Deutschland über Dänemark und Schweden
kommend, überliefert. Der Tradition nach schmückt der Vater
den Baum alleine. Heute sendet Norwegen alljährlich besonders große Weihnachtsbäume als Geschenk an waldarme
europäische Länder, z.B. nach Großbritannien, Italien, Island
und die Niederlande. Seit 1947 steht auf dem Trafalgar Square in London eine Tanne als jährliches Geschenk der Stadt
Oslo.
FINNLAND: Der Weihnachtsbaum wird dort „Joulukuusi" genannt. Da Finnland sehr waldreich ist, hat sich der Brauch
dort sehr stark verbreitet. Die Weihnachtsbäume werden in Finnland hauptsächlich in
roter Farbe, gemischt mit Strohschmuck, aufgeputzt.
In Finnland ist es Brauch, am Heiligen Abend die Gräber besonders
festlich zu schmücken. Auf dem Friedhof werden frisch geschlagene
Tannen aufgestellt und beleuchtet. Mag die Kälte auch noch so
schneiden, die Wege noch so verschneit sein, die Menschen tragen
Kränze auf die Gräber, stecken Lichter darauf an und streuen frische
Blumen über die verschneiten Grabhügel. Erst wenn das geschehen
ist, kann daheim ruhigen Gewissens die Weihnachtsfeier unter dem
Tannenbaum beginnen.
wird fortgesetzt