Herrn Oberbürgermeister Sven Gerich Rathaus / Schloßplatz 6 65183 Wiesbaden 12.10.2015 Finanzen/Spardrohung2015 Nachbarschaftshaus in Fortbestand gefährdet Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Gerich, leider müssen wir uns wegen der Bedrohung des Fortbestandes unserer Einrichtung an Sie wenden. Wie Sie wissen hat die Haushaltssituation der LHW zu Kürzungsvorhaben im Sozialetat geführt, die für uns – und für andere – weitgehende Konsequenzen haben. Wir haben den Ausführungen des PARITÄTISCHEN aus seinem offenen Brief an die Stadtverordneten vom 18.09. nichts hinzuzufügen. Wir teilen die Meinung, dass die angedachten Kürzungsvorhaben gefährlich für den sozialen Frieden der Stadt sind, da sie kurzfristig bewährte Strukturen zerschlagen die uns mittelfristig in Wiesbaden sehr fehlen werden. Um eines ganz klar zu sagen: sowohl ich als Leiterin des Nachbarschaftshauses als auch unsere Vorstände und unsere Mitarbeiter haben enormen Respekt vor den gewaltigen Aufgaben, die die Politik in Zeiten gesellschaftlicher Belastungen bewältigen muss. Jeder von uns wird einsehen, dass Ersparnisziele in den Blick genommen werden müssen. Ich bin davon überzeugt, dass Sie keinen Träger finden werden, der sich einem zu erbringenden Ersparnisziel von 4 oder 5% als Gesprächsgrundlage entziehen wird – wo immer das möglich ist und nicht von heute auf morgen abverlangt wird. Hierzu bedürfte es aber geeigneterer Zugehensweisen als die die nun im Raum stehen. Die Aufgabenstellung unserer Einrichtung und ihre Bedeutung für den Stadtteil Biebrich setzte ich als bekannt voraus. Der Trägerverein betreibt mit seiner hessenweit einzigartigen Konzeption seit 49 Jahren ein vielbeachtetes integratives Konzept. Insbesondere mit Hilfe der LHW konnten wir uns zu einem sozialen Dienstleister entwickeln, der am Bedarf der Menschen orientiert Angebote entwickelt und umsetzt. Diese tragen nicht unerheblich zum friedlichen Miteinander im multikulturellen größten Stadtteil Wiesbadens bei. Unter anderem führte unser mehrgenerativer Ansatz dazu, dass wir seit einigen Jahren für die Landeshauptstadt durch den Bund als Mehrgenerationenhaus anerkannt sind und gefördert werden. Zu den drohenden Auswirkungen auf unser Haus: Ohne eventuelle weitere angekündigte Kürzungen in unseren Bereichen Häusliche Hilfen und Kita einzubeziehen beträgt das uns ansonsten bereits mitgeteilte Kürzungsvorhaben für unsere Kernabteilungen 458.200,-- € (= 1/3 des städtischen Zuschusses). Die avisierten Ersparnisziele wurden einzelnen Abteilungen zugedacht. Drei unserer fünf Abteilungen wären von Schließung bedroht, was unserem Konzept und der Satzung des Trägervereins zuwiderläuft. Außerdem lässt ein eventuelles Schließscenarium außer Acht, das alle Gemeinkosten (Energie, Reinigung, Overhead-Personal) anteilig auch in den bedrohten Abteilungen stecken und sich nach einer Schließung nicht in Luft auflösen. Die konzeptionelle Besonderheit der Vielfalt unseres Hauses schlug sich folgerichtig auch in unserem zurzeit geltenden Leistungsvertrag nieder: Zitat: „….Die Arbeit der Abteilungen ist stark miteinander vernetzt. Eine generationsübergreifende Angebotspalette bringt alle ehrenamtlichen und hauptamtlichen Akteure vor Ort miteinander in Beziehung. Eine Vereinzelung der Arbeitsbereiche oder eine Herauslösung einzelner Teile widerspräche dem konzeptionellen Ansatz des Hauses.“ Das uns zugegangene Schreiben würde im Erfolgsfalle diesen Vertragspassus „ad absurdum“ führen; sprich: unsere Konzeption zerstören und damit unserem satzungsgemäßen Auftrag zuwider laufen. Von Beginn an vergütet das Nachbarschaftshaus seine Mitarbeiter abgesprochener maßen orientiert am öffentlichen Tarif. Die tariflichen Zuwächse wurden folgerichtig fünf Jahrzehnte lang jeweils bedarfssteigernd angepasst. Ab 2016 sollen diese Steigerungsraten nicht mehr gezahlt werden. Wie bereits gesagt: 90 % der Ausgaben unseres Hauses mit 70 Mitarbeitern in Kinderabteilung, Jugendabteilung, Familienbildung, Erziehungsberatungsstelle und Seniorentreff fließen in Personalkosten, Eine Verweigerung der auch unseren Mitarbeitern vertraglich zustehenden Gehaltsanteilen aus tariflichen Steigerungen würde den Träger als zahlungspflichtigen Arbeitgeber in absehbarer Zeit in die Insolvenz führen. Und zur Erinnerung: Mitte der 2000-er Jahre hatte eine Streichung Hessischer Landesmittel in Höhe von 160.000,-- € zu einschneidenden personellen Einsparungen im NH geführt. Diese sind bis heute – trotz erheblichen Aufgabenzuwachses – nicht kompensiert. Will sagen: personell sind einige Bereiche buchstäblich „auf Kante genäht“, zumal sich durch Aufgabenzuwachs unser Arbeits- und Leistungsspektrum vergrößerte und nicht verkleinerte. Wir zollen der Größe der von Ihnen zu bewältigenden Aufgabe Respekt – wir fordern diesen aber auch für unsere Konzeption, ihre Umsetzung und eine 49-jährige Partnerschaft. Wir sind als Träger bereit, über vertretbare Kürzungen zu sprechen. Wir sind nicht zur Preisgabe unserer Konzeption und unserer Satzung bereit (und im übrigen dazu auch gar nicht berechtigt). Wir würden uns freuen, wenn es zu einer Auflösung dieses existenzbedrohenden Konfliktes kommen könnte. Den Brief werde ich in Absprache mit dem Vorstand in Kopie an politische Mandatsträger sowie Pressevertreter senden in der Hoffnung, von dort dringend notwendige Unterstützung zu erfahren. Mit freundlichen Grüßen (Karin Müller) Geschäftsführerin
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