POS IT IO N E N | 2016 www.lebenshilfe-braunschweig.de O Ansprechpartner Dr. Hans-Joachim Beinroth (Vorstand) Telefon 0531 4719 220 [email protected] Detlef Springmann (Geschäftsführung) Telefon 0531 4719 220 [email protected] Kerstin Hoffmann (Kinder und Familie) Telefon 0531 4719 214 [email protected] Dr. Laurenz Aselmeier (Wohnen) Telefon 0531 4719 218 [email protected] Ulrich Semmler (Arbeit) Telefon 0531 4719 203 [email protected] Kathleen Hülsebusch (Verwaltung) Telefon 0531 4719 222 [email protected] Lebenshilfe Braunschweig Kaiserstraße 18, 38100 Braunschweig Telefon 0531 4719 0 Spendenkonto Bank für Sozialwirtschaft Hannover IBAN DE42 2512 0510 0007 4810 01, BIC BFSWDE33HAN www.lebenshilfe-braunschweig.de Fotos: Elke Franzen (0), außer Anna Elmenthaler (I), Christine Garn (II), Sonja Lippke (III), Jonas Scheiffele (IV), Martin Slawig (V), Daniel Strobach (VI) sowie Fotolia (VII), MAN AG (VIII) und Lebenshilfe Braunschweig (IX) Konzeption und Redaktion: Elke Franzen, Lebenshilfe Braunschweig Gestaltung: Hinz & Kunst, Braunschweig Druck: Druckerei Lebenshilfe Braunschweig © Lebenshilfe Braunschweig gemeinnützige GmbH, 2016 O O O Vorwort Im Hafen ist ein Schiff sicher, aber dafür ist es nicht gebaut. Flüstern Sie doch mal ”ich” oder besser noch rufen Sie es laut in die Welt hinaus: ”ICH!” Dieses kleine Wort birgt so viel Potential. „Ich“… bin der Mensch, dem meine Eltern ein Leben geschenkt haben. „Ich“… bin der Mensch, der in diesem geschenkten Leben seinen Weg findet. Doch das Bewusstsein eines eigenen Willens und Wollens, eines eigenen Selbstbewusstseins, ist ein langer Prozess. Er wird begleitet von Eltern, Familie, Freunden, Ausbildern, Arbeitgebern und zahlreichen weiteren Unterstützern. Ziel unserer Entscheidungen und unseres Tuns, unserer Angebote und Projekte, ist es, jungen Menschen mit Beeinträchtigung Wege zu öffnen. Wir möchten, dass sie eine Wahl treffen können. Und sie werden Schritt für Schritt herauskristallisieren: Was ist es, was mein Leben ausmacht? Aus einem solchen Selbstbewusstsein formt sich dann auch eine Selbstverantwortung. Wie möchte ich leben? Was könnte ich arbeiten? Wer ist mir nah am Herzen? Was macht mich glücklich? Wer diese Fragen nicht beantworten kann und nie gelernt hat, sich zu entscheiden, der muss die Folgen der Entscheidungen hinnehmen, die andere für ihn treffen. „In der Pubertät ist das Gehirn eine vorübergehende Baustelle“, beschreibt Professor Martin Korte von der Technischen Universität Braunschweig, einer der bekanntesten deutschen Hirnforscher, die Phase der Suche und Revolte. Alles wird gefiltert und neu bewertet. Und wenn es gut klappt, gewissermaßen geschmeidig vom Stapel läuft, verlässt das Schiff den sicheren Hafen mit einer Stärke, die von innen hält, mit einem Umfeld, das bestätigt und – wo immer nötig – ein funktionierendes System aus Assistenzen etabliert. Diese Assistenzen sind vielfältig, immer häufiger nicht nur denkbar, sondern auch umsetzbar. In POSITIONEN | 2016 möchten wir Ihnen einige junge Menschen und ihre Ideen, einige Gedanken ihrer Eltern, einige besondere Lösungen für besondere Menschen vorstellen. Und Sie werden merken: Diese jungen Menschen entwickeln Selbstvertrauen und hissen ihre Segel mit dem Motto: „Leben wir los!“. Vorsitzender Geschäftsführer Seneca GLüCK … TrosT … TRaum … MUT! Junge Menschen und die wirklich wichtigen Dinge des Lebens Denise Timon Was ist für dich Glück? Glück ist für mich, keine Unfälle zu haben und gesund zu sein. Glück ist, wenn alles gut ist. Bist du glücklich und zufrieden? Ja! Ich lerne hier viel und habe auch viel Spaß in der Lebenshilfe. Was muss man tun, um jemanden glücklich zu machen? Trösten! Man muss die Person trösten und für sie da sein. Was wünschst du dir? Ich möchte helfen. Ich will Leuten, die nicht so viel machen können, helfen und sie unterstützen. Was ist dein Zukunftstraum? Mein großer Traum ist es, im Kindergarten zu arbeiten. Was ist Mut für dich? Alleine in die Stadt zu gehen, ist sehr mutig. Was ist Glück für dich? Dass ich hier sein darf! (In der Lebenshilfe) Bist du gerade glücklich? Ja! Sehr! Was muss man tun, um glücklich zu sein? Man muss im Radio sein! Wenn man im Radio ist, dann ist man glücklich. Was wünschst du dir? Ich möchte für das Radio arbeiten und etwas moderieren und reden. Wann warst du das letzte Mal so richtig mutig? Als ich mich getraut habe, hier zu arbeiten. Da war ich echt sehr mutig. Ayse Bist du glücklich? Ja, sehr. Was wünscht du dir für deine Zukunft? Ich möchte später draußen arbeiten können! Ich will auch viele Sachen machen, die ich jetzt noch nicht kann. Ich möchte noch ganz viel lernen. Was ist für dich Mut? Wenn man sich was traut und an sich selbst glaubt. I Denise Phillip I Gülsah Was bedeutet Glück für dich? Wenn man lachen kann und keine Probleme hat. Das ist Glück. Wenn man nett und freundlich ist und einfach fröhlich. Bist du glücklich? Ja, ich bin schon glücklich. Ich bin froh, dass ich sprechen und gehen und so was kann, das ist wirklich gut und macht mich glücklich. Was muss man haben, um glücklich zu sein? Menschen, die immer für einen da sind. Was wünschst du dir? Ich möchte meinen Führerschein machen und später eine gute Arbeit haben. Ich möchte auch eine eigene Wohnung und wünsche mir viel Frieden. Was ist Mut? Wenn man sich zum Beispiel traut, vom 10er im Schwimmbad zu springen! Das ist mutig. Wann warst du das letzte Mal so richtig mutig? Ich war sehr mutig, als ich mich endlich getraut habe, vom 3er zu springen. Das ist eigentlich nicht so mein Ding, aber ich hab es mich dann getraut und war sehr stolz auf mich. Ich war besser als gedacht und das war echt toll! I Phillip Was bedeutet Glück? Arbeit. Glück ist, eine Arbeit zu haben. Was muss man tun, um glücklich zu sein? Nicht nerven. Was wünschst du dir gerade? (nach langem Nachdenken) Ich habe keine Wünsche. Ich bin hier wunschlos glücklich. Was wünscht du dir für deine Zukunft? Geld. Ich möchte Häuser bauen und damit Geld verdienen. Wann warst du das letzte Mal so richtig mutig? Ich war ganz mutig, als ich den Fahrstuhlknopf das erste Mal selbst gedrückt habe. Interviews: Anna Elmenthaler I Ayse Gülsah Timon I I „Vertraue dir und deiner Stärke“ Gedanken einer jungen Frau über die Aufgabe, den richtigen Weg zu finden Eben noch saß ich im Unterricht und habe meine Zeit abgesessen. Habe einen vorgefertigten Stundenplan gehabt und die Aufgaben erledigen müssen, die mir aufgetragen wurden. Jetzt sitze ich hier auf dem Boden in meinem Zimmer mit dem Abiturzeugnis in der Hand und weiß nicht weiter. Denn jetzt gibt es keinen vorgemalten Weg mehr. Kein „Die Aufgabe für die nächste Woche ist…“ und auch keine Lehrer, die mich wegen nicht gemachter Hausaufgaben anzählen. O Jetzt bin ich auf mich gestellt. Ich muss mich selbst organisieren. Ich muss mir selber Aufgaben stellen. Ich muss mich selbst motivieren. Nach zwölf Jahren, in denen mir das mehr oder minder komplett abgenommen wurde, ist das echt keine einfache Aufgabe. Wie geht es weiter mit mir? Die Schule ist beendet, ich habe alle Grundbausteine, um mir jetzt selbst einen Weg zu bauen. Doch wohin? Was will ich machen? Was will ich werden? Was möchte ich mein gesamtes Leben tun? Ich weiß es nicht. Noch nicht. In genau dieser Situation war ich vor einigen Wochen. Ich wusste nicht, wohin mit mir. Wusste nicht, was zu tun ist. War komplett überfordert mit der auf einmal geforderten Selbständigkeit. Doch dann kam ein Wegweiser. Eigentlich mehrere. Viele kleine Anstöße und Schubser, die mich dazu brachten, in eine bestimmte Richtung zu gucken und meinen Weg zu finden. Es war eine riesige Erleichterung, die mir, nach einigem Überlegen und Nachfragen aber auch etwas gezeigt hat. Jeder braucht irgendwelche Wegweiser, um seinen Weg zu finden. Seien es Personen oder Plakate, Projekte oder Praktika, Gespräche oder Veranstaltungen. Schlechte und auch gute Erfahrungen. Das alles hilft, den richtigen Weg für sich selbst zu finden. Jeder kleine Schnipsel hilft. Zusammen ergeben sie ein Bild mit einer Antwort. Zwischenzeitlich verzweifelte ich fast – alle meine Freunde, Bekannten und Schulkameraden hatten irgendwie einen Plan. Alle wussten, wohin es mit ihnen in Zukunft gehen sollte. Nur ich nicht. Dachte ich. Aber bei genauem Hinsehen schwebten noch viele zwischen unterschiedlichen Wegen oder hatten keine Ahnung wie ich. Aber zur Beruhigung: Jeder findet irgendwann, irgendwie, irgendwo seinen Platz. Wenn es dir auch so geht, wie es mir ging, dann habe ich einen Tipp: Sei offen für Neues, stelle vielen Leuten viele Fragen, probiere aus und sei wachsam. Lauf nicht mit Scheuklappen und der Einstellung „Ich finde hier eh nichts für mich!“ durchs Leben, sondern achte auf deine Wegweiser. Und vor allem: Vertraue dir und deiner Stärke. Dann findest du deinen Weg. Text: Anna Elmenthaler Hospitierte vor ihrem Studium in der Öffentlichkeitsarbeit der Lebenshilfe Braunschweig O Knalleffekt beim „Seitentausch“ Auszubildende erhalten bei MAN besondere Einblicke in die Industriearbeit Marvins Glück begann mit einem großen Knall: Kurz nachdem der 22-jährige zusammen mit den Auszubildenden der MAN AG die letzten Schrauben angezogen hatte, stürzte das gemeinsam gebaute Regal erst einmal mit lautem Getöse ein. „Wir haben einfach zu viel Material hinein gelegt“, erzählt er und schmunzelt: „Die Arbeit war trotzdem toll und hat viel Spaß gemacht.“ Im Projekt „Seitentausch“ lernen Auszubildende der Lebenshilfe Braunschweig und von MAN ein paar Wochen im Jahr gemeinsam. „Wir haben Rohre für das Regal zugeschnitten“, berichtet Marvin Hübsch, der in der Lebenshilfe im Berufsfeld Handwerk ausgebildet wird. Eine Zeichnung wurde erstellt. Nach dem Zuschnitt mussten die Rohre zusammengeschraubt werden. Alles sei gemeinsam mit den Auszubildenden von MAN geplant und gebaut worden. Am Ende standen ein professionell gefertigtes Regal, ein gemeinsames Gruppenfoto und eine Testfahrt mit einem frisch produzierten MAN-Truck. Für Marvin Hübsch konnte es nicht besser kommen. „Ich interessiere mich schon immer für Autos“, erklärt er. Da sei es gar keine Frage gewesen, gleich mit dabei zu sein. Anstrengend sei es manchmal schon gewesen. Geschwitzt hätten sie, als das schwere Metall geschleppt werden musste, um es im Regal zu lagern. Doch all das sei der Mühe Wert gewesen, keine Minute hätten er und drei seiner Kollegen bereut, um einmal direkt bei einer Autofirma arbeiten zu dürfen. „Viele unserer Auszubildenden möchten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein. Zumindest einmal ausprobieren, wie es in einem Betrieb zugeht“, berichtet Frank Rogalski, bei der Lebenshilfe für die Berufliche Bildung zuständig. Oft sei der Respekt davor zwar groß. Manche würden auch kurz zuvor noch „kalte Füße bekommen“. Wenn das aber überwunden sei, gäbe es viele sehr gute Ergebnisse und fast alle würden gerne dabei bleiben. Wolfgang Weidauer, Ausbildungsleiter bei MAN, spricht ebenfalls von hohem Respekt. „Wir hatten keine Erfahrungen mit einem solchen Projekt“, erklärt er. Das Ziel, Schlüsselqualifikationen auf ungewöhnliche Weise zu erfahren, sei aber viel zu wichtig gewesen, so dass auch das eine oder andere Problem niemanden abgeschreckt habe. „Unsere Azubis sollten zum Beispiel sehen, dass es Menschen gibt, für die eine Ausbildung eine sehr hohe Hürde darstellt, um damit auch den Wert der eigenen Ausbildung noch besser schätzen zu lernen“, erklärte Weidauer. Die gemeinsame Tätigkeit mit Menschen mit Beeinträchtigung fördere die soziale Kompetenz der Auszubildenden und verbessere zugleich die Fähigkeit, andere anzuleiten und entsprechend zu kommunizieren. Auch Teamarbeit würde durch das Projekt gefördert. Beide Seiten wären ganz offen aufeinander zugegangen. Nach zwei Tagen habe alles so gewirkt, als wäre die Zusammenarbeit schon immer so gewesen. Und so habe der Bruch der Regalböden im Projekt auch keinerlei Folgen gehabt. Die Fehler wurden gemeinsam zwischen den Auszubildenden und ihren Ausbildern analysiert. Zusatzstützen erhöhten die Stabilität. Dann hielt das Regal und dient seitdem als Depot für Metalle aller Art in der Ausbildungswerkstatt. Für Marvin Hübsch hatte der „große Knall“ am Anfang aber einen besonderen Effekt. Die gemeinsame Arbeit auch bei Schwierigkeiten bestärkte ihn in seinem Wunsch, beruflich mit Autos zu tun zu haben und auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig zu werden. Ersteres läuft derzeit bei einem Praktikum in der Fahrzeugpflege. Doch das soll noch längst nicht der letzte Schritt gewesen sein. Text: Frank Rogalski VIII O „Wer das meistert, schafft auch die Prüfung“ Schwieriger Berufsstart für Fachpraktiker-Azubis – nun aber Vorbild mit Motivation und Verantwortung 2 Uhr mittags, Gesamtschule Querum. Hier geht nichts mehr: Hunderte Kinder stürmen die Kantine. Schreie und lautes Lachen überall, der Lärm einer Baustelle ist eine Oase der Ruhe dagegen. Lehrer bahnen sich mühsam ihren Weg durch die Menge. Mittendrin: Melanie Eilft, Franziska Trautmann und Jan Jeschke. Die Ruhe selbst, immer mit einem Lächeln auf den Lippen. Essenausgabe, Kiosk und Dessertposten, die Rollen sind generalstabsmäßig verteilt. Nichts wird dem Zufall überlassen. O Was an einem Mittwoch im Oktober wie selbstverständlich für die drei Auszubildenden wirkt, war bis vor kurzem alles andere als normal. „Meine erste Ausbildung musste ich abbrechen. Das war einfach zu viel“, berichtet Melanie (21). Franziska Trautmann war ein Jahr ganz ohne Job. Freunde gingen zur Arbeit, sie saß zu Hause oder „hing irgendwo ab“, erzählt die 20-jährige. Dann kam von der Agentur für Arbeit das Angebot, eine Ausbildung zum Fachpraktiker Küche zu machen. Unter seines Gleichen sein, war auch nicht immer einfach. Früh morgens schon am Herd stehen, Druck aushalten, von Wolfenbüttel in die Berufsschule nach Wolfsburg mit Bus und Bahn – das Leben nahm über Nacht einen ganz anderen Weg als zuvor, wo das Aufstehen nicht ganz so wichtig war. Wo sie machen konnten, was sie wollten, nur nicht das, was nach der Schule von ihnen erwartet wurde. O O O O Heute ist diese Zeit für die drei zwar noch lebendig, aber dennoch weit weg. Alle beweisen sich täglich neu, sind reifer geworden, wissen, was sie wollen. Jan Jeschke: „Kochen hat mir schon im Praktikum viel Spaß gemacht, deswegen war ich gleich voll dabei.“ Und Franziska träumt sogar von einem eigenen Restaurant. „Trautmanns Traum“, den Namen dafür hat sie schon. Wenn sich die Chance ergibt, wollen alle drei noch weiter machen, den Abschluss als Koch nachholen, um noch bessere Chancen zu haben. Der Kontakt zu den Kunden, der Dank, der ihnen bei Events ausgesprochen wird, das alles motiviert sie jeden Tag aufs Neue. Das Show-Cooking neulich beim Tag der Ehrenamtlichen der Lebenshilfe Braunschweig sei so ein besonderes Ereignis gewesen. Dort mussten sie über hundert Gästen per Videoübertragung direkt aus der Küche zeigen, wie zum Teil exotische Pflanzen und Früchte zubereitet werden. Wo sie früher niemals als Vorbild getaugt hätten, übernehmen sie heute Verantwortung für andere. Ausbilder Adrian Hamann hat ein Paten-Prinzip in die Ausbildung eingeführt. Die Fachpraktiker zeigen Menschen mit Beeinträchtigung, wie es in der Küche funktioniert. „Lernen durch Lehren“ heißt das Prinzip, das in der Abteilung Berufliche Bildung erprobt wird. Das wirkt: „Anderen zu helfen macht sehr viel Spaß“, berichtet Melanie und ergänzt: „Dadurch wird auch unser Durchhaltevermögen geschult.“ Dabei hatten alle am Anfang große Vorbehalte, IV O in der Lebenshilfe zu arbeiten: „Wir hatten Angst, abgestempelt zu werden“, meint Jan. Das sei heute kein Thema mehr. Ein paar Hürden haben die drei aber doch noch vor sich: Prüfungen stehen in Kürze an. „Andere schauen dir beim Arbeiten direkt auf die Finger“, fürchtet Melanie. Das sei nicht immer angenehm. „Da möchte man dann doch lieber im Bett bleiben“, ergänzt Franziska. Die „Herde hungriger Schüler“, die in Querum auf ihr Essen wartet, bewältigen die drei schon heute meisterhaft. Ausbilder Adrian Hamann ist optimistisch: „Wer das meistert, den kriegen wir auch durch die Prüfung.“ Und das ist für die drei Azubis der nächste Schritt in ein normales Leben. Text: Frank Rogalski O Mein Arbeitsplatz Sarah Pfeiffer Mein Arbeitsplatz Nina Kubat Ich gehe in eine Firma zur Arbeit – das stärkt meine Selbstständigkeit Das Budget für Arbeit – ein Stück Normalität kehrt zurück Schon bei meiner Ausbildung in der Lebenshilfe Braunschweig habe ich gerne für das Catering gekocht, gebacken und angerichtet. Die Firma Fruchtleder habe ich kennengelernt, als sie noch in der Küche der Lebenshilfe-Werkstatt Rautheim ihre fruchtige Nascherei produzierte. Ich bin seit 2009 in der Lebenshilfe Braunschweig beschäftigt, angefangen habe ich im IndustrieService als Mitarbeiterin mit einem Leistungsanspruch aufgrund seelischer Beeinträchtigung. Heute arbeite ich als eine auf dem ersten Arbeitsmarkt eingestellte Mitarbeiterin im Rahmen des Budgets für Arbeit, als Schreibkraft im Sekretariat der Lebenshilfe-Werkstatt Rautheim. Von einem Werkstatt-Arbeitsplatz mit vier Arbeitsstunden täglich konnte ich mich auf eine auf eine Dreiviertel-Stelle steigern. Doch zuerst war ich mir unsicher, ob der Seitenwechsel wirklich die richtige Entscheidung für mich ist. Ich bin seit Oktober 2014 bei Fruchtleder – erst habe ich dort ein Praktikum absolviert. Seit dem 1. Januar 2015 ist es ein ausgelagerter Arbeitsplatz. Das bedeutet, dass ich nicht in eine Werkstatt gehe, sondern meine Arbeit direkt in der Firma leiste. Hier fühle ich mich richtig wohl. Außerdem fahre ich seitdem selbstständig mit einem öffentlichen Bus zu meinem Arbeitsplatz an den neuen Firmenstandort am Rebenring in Braunschweig! III Zu meinen Arbeitsbegleitenden Maßnahmen gehören zum Beispiel Schwimmen und die Braunschweiger Schreibwerkstatt „Elfchen“. „Sarah hat durch Fruchtleder ihre Fähigkeiten und Fertigkeiten gut weiter entwickelt“, erklärt ihre Chefin Christa Reimold. „Ich möchte auf die Unterstützung von Sarah nicht verzichten.“ O Anfangs hatte ich das starke Gefühl, ein erhebliches Risiko einzugehen. War ich den Aufgaben einer Stelle auf dem ersten Arbeitsplatz gewachsen? Würde ich meinem eigenen Leistungsdruck standhalten? Und was wäre, wenn ich doch einen gesundheitlichen starken Einbruch haben würde? Wie ist das mit dem Geld geregelt? Kann ich damit meinen Unterhalt finanzieren? Fragen über Fragen, in dessen Dickicht der Fachdienst Betriebliche Integration der Lebenshilfe Braunschweig erst mal Licht bringen musste. Die Neuigkeiten des Fachdienstes beruhigten mich dann nachhaltig. In meinem Fall hatte ich hinsichtlich des neuen Aufgabenumfanges Glück: Man wollte mir meine bisher besetzte Stelle im Sekretariat aufgrund der guten Erfahrungen als eine Stelle mit dem Budget für Arbeit ermöglichen. Das bedeutete, dass ich den Großteil der Aufgaben bereits gut bewältigen konnte. Trotzdem kamen natürlich auch neue Verantwortungsbereiche, als ein Beispiel sei die Kassenführung benannt, dazu. III III Auch hinsichtlich des Risikofaktors Gesundheit gab es gute Neuigkeiten: Bei einem gesundheitlichen Rückfall etwa, damit verbundenen großen Ausfallzeiten und einer eventuellen Kündigung des Arbeitsverhältnisses, sei keine Anmeldung beim Arbeitsamt und kein langwieriger Prozess über das Gesundheitsamt notwendig, um wieder in der Lebenshilfe als Mitarbeiterin mit Leistungsanspruch zu arbeiten. Der Anspruch auf meinen Werkstattplatz bliebe also im Falle der Beendigung des Arbeitsverhältnisses bestehen, sofern dies im Zeitraum des Budgets für Arbeit passieren würde. Neben dem Leistungsanspruch und der gesundheitlichen Stabilität stellte sich mir dann die Frage nach der neuen Bezahlung im LebenshilfeVergütungssystem. Natürlich habe ich auch die Zahlen verglichen, vorher und nachher, auch wenn die Arbeit auf dem ersten Arbeitsmarkt natürlich schon allein dadurch eine große Chance ist, dass man ohne die Abhängigkeit des Sozialhilfeträgers sein Leben plötzlich mit mehr persönlichen Freiheiten gestalten kann. Falls man einen Beziehungspartner findet, könnte man zum Beispiel in eine Wohnung zusammenziehen, Urlaube sind besser finanzierbar. Man könnte sogar ans Heiraten denken, ohne gleich Bauchschmerzen zu bekommen. Im Grunde gewinnt man ein Stück Normalität des Lebens zurück, die schlichtweg Lebensqualität bedeutet. Für den Arbeitsplatz im Rahmen des Budgets für Arbeit musste ich das normale Einstellungsverfahren durchlaufen: Bewerbungsunterlagen für das Personalwesen anfertigen und ein Bewerbungsgespräch mit dem Bereichsleiter Arbeit, der Werkstattleitung sowie jeweils einem Vertreter des Betriebsrats und des Werkstattrats führen. Das war ganz schön aufregend für mich. Als die Zusage kam und ich auch vom Geschäftsführer, Herrn Springmann, bei einem späteren Gespräch offiziell in der Lebenshilfe begrüßt wurde, war ich schon stolz auf mich. Rückblickend genieße ich das Gefühl noch immer, meinem persönlichen Ziel, neben der Gesundheit auch wieder am normalen beruflichen Leben teilzunehmen, ein großes Stück näher gekommen zu sein. Ich sehe das Budget für Arbeit als eine Chance, indem ich – ohne die Sicherheit des Werkstattplatzes zu verlieren – mich auf dem ersten Arbeitsplatz ausprobieren kann. Text: Nina Kubat Das Budget für Arbeit Mitarbeiter in Werkstätten für behinderte Menschen haben die Möglichkeit, mithilfe eines Budgets für Arbeit auf einen Arbeitsplatz des ersten Arbeitsmarktes eingegliedert zu werden. Zunächst muss ein Arbeitgeber gefunden werden, in dessen Betrieb eine Beschäftigung möglich ist. Wird dann ein tariflicher Arbeitsvertrag abgeschlossen, kommt das Budget für Arbeit in Betracht. Gelder der Kostenträger, die bisher an die Werkstatt für ihre Leistungen gezahlt wurden, erhält in dem Fall – ohne Fahrtkostenpauschale – der neue Mitarbeiter als Persönliches Budget. Damit kann er sich Leistungen bei seinem zukünftigen Arbeitgeber einkaufen. Diese können in Form von besonderer Betreuung oder auch Lohnsubventionierung erbracht werden. Der Arbeitgeber ist für die Beitragszahlungen in die Sozialversicherung verantwortlich. Eine Rückkehr in die Werkstatt für behinderte Menschen ist möglich. Wir beantworten gerne ihre Fragen! Michael Schumann | Leitung Fachdienst Betriebliche Integration | 0531 4719 104 [email protected] O O Mein Arbeitsplatz Svenja Grittner und Marcel Liebmann Unter Palmen einen guten Service für die Gäste im Café Flora bieten Im wahrsten Sinne eine Oase in der Großstadt: Weiße Tische und Stühle, Sofa und Sessel mit romantischen Blumenmustern und das Beste: alles umgeben von Orchideen, Olivenbäumen und Palmen. Seit 2013 betreibt die Lebenshilfe Braunschweig ein Café und dies an einem traditionellen Braunschweiger Ort – in der seit einem guten Jahrhundert bekannten Gärtnerei Volk im Hasenwinkel 1. Svenja Grittner Während ihrer Ausbildung entdeckte Svenja Grittner ihr Talent im Bereich Hauswirtschaft und Gastronomie. Über die Stationen Großküche, Montage und einem Praktikum im Schulkiosk der Integrierten Gesamtschule Querum ist sie nunmehr als Mitarbeiterin im Café Flora in der Gärtnerei Volk engagiert und fröhlich tätig. „Ich bediene, nehme gern Bestellungen an und kassiere dann mit Unterstützung“, beschreibt sie ihre Hauptaufgaben. „Die Arbeit ist sehr abwechslungsreich und ich habe mit vielen Leuten zu tun. Mein Traum? Mein größter Wunsch ist, hier zu bleiben. Hier fühle ich mich wohl.“ Marcel Liebmann „Marcel Liebmann ist die gute Seele des Café Flora“, sagt dessen Leiterin, Janet SteffensGrüning. Als Multitalent ist er für „Haus und Hof“, für das Eindecken der Tische, die Sonnenschirme und vieles mehr zuständig. Aber nicht nur das: „Mein Job ist es, freundlich zu den Gästen zu sein, zu servieren, zu kassieren und natürlich Pfannkuchen und Waffeln zu backen“, erklärt Marcel Liebmann. Er hat während seiner Ausbildung verschiedene Hauswirtschaftsbereiche kennengelernt, aber auch in der Holzwerkstatt gearbeitet. „Klasse war unser Einsatz bei dem Braunschweiger Festival ‚Kultur im Zelt‘. Da haben wir im Service mit einer tollen Mannschaft zusammen gearbeitet“, erinnert sich der jungen Mann mit dem charmanten Lächeln. Wer Marcel Liebmann trifft, sieht ihm den Spaß an der Arbeit im Café Flora an. „Die Arbeit ist nicht so langweilig wie in mancher Werkstatt“, sagt er. „Mein Traum? Irgendwann mal in einem Restaurant zu arbeiten. Am besten in einer Pizzeria. Aber erstmal bin ich hier voll zufrieden.“ Text: Michael Schumann O O O O O Vier, die auszogen, ihre eigene Welt zu erobern Junge Menschen mit Down-Syndrom gründen mit Assistenz eine Wohngemeinschaft O Na, das hat wohl nicht jeder Gastgeber bei seiner Einweihungsfete zu bieten: Live-Musik der Band Sofakante, ein Garten voller Sitzgelegenheiten und Naschereien, Eltern, Freunde und ja, auch Assistenten. der Frankfurter Buchmesse vorstellen, sich verlieben mit diesem Flattergefühl der Schmetterlinge im Bauch – neben der Arbeit als Servicekraft im Café Flora, in der Großküche und der Montage sind die Tage jedes Einzelnen schnell gefüllt. Vier junge Menschen zogen aus, die Welt zu erobern… oder auch: Die Eltern vier junger Menschen mit Down-Syndrom entwickelten mit ihren Kindern und der Lebenshilfe Braunschweig eine Wohnform außerhalb des Elternhauses. Und weil halt nicht alles von alleine geht und klappt, unterstützen bei einigen Aufgaben die Mitarbeitenden der Lebenshilfe als Assistenten die Gruppe mit professionellem Wissen und viel Gespür für die Strukturen und ihre Bewohner. Nun muss man nicht so tun, als ob dieses neue Leben einfach und selbstverständlich sei. Die Eltern haben lange überlegt, diskutiert, geplant und verworfen, besiegelt und sich getraut. Sie haben mit gesteuert und stehen auch jetzt manchmal parat. Sie entscheiden mit ihren Kindern, welche individuellen Dienstleistungen mit dem von allen vieren beantragten „Persönlichen Budget“ gebucht werden. Aber sie erleben auch, wie ihre Kinder in ihrem neuen Gefüge immer mehr Fähigkeiten erwerben und auch eigene Regeln aufstellen. Lisa, Lara, Leon und Stefan sind das vierblättrige Kleeblatt, das nun ein gemeinsames Leben auf die Reihe bekommen will. Klar, manchmal ist die eine zu laut, der andere trödelt im Bad, der Müll muss runter… Sie wissen schon. Doch mit guter Laune, einem hinreißenden Lachen und mit der Robustheit und Stärke derer, die genau in der Situation die Peilung behalten, klappt das Ganze erstaunlich und unvermutet gut. Denn wie zum Trotz zum warnenden Satz „Das Leben ist kein Ponyhof“ blinkelt einem aus dem Waschbecken ein Ablaufdeckel mit dem Spruch „Das Leben ist eine Blumenwiese“ entgegen. Schwimmen, Badminton, Tischtennis, Filme, Spiele, Stadtbummel, Disco, Musik, kleine Gedichte schreiben, sogenannte Elfchen, und die auch auf „Wenn einer einen Streit verursacht, muss er auch sagen: Tut mir leid. Lass uns noch mal neu anfangen“, betont Lisa. „Doch wir vertragen uns hier total gut und haben viel Spaß miteinander.“ Leon fasst zusammen, was allen Bewohnern wichtig ist: „Am liebsten würden wir jedem jungen Menschen sagen: Trau Dich! Sei mutig. Du schaffst das. Auch das.“ Und dann hocken die vier glucksend an ihrem Frühstückstisch und antworten auf die Frage „Was ist denn schwierig?“ mit dieser jugendlichen, aber so charmanten Überheblichkeit ganz lässig: „Nix.“ Noch weitere Fragen? Text: Elke Franzen O O Anderen Mut machen, das Wagnis einzugehen Die Perspektive der Eltern 1 Wir freuen uns auf die gute Zeit miteinander! Der Auszug von Lisa in die Wohngemeinschaft Nordstraße war das Ziel, auf das wir viele Jahre hingearbeitet haben. Deshalb war auch das "Loslassen" ein Prozess mit dem Ziel, dass Lisa ein Zuhause findet, in dem sie sich wohlfühlt. Ich habe mir mit Lisa mehrere Wohneinheiten in Braunschweig angeschaut. Sie hat eine Wohnschule besucht und zweimal das Probewohnen der Lebenshilfe genutzt. Lisa fand das klasse, und es war immer ihr Wunsch, von Zuhause auszuziehen. Ich wollte aber nicht, dass sie irgendwo hinzieht, sondern sie sollte sich 100-prozentig wohlfühlen. Dadurch entstand unsere Idee, mit Gleichgesinnten zusammenzuziehen. O Der verantwortliche Lebenshilfe-Bereichsleiter, Dr. Laurenz Aselmeier, hörte sich unseren Wunsch an und erarbeitete mit den Eltern gemeinsam das Projekt, eine Wohnung für junge Menschen mit geistiger Beeinträchtigung zu finden. Es war nicht immer einfach, viele Gespräche mussten geführt werden, und sicherlich auch einige Kompromisse gemacht werden. Ich finde, dass sich unsere Bemühungen, eine geeignete Wohnform für unsere Kinder zu finden, gelohnt haben. Ich freue mich, wenn ich mich mit Lisa treffe, da sie einen rundum zufriedenen Eindruck macht. Wir freuen uns aufeinander! Die Zeit, die wir miteinander verbringen, ist intensiver, als zu dem Zeitpunkt, als sie noch Zuhause wohnte. O Lernen musste Lisa, dass zu einer eigenen Wohnung auch Einkaufen, Wäsche waschen und Putzen gehört. Dabei unterstütze ich sie bei Bedarf und auch die Assistenten helfen, die Aufgaben in die Tagesstruktur einzubauen und Probleme gemeinsam mit den jungen Bewohnern zu klären. Es macht mich stolz und glücklich, vor allem aber zufrieden, weil ich das Kind, das am Anfang seines Lebens einen so schweren Start hatte, glücklich und zufrieden weiß. Gabriele Lerch O 2 Selbstbestimmt, mit Freunden – glückliches Wohnen! Der Auszug und das Bilden dieser Wohngemeinschaft ist für uns Eltern der Beginn des echten Loslassens zusammen mit dem Erfüllen eines kleinen, großen Traumes. Wir Eltern von Lisa, Leon und Lara kennen uns seit unsere Kinder Babys waren. Schon damals trafen wir uns mit anderen Eltern und gründeten die Elterninitiative Down-Syndrom Braunschweig. Es gab regelmäßige Treffen, Aktionen und Aktivitäten wie die alljährlichen Wochenenden, die wir in verschiedenen Jugendherbergen mit unseren Kindern und deren Geschwistern erlebten. Schon sehr früh hatten wir viele Wünsche für unsere Kinder, dazu gehörte die schulische Integration und möglichst weit reichende Selbstständigkeit. Mit dieser Wohnform ist einer unserer Lebenswünsche ganz wunderbar in Erfüllung gegangen. Wohnen mit Freunden, Wohnen so selbstbestimmt wie möglich, Wohnen mit Gleichaltrigen, glückliches Wohnen! Loslassen Loslassen fällt mir leicht, weil ich sehe, wie glücklich Lara ist. Wie wohl sie sich fühlt. Wie stark scheinbar ihre „Flügel“ geworden sind, dass sie sich so „leicht“ von zu Hause verabschieden konnte. Ich bin stolz darauf, dass ihr diese Flügel wachsen konnten. Genau wir ihrem jüngeren Bruder, der wegen seines Studiums weggezogen ist. Ich denke, man muss früh genug an sich selbst arbeiten, dass da ein Loslassen kommen muss, auch bei Kindern, die viel abhängiger von einem sind. Nach wenigen Tagen meinte Lara zu ihrer Oma: „Das ist mein Zuhause, meine Wohnung.“ Sie wollte ausziehen, sie wollte mit ihren Freunden wohnen. Natürlich vermissen wir Lara, aber dann telefonieren wir oder ich besuche sie. Sie freut sich, sie macht mir Tee und freut sich dann auch, wenn ich wieder gehe! Natürlich falle ich auch O mal als „Muttern“ in alte Muster und meckere zum Beispiel, dass die Shirts nicht richtig zusammen gelegt sind. Gemeinschaft schätzen und Freude am Leben haben. Ein junges Haus der Lebenshilfe, so könnte die Nordstraße doch werden, oder? Was musste unsere Tochter lernen? Welche Rolle hat dabei die Lebenshilfe? Lara war auch schon zu Hause selbstständig. Sie machte sich Frühstück, Brot für die Arbeit und fürs Abendessen, sie legte sich ihre Garderobe abends zurecht. Ihren Arbeitsweg bewältigt sie mit öffentlichen Verkehrsmitteln seit mehreren Jahren. Sie hat einen eigenen Wohnungsschlüssel und ein Handy, kann uns also anrufen, wenn etwas passieren sollte. Durch ihre „Ausbildung“ im hauswirtschaftlichen Bereich und ihre Arbeit in der Großküche der Lebenshilfe-Werkstatt Kaiserstraße ist Lara mit den Arbeiten in Küche und Haushalt gut vertraut. Da staunen wir oft – und es ist sicherlich ein Vorteil für das Leben ohne Eltern. Die Lebenshilfe gibt Anleitung und Assistenz bei allem, was unterstützt werden muss. Sei es nun bei den täglichen leidigen Aufgaben wie Putzplan und Duschplan, als Konfliktmanagement bei Unstimmigkeiten und Streit, Hilfe bei der Freizeitgestaltung oder der Anleitung zur Selbstständigkeit. Und: Sie ist Gesprächspartner in Richtung der Eltern. Auch wir Eltern sind mit der Lebenshilfe eine persönliche Partnerschaft eingegangen, denn wir haben ein großes Stück Leben unserer Liebsten in fremde Hände gelegt. O Angela Schüler In Vorbereitung auf das Ausziehen hat Lara gelernt, allein mit dem Wecker aufzustehen, zu frühstücken und nach dem Zähneputzen und Anziehen allein das Haus zu verlassen. Sie kann zwar nicht die Uhr lesen, hat aber ein sehr gutes Zeitmanagement. Sie plant im Vorfeld ihre Tage und das jeweils kommende Wochenende. Wir haben geübt, dass Wichtiges in den Kalender eingetragen wird, damit sie immer mehr einen Überblick hat, wann z. B. Urlaub ist, Geburtstage oder Arzt- und Fußpflegetermine anstehen. Was wünsche ich ihr? O Ein glückliches Leben mit Freunden, mit denen sie wie in einer großen Familie leben kann, auch wenn es mich mal nicht mehr geben wird. Gemeinsame Essen, Kinobesuche oder Spielabende – und gleichzeitig eine Tür, die sie schließen kann, wenn sie einfach mal einen Abend für sich sein will. Ich wünsche ihr Liebe und Hilfe, wenn sie es braucht. Und um noch weiter zu gehen, dem ganzen Haus. Ein Haus mit jungen Leuten mit geistiger Behinderung, die sich gegenseitig als O Wir sind Autisten – na und? Ein Streiflicht auf eine Personengruppe mit komplexer Beeinträchtigung Die Lebenshilfe Braunschweig hat vor kurzem mit viel Engagement und unkonventionellen Lösungen ein Zuhause für fünf Menschen mit frühkindlichem Autismus geschaffen. Erfahrungen aus einer schon bestehenden Wohngemeinschaft machten Mut, nun autistische Menschen mit besonders herausforderndem und umfassendem Hilfebedarf zu begleiten. Menschen, denen nur wenige zugetraut haben, in einer Wohngemeinschaft inmitten eines gewachsenen sozialen Umfeldes eine für sie neue Lebensform zu finden. Was denken die Anderen über uns? …wir haben keine Gefühle, wir halten soziale Kontakte nicht aus, wir bauen keine Beziehungen auf, wir können niemandem in die Augen sehen, wir können nicht selbstständig leben, wenn wir nicht sprechen können, sind wir geistig behindert, wenn wir sprechen können, sind wir Mathegenies, wenn wir nicht richtig reagieren können, sind wir aggressiv oder gefährlich… O Was bedeutet das für uns? …wir wissen oft nicht, wie wir uns mitteilen können, wir haben große Schwierigkeiten, die Spielregeln der Welt zu verstehen, wir haben oft Probleme, körperliche oder akustische Reize auszuhalten, wir brauchen zuverlässige Strukturen, die uns auch begleiten, wenn die Wahrnehmung uns in die Irre führt, wir brauchen Vorhersehbarkeit, weil wir uns unbekannte Situationen nicht vorstellen können, wir brauchen feste Abläufe, damit wir uns z. B. auch allein duschen oder anziehen, wir brauchen die Möglichkeit zu kommunizieren, auch wenn wir das nicht so können, wie andere Menschen… O Was bedeutet es nicht? …es bedeutet nicht, dass wir nicht versuchen möchten, ganz normale Dinge zu machen, wie einkaufen, Eis essen gehen, Straßenbahn fahren, es bedeutet nicht, dass wir keinen anderen Menschen begegnen möchten, dass wir nur in der O freien Natur glücklich sind, dass wir gern abseits vom Leben wohnen, dass wir keine Beziehungen zu anderen Menschen haben möchten… Doch so geht es auch! Das Leben ist für Menschen mit frühkindlichem Autismus sehr schwierig. Unsere Gesellschaft hat große Probleme, Menschen zu integrieren, die anders sind – und autistische Menschen sind sehr anders! Dennoch gibt es schon jetzt viele Möglichkeiten, um Menschen mit Autismus angemessen in „ihrer“ Welt zu begleiten und es ihnen damit leichter zu machen, in „unserer“ Welt zurecht zu kommen. Das muss nicht immer in speziellen Einrichtungen sein. In Braunschweig gibt es mittlerweile zwei Wohngemeinschaften, in denen frühkindliche Autisten leben. Im Alltag werden sie von der Lebenshilfe Braunschweig betreut – ambulant. Wobei ambulant hier nicht heißt, dass weniger Hilfen als im stationären Bereich notwendig sind, sondern dass umfassende und ganz differenzierte Unterstützung geleistet wird – in der Wohnung der autistischen Menschen und nicht in einer Einrichtung. Unterstützt wird die ambulante Betreuung durch den Pflegedienst der Lebenshilfe Braunschweig. Beide Wohngemeinschaften sind in ganz normalen Wohnstrukturen beheimatet. Es gibt Geschäfte, Ärzte, Freizeitangebote und Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel – alles gut zu nutzen für die ausschließlich männlichen Bewohner. Aber – es ist nicht immer leicht. Eine „normale“ Wohnumgebung ist skeptisch, fühlt sich gestört, ist irritiert über die fremden Geräusche und das ungewöhnliche Verhalten. Aber wir erleben auch viel Verständnis und Unterstützung. Wenn beim ersten Supermarktbesuch eines Bewohners leider gleich Marmeladengläser zu Bruch gehen oder wenn im Supermarkt ein Bewohner sehr lange vor einem Regal stehen muss, bis er weitergehen kann, wenn auf dem Spazierweg eine Pflanze „im Weg steht“, wenn beim ersten Museums- O O besuch gleich zu Beginn die persönliche Tasse der Kassenfrau zu Bruch geht, wenn wir einem Bewohner hinterher hetzen, der gern aus dem Fenster steigt und mit der Polizei nach Hause kommt – das sind alles Situationen, in denen wir verständnisvollen Menschen begegnet sind. Mittlerweile haben sich für die umfassenden und sehr individuellen Hilfen der Bewohner sechs Leistungsträger mit uns auf den Weg gemacht. Durch gezielte Unterstützung und Begleitung ist IV O einer Einrichtung zu finden – ganz zu schweigen davon, dass er erreichbar ist, den Bedürfnissen entspricht und einen Platz frei hat – und diesen Platz auch zu behalten. Alle Familien haben die Erfahrung, dass eher früher als später ihr Sohn nicht mehr passt. Frühkindlicher Autismus ist eine sehr herausfordernde Behinderung. Heterogene Gruppen werden häufig gesprengt, wenn ein frühkindlicher Autist dabei ist. Die notwendigen Regeln und Strukturen, die für Autisten wichtig sind, passen nicht in „normale“ Gruppen. O Doch ein gut strukturierter Tagesablauf erfordert sehr viel Disziplin von den Mitarbeitern – denn die Regeln müssen nicht nur von den Bewohnern eingehalten werden, sondern auch von den Mitarbeitern. Und es erfordert viel Energie und Wachsamkeit, um sich auf die Welt der Autisten einzulassen und ihnen die erforderlichen Strukturen zu geben. Immer wieder stellen wir fest, dass unsere Regeln nicht passen oder wir sie den Bewohnern nicht verständlich machen können – dann fangen wir von vorn an. O O es uns schon gelungen, zwei jungen Männern mit großen Verhaltensschwierigkeiten die Teilnahme an der Beruflichen Bildung zu ermöglichen. Diese Erfahrung hat uns Mut gemacht. Was für die beiden jungen Männer eine große Herausforderung war, ist zugleich die Erfüllung eines großen Wunsches – produktiv tätig und in einen Arbeitsalltag eingebunden zu sein. Kleinteilige Aufgaben und eindeutige Abläufe führen behutsam, aber verbindlich an neue Arbeits-Optionen heran. Unsere Aufgabe ist es, die Welt für Autisten vorhersehbar und zuverlässig zu machen – das können sie nicht allein. Dann sind neue Erfahrungen möglich: ein Besuch des Weihnachtsmarktes, einmal Essen gehen, ein Museumsbesuch, ein Abend in der Disco oder – das ist die Kür – ein kurzer Urlaub in Dänemark. Viele kleine Schritte, die einen großen Schritt auf dem Weg zu einem Leben in der Gemeinschaft und als Teil der Gesellschaft darstellen. Inklusion eben. Text: Constanze Lohse In beiden Wohngemeinschaften sind die Eltern noch eng eingebunden. Auch sie wagen Neues und zeigen sowohl Vertrauen als auch offene Unterstützung gegenüber dem Mitarbeiter-Team. Alle Familien bringen die Erfahrung mit, dass es sehr schwierig ist, für ihre Söhne einen Platz in O O O Der große Tag: Umzug in eine Wohngemeinschaft Gedanken eines Vaters zum Auszug des Sohnes Es zählt zu den großen Einschnitten sowohl im Leben eines jungen Menschen, als auch der Eltern: Der Aus- oder Umzug in eine Wohngemeinschaft. Wenn das gleich zweimal innerhalb weniger Jahre passiert, so kann man schon von einer gewissen Erfahrung sprechen. Wie aber sehen meine Erfahrungen aus? Nun mag es sein, dass eine reine Männer-WG von besonderen Eigenarten geprägt wird. Leider habe ich das Leben in gemischten Wohngruppen nie kennengelernt. Bei der Wahl der Möbel fängt es an. Da man zunächst nicht weiß, wie lange die WG in der aktuellen Zusammensetzung Bestand hat, ist der komplette Neukauf eher die Ausnahme. Die Mitnahme des Jugendzimmers aus der elterlichen Wohnung entfällt, da dieser Rückzugsort nicht sofort vollständig aufgegeben wird. Also besteht die Einrichtung eher aus Gebrauchtmöbeln, ergänzt durch preiswerte Neuanschaffungen. Das große Thema der Dekoration wird bei fast allen Männern sehr klein geschrieben. Eine Ausnahme bilden einige innig geliebte Modellautos. Damit ist alles vorhanden – für ein ganzes Leben. Alles andere unterliegt rein praktischen Erwägungen, was das Ganze erheblich vereinfacht. Nein, sagen wir besser, vereinfachen könnte. Da sind ja noch die Mütter. Sie haben ganz andere Vorstellungen von Einrichtung, Dekoration und den aktuellen Modefarben. Selbst sonst mitbestimmenden Vätern, erst recht aber den künftigen Bewohnern, ist es kaum möglich, sich da mit einzubringen. Erst später gelingt es den jungen Männern durch spontane Aktionen und entschlossene Entsorgungen eigene Vorstellungen durchzusetzen. Trägt vielleicht die sofortige und radikale Nahrungsumstellung zu diesem Verhalten bei? Schließlich unterscheiden sich von Männern zubereitete Mahlzeiten von denen in weiblich geführten Haushalten. Trainiert vielleicht ein bunter Obstsalat das Farbempfinden stärker, als das Einheits-Beige/Braun aus Fritteuse oder Back- ofen? Oder macht es die mit letztgenannter Ernährung einhergehende körperliche Veränderung zwingend erforderlich, dass die Musikanlage vom Bett aus erreichbar sein muss? Schwer zu beurteilen, zumal gemeinsame Mahlzeiten mit den Eltern nicht in der WG, sondern nur noch im Elternhaus stattfinden. Die meist kurzen Besuche der Eltern haben oft andere Kontrollfunktionen. Sie betreffen Sauberkeit und Haushaltsführung. Bei einigen auch die Abholung der Schmutzwäsche. Meine WG-Zeit lag in den 70er Jahren. Kürzlich ist auch mein Sohn in seine zweite ambulant betreute Wohngruppe umgezogen, ebenfalls wieder eine reine Männer-WG. Vieles erinnert mich an meine eigenen Erfahrungen. II Aber was machte mich denn damals glücklich? Ein staubfreier Türrahmen? Zu jeder Zeit meine Musik hören zu können? Ausgelassene Feiern? Hübsche Vorhänge? Die Gespräche mit den Mitbewohnern? Den gepflegtesten oder den belebtesten Garten in der Nachbarschaft zu haben? Jeder darf das für sich entscheiden. Besser ist es aber, diese Entscheidung im Sinne des Bewohners zu treffen. Wir Angehörigen sollten genau überlegen, was wir für unsere betreuten Familienmitglieder erreichen möchten. Was ist wirklich wichtig? Worauf sollten wir hinwirken? Welche Ziele sollten erfüllt sein, damit wir eines Tages unbesorgt… naja, Sie wissen schon! VII Übrigens sind dies Fragen, die auch Vorstand und Geschäftsleitung der Lebenshilfe Braunschweig so wichtig sind, dass sie eine Umfrage unter den Angehörigen vornehmen werden. Text: Peter Koch Vater, ehrenamtlicher Vorstand der Lebenshilfe Braunschweig und Vorsitzender des Angehörigenbeirates Wohnen VII „Ich kümmere mich schon um vieles allein“ Eine junge Frau unterwegs vom stationären zum ambulanten Wohnen O Nadine, wo bist Du aufgewachsen? Ich habe bis 2005 bei meiner Mama gewohnt. Nach ihrem Tod lebte ich bei meinem Vater und meinem Onkel in Braunschweig. Und wie bist Du zu der Lebenshilfe gekommen? Ich kam als Notaufnahme in die Wohnstätte Ziegelkamp. Dort hatte ich ein eigenes Zimmer. Hattest Du auch eine eigene Küche? Wir hatten eine große Gemeinschaftsküche und ein Gemeinschaftsbad. Und wie bist Du im Siegfriedviertel gelandet? Ich habe eine Ausbildung zur Hauwirtschaftlerin in der Lebenshilfe-Werkstatt Rautheim gemacht. Das war von 2010 bis 2012. Damals bin ich in eine 2er-Wohngemeinschaft in die Isoldestraße gezogen – erst zum Probewohnen und als es gut klappte, als feste Bewohnerin. Danach wechselte ich in das Lebenshilfe-Gebäude Mittelweg 67, das müsste im Mai 2011 gewesen sein. Das war eine 8er-WG. Das hat mir sehr gut gefallen. Das glaube ich, da ist immer eine Menge los. Und irgendwie bist Du ja auch hier geblieben. Stimmt, ich wohne jetzt aber alleine, mit meiner eigenen Küche und meinem eigenen Bad. Als die Wohnung im Dachgeschoss frei wurde, war für mich klar, dass ich dort rein möchte. Das war letztes Jahr, also 2015. Ich bin dort sehr selbstständig und kümmere mich um vieles alleine. O Wo siehst Du dich selbst, wenn Du in die Zukunft blickst? Ich möchte ambulant betreut werden, also eine eigene Wohnung haben, aber weniger Betreuung erhalten. Ich habe mit meiner Betreuerin abgesprochen, dass ich hier oben zwei Jahre wohnen bleibe, das ist ja fast wie ambulant. Alles Weitere ergibt sich dann in der Zukunft, ich möchte aber auf jeden Fall als Kundin in der Lebenshilfe bleiben, am liebsten auch hier im Siegfriedviertel. Was hast Du denn eigentlich nach Deiner Ausbildung in Rautheim gemacht? Ich arbeite jetzt auf einem ausgelagerten Arbeitsplatz der Lebenshilfe – und zwar in der Agentur für Arbeit. Dort betreibt die Lebenshilfe mit ihrem Menüservice die Kantine. Davor war ich in der Werkstätten Rautheim und Kaiserstraße. Dort habe ich auch mein Berufsvorbereitungsjahr in der Küche gemacht. Und ein dreimonatiges Praktikum in einer Gärtnerei gab’s auch noch. Weil ich aber mit Heuschnupfen allergisch reagierte, musste ich den Berufswunsch Floristin fallen lassen. Du bist ganz schön rumgekommen, Nadine. Ja – und mir hat alles sehr gut gefallen. Nun habe ich eine tolle Arbeit, denn Team und Kunden sind sehr nett, ich komme zur Ruhe, habe meine Freunde und meinen Freund. Das Interview mit Nadine Schaper führte Lisa Lübke Zur Person: Nadine Schaper Nadine Schaper hat zwei Mitbewohner – ihre Vögel Bubi und Tweety. „Die beiden sind wie meine Kinder“, meint die 30-jährige und so werden sie auch behandelt: verantwortungsvoll. Eine weitere Leidenschaft der jungen Frau ist das Lesen. „Harry Potter, Katzen, Wölfe – alle Bänder der Fantasyreihe ‚Warriorcats‘: Da tauche ich in eine andere Welt ab!“ Und weil sie das Lesen so gut kann und so gerne macht, versucht sie, auch andere dafür zu begeistern: „Wir haben in Siegfrieds Bürgerzentrum ein Computerprojekt. Ich helfe Gästen, die beim Lesen nicht so geübt sind, erkläre den Inhalt und versuche mit Fragen, ans Thema heranzuführen.“ „Immer noch ein bisschen mehr“ scheint der Leitspruch von Nadine Schaper zu sein. Nun möchte sie Schwimmen lernen und im Rechnen besser werden „Bei Uhrzeit und Geld hapert es noch“, meint sie, erklärt aber zugleich ganz stolz, dass sie beim Einkauf anderen auch helfen kann: „Ich lese zum Beispiel denen, die es nicht so können, das Haltbarkeitsdatum oder die Inhaltsstoffe vor.“ O Die Wohnung sauber halten: top! Ordnung halten: top! 30 Kilo abnehmen: top! Zielstrebig und ehrgeizig bringt Nadine ihr Leben auf ihre Spur – und verliert die anderen nicht aus den Augen. Lebenshilfe-Assistenz Lisa Lübke: „Nadine ist gesprächsbereit und hat in der Gruppe einen hohen Stellenwert. Sie ist zuverlässig und beliebt.“ O Text: Elke Franzen O O O O IV O Denk Deine Stadt – inklusiv... Wie lässt sich’s in Braunschweig leben, feiern, arbeiten? In einem groß angelegten Denk-und Diskussionsprozess ermuntert die Stadt ihre Bürger zu reflektieren, kreativ zu werden und mitzugestalten. Deshalb hat sich die Lebenshilfe Braunschweig an ihrem Aktionstag „Außer der Reihe“ intensiv mit der Stadtentwicklung auseinandergesetzt. Spannend war es in den Workshops, in denen vor allem Menschen mit Beeinträchtigung ihre Ideen für ein inklusives Braunschweig sammelten. · M V IHK-Sozialtransferpreis... "Gelebte Inklusion ist manchmal leichter gesagt als getan", meinte die Jury des IHK-Sozialtransferpreises und wür digte ein besonders gelungenes Projekt: Mit »Seitentausch« sei es der MAN Bus & Truck AG aus Salzgitter und der Lebenshilfe Braunschweig gelungen, Inklusion in der Berufsausbildung vorbildlich umzusetzen, hieß es. Während des »Seitentausches« arbeiteten Auszubildende der Lebenshilfe bei MAN auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gleichberechtigt mit. Im Gegenzug verbrachten MAN-Auszubildende einige Wochen bei der Lebenshilfe und lernten so auch, auf ungewöhnliche Art und Weise Vorurteile abzubauen. O M Phantasie und Performance... Es ging um Macht und Geld im 100Dollar-Club von TiG, um Augen_Blicke von Künstlern des Ateliers Geyso20, um Dirk Geffers Harz-Erinnerungen, um städtische Kunst hier und jetzt oder um ein Internationales Musikund Theater-Festival in Polen, bei der die esistso!company einen großen Auftritt hatte – Phantasie, Kreativität und Performance zum Schauen! E N T Schönes an schönen Orten... Manchmal ist es eine Design-Messe im alten Lokpark, bei der auch der Werkstattladen der Lebenshilfe eine ausgewählte Kollektion präsentiert und das Café Flora köstliche Leckereien bereitstellt – manchmal sind es kleine Konzerte oder der Geburtstagsbrunch unter den Gärtnerei-Palmen – das Flora-Team bietet Laune, Service und Wohlergehen! Grauer Bus als Mahnmal... Der Graue Bus, mobiles Denkmal für Euthanasieopfer des Nationalsozialismus, stand mehrere Monate in Braunschweig vor dem Schloss. Vor 75 Jahren fuhren die ersten grauen Busse die Menschen in Tötungsanstalten. Das Denkmal, die begleitende Ausstellung und Veranstaltungen in Braunschweig erinnerten an Verbrechen der Nationalsozialisten: Sie ließen mehr als 70.000 Menschen mit Behinderungen ermorden. In der Initiative Denkmal Grauer Bus engagierte sich auch die Lebenshilfe Braunschweig. Azubis machen sich stark... Die Lebenshilfe Braunschweig hat erstmals eine Jugend- und Auszubildendenvertretung. Diese vertritt die Interessen sowie die Rechte und Pflichten der Menschen mit Beeinträchtigung in der Beruflichen Bildung. Mario Gent und sein Stellvertreter Emmanuel Stängle versprachen, sich intensiv für die anderen Auszubildenden einzusetzen. O O IX E O O Mit uns ins Ziel... Es war eine Rekordzahl an Teilnehmern beim Braunschweiger Nachtlauf und mittendrin das große Team der Lebenshilfe Braunschweig mit knapp 100 gemeldeten Läuferinnen und Läufern am 3200-Meter-Start. Unterwegs waren Einzelläufer, Laufgruppen, Tandems mit Rollstuhlfahrern, die eifrig mitkurbelten, und sogar im Handbike ging es durch die Innenstadt. Initiiert hatte die sportliche Aktion der „Steuerkreis Betriebliche Gesundheit“ der Lebenshilfe, die Fangruppe setzte ebenfalls gewaltig Energie frei. · 2 VI Medaillen-Rausch in Los Angeles... Auf die Plätze, fertig, los – der Sprung aufs Treppchen! Mit drei Goldmedaillen verabschiedete sich Schwimmer Benjamin Weese, Mitarbeiter der Lebenshilfe Braunschweig, von den Special Olympics aus Los Angeles. Und auch Sportler Andrej Lamert landete auf den Medaillenrängen. Er sicherte sich Bronze beim Badminton-Einzel und im Mix mit Jaqueline Landsmann mit der Silbermedaille einen weiteren Erfolg. 0 1 Fleißige Müllsammler... Schon einen Tag vor dem "offiziellen" Stadtputztag machte sich ein Lebenshilfe-Team auf den Weg in seine Stadtumgebung. Zur Verfügung gestellt wurden Handschuhe, Greifer und Müllsäcke. „Alle sind mit Eifer noch in die letzte Ecke, zwischen Büsche und Hecken gekrochen, um Weggeworfenes aufzusammeln", erzählten die Teilnehmer. „Und man achtet auf das eigene Müllverhalten!“ Mehr als 16.000 Kinder, Jugendliche und Erwachsene folgten dem Aufruf der Stadt Braunschweig. 5 · · Budget für Arbeit... Sie hat hart dafür gearbeitet und nun ein Ziel erreicht: Linda Koch, in der Lebenshilfe Braunschweig zur Helferin im Kindergarten qualifiziert, erhielt einen unbefristeten Arbeitsvertrag über 39 Stunden und gehört jetzt fest zum Team des St. Bernward-Kindergartens in Salzgitter. Ein Netzwerk unterschiedlicher Kooperationspartner hat mit dem Fachdienst Betriebliche Integration der Lebenshilfe diesen Vertrag im Rahmen eines „Budgets für Arbeit“ möglich gemacht. Mut, Risikobereitschaft und Beharrlichkeit gehörten dazu. Jubiläum mit Perspektive... Seit 40 Jahren Arbeit? Seit 40 Jahren zufrieden mit der Arbeit? Mit dem Gefühl, genau den richtigen Arbeitsplatz für sich gefunden zu haben, freut sich Meike Oppermann über ein besonderes Jubiläum: Sie ist seit 40 Jahren in der Lebenshilfe Braunschweig beschäftigt. Als junge Frau mit Beeinträchtigung startete sie ihre Ausbildung im Bereich Hauswirtschaft, damals noch in einer kleinen Küche in der Kaiserstraße. Es folgten die große Küche, die Nähwerkstatt und Wäschepflege. „Die meiste Zeit aber war ich im Kindergarten. Und hier will ich für immer bleiben“, blickt Meike Oppermann zurück und voraus. Überraschungen... Geschenkideen und Gesprächspartner prägen seit Jahrzehnten den Weihnachtsmarkt der Lebenshilfe in Abbenrode. Doch auch das ganze Jahr über suchen engagierte Menschen Kontakt zu uns, bauen Brücken, spenden, stiften, unterstützen, fördern. Vielen Dank! O IX O · Zahlen, Daten, Fakten Lebenshilfe Braunschweig e. V. Der Verein Lebenshilfe Braunschweig ist einziger Gesellschafter der Lebenshilfe Braunschweig gemeinnützigen GmbH. Er wurde 1960 als Elterninitiative und Selbsthilfegruppe gegründet. Seine Mitglieder sind Menschen mit und ohne Beeinträchtigung, ebenso wie die Ehrenamtlichen. Vereinsmitglieder 913 Personen Ehrenamtliche 191 Personen Lebenshilfe Braunschweig gemeinnützige GmbH Die 1970 gegründete Lebenshilfe Braunschweig gemeinnützige GmbH ist Träger von Einrichtungen für Menschen mit Beeinträchtigung aller Altersgruppen. Hauptamtliche Mitarbeiter/innen Auszubildende (Altenpflege, Heilerziehungspflege, Verwaltung) Praktikanten/innen Freiwilligendienste Studentische Aushilfen Gesamt 548 7 6 24 22 607 Personen Personen Personen Personen Personen Personen Bereich Kinder und Familie Frühförderung Kindergarten Schulbegleitung Praxis für Physiotherapie Autismusambulanz Familienunterstützender Dienst Gesamt 43 66 32 112 192 126 571 Kinder Kinder Kinder und Jugendliche Kinder und Jugendliche Kinder und Jugendliche Kinder und Jugendliche Kinder und Jugendliche Bereich Arbeit sechs Werkstätten in Braunschweig und im Landkreis Wolfenbüttel Arbeitsbereich Berufsbildungsbereich Fördergruppen Gesamt 873 100 52 1025 Personen Personen Personen Personen Bereich Wohnen Wohnstätten Wohngruppen Ambulante Betreuung Seniorentagesstätten Gesamt 224 45 319 61 649 Personen Personen Personen Personen Personen Lebenshilfe Stiftung Braunschweig Die Lebenshilfe-Stiftung Braunschweig ist eine rechtsfähige Stiftung des bürgerlichen Rechts. Sie fördert wirksame Hilfen für Menschen mit Beeinträchtigung, deren Eltern und Angehörige. O Ansprechpartner Dr. Hans-Joachim Beinroth (Vorstand) Telefon 0531 4719 220 [email protected] Detlef Springmann (Geschäftsführung) Telefon 0531 4719 220 [email protected] Kerstin Hoffmann (Kinder und Familie) Telefon 0531 4719 214 [email protected] Dr. Laurenz Aselmeier (Wohnen) Telefon 0531 4719 218 [email protected] Ulrich Semmler (Arbeit) Telefon 0531 4719 203 [email protected] Kathleen Hülsebusch (Verwaltung) Telefon 0531 4719 222 [email protected] Lebenshilfe Braunschweig Kaiserstraße 18, 38100 Braunschweig Telefon 0531 4719 0 Spendenkonto Bank für Sozialwirtschaft Hannover IBAN DE42 2512 0510 0007 4810 01, BIC BFSWDE33HAN www.lebenshilfe-braunschweig.de Fotos: Elke Franzen (0), außer Anna Elmenthaler (I), Christine Garn (II), Sonja Lippke (III), Jonas Scheiffele (IV), Martin Slawig (V), Daniel Strobach (VI) sowie Fotolia (VII), MAN AG (VIII) und Lebenshilfe Braunschweig (IX) Konzeption und Redaktion: Elke Franzen, Lebenshilfe Braunschweig Gestaltung: Hinz & Kunst, Braunschweig Druck: Druckerei Lebenshilfe Braunschweig © Lebenshilfe Braunschweig gemeinnützige GmbH, 2016 O O POS IT IO N E N | 2016 www.lebenshilfe-braunschweig.de
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