Vorbemerkung Die Angestellten der rund 50 Kliniken leisten rund um die Uhr eine engagierte Arbeit zum Wohle der Patienten - nicht immer unter einfachen Bedingungen. Über 800.000 Behandlungen werden jährlich in den Berliner Krankenhäusern durchgeführt. Von dem umfangreichen stationären Versorgungsangebot profitieren neben den Berlinern auch die Brandenburger. Mit vier Standorten bietet die Charité Universitätsmedizin zudem Spitzenmedizin und Forschung, die landesweit und europaweit Anerkennung genießt. Der medizinisch-technische Fortschritt führt dazu, dass sich die Heilungschancen der Patienten verbessern und die Lebenserwartung steigt. Zugleich gilt auch für Berlin: Die leistungsfähige gute Patientenversorgung bleibt eine stetige Herausforderung. Sie kann nur zukunftsfest sein, wenn sie dem Bedarf der Berliner Bevölkerung entspricht und finanzierbar bleibt. Zudem muss sich die Krankenhausversorgung zukünftig stärker an der Qualität und dem Nutzen für die Patienten messen lassen. Die Landesvertretung Berlin und Brandenburg der Techniker Krankenkasse hat im Folgenden ihre Vorstellungen für eine Krankenhausversorgung im Jahr 2020 skizziert. Patientenorientierte Versorgung in der Region BerlinBrandenburg: Sektoren- und Ländergrenzen überwinden Im Laufe der Jahre hat sich in Deutschland ein leistungsfähiges Gesundheitssystem etabliert. Eines aber kommt in der medizinischen Versorgung allzu oft zu kurz: die konsequente Ausrichtung auf den Patienten. Bestehende Grenzen zwischen den Behandlungssektoren oder den Bundesländern binden wertvolle Ressourcen, die sich besser für die Behandlung einsetzen ließen. Im Sinne der Patienten wäre es deshalb geboten, diese Grenzen zwischen ambulanter und stationärer Behandlung abzubauen und die verschiedenen Bereiche stärker miteinander zu verflechten. Wie sehr die heutigen Versorgungsstrukturen an der Lebensrealität der Patienten vorbeigehen, lässt ein Blick in die Region Berlin-Brandenburg erkennen. Jedes der beiden Bundesländer erstellt einen eigenen Krankenhausplan, finanziert Investitionen in den Kliniken vor Ort und regelt Fragen der Krankenhaushygiene oder der Personalanforderungen in eigenen Landesgesetzen. Die Patienten richten sich aber nicht nach Landesgrenzen. 14 Prozent der Patienten in Berliner Krankenhäusern kommen aus Brandenburg. Im Gegenzug sind sechs Prozent der Patienten in märkischen Häusern eigentlich Hauptstädter. Angesichts dieser länderübergreifenden Patientenwanderungen wäre es nur konsequent, wenn Berlin und Brandenburg ihre Kapazitäten zukünftig enger abstimmen - besser noch - gemeinsam planen. Zudem sollte es hierfür künftig bundeseinheitliche Planungskriterien geben. Der Berliner Gesundheitssenator hat angekündigt, die Krankenhausplanung Berlins bis zum Jahr 2020 weiter mit Brandenburg zu harmonisieren. Mit dem Berliner Krankenhausplan 2016 soll ein gemeinsamer „Fachausschuss Krankenhausplanung der Gesundheitsregion Berlin/Brandenburg“ ins Leben gerufen werden. Das ist ein erster Schritt. Aus Sicht der TK sollte ab dem Jahr 2020 eine gemeinsame Krankenhausplanung beider Länder Realität sein. Die Vereinbarung Berlins und Brandenburgs über die Errichtung eines gemeinsamen klinischen Krebsregisters ist ein gutes Vorbild dafür. Klar aber ist: In beiden Ländern muss auch künftig eine hochwertige stationäre Versorgung zur Verfügung stehen. │1 Patientensicherheit: Berlin braucht mehr Qualitätstransparenz und eine stärkere Qualitätsorientierung Der Nutzen der medizinischen Versorgung für den Patienten hängt von der Qualität der Behandlung ab. Sie hat bislang jedoch nicht die Bedeutung, die ihr im Sinne der Patientensicherheit eigentlich zusteht. Seit Jahren sind die Kliniken dazu verpflichtet, Qualitätsdaten regelmäßig zu veröffentlichen. Die Berichte über Komplikationsraten nach Operationen sind für Laien aber meist schwer verständlich. Die Patienten brauchen laienverständliche Qualitätsinformationen. Eine grundlegende Reform der Qualitätsberichte ist folgerichtig. Bislang wird die Qualität weder bei der Vergütung medizinischer Behandlungen noch bei der Krankenhausplanung berücksichtigt. Das soll sich mit dem neu gegründeten Institut für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen ändern. Es soll Indikatoren für die Messung und Darstellung der Versorgungsqualität in der Krankenhausversorgung entwickeln. Das höchste Gremium der gemeinsamen Selbstverwaltung, der Gemeinsame Bundesausschuss, soll zukünftig verbindliche Qualitätsstandards überregional festlegen. Folgerichtig muss die Qualität bei der Krankenhausplanung eine stärkere Berücksichtigung finden. Mehr noch: Im Sinne der Patientensicherheit müssen sich die Entscheidungen Berlins für die Landeskrankenhausplanung daran orientieren. Viele Krankenhäuser sind sehr bemüht, interne Prozesse zu verbessern und eine hohe Qualität zu gewährleisten. Sie sollten über positive Anreize der Vergütung dafür belohnt werden. Qualitätszuschläge wären ein geeignetes Instrument, um einen qualitätsorientierten Wettbewerb zwischen den Krankenhäusern in Gang zu setzen. Mit einem behutsamen Einstieg in Selektivverträge zwischen Krankenhäusern und Kassen ließen sich darüber hinaus weitere Qualitätsanreize setzen. Es macht folglich Sinn, in einzelnen Leistungsbereichen, z. B. bei den ambulanten Krankenhausleistungen, das kollektive Vertragssystem um wettbewerbliche Elemente zu ergänzen. Die Patienten in der Hauptstadt können sich aktuell kein Bild über die Hygienesituation in den Kliniken machen. Die Pläne von Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe, Angaben zu Hygienestandards verpflichtend in die Qualitätsberichte aufzunehmen, sind daher überfällig. Wichtig ist hierbei, dass die Qualitäts- und Hygieneparameter so aufbereitet werden, dass sie für die Patienten leicht verständlich und übersichtlich sind. Erst dann können mündige Patienten für planbare Eingriffe die für sie passende Klinik auswählen. Für eine echte Hygienetransparenz braucht es zudem eine bundeseinheitliche Dokumentation, die für alle Einrichtungen verpflichtend ist. Keime machen nicht an Kliniktüren halt. Wirksame Hygieneregeln müssen deshalb Sektor übergreifend ausgestaltet sein. Die Hygieneverordnung Berlins muss auch für Pflegeinrichtungen gelten. Finanzierung der Krankenhausleistungen: DRG- und PEPPSystem konsequent weiterentwickeln In Deutschland vergüten die Krankenkassen Krankenhausleistungen über diagnosebezogene Fallpauschalen - den sogenannten DRGs. Mit der Einführung im Jahr 2003 sollte die Bezahlung leistungsgerechter erfolgen. Auch die Transparenz bei der Leistungserbringung sollte sich erhöhen. Diese Ziele sind, ungeachtet der anfänglichen Kritik, heute erreicht. Es gibt deshalb keinen Grund, von dieser Vergütungssystematik wieder abzukehren. Es spricht allerdings vieles dafür, die Vorteile auch für die psychiatrische Krankenhausversorgung nutzbar zu machen. Das pauschalisierte Entgeltsystem in der Psychiatrie (PEPP) ist ein erster Schritt hin zu einer Vergütung des tatsächlichen Behandlungsaufwandes. Zweifelsohne lässt sich die Güte des Entgeltsystems nach nur zwei Kalkulationsjahren verbessern. Das PEPP-System ist ein lernendes System, in dem sich bestehende Probleme sukzessive lösen lassen. Mit dem GKV-Finanzstruktur- und Qualitätsweiterentwicklungsgesetz hat der Gesetzgeber die Einführungsphase für das neue Entgeltsystem um weitere zwei Jahre verlängert. Besser wäre es gewesen, die Einführung des PEPP-Systems bis zum Jahr 2016 verbindlich umzusetzen. Es ist nur konsequent, die zusätzliche Zeit nun zu nutzen, um das Abrechnungssystem sachgerecht weiter zu entwickeln. Verbesserungsbedarf besteht beispielsweise bei der Durchlässigkeit zum ambulanten Behandlungssektor. Die psychiatrischen Institutsambulanzen (PIA) sollten deshalb in das PEPP-System integriert werden. Fest steht: Die Güte des DRG- und des PEPP-Systems hängt auch vom Engagement der beteiligten Akteure ab, die ihre Daten und Besonderheiten in die Kalkulationen einbringen müssen. │2 Investitionsfinanzierung: Berlin muss seine Verpflichtung langfristig besser erfüllen Zusätzlich zu den Einnahmen durch die Krankenkassen erhalten die Krankenhäuser von den Bundesländern Fördermittel für Investitionen. Seit Jahren aber kommen die Länder ihrer Investitionsverpflichtung nur ungenügend nach. Zurzeit beträgt der Anteil der Investitionsmittel bundesweit nur noch rund fünf Prozent der Betriebskosten der Krankenhäuser. Der tatsächliche Bedarf dürfte etwa doppelt so hoch sein. Bezogen auf das gesamte Bundesgebiet hat sich mittlerweile ein Investitionsstau von 30 bis 50 Milliarden Euro gebildet. Der Berliner Gesundheitssenator selbst beziffert den Investitionsbedarf für die rund 50 Krankenhäuser in der Hauptstadt auf jährlich 219 Millionen Euro. Im Landeshaushalt 2014 und 2015 hat der Senat hingegen nur 70 bzw. 77 Millionen Euro bereitgestellt. Es wundert daher nicht, dass Berlin im Investitionsvergleich der Länder für die Krankenhausversorgung im hinteren Feld liegt. Dass der Senat im Rahmen des Nachtragshaushaltes zusätzlich mehr als 100 Millionen Euro für die Charité und die anderen Krankenhäuser zu Verfügung stellt, ist anerkennenswert. Das allein reicht aber nicht. Das Land muss seine finanziellen Verpflichtungen im Sinne der Patienten auch mittel- und langfristig besser erfüllen. Durch die unzureichende Finanzierung von Investitionsmitteln sind die Krankenhäuser gezwungen, Erlöse aus allgemeinen Krankenhausleistungen (die eigentlich der Deckung ihrer Betriebskosten dienen) für notwendige Investitionen einzusetzen. Letztendlich ist das eine Quersubventionierung aus den Mitgliedsbeiträgen der gesetzlich Krankenversicherten. Mehr noch: Damit werden der Patientenversorgung wertvolle Mittel entzogen. Auf die allgemein ungenügende Investitionsfinanzierung reagieren die Kliniken zudem mit einer Ausweitung der Leistungen. Seit 2005 ist das vereinbarte Ausgabenvolumen der Berliner Krankenhäuser um über 40 Prozent gestiegen, die Behandlungsmenge zeitgleich um ca. 35 Prozent. Bereits heute erhält Berlin Konsolidierungshilfen zur Erreichung der strukturellen Nullneuverschuldung ab dem Jahr 2020. Das Land muss sein strukturelles Haushaltsdefizit bereits seit 2011 um jährlich zehn Prozent reduzieren. Ohne eine direkte oder indirekte Lösung des Bundes scheint die ungenügende Investitionssituation kaum lösbar zu sein. Sollten die Krankenkassen also künftig für einen Teil der Investitionsfinanzierung aufkommen, müssen Sie im Gegenzug mehr Mitsprache bei der Krankenhausplanung erhalten. Ein Modell für Berlin und Brandenburg - mehr Qualitätsorientierung und Effizienz in der Krankenhausversorgung Die Berliner Krankenhäuser versorgen 3,5 Millionen Hauptstädter und zahlreiche Patienten aus Brandenburg. Hochspezialisierte Leistungen - wie beispielsweise die Transplantationsmedizin - erbringen die Kliniken in der Hauptstadt bereits für die gesamte Region Berlin-Brandenburg. Beständige Weiterentwicklungen sind nötig, damit diese hochwertige medizinische Versorgung mit den vorhandenen Ressourcen auch künftig bereitgestellt werden kann. Die TK plädiert für die Einführung eines mehrstufigen Modells - ausgehend von arztentlastenden Strukturen bis zur Maximalversorgung und Hochleistungsmedizin. Eine neu definierte Grundversorgung soll auch künftig wohnortnah zur Verfügung stehen. Leistungen mit einem zunehmenden Spezialisierungsgrad sind auf der "nächst höheren" Versorgungsebene anzusiedeln. Damit ist eine stärkere Zentralisierung des spezialisierten Angebotes im Berliner Stadtgebiet verbunden. Das Ziel: Die Leistungen sollen mit einer höheren Effizienz und Qualität für die gesamte Region Berlin-Brandenburg erbracht werden. Konsequent wäre, wenn neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden nicht überall, sondern nur an ausgewählten Innovationszentren eingeführt würden. Brüche zwischen der ambulanten und stationären Behandlung schwächen die medizinische Versorgung und verschlingen unnötig Ressourcen. Die Stufen unterhalb der Spezialversorgung sollen deshalb für eine sektorale Zusammenarbeit geöffnet werden. Zur Vergütung von bestimmten Leistungen, die sowohl ambulant als auch stationär erbracht werden können, schlägt die TK die Einführung neu zu kalkulierender "Hybrid-DRGs" vor. Das sind Fallpauschalen, mit denen minderschwere Leistungen vergütet werden - unabhängig davon, ob sie ambulant oder stationär erbracht werden. Auch die Berliner Krankenhausplanung muss konkretere Vorgaben machen. Sie fokussiert bislang nur die Ebene der Fachgebiete. In einer gemeinsamen Planung Berlins und Brandenburgs im Jahr 2020 muss das spezialisierte Leistungsangebot der Krankenhäuser transparenter werden. Es spricht vieles dafür, künftig festzulegen, wo Spezialleistungen stattfinden sollen. Krankenhäuser sollten deshalb nach Fachgebieten mit Schwerpunktkompetenzen ausgewiesen werden. │3 Impressum: Herausgeber: Techniker Krankenkasse Landesvertretung Berlin und Brandenburg Verantwortlich: Susanne Hertzer Telefon: Telefax: 030 245474 030 24547500 E-Mail: Internet: Twitter: [email protected] www.tk.de/lv-berlin www.twitter.com/TKinBerlinBB │4
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